Dauer:
Zeitraum:
Entfernung:1400 Kilometer
Bereiste Länder:tjTadschikistan

Tadschikistan 2017 – Über Südroute, Bartang-Tal und Wakhan

Die Idee
Dieses Jahr war es endlich soweit, wir waren in Tadschikistan! Lange hatte das Land schon auf unserer Liste der Wunschziele gestanden – letztes Jahr hatten wir schonmal recht konkret geplant, mit unseren Freunden Micha und Claudia den Pamir-Highway zu fahren, haben dann aber doch gekniffen weil uns die Reise in ein Land quasi ohne medizinische Versorgung und mit Reisehöhen von über 4000 m dann unter den gegebenen Umständen doch noch etwas heikel erschien. Micha und Claudia haben dann letztes Jahr die klassische Tour über Nordroute und M41 nach Osch gemacht und wir haben Islands Pisten abgefahren. Nun, der Gedanke saß weiter fest im Kopf und dieses Jahr haben wir dann gedacht, wir versuchen es – abbrechen kann man immer noch. Ich stöberte durch Reiseberichte und Blogs und mich zog es besonders ins Bartang-Tal, Bernd wollte unbedingt das Wakhan Tal abfahren – und wenn sich der Zorkul-See noch einbauen ließe, wäre das perfekt. So reifte die Idee: Start der Tour in Duschanbe, Fahrt über die Südroute und dann über das Bartang-Tal zum Karakol-See und zurück über die M 41 und Wakhan nach Khorugh – und sollte es die Zeit noch erlauben, entlang des Zorkul-Sees. Von Khorugh wollten wir dann mit dem Auto zurück nach Duschanbe fahren. Sollten wir in akute Zeitnot geraten, wäre so im Wakhan Tal die Chance auf eine Mitfahrgelegenheit sicher höher, als wenn wir andersrum fahren würden und das Bartang-Tal am Ende hätten. Micha und Claudia überlegten nur kurz – da sich die Route quasi komplett von ihrer letztjährigen Route unterschied, entschieden Sie sich auch nochmal in den Pamir zu reisen.
Wir buchten die Flüge nach Duschanbe und sitzen Mitte August im Flieger. Dass wir nicht die einzigen sein würden, die in Tadschikistan unterwegs sein werden war uns im Prinzip schon klar, wird aber ganz besonders deutlich, als wir die Gepäckverladung am Flughafen Istanbul beobachten – 3 (!) Gepäckwagen voller Fahrräder, 20 Räder werden im Bauch des Flugzeugs verstaut.



Die Südroute – 20.08.-28.08.
Für die ersten beiden Nächte haben wir Unterkunft im “Hello Duschanbe” Hostel gebucht. Die Kartons, das hatten wir uns vorab bestätigen lassen, können wir dort für die Dauer der Reise einlagern. Wir werden vom Flughafen abgeholt und so kommen wir mit Gepäck, Rädern und auch den Kartons unkompliziert bis zur Unterkunft. Den nächsten Tag stromern wir durch die Stadt, versuchen uns an die Hitze zu gewöhnen. Die Stadt macht auf uns einen recht sauberen und aufgeräumten Eindruck, hübsch mit vielen Grünanlagen, mehr oder weniger gut sortierten Einkaufszentren und einem Bazar, auf dem es quasi alles zu kaufen gibt.







Am nächsten Morgen dann ist es endlich soweit – es geht los. lach
Zunächst ist die Strecke noch recht befahren, da die Straße aber breit ist und genug Ausweichmöglichkeiten bietet, ist es doch relativ entspannt zu fahren. Zunächst noch flach, aber bald schon zieht sich der erste Anstieg nach oben.



Irgendwie war ich noch gar nicht drauf eingestellt, dass es gleich am ersten Tag so nach oben geht – dementsprechend langsam komm ich voran. Ich hab das Gefühl, ich kleb am Asphalt fest, na das kann ja noch heiter werden….
Naja, wie das meist ist bei Anstiegen, die Aussicht entschädigt.



Auf der Südroute gibt es zwei Tunnel, die die Möglichkeit bieten, die Passspitzen abzukürzen. Wir entscheiden uns, beide Tunnel zu umfahren. Zum einen bieten die alten Passstraßen deutlich weniger Verkehr und schöne Aussicht und wir sind noch so voller Tatendrang, dass uns die zusätzlichen Höhenmeter nicht schrecken.
Der erste Pass ist bald geschafft, und auf der Abfahrt haben wir alle so einen Spaß, dass wir erst mal an unserem Abzweig vorbeirauschen und 5 km in die falsche Richtung weiterfahren. Irgendwann fällt es uns dann doch auf und wir eiern etwas gequält zurück. Naja, immerhin erstehen wir auf dieser Extraschleife an einem Straßenstand gefühlte 10 kg Äpfel, können unsere Wasserflaschen auffüllen und Bernd und Micha bietet sich Gelegenheit für ein Wettrennen mit einem kleinen Reiter.





Der Rest des Tages ist Abfahrt, - Asphalt Abfahrt! Jetzt rollt es super. Nach gut 70 gefahrenen Kilometern erreichen wir Karatosch. Dort werden wir angesprochen, ob wir Fisch kaufen möchten – nö, eigentlich nicht, aber einen Schlafplatz könnten wir bald brauchen, es wird langsam dunkel. Ob wir wohl zelten könnten? Da haben die Jungs, die uns angesprochen haben eine bessere Idee und bieten uns für kleines Geld ein Taptschan direkt am See an. Wir zögern nicht lange und beenden unseren ersten Radeltag an diesem entspannten Plätzchen.





Entspannt schon, allerdings nicht ruhig – von der nahen Straße hören wir die ganze Nacht die Autos und LKW, es ist ziemlich laut.
Den nächsten Morgen geht es dann auf zum nächsten Pass – 4 km bergauf auf der Hauptstraße, dann können wir auf die alte Passstraße abbiegen und kurbeln uns bei 40°C langsam den Berg hoch. Es geht langsam voran, aber heute läuft’s bei mir schon deutlich besser als gestern.
Unterwegs bekommen wir diese Kerne geschenkt – wobei, wir sind nicht ganz sicher, was man davon nun isst, ob die Schale oder den Kern, besonders schmackhaft ist weder das eine noch das andere:



Am späten Mittag erreichen wir die Passhöhe, wo ein Tadschike wortreich auf uns einzureden beginnt. Wir verstehen nur Bruchstücke, aber nach diversen Wiederholungen wird uns klar, wir stehen 2 km vor der seiner Meinung nach wichtigsten Sehenswürdigkeit von Tadschikistan- einer hochgeheimen, russischen Atomraketenbasis! Nun, dass wir schließlich diese wichtige Sehenswürdigkeit nicht in unseren Reiseplan aufnehmen hat mehrere Gründe – wir sind uns nicht ganz sicher a) ob hochgeheime Militärgelände geeignete Fotomotive abgeben, b) ob wir wirklich einen Ort an dem Atomraketen stationiert sind aus der Nähe sehen wollen aber vor allem c) ob wir weitere 2 km bergauf radeln wollen – wobei, nein, c) gibt letztlich den maßgeblichen Ausschlag für unsere Ablehnung. Wir rollen also auf der anderen Passseite wieder nach unten, unterbrochen von diversen Fotostopps mit Ausblick auf den Norak See.







Der Rest des Tages ist mehr oder weniger Abfahrt oder eben und wir kommen gut voran. Bloß die Hitze macht uns sehr zu schaffen. Ich weiß nicht, wie viel Liter Wasser und Saft wir in uns rein schütten, aber ich schätze es dürften so 6-7 gewesen sein und es waren immer noch deutlich zu wenig. Unsere Zelte schlagen wir am Abend einige Kilometer hinter Danghara etwas abseits der Straße an einem kleinen versumpften Flüsschen auf.
Die ersten beiden Pässe sind gemeistert, vor uns liegt jetzt zunächst mal eine weite Ebene, die sich allerdings als wesentlich hügeliger erweist, als sie auf der Karte erscheint. Es ist heiß, trocken und karg – nahezu jeder Laden am Wegesrand wird von uns angesteuert, um den Flüssigkeitshaushalt aufzufüllen.







In Hulbuk stoppen wir für das heutige Kulturprogramm. Hier gibt es eine wiederaufgebaute Zitadelle. Das dazugehörige Museum ist geöffnet und wir bekommen eine umfangreiche und interessante Führung des Museumsdirektors, der hier quasi sein Leben lang die Ausgrabungen begleitet hat.



Sehr anschaulich erklärt er uns die Funktion der Fundstücke:



Und zum Abschluss gibt es Blumen und ein Tüchlein als Geschenk für die Damen:



Weiter geht’s durch Baumwollfelder nach Kulob, wo wir noch mal eine kurze Tee- und Einkaufspause einlegen.



Einen Zeltplatz finden wir nur wenig später in einem kleineren Ort auf einem Brachgelände am Fluß. Als wir fragen, wo wir zelten können bekommen wir dieses perfekte Plätzchen gezeigt, sichtgeschützt durch eine Mauer und mit sprudelnder Quelle wo wir ausgiebig duschen und Wäsche waschen können.



Am nächsten Tag steht uns der nächste Anstieg bevor. Es ist wieder heiß und langsam kurbeln wir bergan.



Wir passieren eine große Kaserne mit viel Militär – wir nähern uns offensichtlich der Grenze. An einem Bäumchen im Schatten machen wir Pause. Neben uns sitzen 4 Kinder. Bernd bietet ihnen von unseren Keksen an, die sie nur sehr zögerlich annehmen. Und gleich laufen sie los um uns 2 Melonen zu schenken. Wir sind verblüfft und würden uns gern revanchieren – aber außer ein paar trockenen Keksen wollen sie von uns nichts nehmen.
Weiter geht es bergan – das Bernd hier über sicherlich 2 km schummelt und sich von einem LKW ziehen lässt, wollen wir hier mal nicht weiter vertiefen… zwinker



Weniger später als wir am Straßenrand pausieren hält neben uns ein LKW – der Fahrer reicht uns eine Melone raus, streckt den Daumen hoch und fährt weiter. Das ist heute Melone Nummer 3… Noch besser dann kurz später: ein Wagen mit drei gut gelaunten jungen Männern hält an. Die üblichen Fragen – where are you from, where do you go und dann ein weiteres Geschenkangebot, ein kleines Plastikbriefchen mit irgendeiner grünbraunen Substanz drin. Wir lehnen dankend ab. Dass kurz später ein Polizeiauto vorbeifährt ist sicher Zufall gewesen. träller

Der Pass ist erreicht und die Aussicht schon schön:



Kurz hinter dem Pass erreichen wir unseren ersten GBAO Kontrollposten, an dem die chinesischen LKW Schlange stehen.



Unser Visum, Permit und Pass sind in Ordnung und so rollen wir jetzt Richtung Panj, dem Grenzfluss zwischen Tadschikistan und Afghanistan.
Und was sich uns jetzt auf den nächsten Kilometern bietet, kann man wohl nur als spektakulär bezeichnen. Auf einer frisch asphaltierten Straße rollen wir nun der afghanischen Grenze entgegen, und das Tal das sich vor uns öffnet verschlägt uns den Atem. Es ist in den Bilder nur sehr kümmerlich wiedergegeben, was sich um uns herum als Kulisse aufgespannt hat.



Wir stoppen und staunen – für mich gehören die Ausblicke auf dieser Abfahrt zu den beeindruckensten der ganzen Reise:





In den Orten stürzen uns die Kinder entgegen „HelloHello, what’s your name? How are you?” Oder auch mal „How old are you?“ Und häufig mit Äpfeln oder Birnen als Geschenk. Eine solche Welle der Neugier, Freundlichkeit und Herzlichkeit haben wir selbst auf unseren bisherigen Reisen in Zentralasien noch nicht erlebt.



Wir rollen noch einige Kilometer weiter bevor wir auf einer Wiese in der Nähe von Kisht abseits der Straße unsere Zelte aufschlagen.
Am nächsten Morgen geht es dann weiter entlang des Panj – und die Eindrücke des Vortages werden noch übertroffen. Für mich beginnt eine Zeit des Radelns und Staunens, die Berge, die um uns herum im steiler aufwachsen, der Fluss, die Menschen und die Einblicke auf das Leben auf der anderen Flussseite in Afghanistan machen diesen Strecke sehr besonders. Die Eindrücke dieses Abschnitts hallen in mir bis heute nach.












Kinder baden mit LKW-Reifen im Panj


Blick nach Afghanistan

Mittags passieren wir eine Kantine, die hier die Soldaten der nahen Kaserne zu versorgen scheint. Es wird grade Plov gekocht und wir bekommen auch eine Portion und lümmeln uns noch eine Weile auf dem Taptschan im Schatten rum, bevor wir weiterfahren. Kurz später passieren wir die Stelle, an der vor wenigen Monaten die Straße durch einen Erdrutsch zerstört worden war. Nicht nur die Straße. Wie wir später auf unserer Rückfahrt erfahren wurde auch der Ort komplett zerstört und den Menschen wurden 20 km weiter neue Häuser gebaut.



Ich weiß nicht, wieviele Kinderhände wir an diesem Tag geschüttelt haben, wie oft die Fragen „Where are you from, where do you go, what’s your name und how are you?“ beantwortet haben.



Am Abend fragen wir in einem Dorf, ob wir unsere Zelte in einer kleinen Gartenparzelle aufstellen dürfen. Kein Problem, und kurz später bekommen wir noch zwei Kinderarme voller Tomaten und Paprika gebracht. Wir heben uns das Gemüse für morgen auf, trinken Kwas, liegen im Gras und schauen in den unglaublichen Sternenhimmel.



Am nächsten Tag erreichen wir das Ende der Alphaltstraße. Ab jetzt wird der Asphalt nur noch ein sehr seltener Begleiter auf unserer Reise sein.
Auf Piste geht es die letzten 30 km bis Qala-i-Khumb. Die Strecke bleibt spannend


Unterbrechung der Straße auf der afghanischen Seite – hier geht es nur mit dem Schlauchboot weiter



In Qala-i-Khumb füllen wir unsere Vorräte auf und rollen weiter. Das Tal weitet sich etwas und ist nicht mehr ganz so spektakulär wie gestern. Auf leichtem auf und ab geht es über die teilweise schmale Piste gut voran.





Am Abend finden wir einen schönen Platz für unsere Zelte auf einer Wiese unterhalb einer Kaserne, direkt am Fluss. Wir kochen unser Gemüse vom Vorabend und krabbeln in die Schlafsäcke. In der Nacht dann geht es los – zuerst bei Bernd, dann bei mir – das was wohl jeden trifft, der durch Tadschikistan reist. Am Morgen liegen wir platt wie die Fliegen im Zelt und sind zu keiner Bewegung fähig. So verbringen Micha und Claudia den Tag damit, uns mit Tee und Brühe zu versorgen (Danke nochmal! schmunzel ) während wir unsere Reiseapotheke plündern. Immerhin kommen am Mittag noch zwei Reiseradler aus Belgien vorbei, so haben wenigstens Micha und Claudia etwas Unterhaltung während ich lethargisch im Schatten hänge und Bernd den Tag verschläft. Gegen Nachmittag geht es dann bei mir langsam wieder, Bernd wird erst am Abend wieder munterer. Wir verbringen eine weitere Nacht an diesem hübschen Platz und sind dann am folgenden Tag aber glücklicherweise wieder startklar. Woran es lag? Keine Ahnung, wir haben zwei Schokoriegel in Verdacht, die Bernd und ich gegessen haben, die wie Dämmmaterial aussahen und wie Tapetenkleister schmeckten, aber ob es die wirklich waren? Jedenfalls sind wir ab diesem Tag noch etwas aufmerksamer bei der Kontrolle der Verfallsdaten auf Lebensmitteln.

Weiter geht’s entlang des Panj nun Richtung Rushan, von wo wir dann in’sBartang-Tal abbiegen wollen. Die Straße ist schlecht, staubig und es geht immer wieder auf und ab. Mit den noch etwas wackeligen Beinen strampeln wir durch den Tag, die Landschaft bleibt aber spektakulär und entschädigt für den ein oder anderen Anstieg.






gekühlte Getränke







Einen schönen Platz für die Zelte finden wir auf einer kleinen Anhöhe abseits der Straße.

Fortsetzung folgt…