Dauer:18 Tage
Zeitraum:17.5.2012 bis 3.6.2012
Entfernung:750 Kilometer
Bereiste Länder:itItalien


Nachdem wir im vergangenen Jahr am Ende unserer Tour durch den Süden Italiens am Ätna gelandet sind, hatten wir von Sizilien ja nur ein kleines Stückchen kennengelernt. So entstand der Wunsch, noch mehr von dieser wunderbaren Insel zu sehen. Mit ein paar Leihgaben aus gpsies, ein paar Teilstrecken vom Kettler und ein paar Tipps aus Reiseführern habe ich einen kleinen Rundkurs geplant, der uns von Catania quer durch die Monti Iblei zur Südküste führen sollte. Danach sollte es entlang der Westküste bis Trapani, weiter durchs Inselinnere nach Palermo und zum Schluss querdurch über Bronte am Ätna zurück nach Catania gehen. Ein paar Tipps vom alten Globetrotter aus Weimar hatte ich meinem Lieblingsreiseführer, der „Italienischen Reise“ entnommen. Mal sehen, ob sich in 225 Jahren viel verändert hat.

Zu Himmelfahrt soll es los gehen. Am Abend vorher besorge ich mir einen Leihwagen, um die verpackten Räder zum Flughafen zu schaffen. Die Dame am Schalter bemerkt, dass mein Ausweis seit Februar abgelaufen ist. Kurz vor 18 Uhr ist da wohl auch nicht mehr viel zu machen. Eigentlich wollte ich Katastrophen-Thomas keine Konkurrenz machen. Ach was, Augen zu und durch. Im Auto rufe ich zu Hause an … mein Reisepass geht noch bis Oktober … plumps.

Der Vorabend-Check in geht reibungslos. Am nächsten Morgen mit ÖPNV zum Flughafen. Das sollte eigentlich unser letzter Start von TXL sein – so mit Abschiedsfoto und so - Rückflug am Eröffnungstag von BER ... Beim Einstieg halte ich einen kleinen Schwatz mit dem Verlademeister, klar, die Räder sind mit dabei, keine Sorge!

Der Flug verläuft sehr ruhig, meist wolkenfrei, schöne Aussichten auf die bunte Republik, das bisschen Österreich ist in wenigen Minuten erledigt und schon sind wir in Italien. Wir überfliegen die weißgepuderten Dolomiten …



… dann kommt die Lagunenstadt, leider genau unter uns. Nach ein paar Minuten sind wir über dem Po-Delta, hier der Po di Venezia, gleich hinter Porto Tolle. Da unten rechts sind wir 2008 entlang gefahren.



Nun folgen Rimini, San Marino, eine Weile geht es quer über den Stiefel. Dann kommt Neapel mit dem Vesuv, Pompej, Capri, gleich danach die Liparischen Inseln. Der Stromboli liegt etwas im Dunst. Nun nähern wir uns der sizilianischen Nordküste. Die Flugroute verfolge ich auf meinem Navi. Alles sieht gut aus, Anflug von Norden, wunderbar! Beste Position für ein paar Fotos vom Mongibello!

Zeit für die nächste Katastrophe. Wir überfliegen gerade die Küste, noch 20 Minuten bis zur Landung, da zieht das Fluggerät plötzlich stark nach links. Darauf die Durchsage aus dem Cockpit: Wegen starken Windes ist der Flughafen Catania geschlossen, wir werden in Lamezia Terme landen. Da wir im letzten Jahr dort vorbei gefahren und noch ein paar Koordinaten im Navi übrig geblieben sind, weiß ich ungefähr, wo das ist. Das war’s mit Sizilien … und schon sind wir über dem Stretto:



Nach ca. 20 Minuten – jetzt müsste eigentlich die Ankündigung zur Landung kommen – legt sich das Flugzeug in eine scharfe Rechtskurve. Nach gut 135° Richtungswechsel geht es wieder normal weiter. Erst danach kommt die Ansage, dass der Wind jetzt etwas friedlicher weht und Catania wieder empfängt. Über Aspromonte und Stiefelspitze fliegen wir Richtung Sizilien. Mit ordentlicher Schaukelei und magenhebendem Achterbahngefühl geht es nun abwärts. Die Landung ist sanft … Katastrophe beendet. Das Ganze hat nur gut 30 Minuten Verzug eingebracht.

Jetzt noch eine Stunde auf das Gepäck warten. Die Radtaschen spuckt das Band natürlich zuletzt aus, danach werden die Radkartons ausgeliefert. Nun noch ein bisschen basteln und pumpen, dann kann es losgehen. Mit ein paar Grad mehr als zu Hause und bei Sonnenschein fahren wir los. Mit Ätna-Hintergrund …



… fahren wir zu einer Tankstelle für den finalen Reifendruck, tanken ordentlich Wasser, trinken unseren ersten caffè und erreichen fast pünktlich unser Hotel, unmittelbar zwischen Landebahn und Küste. Da der Flugbetrieb 22.30 Uhr beendet wird, stört er nicht weiter. Eigentlich wollten wir heute noch 30 km fahren. Da die Gesellschaft mit den rotweißen Flugzeugen jedoch mehrfach die Flugzeiten verschiebt, bleibt heute keine Zeit mehr dafür. Dann müssen wir morgen eben etwas mehr strampeln. Die ersten Kilometer sind ohnehin nur flach.



Bis Lentini kennen wir den Weg vom Vorjahr, als wir nach Siracusa gefahren sind. In Lentini stocken wir unsere Vorräte auf. Dieses Mal wollen wir uns aber weiter ins Hinterland, in die Monti Iblei, wagen. Eine kleine Reparatur zwingt zur kurzen Pause in einer Landschaft mit ewig dampfendem Hintergrund:



Nun geht es stetig bergauf. Die hügelige Landschaft ist wunderbar, aber wir sind noch nicht richtig im Tritt. Fast ohne Unterbrechung geht es mit 3 bis 6 % bergauf, manchmal auch mit 9 %. Dafür ist unser Motor heute nicht ausgelegt, also müssen wir öfter mal tief Luft holen.



Auf 25 km gibt es keine Bar, keinen Alimentari und die Wasservorräte gehen langsam zu Ende. Glücklicherweise finden wir einen öffentlichen Brunnen, so dass wir die Flaschen nachfüllen können.



Auf 820 m Höhe erreichen wir endlich Buccheri. Um den Marktplatz herum gibt es ein paar Bars und Läden. Wir suchen uns ein Plätzchen im Schatten, sitzen auf einer Couch vor der Bar, verfolgen das Treiben auf dem Platz und gleichen den Flüssigkeitsverlust mit Cola und caffè aus. Ein paar Stück Kuchen mit viel Creme können auch nicht schaden.



In der Hoffnung auf eine schöne Abfahrt verlassen wir die Stadt. Aber mit ein paar Serpentinen geht es erst einmal weiter bergauf, vorbei an einer der vielen unvollendeten Bauruinen. Baugeld zu Ende? Rest für die Villa vom Paten?



Nun schrauben wir uns noch auf 900 m hoch, dann wird es richtig schön. Mit fast 10 km langer rasanter Abfahrt geht es hinab auf 530 m, bevor wir mit finaler Bergwertung (auf 700 m) die kleine Barockstadt Palazzolo Acreide erreichen. Auf der unvermeidlichen Via Roma geht es in die Stadt.



Nach 77 km mit 1166 Höhenmetern sind wir total kaputt, machen 2 Stunden Mittagschlaf, im Hintergrund läuft der Tiwu mit dem Giro. Irgendeiner hat gewonnen … Am Abend landen wir in einer Trattoria, sind die einzigen Gäste und müssen dafür sämtliche Vorräte vertilgen. Zu der Antipasti-Platte für eine Person hätten wir noch ein paar Leute einladen können.

Am nächsten Morgen drehen wir noch eine Runde durch die Stadt, bevor wir uns auf den Weg nach Ragusa machen. Die Landschaft ist leicht wellig. Da die Landstraße nach Giarratana für den Durchgangsverkehr gesperrt ist, ist es auch sehr ruhig.



Die Ursache der Sperre erweist sich als kleiner Erdrutsch, für Cinquecento und Fahrräder kein Problem.



Manchmal fühlt man sich fast heimisch. Bauernhöfe mit Viehställen wechseln mit kleinen Siedlungen. Diese Szene könnte man eigentlich auch auf dem Weg nach Usedom antreffen:



Hinter Giarratana fahren wir auf der ruhigen SS 194 am Stausee des Irminio vorbei. Anschließend sehen wir zahlreiche Schilder entlang der Straße, die vor plötzlich auftretendem Hochwasser in der Flussaue warnen. Ragusa erreichen wir nach nur 37 km. Die Stadt besteht aus den beiden topografisch getrennten Teilen Iblei und Superiore. Iblei liegt etwas niedriger, hat aber weniger Hotels zu bieten. Die letzten 110 Höhenmeter von der Bahnstation bis Iblei genügen uns aber. Bei der Hotelsuche sollte man aber nicht zu sehr die Reisekasse im Blick haben. Nach der Mittagsruhe mit Giro-Untermalung machen wir uns auf den Weg durch die überwiegend gut restaurierte Barockstadt mit mittelalterlichem Stadtplan und teils engen, steilen Gassen. Wir beschränken uns aber auf Iblei und schauen uns die Treppe nach Superiore nur aus respektvollem Abstand an. Zum Abendbrot genügt uns heute das Bruschetta-Sortiment aus der Bar am Dom, eine gute Gelegenheit, bei einem Glas Wein das Treiben auf dem Corso zu beobachten. Eine Hochzeitsgesellschaft kommt gerade aus dem Dom. Der Brautvater, offenbar ein hoher Offizier mit bunter Uniform, wendet besondere Sorgfalt zugunsten seines Säbels auf, ein bisschen wie Operette …

Abends zeigt der in sizilianischen Beherbergungsstätten inzwischen obligatorische Flachbildschirm das CL-Endspiel Bayern – Chelsea … ach, lassen wir uns den Urlaub nicht verderben!



Am nächsten Morgen erwartet uns eine schöne Abfahrt zur Küste. Zunächst geht es weiter durch das Irminio-Tal entlang der Bahnstrecke. Am Sonntag-Vormittag sind wie immer zahlreiche Rennradler unterwegs. Freundliches buon giorno, ciao, salve, wie immer. Das Maglia Rosa fährt heute mal hinterher.



In der barocken Schokoladenstadt Modica herrscht am Tage des Herrn reger Verkehr, weniger Kirchbesuch, eher Einkaufstour, sehen und gesehen werden. Auf dem Corso Umberto hat man jedenfalls keine Eile und lässt uns freundlich passieren. Auch einige Touris besuchen die UNESCO-Weltkulturerbe-Stadt. Ich schöpfe Hoffnung. „Giornale tedesco? - Niente“. Schon in Ragusa gab es nur die Analphabetenzeitung mit den großen Bildern.



Nun fahren wir weiter entlang dem Modica-Fluss bergab Richtung Meer, erst gemächlich bis Scicli, dann immer schneller auf breiter werdenden Straßen. In Donnalucata machen wir Mittagspause am Strand. Die Cola hole ich aus der Bar gegenüber, panini und Gemüse hatten wir uns unterwegs besorgt. Die Saison ist noch lange nicht in Sicht. Deshalb sieht es hier noch etwas unaufgeräumt aus. Dank stetig blasendem Wind breitet sich der Strand über Fußweg und Straße aus.



Uns begegnen zwei deutsche Radler (ein Ehepaar). Gerade Rentner geworden, sind sie nach Palermo geflogen. Jetzt fahren sie mit dem Rad nach Hause am Oberlauf der Donau. Wir tauschen noch ein paar Tipps zu Routen und Übernachtungen aus und wünschen uns eine gute Weiterfahrt. Wir haben ordentlichen Rückenwind, so dass wir auf der nur leicht hügeligen Uferstraße gut vorankommen. Die Fahrt geht zunächst durch ein paar wenig belebte Feriensiedlungen und später durch ausgedehnte Gewächshauslandschaften. Man sieht nur Straßen und Gewächshäuser voller Tomaten, Gurken und Auberginen, ab und zu mal einen Wegweiser und ab und zu das Meer.



Kurz vor Scoglitti begegnen wir wieder einer der typischen Umweltsünden des Mezzogiorno, die wir schon in Apulien oder in Kalabrien beobachtet haben. Straßen und Feriensiedlungen werden mitten in die Dünen gebaut.



Die Natur wehrt sich ein bisschen dagegen, indem sie den Sand auf die Straße und zwischen die Ferienhäuser treibt. Da hat doch wenigstens der Schneepflugfahrer einen sicheren Arbeitsplatz.



Im Hintergrund ist schon Scoglitti zu sehen. Wir kurven ein wenig herum und finden nach 66 km ein Hotelzimmer con vista sul mare.



Wir begeben uns zum abendlichen Corso. Zunächst aber geht es am kleinen Hafen vorbei. Der Verkauf des Tagesfangs durch die Fischer des Ortes ist leider schon beendet. Die Boote liegen verlassen, die Verkaufstische sind leer.



Eine grande schermo ist aufgebaut, es läuft Diskomusik. Uns fällt auf, dass viele Menschen eher weniger nach italienischen Wurzeln aussehen. Der jahrhundertelange arabische Einfluss ist in Scoglitti gut spürbar. Immerhin sind wir hier ja auch etwas südlicher als in Tunis.

Wir kommen später nochmal vorbei und sehen das italienische Pokalendspiel Neapel gegen Turin. Zur Halbzeit steht es 0 : 0, wir wollen im Hotel-TV weiterschauen, können aber keinen unverschlüsselten Sender unter den gefühlt 500 Sky-Kanälen finden. Das Ergebnis 2 : 0 für Neapel lesen wir erst am nächsten Morgen in der Zeitung.



Am folgenden Tag fahren wir zunächst auf küstennahen Nebenstraßen, wieder durch riesige Gewächshauslandschaften, fast ohne Ansiedlungen. Eine Straßensperre droht mit großen Umwegen. Kurze Nachfrage bei den Bauarbeitern: Kein Problem für Radfahrer! Also weiter ohne Umweg. Der Erdhaufen und der Bauzaun sind für Autos unüberwindbar. Wir aber dürfen den Zaun ein wenig beiseite heben. Wir teilen uns die Arbeit mit einer Gruppe französischer Rennradler, die 1.000 km Sizilien in 10 Tagen schaffen wollen. Dabei wird dreisprachig munter drauflos parliert, wobei mein Französischanteil nahe Null liegt. Die Franzosen verstehen aber Italienisch ganz gut. Der Rest geht auf Englisch. Immerhin wird viel gelacht. Auch der 65-jährige italienische Reiseleiter ist gut drauf und macht ein paar Späße.



Leider müssen wir nun auf die SS 115, die in dieser Gegend mangels Autobahn recht stark befahren ist. Große Chemiebetriebe kündigen die Stadt Gela an, laut Reiseführer ein Ort „ungezügelter Kriminalität“. Wir bleiben auf der Staatsstraße, die am Zentrum vorbei durch die ausgedehnte Neustadt und eine endlose Kette von mobilen Verkaufsständen führt. In den Kreisverkehren und an den Kreuzungen hilft ein selbstbewusster Auftritt, dann gibt es keine Probleme. Danach folgt eine etwas hügelige offene Landschaft. Die Plantagen lassen immerhin ein paar Lücken. Bei Falconara beobachten wir die Melonenernte.



Wir nähern uns wieder dem Meer, aber die grandiosen Ausblicke werden doch etwas vom starken Verkehr eingetrübt. Außerdem hat heute der Wind gedreht. Wir haben also Gegenwind, auch noch die nächsten Tage.



In Licata erreichen wir nach 65 km das Hotel Al Faro, das natürlich direkt am Leuchtturm unmittelbar am Fährhafen liegt. Der abendliche Rundgang führt uns auf den Corso, wieder mal nach Vittorio Emanuele benannt. In diesem Haus wohnte auch noch Garibaldi, also fast alle wichtigen italienischen Namensgeber beisammen.



Am nächsten Morgen frühstücken wir bei Sonnenschein auf der Dachterrasse – con vista sul mare. Danach werden im Alimentari erst die Vorräte aufgefüllt, bevor wir …



… durch das undurchschaubare Einbahnstraßensystem aus der Stadt finden. Immerhin weiß das Navi, wo es aus der Stadt heraus geht. Leider können wir dabei nicht immer auf die italienische StVO Rücksicht nehmen. Die uniformierte Staatsmacht ist aber in solch kleinen Dingen stets großzügig und straft uns durch Ignorieren. - Durch Zitronen- und Aprikosenplantagen und durch ein paar verwaiste Feriensiedlungen …



… erreichen wir den fast völlig leblosen Ort Torre Gaffe mit spektakulärer Ferienhausarchitektur. Das Dachgeschoss ist immerhin intakt und scheint bewohnt.



Der Leuchtturm sieht schon recht verfallen aus. Das einzige Restaurant ist verschlossen. Im Ort sehen wir einen einzigen Bewohner, der sich auf der Kirchentreppe sonnt und einige streunende Hunde, für die wir offenbar eine willkommende Abwechslung darstellen. Bei Annäherung erheben sie sich und laufen auf uns zu. Kurzer Schreck, dann besinnen wir uns auf unseren „Kaliningrad-Trick“: Absteigen und laufen. Das funktioniert tatsächlich. Fußgänger scheinen wohl nicht so gut zu schmecken. Im Vorbeigehen sehen wir aber, dass die Kläffer wohl nur ein wenig Abwechslung haben wollten.



Danach müssen wir wieder auf die SS 115. An der Einmündung gibt es immerhin eine Bar für das zweite Frühstück. Diese „Küstenstraße“ nimmt leider viele Hügel mit. Dazu verstärkt sich der Gegenwind, teils in kräftigen Böen. Langsam steigert sich die Gewissheit, dass mein Reiseplan doch etwas zu ambitioniert war. Wir liegen schon einen Tag zurück, dann opfern wir eben einen Ruhetag.

Irgendwann zweigt wieder eine küstennähere Straße ab. Bei San Leone stärken wir uns bei einem kombinierten Bäcker mit Fleischer mit ein paar Tischen vor dem Laden. Eine größere Anzahl von parkenden Trucks signalisiert uns, dass es hier schmecken muss. Gut gestärkt geht es nun kontinuierlich bergauf bis zur SS 115. An einem Kreisverkehr sehen wir die Wegweisung zum centro von Agrigento. Nochmal 200 Höhenmeter bis zum Ziel, teilweise mit 10 % Steigung. Unterwegs kommen wir an den Ausgrabungen vorbei. Am östlichen Eingang des Valle dei Templi passieren wir den Hera-Tempel. Wir kommen später nochmal.