Re: Vuelta Verde: Cordillera Cantábrica/Pyrénées

von: veloträumer

Re: Vuelta Verde: Cordillera Cantábrica/Pyrénées - 04.08.08 20:09

Es könnte natürlich auch in der neuen Rubrik Reiseberichte stehen, aber warum diesen Faden hier auseinderreißen? - Es wird noch Weilchen dauern, bis alles fertig ist, aber hier ein erstes Bericht-Häppchen meiner Tour:

Teil 1: Portugal

Di, 17.6., Stuttgart |tuifly 9:10-10:50| Porto - Modivas - Praia Moreiró - Vilarhino - Trofa - (Sta. Tirso) – Braga
JH: Rua de Sta. Margarida 6, 9 €, Fr. nicht genutzt
AE: McDonalds, ca. 10 €
108 km, 17,2 km/h, 1.010 Hm

Nach dem Pech des verpassten Fluges vom Samstag nun der zweite Versuch. Am Stuttgarter Flughafen morgendliche Ruhe, keine Hektik. Mein Rad ist ganz ordentlich eingewickelt, aber voll fahrbar (ca. 17 km der Tagesleistung sind die Anfahrt zum Flughafen). Es genügt, die Pedalen abzuschrauben, Lenker bleibt gerade und niemand lässt Luft aus den Reifen. Tipp für die Wassermitnahme im Flugzeug: Fahrradtrinkflasche entleeren und auf der Toilette im Abflugbereich wieder auffüllen. Im Flugzeug Gespräch mit Deutsch-Italiener, der den Bau von Windmühlenprojekten betreut – dieses Mal in Nordportugal. Sein Luftbeobachtung der Besiedlung: Deutsche bauen nach Plänen und Straßenzügen, Italiener auf dem Berg, Latinos irgendwo wie dahingewürfelt. Letzteres finde ich ganz besonders bestätigt in der dicht besiedelten Region im Norden Portugals mit einem sehr verzweigtem Nebenstraßennetz.

Ankunft Porto: Blauer Himmel, aber ziemlich kühl, nur 24 °C am Mittag. Ich ahne etwas von einem kalten Atlantik-Stream, der ja bereits die Wochen zuvor die westlichen Länder Europas in kühler Nichtsommerluft verharren ließ. Leider soll die Ahnung für die Reise wahr werden – die kalte und feuchte Atlantikluft führte in den Bergen Nordspaniens immer wieder zu teils extrem dichter Bewölkung bei teils sogar kalten Temperaturen.

Der Flughafen Porto ist sehr gepflegt, ebenfalls keine Spur von Hektik. Das Rad steht sauber abgestellt an einem Sperrgepäckabstellplatz – einwandfrei und keine Beschädigung! – Vielleicht hat auch die dreisprachige Bitte um vorsichtige Behandlung geholfen. Obrigado! Tipp, wenn man mit vollem Rad da steht, alleine, und auf Toilette muss: Suche die Behindertentoilette, da passt das Rad mit hinein (und bei Bedarf auch geräumig zum Umziehen o.ä.)!

Vom modern designten Airport aus finden sich zunächst kaum Ortsnamen (außer via Autobahn und nach Porto), die auf meiner 1:400000-Karte zu finden sind – ein bisschen muss ich der Nase nach fahren. Wenig später aber dann doch die gesuchten Ortsnamen. Die Kombination kühle Luft und Sonne sorgt für eine angenehmes Radfahrklima – ein paar portugiesische Rennradler, die ich an diesem Tag sehe, sind ganz in Winterklamotten eingehüllt – das ist natürlich übertrieben. Die Gegend nach Norden ist erstaunlich wenig urban, ein Mix aus intensiver landwirtschaftlicher Nutzung und Gewerbe bei steter Besiedlung, dazwischen ein Eukalyptuswald. Auf dem Weg nach Vila Cha bzw. Praia di Moreiro, wo ich erst mal einen Strandbesuch machen möchte, zeigt sich bald ein Übel, das für fast alle Nebenstraßen in dieser Gegend gilt: Nicht nur die Ortschaften, auch über Land sind die Straßen gepflastert. Da rappelt das ungefederte Rad, aber auch die Fahrdauer verlängert sich erheblich – sofern asphaltiert, fährt es sich hier aber sehr leicht und beschwingt.

Dann endlich Meer – aufbrausende Wellen, Atlantik, tiefes Blau. Furchteinflößende Figuren nebst FC-Porto-Figur, an mehreren, wenig besuchten Strandbars kann man über die Holzbohlen nach Süden fahren, wo nach dem reinen Sandstrand bald ein paar Felsen von eigenartiger Struktur auftauchen und kleines Naturschutzbiotop drumrum. Ein wunderbarer Platz für das erste Meerbad und ein traumhafter Einstand für einen Urlaub.

Auf der Suche nach der kürzesten Verbindung Richtung Trofa verfahre mich etwas und bemerke, dass Abkürzungen länger brauchen wegen der Pflasterstraßen. Endlich auf der N 104 nach Trofa, herrscht zwar dichter Verkehr, fährt sich aber dennoch sehr angenehm durch Eukalyptuswald, später ein paar idyllische Blicke auf die Flussaue. Trotzdem auch hier dicht besiedelt. Alle Autos rücksichtsvoll gegenüber dem Radler. Trofa selbst eine bereits ziemlich große Stadt, baulich reizlos, leidet extrem unter Durchgangsverkehr, offenbar auch gerade noch Berufsverkehr. Wieder eine Abfahrt verpasst, fahre ich zunächst falsch bis Sto. Tirso, muss wieder zurück über einen unangenehmen Hügel. Ich hatte nach dem Strandaufenthalt mich bereits gegen den Weg über Guimaraes entschieden, weil das nicht mehr zeitlich dann bis Braga zu schaffen wäre. Auf der weiterhin stark befahrenen Strecke nach Braga (trotz paralleler Autobahn) Blicke über hügeliges, überall besiedeltes Land, Orangen und Weinreben verbreiten südliches Flair. Immer wieder auch einzeln stehende Restaurants in properen Bauten, ähnlich wie in Italien zu finden. Um so überraschender, dass es abends in Braga ganz anders aussieht.

In Braga sehe ich bald das Stadttor, dank ausgehängtem Stadtplan stadteingangs lässt sich die Jugendherberge schnell orten – ganz durch die Fußgängerzone durch am anderen Ende, eine Hauptstraße noch weiter und rechts. Die Stadt ist erstaunlich breit angelegt, die Häuserfassaden bis auf historische Bauten nicht unbedingt bemerkenswert, die typischen verzierten Blättchen ähnlich unseren Kacheln wirken mit der Zeit recht verblichen. Zudem fehlt ein echter Altstadtkern, man ist etwas verloren auf der Suche nach einem echtem Zentrum. Viele bunte Dekoration, zu späterer Stunde fast kitschig beleuchtet, weist auf das bevorstehende Johannesfest zur Sonnenwende (bzw. zu Ehren Johannes dem Täufer) hin. Irgendwo marschiert eine schottisch anmutende Bläsergruppe auf, oder indianische Andenfolklore sorgt für das globale Gleichmaß europäischer Sommerstädte.

In der Jugendherberge gibt es Schlafsäle für 10 Personen, insgesamt sind mit mir in einem Zimmer 4 Betten belegt. Ein polnischer Radpilger liegt bereits im Bett, ist quer durch ein kaltes Frankreich gefahren, nach Lourdes, dann Santiago, jetzt nach Fatima reicht ihm die Zeit nicht mehr – muss den Zug nehmen – welche Enttäuschung für den offenbar tiefreligösen Polen, so sein Seufzer. Nach dem Duschen der Versuch, in Braga etwas zu essen. Es gibt kaum Restaurants – wenn sind sie hinterer, meist unbesuchter Teil einer vorne eher besuchten Bars. Essen gehen scheint nicht sehr populär zu sein. Zwei Restaurants machen einen dubiosen Eindruck, ein anderes ist extrem teuer, ein weiteres übersehe ich – das war’s schon, soweit mein Leichtsandalen mich tragen können. Um nicht zu verhungern (es ist mittlerweile gegen Mitternacht) lande ich bei McDonalds – irgendwie frustrierend.

Zurück in der Jugendherberge dieses: Eingeschlafen, kommt des Nachts der vierte Mann (Junge, ca. 15 Jahre) – reingetragen und in ein Oberbett gehievt von zwei Gestalten, die wieder verschwinden. Kaum ist’s ruhig, fällt der Nämliche herunter – rührt sich nicht mehr. Was ist los, Licht an – der Junge – die ganze zensiert hinten raus – langsam eckliger Gestank. Zum Glück ist die Rezeption besetzt. Wir restlichen drei werden erst mal nach oben verlegt (nicht belegte Mädchenzimmer). Hat der Junge was gebrochen? Alkoholvergiftung? Wie überhaupt entsorgen? – Nun, zunächst wird wenig später das zweite Zimmer geräumt, auch nach oben, der Gestank ist unten unerträglich. Danach durchs Fenster den Rest der Nacht Gerede vom Hof. Irgendwann wurde der Junge irgendwie weggeschafft. Morgens ist der Mann von der Rezeption noch mit dem Abspritzen des Innenhofes beschäftigt. Ich verlasse wie der Pole die JH ohne das Frühstück abzuwarten. Eine Nacht, in der Schlaf allenfalls in homöopathischen Dosen möglich war.


Mi, 18.6., Braga - Gerês - Portela de Leonte (855m) - Portela de Homem (750m) - Quintas - Lamas de Mouro - Melgaco - Ponte Barxas
C: wild, 0 €
AE: SV
135 km, 14,7 km/h, 2.235 Hm

Wirkliche frühe Starts im tiefen Westen sind kaum möglich, zumindest wenn man die Helligkeit der Abende ausschöpft und damit immer spät zu Schlafe kommt – sofern man dazu Gelegenheit hat. Ich starte nochmal eine kleine Besichtigungstour, bin aber weit davon entfernt, die Musts der Stadt abzukleppern. Ein sehr schöner Platz ist der italienische Renaissancegarten mit dem alten Palast des Erzbischofs. An anderer Stelle finden sich alle Wappen der Provinzen Portugals als Schmiedetafeln. Für den Weg ein erster Proviant der auch hier hervorragenden Backwaren sowie eines festen, guten Käses.

Stadtauswärts breite Straßen mit entsprechend viel Verkehr. Es noch dunstig bis nebelig. Langsam aufwärts, ist die N 103 dann in vielen Teilen dreispurig – sobald es ein bisschen bergauf geht, gibt es zwei Spuren. Die Straße wird noch ausgebaut, große Teile sind aber bereits in exzellentem Zustand. Der Verkehr wird etwas weniger, die Fahrt bleibt aber immerzu angenehm, Raser habe ich keine getroffen. Auc gibt es gelegentlich aufmunternde Huper – einer bleibt solange neben mir, bis ich einen Blick auf ihn werfe und gibt mir seine Anerkennung zu verstehen. Verschiedene Landschaftstypen wechseln sich ab, blumenreiche Wiesen, bewaldete Berghänge, Eukalyptusbäume, offene Berghänge mit riesigen Granitblöcke, die teils gleich verarbeitet werden – zu Tischen, Grabsteinen u.ä. Eine Burg präsentiert sich über der für die Goldverarbeitung bekannten Stadt Pòvoa de Lanhoso, noch sehr dunstig, aber schon bleibende Sonne. Die Berge spenden zahlreich Wasser, son findet auch hier bereits Brunnen und sogar kurz abseits der Straße einen idyllischen, kleinen Wasserfall. Weite Blicke ergeben sich über Weide- und Nutzland – Wein, Obst, Gemüseanbau und weit verstreute Höfe und Siedlungen.

Mit dem Abzweig auf die N 504 Richtung Gerês und dem Nationalpark Peneda-Gerês folgt ein recht steile Abfahrt, die Straße jetzt recht schmal, in engen Kurven, durch meist dichten Labwlad, doch mit einigen freien Blicke in das tief unten liegende Tal des Rio Cávado mit mehreren Stauseen. Wasser tropft aus Felsen, die Brunnen quellen frisch. Unten queren zwei Brücken den Fluss, es herrscht Badebetrieb, Boote sind auf dem See, offenbar eine touristisch beliebte Gegend. Zahlreiche Ferienhäuser, Hotelangebote, je ein Camping vor und nach Gerês begleiten einen auf der gleich ansteigenden Strecke, das Tal doch ziemlich eng und die Besiedlung entsprechend bis in die Steillagen. In Gerês gibt es einen Wasserpark mit natürllichen Flusskaskaden und Teichidyll, angrenzend ein Thermalbad. Durch den Park fahre ich (teils sehr steil) wohl unerlaubt, das Kassenhäuschen am Eingang war nicht besetzt, werde zwar ermahnt bei der Ausfahrt, aber dabei bleibts.

Nun beginnt ein extrem harter Anstieg zum Portela de Leonte, die Straße nur noch sehr schmal, Ende der Besiedlung, eine endlose Anzahl von mit Namen bezeichneten Brunnen, urwüchsige Bäume, kleine Gebirgsbäche, zuweilen wieder etwas offener, Blumen, seltsame Felsen, skurrile Baumfragmente – architektonische Wunder der Natur – wieder Wasserfälle, Wiesen, mal grün, mal bunt – oben am Pass noch mehr Wunder in Fels und Stein, zudem eine Art Mautstelle – Autos müssen offenbar für die Durchfahrt des Nationalparks zahlen (ausgangs am Portela de Homem ebenfalls). Es folgt eine Zwischenabfahrt auf schmaler Straße, launig, überall ausquellendes Wasser, Moose, Urwald, dann wieder fast geordnete Waldkultur, hinauf zum Homem-Pass dann nebst eindrucksvollem Wasserfall. Das ganz Schauspiel gehört in die Kategorie "großartig".

Mit der Grenze nach Spanien ändert sich das Lanschaftsbild stark. Die Abfahrt durch eine weite, offene, eher trocken anmutende Berglandschaft, sehr gute Straße. Bald endet die Abfahrt in einem ungemütlichem Gegenhang, nicht so steil, aber mit Gegenwind in der Sonne auszehrend. Nebst kleiner Dörfer zum Stausee und gleich wieder aufwärts, erst steil, dann etwas abgeflacht, aber im Stile einer klassischen Passauffahrt und ziemlich offen. Zunehmend kommen wieder dahingewürfelte Steinblöcke ins Sichtfeld. Ich glaube mich oben an einem Wanderparkplatz bei der kleine Grenzortschaft (wieder in Protugal) – doch nun folgt ein herbes Auf und Ab, in der Tendenz weiter ansteigend – und – aus der Karte nicht zu ersehen – gar höher hinaus als die Pässe zuvor. Am Abzweig zu Portela (auch Wintersportangebote hier zu sehen) erreicht die Straße einen Hochpunkt von 980 müM, das ganze in atemberaubender Kulisse selstsamst anmutender Steinblöcke und Felsen – dazwischen Ginstergelb und bunte Blumenvielfalt. Hergerissen zischen Kampf den Steigungen und Bewunderung der Szenerie geht es dann doch noch bergab. Eine alte Römerbrücke bei Castro Laboreiro, dann wird die Straße im Gefälle flacher, sogar gerade geht es durch anschmiegsames Hügel- und Weideland und Baumalleen.

In Lamas de Mouro soll nun ein Campingplatz sein, er befindet sich einem zweiten, kleineren Ortsteil unterhalb des Hauptortes – offenbar mit einer Stichstraße abseits der Hauptroute. Ich beschließe, evtl. mich auf Wildcampen weiter unten einzustellen und das restliche Tageslicht zur Abfahrt in Flusseben des Rio Mino zu nutzen. Doch Gegenhänge und Wind machen auch hier zu schaffen. Die Hoffnung, dass sich entgegen meiner Recherche vielleicht doch ein Camping in Melgaco gibt, erfüllt sich nicht. Eine Pension ausgangs des Ortes schlage ich in den Wind. Doch nun beginnt eine Halbhöhenstraße über dem Fluss, entlang von Weinanbau, überall besiedelt, eingezäunt, zur rechten Hand nur steile Hänge mit unzugänglicher Vegetation. Ein Platz zum Wildcampen unmöglich. Ich fahre in die Dunkelheit, leichtere Auf und Abs folgen – und erreiche so die spanische Grenze bei Ponte Barxas. Trotz Ortschaft ist irgendwie mehr Platz, ein Bach zieht ein kleines Tal von Rio Mino weg, dort zu Ortsende eine kleine Kirche mit Picknick- und Spielplatz, eine Wasserstelle (unter etwas akrobatischen Verrenkungen kann ich meinen Körper abduschen, wenn auch etwas Überwindung für eine kalte Mitternachtsdusche dazugehört), am beleuchteten Kirchplatz kann ich noch meine Vorräte verspeisen. Ich schlafe bei Bachrauschen und Minzgeruch – schon mal besser als die Nacht zuvor.

Bildergalerie Portugal (bitte Bild anklicken):


Fortsetzung folgt.