Re: Polnische Ostseeküste Stettin-Danzig 2014

von: Tom72

Re: Polnische Ostseeküste Stettin-Danzig 2014 - 29.06.14 13:32

8. Tag (30.05.2014), Leba-Debki (Zug- und Busfahrt von Ustka nach Leba)
Strecke: 69,62 km (einschließlich Abstecher zur Düne von Leba)
Fahrzeit: 4 Std. 15 min
Höhenmeter: 284
Durchschnittsgeschwindigkeit: 16,20 km/h


Ich schaffe es, um 6 Uhr aufzustehen und zu packen. Ich rolle durch den hübschen Ort zum Bahnhof





und erreich problemlos den Nahverkehrszug. Der moderne Dieseltriebzug mit komfortablem Fahrradtransport bringt mich und mehrere polnische Schulklassen in einer guten halben Stunde nach Slupsk (Stolp).



Am Fahrkartenschalter kann ich mich einigermaßen verständigen, ich bekomme meine Fahrkarte und Fahrradkarte nach Lebork und erfahre, dass von dort tatsächlich kein Zug nach Leba fährt, sondern Busse. Ob die Fahrräder mitnehmen, erfahre ich nicht.

Ich nutze die Stunde Umsteigezeit, um mich in Stolp, der größten Stadt seit Swinwmünde, etwas umzusehen. Die Stadt bietet einige historische Sehenswürdigkeiten und architektonische Tristesse aus der sozialistische Ära. Hübsch ist das neogotische Rathaus. Leider hat zu der frühen Stunde noch kein Café für ein Frühstück geöffnet.



Der Schnellzug (TLK), mit dem es nun auf der Hauptstrecke Stettin-Danzig bis Lebork (Lauenburg) geht, besteht aus alten Abteilwagen, bei der Einfahrt sehe ich keinen Hinweis auf Fahrradplätze. Ich erinnere mich aus Berichten hier im Radreiseforum, dass in Polen in dem Fall die Räder in den Wagenübergängen am Anfang des ersten und am Ende des letzten Wagens mitgenommen werden können. Ich eile daher zum Ende des Zuges und stemme Gepäck und Rad durch den engen, hochgelegenen Einstieg. Der Schaffner bestätigt mir, dass es so richtig ist.



Eine gute halbe Stunde später bin ich in Lebork. Ich sehe gleich gegenüber dem Bahnhof den Busbahnhof. Ich erkundige mich nach der Busverbindung nach Leba. Um 10 Uhr, d. h. in 20 Minuten, und Fahrräder werden auch mitgenommen. Prima! Ob der Radtransport im Mittelgang allerdings unter Sicherheitsaspekten optimal ist…



Gegen elf Uhr bin ich in Leba, ein netter und auch jetzt, in der Vorsaison, bereits sehr belebter Ort. Ich esse am Yachthafen eine Pizza; an den Tischen um mich herum höre ich viel Deutsch, wie auch generell an der polnischen Küste viele deutsche Touristen unterwegs sind. Auch Leba hat natürlich einen wunderschönen Sandstrand.



Hauptattraktion sind aber die Wanderdünen, die mit einer Höhe von über 40 Metern zu den höchsten in Europa zählen. Das bedeutet einen Abstecher entgegen der Reiserichtung, nach Westen, ca. 7 km hin und dann wieder zurück durch den Slowinski Park Narodowy (Slowinzischer Nationalpark). Man muss ein paar Zloty Eintritt zahlen, dann geht es über einen kilometerlangen, für Autos gesperrten, breiten Waldweg vorbei an einem Museum über das deutsche Raketen-Versuchsgelände aus dem Zweiten Weltkrieg. Wer kein Rad hat und nicht zu Fuß laufen möchte, wird mit kleinen Elektrowägelchen zur Düne gekarrt. Am Ende des Weges gibt es einen Fahrradparkplatz.



Dann geht es zu Fuß weiter. Die Dünenlandschaft ist wirklich beeindruckend. Ich mache eine kurze Wanderung durch den weißen Sand an den Strand und zurück.











Dieser Abstecher hat sich wirklich gelohnt. Zwischen drei und vier Uhr bin ich wieder zurück in Leba und starte die eigentliche Tagesetappe Richtung Osten.

Auch heute geht es ausschließlich durchs Hinterland ohne Blick aufs Meer. Die Strecke ist sehr hügelig und führt, wie gestern, durch herrliche Alleen auf überwiegen sehr ruhigen Sträßchen. Mein linkes Knie schmerzt nach wie vor etwas, aber ich habe mich inzwischen an eine entsprechend langsame Fahrweise gewöhnt und genieße die Landschaft.











Ich habe mich als Etappenziel für den Strandort Debki entschieden, wo es laut meiner Karte einen Campingplatz gibt (es ist nicht mehr so kalt wie die vergangenen Tage). Als ich ankomme, ist es bereits nach acht. Der Ort scheint nur aus einer Straße durch den hinter den Dünen gelegenen Wald mit niedrigen, verlassen wirkenden Häuschen (Ferienhäuser?) zu bestehen, alle Restaurants und Strandbars, an denen ich vorbeikomme, sind geschlossen. Essen habe ich nicht dabei… Ich sehe keine Hotels, und wo ist der Campingplatz? Ich bekomme Bedenken, ob ich hier eine Unterkunft finde, und zum Weiterfahren ist es mir eigentlich zu spät. Aber ich sehe zahlreiche Urlauber zu Fuß und mit dem Fahrrad. Die müssen doch irgendwo wohnen… Schließlich komme ich an eine nett wirkende, einfache Bar, die geöffnet hat und wo auch gegessen wird. Man spricht Englisch. Ich frage, wie lange sie heute noch geöffnet haben. Auf alle Fälle bis 23 Uhr. Insoweit bin ich also schonmal gerettet. Der sehr einfache Campingplatz „Kaszub“ ist auch gleich um die Ecke.



Die Rezeption ist offen, aber nicht besetzt. Ich baue erstmal mein Zelt auf. Andere Camper sehe ich nicht. Ein junger Mann, der gerade vorbeikommt, telefoniert für mich den Platzwart herbei. Der kommt irgendwann, begrüßt mich freundlich und meint, ich könne natürlich bleiben, aber der Platz sei um diese Jahreszeit eigentlich noch gar nicht offen. Der Sanitärbereich sei daher noch geschlossen, es gibt aber eine Holzhütte mit einem Klo drinnen und einem Waschbecken außen dran. Das reicht mir, auf Duschen kann ich heute verzichten, ich habe jetzt sowieso Hunger. Der Platz ist mit umgerechnet 5 Euro die preiswerteste Unterkunft der Reise.

Ich esse in der Strandbar ein Steak und komme mit einer Gruppe junger Polen ins Gespräch. Es wird noch ein netter Abend. Einige aus der Gruppe sprechen Deutsch. Ich erinnere mich an Micheal, der 20 Jahre in Hamburg gewohnt hat und dem man den hanseatischen Akzent anhört und an Magda aus Gdynia, die, ohne jemals längere Zeit in Deutschland gewohnt zu haben, fast fließend Deutsch spricht – weil ihr die Sprache so gefällt, wie sie sagt. Einige Biere und einige Mixgetränke, die mir ausgegeben werden und deren Name übersetzt „Bienchen“ heißt (ich habe mir nicht gemerkt, was da alles drin war) sorgen dafür, dass ich, als ich schließlich gegen Mitternacht im Zelt liege, sehr gut schlafe…

9. Tag (31.05.2014), Debki-Wladyslawowo (Großendorf)
Strecke: 39 km
Fahrzeit: 2 Std. 43 min
Höhenmeter: 199
Durchschnittsgeschwindigkeit: 14,30 km/h


Heute ist es recht sonnig und einigermaßen warm.



Ich frühstücke in der Strandbar von gestern Abend



und sehe mich am auch hier natürlich wieder wunderbaren Sandstrand um.





Heute will ich wenigstens bis Wladyslawowo kommen, das am Anfang der ca. 35 km langen Halbinsel Hel (Hela) liegt. Die will ich unbedingt auf ihrer gesamten Länge befahren; vom Ort Hel an der Spitze sollen grundsätzlich Schiffe hinüber nach Danzig, Sopot oder Gdynia fahren. Ob sie das auch in der Vorsaison tun, kann ich meinen Reiseführern und auch dem Internet nicht eindeutig entnehmen. Es gibt aber auch eine Bahnlinie entlang der Halbinsel; das wäre auch noch eine Möglichkeit, nicht dieselbe Strecke auf der Halbinsel zurückfahren zu müssen. Mal sehen, was ich dazu vor Ort erfahre.

Die Strecke verläuft heute zunächst wieder abseits vom Meer über schöne Alleen durch die Kaschubische Schweiz







und dann über Straßen von stark wechselnder Oberflächenqualität immer entlang der Küste, vom Strand nur durch ein Wäldchen und die Steilküste getrennt.



Ich gönne mir in einem Café noch eine halbe Stunde Auszeit.

Dann erreiche ich in Jastrzebia Gora (Habichtsberg) den nördlichsten Punkt Polens.





Über eine Treppe gelangt man die Steilküste hinab an den herrlichen Sandstrand. Hier nehme ich mir eine gute Stunde Zeit und wandere barfuß den Strand entlang.



Das Meer hat zahlreiche interessant aussehende Steine an den Strand gespült. Ob da Bernstein dabei ist? Immerhin ist die Küste berühmt dafür, und Bernsteinschmuck wird hier überall an den zahlreichen Souvenierständen angeboten. Ich sammle eine Handvoll auf, um sie mir später genauer anzusehen. Ich glaube aber nicht, dass ein Treffer dabei ist.












In Rozewie kann ich nochmal einen Leuchtturm besteigen und den Blick entlang der Küste genießen.



Jetzt ist es nicht mehr weit bis Wladyslawowo. Ein recht großer Ort, nach meinem Geschmack zu touristisch. Aber ich will heute ohnehin noch ein paar Kilometer auf die Halbinsel Hel, dort soll es Campingplätze geben. Ich suche erstmal den Bahnhof, um mich nach der Zugverbindung vom Ort Hel auf der Spitze der Halbinsel zurück nach Wladyslawowo und am besten bis Gdynia (Gdingen) zu erkundigen.

Die Gleisanlagen und Bahnsteige des Bahnhofs sind eine einzige Baustelle. Die Strecke wird offenbar gerade komplett saniert. Hier fährt zur Zeit sicher kein Zug… Die Verständigung mit der Schalterbeamtin gestaltet sich mühsam, aber ich bekomme soviel heraus: Die Strecke von Hel über Wladyslawowo und weiter fast bis Gdynia ist wegen Bauarbeiten außer Betrieb, der Busersatzverkehr nimmt keine Fahrräder mit. Aber das war ja nur Plan B, Plan A sieht ja ohnehin vor, von Hel an der Spitze der Halbinsel mit dem Schiff nach „Trojmiasto“, der „Dreistadt“, bestehend aus Gdynia (Gdingen), Sopot (Zoppot) und Gdansk (Danzig) zu fahren. Die nötigen Infos werde ich schon noch irgendwie bekommen…

Ich fahre also auf die Halbinsel Hel (Hela). Die Straße und der parallele Radweg verlaufen am Südufer der nur wenige hundert Meter breiten Halbinsel bzw. Nehrung. Nach ein paar Kilometern kommt der erste Campingplatz, wunderschön am Strand gelegen mit einem kleinen Yachthafen und Blick auf die gegenüberliegende, von Wladyslawowo südwärts Richtung Gdingen und Danzig verlaufende Küste.



Zu meiner Enttäuschung ist der Platz nur für motorisierte Camper, nicht für Zelte. Aber man bietet auch Gästezimmer für nur 80 Zloty, umgerechnet 20 Euro, an. Es gefällt mir hier so gut, dass ich mich für das Zimmer entscheide, zumal der Platz auch ein geöffnetes Restaurant mit Blick aufs Meer hat, so dass ich zum Essen gar nicht mehr zurück nach Wladyslawowo muss.

Ich genieße die erste Dusche seit zwei Tagen und bestelle auf der Terrasse des Restaurants ein Steak und eine Fischsuppe.



Das Personal spricht englisch und ist sehr freundlich und zuvorkommend, und die Küche ist hervorragend. Ich werde nicht nur gefragt, wie ich mein Steak gebraten haben möchte, sondern auch, wie stark gewürzt die Fischsuppe sein soll. Sie ist wirklich sehr lecker.



Ich sitze noch lange draußen und genieße den Blick aufs Meer.





Jetzt muss ich nur noch den morgigen letzten Fahrtag planen. Hier auf dem Campingplatz gibt es WiFi. Optimal wäre eine Fähre vom Ort Hel (Hela) an der Spitze der Halbinsel Hela nach Gdynia (Gdingen) und von dort mit dem Rad die von der letztjährigen Reise bekannte Strecke entlang der Uferpromenade über Sopot (Zoppot) nach Danzig. Laut Reisefüher fahren die Fähren nur in der Hauptsaison, also jetzt wohl noch nicht… Auch aus der englischen Version der Website der Danziger Verkehrsbetriebe, die die Fähren als „Tramwaj Wodny“, „Wasserstraßenbahn“, betreiben, kann ich nicht eindeutig entnehmen, ob sie zu dieser Jahreszeit schon fahren. Die Zugfahrt von Hela zurük nach Wladyslawowo und weiter in den Großraum Danzig kommt wegen der Betriebsunterbrechung ja nicht in Betracht, die Ersatzbusse nehmen offenbar keine Räder mit. Ich will aber vermeiden, von der Spitze Helas aus die ganzen 35 km lange Halbinsel wieder zurückzuradeln. Ich werde also morgen erstmal auf die Halbinsel hinausfahren und schauen, ob ich irgendwie, spätestens in Hela, an die nötigen Informationen zu den Fähren gelange. Von Jastarnia in der Mitte der Nehrung soll es auch Fähren geben.

Bereits im Hotel in Ustka hatte ich den WiFi-Empfang genutzt, um ein Hotel für den letzten, also morgigen, Abend in Danzig zu buchen, da inzwischen ja feststand, dass ich es nicht über Danzig hinaus, etwa auf die Frische Nehrung, schaffen würde. Ich habe mich für Bekanntes und Bewährtes entschieden; es ist dasselbe Hotel, Hotel Gryf, in dem ich auch letztes Jahr die letzte Nacht der Reise verbracht habe.

Fortsetzung folgt...