Dauer:1 Monat, 13 Tage
Zeitraum:5.11.2008 bis 17.12.2008
Entfernung:1692 Kilometer
Bereiste Länder:myMalaysia


Fast ein Jahr ist es nun schon her, daß ich in Malaysia unterwegs war. Solange die Erinnerungen noch einigermaßen frisch sind, werde ich versuchen, sie in einen Reisebericht zu packen. Diesmal vielleicht, wie offenbar üblich, als Fortsetzungsgeschichte.

Teil 1: Kuala Lumpur – Melaka

5. November 2008
Flug Erding – Dubai
10 km


Noch herrschen auch in heimatlichen Gefilden strahlender Sonnenschein und überraschend angenehme Temperaturen. Aber wie lange noch? Das Fernweh ruft, viel Gutes habe ich bereits über Südostasien gehört, das muß ich mir doch selber einmal ansehen.
Ich radle also zum Flughafen in Erding, der Radweg macht einige Schleifen, nähert sich dem Terminal dennoch nicht sehr entschlossen, aus der Beschilderung werde ich auch nicht recht schlau, frage mich dann aber durch und schaffe es doch noch. Das Verpacken mit Kartons und Luftpolsterfolie klappt gut, auch das Aufgeben des Fahrrads ist dann kein Problem, der vereinbarte Sportgepäckszuschlag von 140,- Euro für Hin- und Rückflug wird am Emirates-Schalter ohne weitere Diskussion eingehoben, und am frühen Nachmittag kann's losgehen.
Der Flug ist angenehm, wenn auch unspektakulär, erst kurz vor der Landung überfliegen wir ausgedehnte Wüstenstädte, deren Lichter in der Nacht futuristisch funkeln. Um Mitternacht Ortszeit landen wir in Dubai.


Am Flughafen von Dubai



6. November 2008
Flug Dubai – Kuala Lumpur
KLIA (Kuala Lumpur International Airport) – Salak Tinggi – Sepang – Sungai Pelek – Bagan Lalang
54 km


Um drei Uhr morgens geht’s weiter. Nachdem wir die Lichter der Städte an der Küste des Oman unter uns zurückgelassen haben, versuche ich, etwas zu schlafen. Sehr gut gelingt mir das beim Fliegen nie, irgendwo über dem Ozean wache ich wieder auf, es ist früher Morgen. Später genieße ich die Aussicht auf Südindien. Dann wieder Ozean, einige kleinere Inseln.
Am frühen Nachmittag Ortszeit taucht rechts Sumatra auf, von dichten Wolken verhüllt. Wie wird das Wetter auf meiner Tour werden?
Nach der Landung klappt auch alles wunderbar. Mit dem Aerotrain geht es vom Terminal zum Hauptgebäude, wo mein Fahrrad wohlbehalten ausgeliefert wird. Auch alle möglichen Besorgungen lassen sich hier erledigen: ich hebe Geld ab, kaufe Landkarten und einen malaysischen SIM-Chip für das Handy – letzterer ein echtes Schnäppchen, für 8,50 Ringgit, also nicht einmal 2,- Euro.
Ich setze mich erst einmal hin und überlege mir die nächsten Schritte. Nachdem ich alles Nötige am Flughafen bekommen habe, kann ich, wie geplant, Kuala Lumpur erst einmal links liegen lassen und direkt Richtung Südosten loslegen.


Der „Aerotrain“ am Flughafen in Kuala Lumpur

Jetzt verlasse ich den Flughafen, trete hinaus in ein für mich neues Land, eine neue Region; es ist meine erste (längere) Radtour in den Tropen, ich bin schon sehr gespannt. Nach dem klimatisierten Flughafengebäude wirkt die Luft draußen erst einmal schwül und warm, aber es ist nicht unangenehm heiß. Das Gebäude des Flughafens ist beeindruckend, Vögel kreischen unter den Dächern, rundum tropische Pflanzen.


Flughafenmoschee

Ich setze mich aufs Rad. Allein, aus der direkten Fahrt Richtung Südosten wird erstmal nichts. Es gelingt mir nicht, das Gewirr von Hauptstraßen mit denen auf der soeben erworbenen Landkarte zur Deckung zu bringen, die Straßennummern scheinen einfach nicht zu stimmen, und nach einer Ehrenrunde am Flughafengelände nehme ich die einzige, autobahnartige Straße, die von dort wegzuführen scheint. Wegweiser gibt es nur nach Kuala Lumpur, und die kleinen Straßen, die es laut Karte geben sollte, sind nicht zu finden. Endlich erreiche ich eine Tankstelle und kann nach dem Weg fragen. Aber entweder ist die Erklärung unrichtig oder ich interpretiere die Antwort falsch, jedenfalls mache ich einen gewaltigen Umweg.
Erst, als die B20 abzweigt, weiß ich, wo ich bin. In einem weiten Bogen radle ich also nordöstlich um den Flughafen herum. Immerhin kann ich den Weg jetzt nicht mehr verfehlen. Die B20 ist stark befahren, aber am breiten Seitenstreifen geht es ganz gut dahin. Dennoch bin ich froh, als ich dann auf die B48 nach Süden abzweigen kann, hier ist der Verkehr auch noch stark, aber die Dimensionen sind humaner. Und als dann noch die Sonne herauskommt und ihre abendlichen Strahlen auf den Ort Salak Tinggi schickt, bin ich wieder in Hochstimmung.
Wenig später schauen dann zur Rechten die Flughafengebäude ärgerlich nahe über den Palmwipfeln hervor und ich überquere jene Straße, die mir, hätte ich sie gefunden, den größten Teil des bisherigen Weges, etliche Kilometer, erspart hätte. Egal, ich genieße die Fahrt durch die hügelige Gegend, in der Palmenhaine dominieren, und beschließe, bis Sepang zu radeln. Um sieben nämlich geht die Sonne unter, und dann wird es mit tropischer Geschwindigkeit dunkel.
Sepang ist auch ein größerer Ort, aber die Suche nach einem Nachtquartier gestaltet sich etwas mühsam. Ich frage ein paar Passanten, werde aber aus den Antworten nicht recht schlau, bis ich schließlich die Auskunft erhalte, es gebe hier kein Hotel oder Gästehaus.
Also gut, dann muß ich halt im Dunklen weiterradeln; was auch nicht so schlimm ist, denn immerhin ist es jetzt sehr angenehm temperiert. In Sungai Pelek sagt man mir, daß es erst in Bagan Lalang Unterkünfte gebe, und setze meinen Weg also auf einem schmalen, gewundenen Sträßchen fort. Das mir empfohlene Hotel kann ich dann zwar nicht identifizieren, man rät mir aber, einfach am Strand zu übernachten. Was ich auch tue.
Vorher gehe ich noch essen, versuche ein malaiisches Gericht, nasi goreng ayam, etwas scharf gewürzter Reis mit Hendlstücken, trinke dazu sirap bandung, einen rosafarbenen Saft, der mir so gut schmeckt, daß ich noch zwei Gläser davon bestelle. Ich bin mit meinem Fahrrad auch gleich die Sensation des Lokals, und alsbald haben sich alle Familienmitglieder und Angestellten um mich versammelt. Leidlich Englisch kann niemand, aber mit dem bißchen Malaiisch, das ich mir vor der Reise versucht habe anzueignen, komme ich erstaunlich weit und kann einige der Fragen beantworten.


7. November 2008
Bagan Lalang – Sungai Pelek – Kampung India – Sungai Nipah – Chuah – Kampung Kuala Lukut – Kampung Kebun Jimah – Lukut – Port Dickson – Sirusa – Teluk Kemang
58 km


Ich lasse den Tag mit einem gemütlichen Frühstück in einem der kleinen Restaurants am Strand beginnen, es gibt nasi lemak, wieder ein malaiisches Reisgericht.
Gegen zehn breche ich auf. Auf meiner Karte gibt es eine größere Straße, die durch ein forest reserve der Küste entlang nach Südosten führen soll. Trotz intensiver Suche finde ich sie nicht, insbesondere nicht die Brücke über den Sungai Sepang. Nachfragen ergibt, daß eine solche nicht existiert; ich müsse auf der Hauptstraße zurück bis Sepang. Man deutet aber an, es gebe auch eine Fähre von Sungai Pelek.


Indischer Tempel in Sungai Pelek

Ich radle also zurück. Kaum schaue ich in Sungai Pelek etwas suchend herum, sprechen mich drei Polizisten an. Ich frage sie nach dem Weg, und wieder wollen sie mich nach Sepang zurückschicken. Das kommt für mich nicht infrage, es wäre ein Riesenumweg bis dort; nach einigem Insistieren meinerseits geben sie schließlich zu, daß es die Fähre gibt, und da sie es für unmöglich halten, mir den Weg dorthin zu beschreiben, eskortieren sie mich auf ihren Motorrädern hin. Das ist natürlich sehr nett von ihnen, und als wir nach einigem Gekurve durch den Ort schließlich auf eine schmale Piste zwischen den Palmen abbiegen, ist mir klar, daß ich den Weg ohne sie tatsächlich nie und nimmer gefunden hätte.


Meine Motorradeskorte

Es wird sich während meiner Reise immer wieder zeigen, daß mich die Leute, nach dem Weg befragt, grundsätzlich über möglichst hochrangige Straßen schicken wollen, egal wie absurd der Umweg für einen Radfahrer wäre. Oft muß ich lange nachfragen, ob es nicht doch eine kürzere Verbindung gibt, bis man damit herausrückt. Der Grund dafür ist mir nicht ganz klar, ich nehme an, weil das am wenigsten Erklärungsaufwand erfordert. Oder weil man die kleinen Straßen für zu schlecht erachtet? Es hilft, so stelle ich fest, nicht nach Städten zu fragen, sondern nach kleineren Ansiedlungen, Dörfern etc., die näher liegen.


Am Sungai Sepang

Diesmal habe ich aber mit Hilfe meiner Eskorte das Flußufer erreicht. Es ist ein uriger Platz. Mangroven säumen den Fluß. Mit dem Auto kommt man hier wohl nicht hin. Die kleine Fähre aber quert unermüdlich den Sepang, um die zahlreichen Motorradfahrer ans andere Ufer zu bringen. Auch ich setze über und erreiche somit den Bundesstaat Negeri Sembilan.


Auch ich fahre mit der Fähre über den Sungai Sepang


Auf einer Piste geht es weiter

Drüben ist es nicht weit bis nach Kampung India. Das Dorf scheint, im Gegensatz zu seinem Namen, vor allem von Chinesen bewohnt zu sein. Aufschriften und Dekorationselemente sind hier chinesisch. Überhaupt fasziniert mich schon jetzt das bunte Völkergemisch in Malaysia, das auch das Straßenbild prägt. Oft trägt ein und derselbe Laden Aufschriften in mehreren Sprachen: Malaiisch in Lateinschrift, Chinesisch, Tamilisch, und manchmal arabische Zeichen, vor allem an muslimischen religiösen Gebäuden. Vielfältig abwechselnd natürlich auch Moscheen, buddhistische Tempel, Hindutempel, ab und zu Kirchen.


Chinesischer Tempel in Kampung India

Was mir auch auffällt: es gibt auch in kleinen Dörfern fast überall einen Kinderspielplatz, und zwar vom Standard her durchaus mit unseren zu vergleichen. Überraschend fand ich auch die an vielen Straßenkreuzungen angebrachten, ausgedruckten Zettel, die auf Hochzeitsfeiern hinweisen. Die könnten bei uns genauso hängen. Die Welt als globales Dorf?
Wieder auf Asphalt erreiche ich die Küste bei Chuah, einem langgestreckten Straßendorf mit zahlreichen kleinen Gemischtwarenhandlungen. Nach einem Einkauf radle ich an der Küste weiter, komme ins beschauliche Kampung Kuala Lukut, wo dann aber abrupt Schluß ist, weil die in der Karte eingezeichnete Brücke über den Lukut Besar – ein Déjà-vu? – wieder einmal nicht existiert.
Hier scheint es auch keine Fähre zu geben, wohl, weil die nächste Brücke nicht gar zu weit ist.


Boote in Kuala Lukut

Laut Karte scheint es eine Abkürzung zur Hauptstraße zu geben. Versuchshalber biege ich in die Piste ein. Ein Glücksgriff. Nicht, weil ich mir viel erspart hätte, sondern, weil dieser Weg recht abenteuerlich wird. Es geht durch Palmenhaine, windet sich zwischen den Pflanzungen dahin. Nach passieren eines Schrankens komme ich an einer Art Fischfarm vorbei; Schaufelräder reichern ein großes Becken mit Sauerstoff an. Noch ein Schranken, dahinter ist der Weg unpassierbar. Muß ich umkehren? Ich schiebe das Rad durch, bald kann ich wieder fahren, erneut Palmenhaine, und dann habe ich die N4 erreicht.


Flaggen: vorne Malaysia, hinten Negeri Sembilan

Jetzt ist es weniger reizvoll, aber immerhin ist auch die N5, auf die ich bald wieder stoße, hier nicht mehr autobahnartig wie am Vortag. Es ist jetzt Mittag vorbei und wird nun doch heiß. So bin ich froh, als ich dann Lukut erreiche, eine größere Ansiedlung mit unzähligen Geschäften, Werkstätten, Industriebetrieben etc. Mich lacht ein Obstgeschäft an, ich erwerbe eine kleine Ananas, die ich an Ort und Stelle esse. Mmmh. Unwahrscheinlich saftig, reif und süß. Köstlich. Ob mir je wieder die Ananas, die man zu Hause bekommt, schmecken werden?
Weit ist es nicht bis Kota Lukut, einem Fort aus dem 19. Jahrhundert zur Überwachung des Zinnhandels. Zu meiner Enttäuschung ist außer ein paar Mauern und Zisternen nichts erhalten.


Dürftige Mauerreste der Kota Lukut

Überraschend angenehm ist aber das angeschlossene Museum: neben einem Raum über traditionelles Handwerk gibt es einen über die Geschichte von Negeri Sembilan, sehr ausführlich, aber interessant. Auch ist die Temperatur hier sehr erfreulich.


Das Museum in Lukut

Gut erholt radle ich weiter. Lukut geht quasi ungebrochen in Port Dickson über, den Vorort des Bezirks (Daerah). Eine häßliche Stadt. Viel Industrie. Hatte ich an der Spitze des Kaps zumindest eine Art Stadtkern erwartet, so gibt es auch den nicht. Völlig uninteressant, das Kaff. Einzige „Sehenswürdigkeit“ ist die stillgelegte Bahnlinie, deren Schranken noch die Gleise absperren.


Arbeitsloser Bahnschranken in PD

Ich halte mich nicht länger auf, fahre an der Küstenstraße weiter nach Süden. Der Verkehr ist hier stärker, es ist zwar nicht schön, aber nicht ganz so häßlich wie die Nordeinfahrt; einige riesige Hotelburgen – für Wochenendausflügler aus Kuala Lumpur ist dies der nächstgelegene Strand –, aber ab und zu auch nettere Abschnitte mit hohen Bäumen. Im Licht des späten Nachmittags, bei angenehmen Temperaturen, radelt es sich herrlich, und ich bin bester Laune.
Bis Teluk Kemang fahre ich noch, bekomme dort ein Zimmer im Kong Ming Hotel. Spartanisch, aber völlig ausreichend und viel menschlicher dimensioniert als die Klötze vorher. Es liegt etwas abseits der Straße, direkt am Meer, die Brandung rauscht stärker als der Verkehr. Ich gehe als erstes schwimmen, nehme ein Wellenbad im Meer, während die Sonne untergeht und der Mond leuchtet. Anschließend gehe ich essen, diesmal chinesisch, Garnelen und süß-sauren Fisch; für malaysische Verhältnisse zwar sehr teuer, aber ausgezeichnet. Nach diesem höchst abwechslungsreichen Tag bin ich sehr zufrieden über meine Entscheidung, in Malaysia radzufahren.


Mein Hotel in Teluk Kemang: ich habe das Zimmer mit Meerblick links oben


8. November 2008
Teluk Kemang – Tanjung Tuan/Cabo Rachado – Pasir Panjang – Kampung Telok – Pasir Panjang forest reserve – Kampung Telok – Pasir Panjang – Kampung Sungai Raya – Kampung Tanjung Agas – Kampung Bukit Darat – Kota Kuala Linggi
40 km


Ich stehe spät auf – offensichtlich habe ich die Zeitumstellung noch nicht ganz „verdaut“ – und spaziere zunächst am Strand entlang, esse bei einem der Essensstände mee goreng, gebratene Nudeln.


Strandleben in Teluk Kemang

Bis zu meinem ersten Ziel ist es nicht weit. Die Küstenstraße führt an einigen weiteren Hotels vorbei, dann ist bald die Abzweigung zum Tanjung Tuan erreicht. Über einige Hügel und hinter einem Luxushotel geht es zum Eingang des Waldschutzgebietes. Eine sehr steile Straße zieht bergan. Immerhin ist es hier schattig, denn hohe Bäume bilden ein fast geschlossenes Blätterdach. Ich will eine Wanderung machen und sperre das Fahrrad nach einiger Zeit an ein Geländer.
Bis zum Leuchtturm ist es nicht mehr weit. Der ist ein beeindruckendes Bauwerk, das sich auf der Spitze des Hügels aus dem Urwald erhebt. Angeblich hatten schon die Portugiesen, als sie im 16. Jahrhundert die Gegend eroberten, auf dieser Halbinsel, die sie Cabo Rachado nannten, einen Leuchtturm errichtet. Nach der Erneuerung durch die niederländische Ostindienkompanie bauten schließlich die Briten im 19. Jahrhundert das heutige Gebäude.


Der Leuchtturm auf Tanjung Tuan/Cabo Rachado

Dort beginnt ein Waldlehrpfad, der durch den Urwald auf die Südseite des Kaps hinunterführt. Schautafeln erklären verschiedene Aspekte des Ökosystems.


Urwald am Tanjung Tuan

Zwischen den gewaltigen Stämmen hindurch – die Baumkronen befinden sich in schwindelnden Höhen über mir – wandere ich auf dem steilen Pfad abwärts, viele hohe Stufen gilt es zu überwinden, und dann plötzlich erreiche ich das Meer. Eine idyllische Bucht mit weißem Sandstrand – wie aus einem Südseepiratenfilm.






Südseeimpressionen

Wie schade, daß überall eine Menge Müll herumliegt, vor allem leere Plastikflaschen. Ich spaziere herum, erforsche die Umgebung und gehe dann schwimmen, um mir in der Mittagshitze eine (begrenzte) Abkühlung zu verschaffen.


Ananasartige Frucht

Später steige ich wieder hinauf und treffe einen Einheimischen, der sich als „Ranger“ vorstellt und sich nicht davon abbringen läßt, mir den weiteren Weg zu zeigen. Was nicht nur unnötig ist, sondern auch etwas nervig, denn er weist dauernd auf Selbstverständlichkeiten hin, wie „dort drüben ist das Meer“ oder „das ist ein Baum; auf der Tafel steht der Name des Baumes“ und stellt immer wieder dieselben Fragen, als hätte ich sie nicht schon x-mal beantwortet. Ich will nicht unhöflich sein, versuche, mir die Wanderung durch den ebenfalls sehr schönen Ostteil der Halbinsel nicht verderben zu lassen, und immerhin führt er mich dann auf einem schwer zu findenden, mühsamen Pfad durch den Urwald zu einem Aussichtspunkt.
Es ist drei Uhr vorbei, als ich weiterradle. Jetzt ist die Gegend weniger dicht besiedelt, die Küstenstraße schmaler als zuvor und damit gemütlicher, doch wird auf vielen Kilometern bereits an der Verbreiterung gebaut. In Pasir Panjang kann ich mir endlich etwas zu trinken kaufen, ich bin schon fast verdurstet.
Durch Kampung Telok, ein wohlhabendes Dorf mit luxuriösen Villen, erreiche ich das Waldschutzgebiet von Pasir Panjang. Nebst einer hübschen Aussicht von einer Klippe aufs Meer gibt es hier wieder einen Pfad durch den Wald. Sofort stürzen sich Massen von Moskitos auf mich, lassen sich aber vom eiligst aufgetragenen Insektenmittel davon abhalten, weitere Attacken zu fliegen.


Urwaldriesen im Waldschutzgebiet von Pasir Panjang


Einsame Fischerhütte draußen im Meer

Meine Weiterfahrt endet wenig später am Tor eines Unicampus. Obwohl die Karte wieder einmal eine befahrbare Küstenstraße vorgaukelt, bestreiten die Wärter deren Existenz. Ich muß also zurück nach Pasir Panjang und auf die Hauptstraße. In Kampung Sungai Raya gelange ich an eine Kreuzung, leider ohne Wegweiser. Da die Masse der Autos aber nach rechts abbiegt, bin ich zuversichtlich, daß es diesmal wohl eine Brücke oder Fähre geben wird, denn laut Karte bin ich nicht mehr allzuweit vom Sungai Linggi entfernt.
So radle ich bester Laune bei angenehmen Abendtemperaturen durch hübsche malaiische Dörfer, als mir plötzlich das Unangenehmste passiert, was mir bislang auf meinen Radtouren widerfahren ist: auf gerader Strecke steht ein Motorradfahrer am Straßenrand, wartet, bis ein paar Autos und Motorräder vor mir vorbei sind und fährt dann genau so los, daß er mich rammt. Ich stürze natürlich und erwarte, daß ich jetzt ausgeraubt werde. Überraschenderweise schnappt er sich aber weder meine Kamera noch sonst irgendwelche Wertsachen, und ich versuche in Panik, so schnell wie möglich wegzukommen. Zum Glück halten sich die Schäden und Verletzungen in Grenzen – ein paar Abschürfungen an Füßen und Armen, eine Platzwunde über dem rechten Auge, meine Brille ist verbogen, der Lenker des Fahrrads ist rasch wieder gerade gestellt – und ich sehe zu, daß ich ins nächste Dorf komme. Verfolgt werde ich nicht, der Motorradfahrer scheint wieder zu warten.
Mir bleibt der Vorfall mysteriös. Ich gehe von einer bewußten Attacke aus, zu eindeutig muß mich der Kerl gesehen haben, aber warum hat er mich dann, als ich lautstark seine „Hilfe“ ablehnte, in Ruhe gelassen? In Kampung Tanjung Agas gibt es leider weder eine Polizeistation noch eine dieser ruralen Sanitätszentren, aber nette Leute versorgen mich mit Wasser zum Waschen und helfen mit, die Wunden zu desinfizieren und zu verbinden. Meine Erste-Hilfe-Box kommt erstmals zum Einsatz. Gut, daß ich sie mithabe.


Hatte weniger Glück als ich

Deutlich gedämpfterer Stimmung setze ich meinen Weg fort. Tatsächlich gibt es eine große Brücke, und so ist die Überquerung des Sungai Linggi kein Problem. Ich erreiche den Bundesstaat Melaka. Wieder komme ich durch hübsche Dörfer mit malerischen malaiischen Häusern und erreiche schließlich die Landspitze bei der Festung Kuala Linggi. Die Besichtigung muß bis morgen warten.


Malaiisches Haus in Kuala Linggi

Ich überlege mir zu zelten, habe mir auch schon einen Platz ausgesucht, entdecke dann aber auf der Suche nach einem Restaurant zahlreiche Privatzimmer, kann, angesichts der vorgerückten Stunde, den Preis für eines davon auf ein erträgliches Maß herunterverhandeln und quartiere mich ein. Zum Essen muß ich recht weit fahren, habe es dafür dort dann gemütlich, und sitze anschließend noch lange auf dem Balkon meines Zimmers, im lauen Abendwind mit Blick über das Meer und gebe meiner Seele Zeit, den Schrecken von vorhin zu überwinden. Die Aussicht wird leider etwas dadurch getrübt, daß genau in Luv einige Malaien dem hierzulande offenbar beliebten abendlichen Hobby nachgehen, irgendwelchen Unrat zu verbrennen; der Rauch zieht natürlich genau zu mir …


Abendlicher Blick über die Straße von Melaka


Letztes Abendrot – bald fällt die tropische Nacht herein



9. November 2008
Kota Kuala Linggi – Kampung Bukit Darat – Kampung Tanjong Serai – Kampung Tanjong Dahan – Kampung Tengah – Kampung Hilir – Kuala Sungai Baru – Kampung Baru – Kampung Teluk Gong – Kampung Sungai Tuang – Pengkalan Balak – Kampung Tanjong Bidara – Kampung Balik Batu – Kampung Solok Duku – Kampung Pulau Semut – Sungai Udang – Kampung Baru Sungai Udang – Kampung Sungai Udang – Kampung Tangga Batu Kecil – Kampung Paya Luboh – Kampung Solok Tangga Batu – Kampung Pantai Kundor – Kampung Tanah Merah Jaya – Kampung Pengkalan Perigi – Kampung Balik Bukit – Kampung Tanjung Kling – Kampung Batang Tiga Barat – Kampung Blebang Besar – Kampung Limbungan – Kampung Sembilan – Melaka
69 km


Wieder schlafe ich schlecht, kann lange nicht einschlafen. Immer noch die Zeitumstellung? Ich habe mir diesmal den Wecker gestellt, um den ungünstigen Rhythmus endlich zu durchbrechen.
In der Früh schaue ich mir noch die Reste der holländischen Festung an. Wieder gibt es außer den Grundmauern nicht viel zu sehen. Man sieht von hier aber schön hinüber nach Sumatra. Schwarze Gewitterwolken kommen von dort herüber, die Donner grollen. Ich beschließe zu radeln, solange die Sonne noch scheint, und erst zu frühstücken, wenn der Regen mich eingeholt hat.
Das passiert in Kuala Sungai Baru, ich rette mich in den nächsten Laden, wenig später prasselt ein heftiger Regenschauer nieder.


Fischerboote am Sungai Baru

Die Weiterfahrt gestaltet sich überraschend positiv: in meiner Karte ist die Küstenstraße als braune Linie eingezeichnet, das waren bisher oft kaum zu findende, üble Feldwege. In Wirklichkeit handelt es sich aber um eine ausgezeichnete Asphaltstraße, die oft direkt an der Küste entlang, manchmal ein paar Meter im Landesinneren durch entzückende Orte führt. Wieder fällt mir auf, wie gepflegt die Häuser und Gärten sind. Die Häuser sind auf Luftzug angelegt, mit Veranden, großen Fenstern und Türen. Auch in den kleinsten Dörfern fahren viele Leute moderne Autos.


Hübsches Haus in Kampung Baru


Und noch eines, in Teluk Gong

Ab Pengkalan Balak ändert sich der Charakter: der folgende Küstenstreifen ist eine fast durchgehende Badestrandzone, aber ohne die häßlichen Großhotels wie südlich von Port Dickson, sondern auf einheimische Urlauber ausgerichtet. Daher gibt es Unmengen von „Chalets“, kleinen Gasthäusern, Restaurants, Essensbuden, und weil Sonntag ist, ist die Gegend auch ordentlich frequentiert. Viele malaiische Familien sitzen im Schatten der Bäume, die fast die ganze Küste säumen. Alles macht einen sehr entspannten Eindruck. Die Straße ist schmal, gut zu befahren, sicher das angenehmste und schönste Stück meiner Fahrt bisher, meine Wunden vom Vortag scheinen passabel zu verheilen, und ich bin wieder bester Laune.


Boote am Strand von Pengkalan Balak


Hier gibt es ein Problem …

Ab und zu endet die Küstenstraße doch als Sackgasse, dann gibt es aber immer eine Parallelstraße, die durch die Dörfer verläuft. Bei Tanjung Bidara wird der Strand selber, der bisher schmal und ziemlich langweilig war, auch etwas attraktiver, große Granitfelsen im Meer sorgen für etwas Abwechslung.


Der Strand in Tanjung Bidara


Und noch ein hübsches Haus dortselbst

Nun folgt aber doch eine negative Überraschung. Die Hauptstraße endet vor einem Militärlager. Die Wächter weisen mich nach rechts hinunter, das sei der Weg nach Melaka. Ist er aber nicht. Schon nach wenigen Metern endet die Straße bei einem Strandbad. Also zurück und in der Mittagshitze wieder den Berg hinauf. Aber dann? Ich muß natürlich um die Militärzone inkl. -flugplatz herum, aber auch dann scheint es keine Straße in die richtige Richtung zu geben.
Ich frage ein Pärchen auf einem Motorrad, sie sprechen leidlich Englisch. Nachdem sie mich zuerst wie üblich einen großen Umweg schicken wollen, erklären sie mir dann doch die Abkürzung, aber jedenfalls gebe es keine Küstenstraße, ich müsse auf die Hauptstraße nach Masjid Tanah, was laut meiner Karte ziemlich genau in die Gegenrichtung liegt.
Wie auch immer, es hilft nichts, ich quäle mich in der Hitze eine lange Steigung hinauf. Oben gibt es einen großen Obststand, der offenbar die Produkte der Plantagen in der Umgebung verkauft. Ich mache also eine Vitaminpause und ermittle durch Befragung des Verkäufers alle geographischen Informationen, die aus ihm herauszubekommen sind. Offenbar hat meine Landkarte in dieser Gegend absolut keine Verbindung zur Realität, die eingezeichneten Straßen sind reine Phantasie. Immerhin erklärt er mir, daß ich nicht ganz bis Masjid Tanah muß, ich kann an der nächsten Ampel Richtung Sungai Udang abzweigen.
An der Ampel stelle ich fest, daß ich daß ich wieder die Hauptstraße Nummer 5 erreicht habe, und von der M143 komme; letztere ist zwar die Straße, die ich hatte fahren wollen, aber gemäß der Karte wäre die viel weiter südlich auf die 5 gestoßen. Zumindest weiß ich jetzt, wo ich bin, in Kampung Solok Duku. Die 5 ist, wie immer, stark befahren, führt aber in die richtige Richtung und schon bald durch einen schönen, dichten Wald. Eine große Agame läuft vor mir zwischen die Bäume davon.




Im Hutan Rekreasi Sungai Udang

Bald habe ich den Hutan Rekreasi Sungai Udang erreicht, einen Erholungswald mit Picknickplätzen, Erklärungstafeln und einem Rundweg durch den Urwald; weniger spektakulär als auf Tanjung Tuan, aber dennoch nett.


Lotosblüten in einem Teich

Als ich weiterfahre, komme ich wieder an einer „tropical fruit farm“ vorbei, die an der Straße einen großen Verkaufsstand hat, betreut von zwei jungen, netten Chinesinnen. Ich lasse mir ein paar Früchte erklären und esse dann eine Jambu; erinnert in der Konsistenz und auch geschmacklich ein wenig an Kohlrabi.
Ich folge der N5 durch eine endlose Kette von Dörfern, zweige dann aber, in Tangga Batu, nach rechts ab, um wieder die Küstenstraße zu nehmen. Obwohl ich zunächst große Anlagen der Ölindustrie passiere, ist das doch eine gute Wahl, denn schon bald radle ich wieder am Strand entlang. Es dauert nicht lange, und ein langgezogener Markt voller Standln säumt die Straße. Hier ist kaum ein Weiterkommen, aber mit dem Fahrrad geht es.


Nicht sehr einladend zum Schwimmen: Industrieanlagen in Pantai Kundor


Sehr nett dafür die Bootshäuser in Tanah Merak

Fließend geht das alles in die Vororte von Melaka über. Jetzt ist die Strecke weniger attraktiv, aber es ist ja nicht mehr weit. Ich bleibe noch bei der Moschee von Tengkera stehen, wo man gerade zum Abendgebet ruft. Auch hier ist man völlig entspannt, ich plaudere eine Weile mit einem der Gläubigen. Der Bau ist in einem interessanten Mischstil errichtet.
Ich fahre nach Melaka hinein und tue mich zunächst etwas hart, das Eastern Heritage Hostel zu finden, das mein Reiseführer empfiehlt. Es ist völlig unauffällig, aber ich bereue die Wahl dann nicht: freundliche Betreiber, günstige, aber saubere Zimmer, Platz für mein Fahrrad. Paßt.
Ich gehe diesmal indisch essen. Es schmeckt wieder so gut, daß ich viel zu viel esse. Anschließend werde ich noch Zeuge einer hinduistischen Zeremonie: nach der Schließung entzündet der Besitzer auf der Schwelle ein kleines Feuer, wohl um das Lokal für die Nacht zu reinigen.
Ich fahre noch ein bißchen durch die Stadt. Am Sungai Melaka sind die Uferpromenade und ein kleiner Vergnügungspark mit blauen und gelben Lämpchen beleuchtet – enorm kitschig, aber irgendwie beeindruckend. In Chinatown hinwiederum sind die Häuser einheitlich rot angestrahlt, was auch interessant wirkt.






Kitschiger geht’s kaum: Uferpromenade am Sungai Melaka in Melaka


Fortsetzung folgt