Re: Die Legende von Pirineosaurus

von: veloträumer

Re: Die Legende von Pirineosaurus - 13.12.14 21:41

Das Tour-Tagebuch, zusammengestellt aus den persönlichen Schriften von Pirineosaurus Rex

KAPITEL 1 – FRANCE I/CATALUNYA I
Sandstrände und Felsbuchten, Festival der Blautöne und Flaniergemäuer, Reisfelder und Ruinen, Dolmenkult und Gourmetverführung: Die Costa Brava und ihr Hinterland

So 15.6. Stuttgart || Anreise Fr/Sa || Collioure – Banyuls-s-Mer – Coll den Gran Bau (?m) – Coll de la Creu (?m) – Cerbère – Coll dels Belitres (170m) – Portbou – Coll del Frare (202m, Tunnel) – Colera – Coll de Sant Antoni (?m) – El Port de la Selva – Coll del Bosc de la Margalla (450m) – Vilajuiga – Castelló d'Empúries – Sant Pere Pescador/Camping Aquarius
93 km | 12,1 km/h | 7:37 h | 1625 Hm
W: stürmisch, Tramontana, teils heiter, später regnerisch, 17-25 °C
Ü: C Aquarius ~ 20 €
AE: Spargelcrèmesuppe, überb. Stockfisch, Kart., Zucchini, Profiterolles, Rw, Cafe 27,20 (+)

Warum komme ich wieder? – Da sind noch Geschichten – etwa diese von der Möwe von Cerbère. – Wer? – Ja, eine Möwe von der Côte Vermeille, mit Heimatort Cerbère, aber die ganze Küste dort überfliegend. Bereits auf einem Analogbild hatte ich sie 2000 fotografiert (es war wohl bei Banyuls). Schon damals rief sie mir zu „Komme wieder, du Radler – du bist unser Freund!“ – und sie meinte mit „wir“ nicht nur die Möwenfamilien an der Küste. Ein wenig verärgert war sie, als ich 2004 gleich in Narbonne in die Pyrenäen abzweigte – sie nicht besuchte. 2008 endlich trafen wir uns wieder, direkt am Stadtstrand von Cerbère. Da wusste sie schon, dass ich eigentlich Pirineosaurus heiße. Sie sah die kleinen Tränen in meinen Augen, die mich zum Abschied erfassten. Und sie flößte mir Trost ob meiner gesundheitlich angeschlagen Lage zu – alsbald verschwand danach meine Erkältung, die sich bei den harten Bedingungen der Tour ergeben hatte und mich an den Rand des Aufgebens gebracht hatte.

Im Jahre 2011 war es die Möwe selbst, die mich nicht begrüßen kam – wegen Gezänk mit anderen Möwen, wie ich in meinem Bericht erwähnte, und was ich der aufmerksamen Vernetzung meiner Fabelwesen zu verdanken habe, i. e. S. Trasgu (ein asturischer Hausgeist, der stets zu meinen Diensten mir Inspirationen ins Ohr flüstert), der auch dafür sorgte, dass die Möwe meinen Bericht gelesen hat. Auch dort erklärte ich: „Nun liebe Möwe von Cerbère, ich werde wieder mal ein paar Jahre brauchen, um das anzugehen – aber ich verspreche dir hier erneut: Ich werde nochmal wiederkommen!“ Und so ward ja heuer geschehen und ich wurde von der Möwe bereits sehnsüchtig erwartet. Sie flog mir am frühen Morgen bereits vor den Toren von Collioure entgegen, ganz betrübt über meine Verspätung durch den französischen Bahnstreik. Ganz stolz war sie auf meine gelungene Metamorphose in Pirineosaurus – so ließ sich besser einander verstehen.


Die Möwe von Cerbère, Alter Ego und langjährige Freundin von Pirineosaurus, 2008 in Cerbère (links), 2014 in Collioure (rechts), Tourbegleiter als Blinder Passagier: Casco Nuevo (Mitte)

Wenn ich hier also eine alte Freundin vorstelle, sollte ich auch meinen neuen Mitfahrer vorstellen, wenngleich er mehr im Geheimen mitwirkte. Erstmals also reiste ich nicht allein, sondern hatte die gesamte Reise einen anregenden Begleiter dabei. Sein Name: Casco Nuevo. Seine inspirierende Wirkung erschließt sich schon aus seiner kopfähnlichen Form. Auch seine Farbgebung zeugt von Sympathie gegenüber Pirineosaurus. Andererseits war Casco Nuevo ein recht stiller, unaufdringlicher Partner, der sich nur ungern den schwierigen Witterungsverhältnissen meiner Tour aussetzen wollte. Er führte daher ein recht gemütliches Leben innerhalb meiner Tasche, beaufsichtigte wirksam Gepäck und schützte mich vor unliebsamen Bekanntschaften wie übermotivierten spanischen Polizisten. Große Freilufteinsätze verzeichnete er zu Anfang der Tour zu den noch gemäßigten Tageszeiten zwischen Perpignan und Banyuls sowie gegen Ende der Tour, wo er freundlicherweise meinen vielschichtigen Souvenirs Platz machte.

Ein besonders guter Kletterer ist Casco Nuevo nicht. Nachdem er sich als schicker, sportlicher Kopfschmuck noch gegenüber einer ersten französischen Rennradgruppe mit freundlichem Gruß profilierte, schrie er gleich an der ersten kräftigeren Steigung ausgangs Banyuls, dass ihm vom Schweiß zu feucht werde. Also gleich in die Tasche mit ihm. (Die Rennradfahrer bevorzugten die weichen Küstenhügel und mieden diese Rampen-Steigung, woraus erkenntlich wird, warum Rennradfahrer meist mit Casco unterwegs sind…). Ein zweiter Versuch bei regnerisch bewölktem Himmel endete schließlich am Anstieg zum Kloster Sant Pere de Rodes kläglich. Casco Nuevo erwies sich den Ansprüchen von Pirineosaurus nicht gewachsen, der es mal wieder an schweißtreibenden Einsätzen auf Himmelsleitern und Teufelsstiegen nicht missen ließ. Auch auf Kurs Sant Pere de Rodes verweigerten sich übrigens die einheimischen Rennradler.

Nach Collioure ein drittes Mal zurückzukehren ist kein Fehler. Das Künstlerörtchen mit der selbstredend malerischen Kulisse ist einfach märchenhaft schön und bleibt auch beim tagestouristischen Ansturm charmant anmutig in seiner Verbindung mit dem Meer. Am frühen Morgen zum Marktaufbau noch fast verlassen, eine einsame Badenixe träumt am Strand in den Tag hinein. Die Verführung ist groß, es ihr gleich zu tun. Nicht umsonst wollte ich den schönen Fleck aus meiner Tour zu Anfang ausschließen, verlangen doch solche Plätze selbst bei der Wiederkehr nach Zeit des Verweilens. Die Kulisse, nicht zuletzt durch Burganlage und katalanisch geprägte Steinhauskultur, verdient ganz klar das erste a-STONE-ishing-Siegel der Tour.

Mit ersten Käse- und Gebäckspezialitäten eröffne ich den kulinarischen Teil der Reise. Zu meiner ersten Herausforderung zählt die Nebenstraße zur Küstenroute, die sich bei Banyuls durch Weinberge und Ödland steil nach oben windet. Die Ausblicke sind gemäß der instabilen Wetterlage bescheiden, der Tramontana auf der Passhöhe schon sehr heftig. Der Wind begleitet mich fast den ganzen Tag, insbesondere auf den Anstiegen, erreicht zum Nachmittag stürmische Werte. Gar muss ich schon mal einen sicheren Stand für mein Fahrrad hinter einer Mülltonne suchen. Immerhin wird es mittags sommerheiß, ein erstes Meerbad kann ich bei El Port de Llanca in einer hoch umschlossenen Felsbucht nehmen.

Zuvor aber stoße ich am Coll dels Belitres auf die tragische jüngere Geschichte Spaniens. 1939 wurde dieser Grenzpass zwischen Portbou und Cerbère zu einem Schauplatz einer riesigen Flüchtlingswelle der spanischen Republikaner, die vor der Ausbreitung des Franco-Regimes flohen. Katalonien und das Baskenland waren Kernregionen des Widerstandes gegen Franco – nicht zuletzt erklärt sich hierdurch auch der dauerhafte Unabhängigkeitswille beider Volksgruppen. Die Flucht wurde für Widerstandskämpfer stark eingeschränkt, länger blieb der Korridor für Frauen, Kinder und Kranke offen. Ein Monolith an selber Stelle erinnert aber an die Eroberung dieses Landstriches durch Franco noch im selben Jahr, der symbolisch einige pompöse Bauwerke für seinen Machtanspruch dort erstellen ließ, zu denen auch der Bahnhof von Portbou zählt.

Pau Casals, Cellist und Komponist aus Katalonien und lange im Exil am Fuße des Canigou-Massivs lebend, eine Ikone der katalanischen Kultur und des Widerstandes gegen den Franco-Faschismus, ein Friedensbotschafter der Weltgemeinschaft, machte ein katalanisches Weihnachtslied zur Hymne für die katalanischen Flüchtlinge, indem er stets seine Konzerte mit einer Instrumentalversion des Liedes beendete. Auf einem eigens auf die Melodie des Vogelgesangs dieses Liedes abgestimmtes Glockenspiel in Molitg-les-Bains ist sein Wunsch eingraviert, dass die Melodie zu einem Lied der Hoffnung und des Friedens werden möge. Die Erfüllung dieses Traums durch das Ende des Franco-Regimes 1975 erlebte Pau Casals nicht mehr, er starb zwei Jahre früher. Pau Casals „El cant dels ocells” (3:45 min.). Den musikalisierten Friedensgedanken werte ich mal mit einem a-STONE-ishing, auch wenn man dieser Botschaft keine Versteinerung, sondern ewiges Leben wünscht.

Die tragische Flüchtlingsgeschichte vor der faschistischen Verfolgung an der Côte Vermeille hatte zwei Richtungen zur annähernd selben Zeit, denn die Nazi-verfolgten Juden mussten letztlich auch aus dem faschistisch besetzen Frankreich fliehen (diese aber über den Hinterlandpass Rumpissa). Der fehlenden Einigkeit der Faschisten und dem Misstrauen ihrer Führer untereinander (Mussolini, Hitler, Franco) war es zu verdanken, dass es unideologische Allianzen – zumindest Fluchtfenster gab. Die Nazi-Verfolgten flüchteten entsprechend über das faschistische Spanien (mehr oder wenig geduldet) in dann sichere Gefilde (meist via Portugal nach Amerika). Außer Geschichten über Möwen brachte mich so auch die große Geschichte zurück an die Côte Vermeille und Costa Brava:

Das Meer weint (Banyuls)

Der Weg durch Reben hinauf
mit Schweiß – ich schnauf’
von Sonne verführt
zu Tränen gerührt
der Sinn im Gedicht
vom Licht, das bricht
ein Gemälde im Dunst
fürwahr ist Kunst
spiegelt die Bucht
doch erinnert an Flucht
das Gedächtnis der Schande
der Mensch geraubt dem Lande
das Meer schluckt schwer
mit Rauschen einher.


… mit diesem Gedicht endet mein Bericht der 2011er-Reise „Pyrénées Cathares Catalán“, dem Blick auf die Côte Vermeille bei Banyuls abgerungen und nachempfunden die Leiden des Walter Benjamin und der (meist jüdischen) Flüchtlinge, geleitet von Lisa Fittko, und in meinem eigenen schweißtriefenden Angesicht der steilen Weinbergstraße zum Tour de Madeloc. Wenngleich meine aktuelle Reise nicht auf (den gleichen) historischen Spuren wandelt, so ist doch hier ein wichtiger Verknüpfungspunkt beider Reisen. Um die Geschichte um Walter Benjamin komplett zu machen, fehlte mir noch die Besichtung des zentralen Mahnmals in Portbou, dem Flucht- und zugleich Todesort des Berliner Philosophen, der wohl mehr an seinem eigenen Zweifeln scheiterte – ein ebenso freier wie sensibler Geist, der sich in die Enge getrieben fühlte und nicht die letzte Chance im Flüchtlingschaos abwartete. Aus verschiedenen Gründen verfehlte ich das Mahnmal des israelischen Künstlers Dani Karavan schon gleich dreimal. Nunmehr sollte ich also den Abschluss dieser vergangenen Thementour finden. Im gleißenden Licht der Mittagssonne, die sich im Meer spiegelt, steige ich die Stiegen durch den rostfarbenen gebürsteten Stahlkorridor hinunter. Mit einer Glassplatte endet er im Fels über dem Meer, doch der Blick ist das blaue Gesicht – das Meer hier rein und schön, die Farbe unwirklich zu den Tränen, die es einst fassen musste. A-STONE-ishing im Gedenken. Vertonung des Todes von Walter Benjamin: Brian Ferneyhough: „Amphibolies II (Noon)“ aus: „Shadowtime“ (4:31 min.).

Nach dem Denkmalbesuch empfinde ich eine Erleichterung, so als hätte ich eine Last abgestreift, die angespannte Erwartung weicht dem leichten Sommergefühl, dass ich folgend vom Mittelmeer erwarte. Es beginnt eine neue Reise – jetzt und hier wohl endgültig – doch sollte die Leichtigkeit nur von kurzer Dauer sein. Schon am späteren Nachmittag sorgte giftiger Küstenregen und ein knallharter Anstieg für das ganz profane Leiden des Radlers im Gefecht mit den Naturcharakteren. Und so verschwindet die große Geschichte mal wieder hinter den vielen kleinen Radgeschichten, die so ein Drahteselritt mit sich bringt.

Der besagte Anstieg führt hinauf – logisch, dass es hier wieder um Himmlisches geht – zu den Gebeinen von Petrus. Zumindest gibt es die Legende, dass Reliquien des Apostels hierhin einst gerettet wurden, da Rom damals von den Germanen bedroht war. Selbst die gesicherte Klosterexistenz reicht aber bereits in die Zeit vor dem Mittelalter. Für den hochwertigen Schatz spricht heute, dass die Tore abweisend verschlossen wirken und das Gelände von einem unfreundlichen Hund verteidigt wird. Offiziell sollen aber auch Besichtungen möglich sein. Da ich nicht nur über alte Knochen sprechen möchte: Der Ausblick auf dieser Route muss wohl grandios sein, wenn – ja, wenn – es mal gute Sicht geben sollte. Weiter unten fällt der Blick auch noch weit hinüber über das gesamte Cap de Creus, die Bucht von Roses lässt sich erahnen. Weiter oben bleibt es bei Nordblicken. Die Fahrt durchs Felsenmeer ist sicherlich a-STONE-ishing!

Unterhalb des Klosters zur westlichen Seite finden sich dann mehre Dolmen, wobei natürliche oder menschliche Steinanordnung schwer zu unterscheiden ist. Auch hier also Legenden um Tote, Geister und Gebeine. Fast wieder irdisch wird es weiter unten in der Ebene, die durch ein ausgefeiltes Bewässerungssystem fruchtbar gemacht ist. Erstaunlich, wie über kilometerlange Strecke die meist auf Pfeilern gesetzten Wasserrinnen ein wirksames Gefälle haben. Wahrscheinlich sind auch Pumpen hier und dort versteckt. So gelingt in dieser Ebene des Empordà auch der Anbau von Reis – eine geschätzte Spezialität der Region.

Solche Fruchtbarkeit verlangt natürlich nach überirdischen Erklärungen. Ein Sardana-Lied, traditioneller Tanz der Region, behauptet gar, dass Gott bei der Entstehung der Welt hier den Frühling verbrachte. So gesehen wären die Petrus-Gebeine in der Nähe nur zu verständlich. Schöner ist jedoch die Legende zu hören, demnach ein Hirte aus den Pyrenäen hinabstieg, um den widrigen Bedingungen der Berge zu entfliehen, sich dabei in eine Sirene verliebte und aus Liebe sie dann gemeinsam das Empordà als fruchtbare Ebene schufen („die lächelnde Ebene“). Joan Maragall zeichnet für die literarische Gestalt der Legende verantwortlich, Enrico Morera sorgte für die pathetische Vertonung mit viel Katalanenblut: Enrico Morera „L’Empordà“ (4:34 min), instrumentale Orchesterfassung.

Kehren wir auf den Sattel von Pirineosaurus zurück. Zunächst helfen einsame Sträßlein durch die Ebene. In Castello d’Empúries verliere ich einen Moment die reguläre Straßenroute aus den Augen. Stattdessen lädt eine ausgeschilderte Radroute ein. Überhoher Schilfbewuchs, naturnahe Kanäle mit laichgeschwängerten Algenschwämmen und Siele durchziehen die Ebene. Doch bald schwindet der Asphalt und die Piste wird teils ungenehm holprig, öde Ackerkrummen rechts und links. Landwirtschaftsverkehr staubt die Saurierhaut ein. Die Piste hält auf. Später vor Sant Pere Pescador dann wieder besser, teils mit Holzbohlen, neues Holzbrücklein, wieder feuchte Biotope.

Ich befinde mich auf Pirinexus, einem Radweg aus der Saurierzeit, der einst zu Ehren von Pirineosaurus gebaut wurde, als ihm noch saurische Radhelden zu Füßen lagen. Pirineosaurus wird wehmütig, dass er nochmal Pirinexus beradeln darf. Der prähistorische Saurierradweg wurde mit 1,65 Mio. Talern binnen drei Jahren aus den Kassen der EU wieder Instand gesetzt. Er verbindet Frankreich mit Spanien (Roussillon – Costa Brava – Alt-Empordà – Girona – Garrotxa – Ripolles – Roussillon) und ist eine der längsten geschlossen Radrouten (366 km) über Land in der Region und wohl in ganz Spanien. Pirinexus kann man als Rundkurs fahren und führt auch über den Pyrenäen-Hauptkamm mit dem Col d’Ares. Dabei werden verschiedene Vias Verdes einbezogen und mindestens in Teilen gibt es eine spezifische Infrastruktur für Radler (Bed-&-Bike-Betriebe, Werkstätten, Picknickplätze, Brunnen). Es versteht sich von selbst, dass einige originale Anteile mit unwirscher Feldwegpiste aus den Zeiten von Pirineosaurus erhalten wurden. Das förderte Pirineosaurus’ rüttelige Kindheitserinnerungen, wenngleich er nicht alles gut findet, was aus seiner Zeit stammt. Für alle, die mal auf saurischen Spuren wandeln wollen: Pirinexus.

Der Tag endet in einem Fischerdorf, wie er eben nur dort enden kann: Mit einer Portion Regen und frischem Fisch im Fischrestaurant. Nicht nur der gebackene Stockfisch überzeugte mit einer feinen Note in Sauce und Beilagen, sondern auch der Gastwirt entpuppte sich als kosmopolitischer Geist, der bereit war, ein paar Anmerkungen zur spanischen Wirtschaftskrise und zur anstehenden Unabhängigkeitsbefragung der Katalanen zu machen. Als vielgereister Gastronom wusste er um Unterschiede in der Essenskultur – ein zweifellos für mich ergiebiges Thema. Die spanische Wirtschaftskrise war auch bei ihm angekommen, wenngleich in einem Touristenort an beliebten Stränden das Geschäft noch nicht ganz versiegt ist. Insbesondere bleiben die Einheimischen unter der Woche aus, man trifft sich mehr zuhause um zu sparen. Am Wochenende (nicht Sonntag) ist aber der Andrang weiterhin hoch, ganz ließe sich der Spanier das Brot – will sagen: den Fisch – nicht vom Teller nehmen.

Mo 16.6. Sant Pere Pescador/Camping Aquarius – via Strandpiste – L'Escala – Bellcaire d'Empordà – Torroella de Montgrí – (Pals) – Platja de Pals/Illa Roja – Pals – Peratallada – Vulpellac – Palafrugell – Mont-ras
79 km | 15,9 km/h | 4:56 h | 475 Hm
W: meist sonnig, 27 °C, nachts mild
Ü: C Relax Nat Mont-ras
AE (C): Crevetten-Cocktail, Hähnchenschnitzel, Pf, gegr. Tomaten, Eis, Rw 16 € (–)
B (Torroella): Museum für indian. Kultur 0 €

Zurück am Meer, nun großer Sandstrand. Weite Blicke, noch oder wieder dunkle Wolken, aber trotzdem das Sommergefühl der Brise, die Schaumkronen brechen aus dem blassen Blau heraus im diesigen Licht, kraftvoll in der Masse im Meer, überschlagen und ertränken sich selbst. Um den nackten Fuß auf Sand bleibt nur noch ein zartes Prickeln aus feinen Bläschen zurück. So endet das Wasser zahm und kehrt doch zurück in den wilden Pool mit seinen dunklen Tiefen, dem unsichtbaren Schlund, aus dem immer wieder neue Muscheln hervorgespült werden, in denen vielleicht Sirenen wohnen. Hier aber sind keine Sirenen, nur vereinzelte Frühstrandläufer von den Campings oder mal ein Frühbader – wie ich es mir nicht nehmen lasse. Strand ist aus Sand ist aus zerriebenen Stein und hier in jedem Fall ergo a-STONE-ishing.

Eine weite Strecke lässt sich auf fester Piste gleich in Strandnähe passieren, der Weg verläuft z. B. hier direkt zwischen Camping und Strand, woanders auch schon mal hinter einem Camping-Gelände. Ganz durchgehend geht das mit Radl nicht bis L’Escala. Ein Straßenabschnitt liegt dazwischen, dann unmittelbar in der Bucht von L’Escala fährt man auf einem luxuriösen Strandpromenadenradweg samt Veloverleih an der Strecke. Die imposanten Ausgrabungen von Empúries liegen zwar auch an dieser Strecke, doch ist das Gelände eingezäunt und nur per Eintritt zu gesitteten Touristenzeiten nach Hotelfrühstück zu besichtigen – also ab ca. 10 Uhr. Für mich eine zu lange Wartezeit, obwohl ja thematisch für meine Tour auch a-STONE-ishing. Pirineosaurus kann es verschmerzen, man muss nicht alle Römer kennen lernen. Unweit per Extratour an der eigentlichen Zufahrtstraße zu L’Escala gibt es übrigens weitere, unauffälligere Ausgrabungen im freien Feld.

L’Escala, alter Fischerort, lässt auf der Strandpromenade versteinerte Figuren in Trompeten blasen. Sie stehen für die Habaneras, Lieder, die weit gesegelte Seemannsleute aus Kuba mitbrachten, und heute noch als regionale folkloristische Kultur gepflegt werden, wenngleich sich die Musik weniger erneuert und weiterentwickelt hat als die Rhythmen auf der karibischen Zuckerinsel selbst. Pirineosaurus lässt noch mal eine traditionelle Habanera in seinem Ohr erklingen, wobei hier die kräftigen Bläserbegleitungen fehlen, für die es größere Ensembles braucht und die nicht zu jeder Seemannsstunde sich zusammenfinden konnten: Gavina „L’Escala“ (3:47 min.).

Weil mir der Campingwart am Morgen von dem Experiment abgeraten hatte, eine küstennahe Piste nach L’Estartit zu fahren, wähle ich die weitgehend flache und fast schnurgerade Route durch die lächelnde Ebene, wieder teils mit Reisfeldern, nach Torroella de Montgrí. Die küstennahe Piste soll weder landschaftlich reizvoll, zudem von übler Qualität sein. Ein Zugang zur blauen Grotte Foradada würde es auch nicht geben – das sei nur eine Sache für eine touristische Bootstour. Statt Grotte finde ich also an der Straßenroute auf einem kleinen Hügel das reizvolle Örtchen Bellcaire d’Empordà mit einem Kirchenschloss. Auf der Suche nach einer Nebenroute weist mir ein holländischer Rennradler den Weg. Die gemeinsame Fahrt von Bellcaire direkt via Ulla nach Torroella (ein wenig hügelig, auch nicht schnurgerade wie die Hauptstraße) bringt mich aber an mein Leistungslimit und hinterlässt eine feuchte Schweißspur auf der nunmehr sonnengetränkten Hinterlandstrecke.

In Torroella habe ich dann Lebewohl gesagt, nicht nur um das Tempo wieder zu drosseln, sondern auch weil Torroella sehenswerte Gassen bereit hält. Sicherlich ist es selbst mit geschobenem Rad nur schwer, die Touristenströme zu durchwaten, am Markt ist es für mich dann schon fast gefährlich von breitbäuchigen Spezialitätenkostern erdrückt zu werden. Ein Paar aus London, selbst wohl eher unsportlich orientiert und durchaus nicht ganz ohne Ähnlichkeiten zur Leibesfülle Churchills, gleichwohl kosmopolitisch wie kulturell aufgeschlossen, spricht mir euphorische Lobesbekundungen zu ob meiner großen Pyrenäenpläne mit Gepäckrad. Sie erweisen sich als Insider der Pyrenäenwelt, können die meisten meiner anvisierten Regionen zuordnen und sind entsprechend begeistert von meiner pirineosaurischen Entdeckerfreude.

Erwähnenswert sind in Torroella zwei Museen, von denen das von mir vordringlich begehrte private Fotografiemuseum leider erst ab 17 Uhr die Tore öffnet. Dem unscheinbaren Gebäude liegt direkt gegenüber ein architektonisch sehenswerter Innehof mit Spanien-typischem Patio samt Brunnen und pastellfarbenen Gewölbebemalungen. Das Haus beherbergt ein Museum für indianische Kultur, besser gesagt für indianische Motive in der spanischen Kultur. Die Bildnisse sind nicht nur Gemälde sondern auch kunstvolle Darstellungen auf Alltagsgegenständen oder insbesondere auf Kacheln, also zur Zeit der Kolonialisierung ein in besseren Häusern üblicher Wandschmuck. Was original indianisch oder nur indianisch geprägt spanisch ist, bleibt für mich zuweilen unergründlich, da es keine fremdsprachigen Erläuterungen gibt.

Nach soviel Trubel ist es Pirineosaurus nach Meer. Ich wollte speziell zum Illa Roja (der Name wird mehrfach an der Costa Brava verwendet), unmittelbar bei der Platja de Pals (weiter Sandstrand) nach Süden anschließend eine kleine Bucht mit einem markanten Felsen. Pirineosaurus sucht ja a-STONE-ishing things, also so was wie Illa Roja. Das Rad muss man allerdings zuvor abstellen, geht unter einem Baum, danach stapft man nämlich ein Stück durch Sand. Ein deutsches Paar fragte ich hier nach einem fahrbaren Übergang nach Begur. Sie erwiesen sich trotz zwei Wochen Urlaub vor Ort als eher unkundig. Denn entgegen ihrer Auskunft gibt es tatsächlich eine Überfahrmöglichkeit durch Villengebiete oberhalb der Felsbucht, wenn auch etwas weiter dahinter. Das konnte ich mir aber erst am nächsten Tag zusammenreimen, da diese Straße nicht ausgeschildert ist (Vermeidung von Durchgangsverkehr). Auch führt unmittelbar vom Felsstrand eine Treppe nach oben zum Villengebiet, wo man wiederum dann eine Straße nach Begur finden müsste bzw. eine Treppe zum Strand von Begur. Diese Treppe mit Rad tragend zu bewältigen wäre allerdings eine ziemliche Schinderei und wegen der Sandbarriere kaum möglich.

Sowohl Pals als auch Peratallada sind pittoreske Perlen der Costa-Brava-Region, gehören zu den sehenswertesten mittelalterlichen Orten mit einer Reihe von kleinen Geschäften und Ateliers mit Kunst, Kunsthandwerk, auch Kitsch und regionalen Spezialitäten wie etwa Reis und Schokolade. Prädikat: 2 x a-STONE-ishing! Da möchte ich die Schokolade aus Pals besonders hervorheben – eine Eigenproduktion mit besonderer Note, blockiger als feine Schokoladen sonst sind, aber intensiv im Aroma (Minze, Orange etc.) und sehr kakaohaltig, nicht süß, aber auch nicht penetrant im Kakaopulver erstickt, wie es mittlerweile im Kakaoprozentewettbewerb schon mal häufiger vorkommt.

Gewiss muss man mit größerem Besucheransturm rechnen, zur späten Nachmittagszeit fand ich beide Orte aber angenehm besucht vor, Peratallada wirkte schon fast ausgestorben bis auf wenige Gäste in ein paar Restaurants. Peratallada liegt auch schon weiter im Hinterland, nicht mehr an der Strandzubringerroute, die an Pals vorbeiführt. Auch ist Peratallada kleiner, weniger Gemäuer zu besichtigen, aber dafür charmanter, fast schon gefährlich idyllisch, weil in Krisenzeiten nahe am Vergessenwerden, zumindest abends.

Die Verbindung La Bisbal d’Empordà – Palafrugell ist dann schon wieder eine betriebige Verkehrsachse, die auch landschaftlich keine Attraktionen vorzuweisen hat, während auf den Nebenrouten zuvor immerhin da mal ein Reisfeld, dort mal ein hübscher Landblick zu erhaschen war. Das FKK-Camp Relax-Nat Mont-ras ist zwar auf verschiedenen Nebenwegen zu erreichen, dann aber ab Palafrugell nicht ausgeschildert. Wohl gibt es nur auf der Hauptstraße nach Palamós einen Wegweiser. Der Nase nach oder mit Fragen am Wegesrand gelangt man aber auch hin. Überraschend liegt es am Hang recht beschaulich, recht abseits südlich von Palafrugell und zudem unweit von der Piste Le Tren Petit, einer Via Verde von Palafrugell nach Palamós.

Di 17.6. Mont-ras – Palafrugell – Begur – Cap de Forn – Cala Sa Tuna – Begur – Fornells de Mar – Aiguablanca – Tamariu – Llafranc – Calella de Palafrugell – Palafrugell – via Radpiste – Palamós – Sant Antoni – (Calonge) – Romanyà de la Selva
77 km | 11,1 km/h | 6:55 h | 1540 Hm
W: heiter, bewölkt, später Regen, abends sehr kühl 26-16 °C
Ü: C wild 0 €
AE (Can Roquet): Tintenfisch mit Artischocke, Nieren, Pf, Rw, div. kulinarische Mousse & Crème, Gorgonzola-Eis/Rotweinbirne, Cafe 48,20 € (+)

Gleich bei Ankunft wollte des Abends zuvor mich ein älterer Engländer, selbst Rennradler, zu einem Kaffee einladen. Daraus wird jedoch nichts, da nach dem Essen im ansässigen Restaurant er bereits samt Frau entschlummert und ich am nächsten Morgen wieder auf Achse war und ursprünglich mal angedachten Ruhetag hier entfallen ließ. Ich bin zwar den angedachten Ruhetag-Rundkurs über Palafrugell – Begur – Calella de Palafrugell – Palafrugell gefahren und abschließend wieder am Camp vorbei, habe mich aber fürs Weiterfahren entschieden.

Dieser angesprochene Rundkurs um das Cap de Begur herum (es gibt für jeden Zipfel eine eigene Cap-Bezeichnung) umfasst einen sehr steilfelsigen Küstenteil der Costa Brava – wahrlich also a-STONE-ishing. Es geht die engsten Windungen sowie heftigsten und gehäuft folgenden Rampen rauf und runter. Ja sogar sind viele Buchten nur per Stichstraße erreichbar und man muss abwägen, was man alles erradeln möchte. Nicht durchgehend gibt es Meerblick, es ist nicht DIE Traumstrecke der Costa Brava, manchmal schon fast etwas durchschnittlich. Will man mehrere der einzelnen Buchten erleben, empfiehlt sich ein mehrtägiger Aufenthalt mit kleineren Tagesstrecken. Die Buchten sind wie Fliegenfallen – vor dem Runterfahren gut überlegen! Egal welche Richtung, braucht es reichlich Körner für das Zurück. Wie mir ein belgischer Rentner, mit festem Quartier dort in einem der höher gelegenen Siedlungsflecken acht Monate des Jahres verbringend, erklärte, seien in jüngerer Zeit um Begur viele Radler unterwegs, will sagen, viele, die auch dort wohnen. Früher, so meinte er, habe es dort gar keine Radler gegeben. Deswegen entstehe auch immer mehr Radinfrastruktur. Siehe da, die aus dem Norden geflüchteten Schönwetterrentner im Süden werden sportlicher und die Frührentner jünger, weil das Geld schneller verdient ist. Golfplätze (= Invalidensport) reichen nicht mehr. Radfahrer, die neue Bonzengeneration!

Die Stimmungen der Buchten waren für mich schon deswegen an dem Tag sehr verschieden, weil das Wetter sehr wechselhaft war, meist stark bewölkt, trübe, nieselig, auch Schüttregen später, dazwischen aber auch sommerlich sonnig aufgeheitert. Es ergab sich für mich eine Sonnenbadepause in der Cala Tamariu, mit einem kleinen Stranddorf, sehr dezent und ruhig noch. Die Kugel Eis kostet 3,50 Taler und ist kleiner als zu saurischen Zeiten üblich. Das ist der stattliche Aufpreis für sonst kostenloses Meeresblau. Die schillerndsten Smaragdfarben sah ich in der Cala Fornells, die Sandbucht dort ist zwar traumhaft, es gibt aber nahezu keine gut erreichbaren Nebennischen und umliegend einige unerfreuliche Hotel-/Apartmentpaläste. Ein dezenter Ort mit offenbar auch einer preiswerten Übernachtungsmöglichkeit gruppiert sich an der Cala Sa Tuna. Nicht für Reiche und Schickeria. Unmittelbar der Strand ist klein und von Felsen begrenzt, man kann jedoch auf nicht sichtbare Nebenbuchten noch recht einfach über die Felsen hinweg ausweichen.

Direkt in der Bucht von Begur ist auch wenig Platz, wenngleich goldfarbener Sand, garantiert gepflegt. Ein Teil dient einer Auslegefläche für Bootsrenovierungen. Das sieht zwar fotografisch schön aus, die frischen Farben stanken aber ziemlich unangenehm. Aber es wird auch nicht jeden Tag auf Fischerkähne gemalt. Wie schon oben erwähnt, kann man aber auf dem Treppenwege schnell zur Illa Roja gelangen, der Fels ist hier unmittelbar greifbar. Sehenswert ist der Ort Begur weit oberhalb der Strandbucht, mit nicht nur alten, sondern auch lebensfreudig bunten Fassaden. Vor allem die Aussicht am südlichen Ortseingang mit weiter Sicht nach Norden über die auf das alten Begur mit der darüber thronenden Burg ist einen kleinen Traumblick wert.

Die belebtesten und größten Strandorte liegen ganz im Süden auf der Runde. Llafranc mit eher klassischem Strandtourismus dank des größeren Sandstrandes und Calella de Palafrugell mit eher beengtem Ortsstrand, dafür schmucken weißen Häusergassen, gehen ineinander über und bilden eine vollwertige Strandstadt, während man die anderen bebauten Buchten eher als Strandweiler bezeichnen könnte. Weitere Expeditionen etwa zur Cala Estreta südlich von Calella de Palafrugell waren mir nicht vergönnt, weil ich mich der zunehmend schlechten Witterung beugen und gesichert feste Wege suchen musste. Die Straße führt also zurück nach Palafrugell (eine eher zweckmäßige, untouristische Binnenstadt ohne für mich erkennbare Attraktionen) und gleich vor dem Ortseingang mit Jazzclub mitten im Felde auf die o. a. Via Verde nach Palamós. Abwechslungsreich durchaus, mal ein Steinbrücklein, ein Bachlauf, verschiedenes Geäst, auch Maisfelder – streng dunkelgrün fast wie Stahlstäbe wirken sie unter den tief hängenden Wolken.

Palamós ist ein größerer Fischerhafen mit Tradition, eindrucksvoll an der Fischmarkthalle zu erleben. Von der noch dekorativen Felsseite im Norden eröffnet sich bald der Blick auf das Siedlungsband vor den Sandstränden, die sich jenseits der Hafenanlagen in einem weiten Bogen nach Süden ziehen bis die nächste Felsgrenze folgt. An der Fischmarkthalle regnet es Hunde und Katzen – Gelegenheit das Händlertreiben zu verfolgen. Das versteckte Wunder des Meeres beschreibt Mercé Rodoreda so: [/i]“Da lagen Aale, Rochen, Hechte und Seeskorpione mit ihrem riesigen Kopf, mit dem sie wie gemalt aussahen, und mit ihrem Stachel hinten am Rücken, wie Dornen einer Blume… Und all das kam aus diesen Wellen, die mich innerlich so leer machten, wenn ich mich vor sie hinsetzte, all diese hervorstehenden Augen und all diese stacheligen Schwänze.“[/i] (im Original aus „Auf der Plaça del Diamant“)

Die Fische sind hier nicht nur fangfrisch, sondern auch die exakte Herkunft ist ausgewiesen. Den Auffälligsten, eine Art Drachenfisch, hat es am Cap Roig erwischt – trotz seiner gefährlichen feuerroten Farbe und den martialischen Stacheln. Der dickste Fisch würde zwei große Radtaschen ganz füllen. Solche Exemplare sind nur für Gastronomen interessant. Es gibt Streit um den Preis. Wieder und wieder wiegt der Gastronom den Fisch, verlangt eine andere Waage. Stimmt das Gewicht? Hat er Blei gefressen? Da fällt der Kilopreis wortwörtlich schwer ins Gewicht. Das Tier war ihm aber zu sehr ans Herz gewachsen. Am Ende nimmt er den Prachtkerl und zahlt mürrisch. Wie viele Fischteller wird dieser Fisch ergeben? 20, 30, 40? Arbeitsessen für ein Orchester? Ich leiste mir hier nur ein Glas mit streichfähiger Fischfarce direkt von der Frau vor der Halle – das ist eher das kleine Geschäft für die touristische Laufkundschaft, die im Regen ausbleibt. Die Profis sind drinnen in der Halle bei den großen Fischen. Alles fast wie im Börsengeschäft.

Im leicht abflauenden Regen radle ich weiter, unwissend, wo ich eigentlich am Abend landen soll. Das Zeitfenster ist mal wieder kräftig geflutet worden. Ein bisschen wird mein Mut belohnt, der Regen legt sich langsam. Die Straße nach Romanyà zweigt noch vor Calonge ab. Und schon ist man in der Einsamkeit. Keine drei Kilometer entfernt ein Souvenirladen an den anderen, Massentourismus pur. Hier ländliche Idylle, gerollte Heuballen, gespreizte Schirmkiefern, letzte Weiden und Häuser, dann gar Wald und gelauschte Stille. Die Steigung hinauf ist weich, später etwas steiler. Die Baumstämme oben werden flechtiger – grün-silberne Mystik. Zur Linken auf einmal überdimensionierte Köpfe auf Steinsockeln. Der eine könnte ein europäischer Lehrer sein, die anderen sind indianisch – mit Federschmuck im Haar, also nordamerikanisch. Ein privater Sammler oder ein neuer Museumsgarten? Ich finde keine Hinweise.

Stattdessen steht auf der Straße die passende Anfeuerung: „Bravo, Mathias, allez!“ Ich bin etwas verwundert, zumal die Kreideschrift wie frisch aufgetragen wirkt. War da jemand heimlich kurz vor mir zu Gange? Steckt dahinter Die Möwe von Cerbère? Kann Sie sogar mit Kreide schreiben? Hat sie vielleicht die Waldschrate und Wurzelgnome angerufen, selbiges zu tun? Das könnte den kleinen Schreibfehler erklären – eine Übertragungsstörung in den übersinnlichen Netzwerken. Pirineosaurus spürt geheimnisvolle freundschaftliche Schwingungen. Als hätte er Flügel, treibt es ihn den Berg hoch.

Dann ein Parkplatz, eine Erklärtafel, rotbraun der Waldboden von verdorrtem Laub und abgestorbenen Kiefernnadeln, sodann Steine. Eine kommunikativ gestaltete Versammlungsanordnung von Megalithen, vorchristliche Grabkammern, als wäre es ein Timeout bei Basketballern. Auch Zähne und Knochen will man gefunden haben, 4000 Jahre alt. Man könnte sogar meinen, das Granit-Arrangement erinnere an ein übergroßes Gebiss. Ein Gebiss der Zeitgeschichte sozusagen und bissfest bis in die Ewigkeit. Die Gegend hier ist voll mit Megalithen, die Dolmen de la Cova d’en Daina sind aber das eindrucksvollste Ensemble. Eindeutig a-STONE-ishing. „Im Zweifel auch ein guter Platz fürs Wildcampen“, denke ich schon mal etwas voraus. Der Schlafende ist ja quasi der lebende Verbündete des Toten.

Nach einer kleinen Zwischenabfahrt gelange ich zur nächsten Anhöhe – das Dorf Romanyà de la Selva. Es ist kaum zu erkennen, dass hier Menschen leben sollen. Die Residenzen verteilen sich irgendwo gut versteckt hinter der mittelalterlichen Kirche, die zusammen mit etwas weiterem altem Steingemäuer ein anmutig sanftes Abbild des rötlich absorbierten Abendlichtes liefert. Selten wirkt ein so entlegenes Dörfchen so einladend, ja strahlt gar eine poetische Heimeligkeit aus. Klar doch, denn die katalanische Schriftstellerin Mercé Rodoreda ließ sich hier einst nieder. Sie lebte eine Zeit im Exil, weil ihre Sprache für die Franco-Faschisten zu gefährlich war und die Franco-Faschisten zu gefährlich für sie. Dann musste sie folgerichtig im besetzten Frankreich auch noch vor den Nazis fliehen, denn Faschisten, egal welcher Prägung, fürchten das wahrhaftige Wort. Es ist wohl so, das besondere Orte einen eigenen Atem haben, der nicht nur passende Menschen anlockt, sondern auch die Aura dieser Menschen im Gepräge weiter trägt. Die Geschichte wächst dem Geiste nach, die Mauern tragen ihn fortan in sich umschlungen. Romanyà ist jedenfalls Stein gewordene Poesie. A-STONE-ishing!

Wie kann es sein, dass ich in Romanyà den Tag beende, kein Camping, kein Hotel, keine Herberge – doch immerhin: ein Restaurant (offiziell soll es ein zweites geben, das aber geschlossen hatte). Das Restaurant heißt „Can Roquet“, eigentlich mit Außenbereich, doch der Kühle und Feuchte des Abends gezollt, an diesem Tag nur in den Innenräumen betrieben. Das Restaurant ist im Guide Michelin geführt, zwar kein Sternerestaurant, aber doch ein Gourmetrestaurant. Die Preise sind natürlich hoch für kleine Talerbeutel, doch mir gerade noch genehm. Ich beschließe teures Essen, ein Platz fürs Zelt wird sich schon finden. Das Ambiente ist schon etwas edel-bieder, das Publikum aber eher locker unkonventionell. Mir scheint es ein Übermaß an Personal zu geben. Das bräuchte man natürlich, wenn draußen auch noch Leute sitzen würden. Die Karte gibt es nicht nur in Englisch, sondern alle Gerichte werden auch persönlich vom Service erklärt.

Die Tintenfische mit Artischocken haben schon eine besondere, feine Note, die Nieren mit schlichten Pommes frites hätten schon noch etwas mehr Mühe rundum haben dürfen. Da kann man z. B. die Kartoffelkreation etwas einfallsreicher gestalten – das haben schon Nichtgourmetrestaurants deutlich besser hinbekommen. Das Dessert mit Gorgonzola-Eis und Rotweinbirne sicherlich der Menühöhepunkt, insgesamt aber nicht ganz das versprochene Niveau. Etwas weniger Klischee à la Haute cuisine wäre auch angebracht, denn schließlich will ein Saurier auch satt werden. Die besten Kreationen waren kleine Extras, die ungefragt zu Anfang und zu Ende serviert wurden. Kleine Schälchen mit verschiedenen Arten von salzigen und süßen Mus mit durchdacht abgestimmten Geschmacksaromen.

Frech wie nur ein Pirineosaurus sein kann, habe ich den belgischen Restaurantchef anschließend gefragt, ob ich denn die Gartenbereiche zum Zeltaufstellen nutzen dürfe, derweil ich ja am frühen Morgen weitgehend ungesehen das Gelände verlassen würde. Derartige Ansinnen habe ich schon mehrere hinter mir, die alle erfolgreich verliefen, da man mich zuvor als guten Kunden gerne gesehen hatte. Je exklusiver die Gaststube, desto freundlicher sogar. Doch der ehrgeizig wirkende Belgier wies diese Bitte ab, erklärte, dass sein Gelände auch nur klein und gleich beim Nachbarn ende. Mir hätte es allemal gereicht. Nun ja, unweit fand ich Platz auf einem Höhenfeldweg unweit eines Denkmals, dessen Bedeutung ich nicht erkunden konnte. Die Dolmen waren mir doch zu weit weg und hier gab es ja auch einen Toten als Schutzheiligen. Jedenfalls ist das Monument nicht zu Weihen von Mercé Rodoreda, die aber just dieses Jahr ein Ehrenmal in Romanyà erhielt.

Mi 18.6. Romanyà de la Selva – Llagostera – Alt de Sant Grau (476m) – Sant Grau – Salionc – Tossa de Mar – Cala Llevadó – 3 – Tossa de Mar
47 km | 12,7 km/h | 3:38 h | 840 Hm
W: sonnig, nachmittags bewölkt, Regen, Gewitter im Land, 26-21°C
Ü: C Cala Llevadó 18,60 € (regulär 25 €)
AE (C): gegr. Gemüse, Seeteufel, Kart., Eisbecher, Cafe, Rw 25,20 €

Der Tag sollte nun auch wieder Ruhetag sein, der einzig verbliebene am Meer. Ich war natürlich noch weit weg, erreiche Tossa de Mar erst zur späten Mittagszeit. Während ich morgens auf dem Rad mit Schweißperlen großzügig um mich schmeiße, wird das Strandvergnügen alsbald am Nachmittag deutlich eingetrübt, ein feiner Regen und unangenehm kühle Luft lassen mal wieder die Galerie fehlgeplanter Ruhetage erweitern, obwohl es ja nur ein halber war. Zuvor aber besichtige ich das noch intensiv sonnenbeschienene Llagostera. Auch auf einem Hügel gelegen, ist ein Teil der ehemaligen Burganlage auf der obersten Plaza noch zu finden. Typisch für den Ort sind einige modellhafte Häuser der Modernisme.

Einsam fährt sich über Sant Grau zur Küste. Nach Schafweiden und bewaldeten Stücken entfaltet sich auf der Meerseite unterhalb von Sant Grau ein beeindruckendes Kurvenlabyrinth mit grandiosen Meerblicken. Natürlich fliegt man dabei auch an viel Stein vorbei – schlicht a-STONE-ishing. Bei der Wallfahrtskirche Sant Grau wollte ich eigentlich eine Piste durch das Küstengebirge fahren, um direkt bei Tossa de Mar ans Meer zu stoßen. Die Piste macht mir aber keinen vertrauenswürdigen Eindruck, zumindest würde ich dort länger brauchen als die längere, weil eckige Variante auf Asphalt, durch die ich ein Teilstück der Küstenstraße zweimal fahren werde.

Die Straße trifft bei einer Ansiedlung ans Meer, die sich kaum als Ort bezeichnen lässt. Das gilt eigentlich für die gesamte Küstenstraße zwischen Sant Feliu de Guixols und Tossa de Mar. Nicht einmal die recht große Verbauung Canyet würde ich als Ortschaft bezeichnen. Es gibt hingegen vereinzelte touristische Komplexe, eine Bucht beherbergt einen Camping. Wo wenig Menschen, da auch wenig Autos. Gewiss ist dieser Paradestraße der Costa Brava auch ein Touristenziel, doch gibt es nahezu keinerlei Transitverkehr, selbst der Lieferverkehr ist gering, eher mal ein paar Klein-LKWs zu Baustellen. Ich bin hier mittags gefahren, anderen Tags zwischen Morgen und Mittag, wenngleich in der zweiten Junihälfte man sagen muss, dass es offiziell noch keine Hochsaison ist. Ich kann auch nicht erkennen, dass hier die Küste verbaut ist, auch wenn nicht jeder Felsen naturbelassen geblieben ist. Diese Küstenstraße ist also ein Radeltraum, nicht zuletzt sind auch viele einheimischen Rennradler dort unterwegs. Ich erlebe ein Festival der Blautöne, bis ins Smaragdene hinein, ein Glitzern und Blinken, eine Träumerei aus Licht und Farben, eine große Sinfonie für die Iris. Das alles im eher leichten Auf und Ab und mit viel Fels ums Meer rum – wiederum absolut a-STONE-ishing! Pirineosaurus juchzt.

Ich verlege die Besichtigung Tossa de Mar auf den nächsten Tag und fahre gleich durch zum Camping Cala Llevadó, um schon beschriebenen bescheidenen Strandnachmittag zu erleben. Der Camping verfügt über mehrere Strandbuchten unter einem steil gestaffelten Platz mit dichtem Pinienbewuchs. Zuweilen hat man von einigen Plätzen traumhafte Meerblicke. Allerdings liegt er drei Kilometer entfernt über einem Hügel hinweg zu Tossa de Mar, was einen lockeren Abstecher zum Nachtleben dort erschwert. Der Schrankenwart des Campings (es gibt eine ganze Rezeptionsadministratur) erahnt meine saurische Abstammung, aus der es bekanntlich nie möglich war, es in die gehobenen Verdienstetagen zu schaffen wie etwa die Säugetiere. Ich erhalte über 6 Taler Rabatt wie es für Mitglieder eines bekannten Motorenclubs, dessen gelbe Mitarbeiter aus göttlichen Wolkenpalästen heraus ihre Arbeit verrichten sollen, sonst üblich ist. Pirineosaurus empfindet tiefe Dankbarkeit, dass seine saurische Fortbewegungsart doch noch Gönner und Freunde hat.

Während ich mal wieder einem verpassten Strandflirt nachtrauere, derweil die Sirene mit einem Augenzwinkern auch vor dem schlechten Wetter flüchtete, beginnen im Camping-Restaurant die Spanier an zu singen „Viva España!“ – Was ist los? – Es geht offenbar ein Pirineosaurus unbekanntes Ballspiel, das den Menschenkindern sehr am Herzen liegen muss. Die Spanier besingen den Untergang ihrer eigenen Mannschaft, die von einer Tulpentruppe soeben aus einem bedeutenden Turnier geworfen wurde. Ist es jetzt Galgenhumor über die Niederlage oder gar Häme von Katalanen über niedergeknechtete Spanier? Man feiert die Feste immer, egal was passiert. Also auch die Untergänge. Nicht aus Stein und doch irgendwie a-STONE-ishing.

Do 19.6. Cala Llevadó – Tossa de Mar – Sant Feliu de Guixols – Platja d'Aro – Sant Antoni – Calonge – Coll de Ganga (205m) – (La Bisbal d'Empordà) – Cruilles – Monells – Puig Alt (484m)/Els Angels – Girona
97 km | 13,2 km/h | 7:22 h | 1475 Hm
W: sonnig, später bewölkt, Luft eher kühl, max. 26 °C, in Girona mild
Ü: H Alberg Cerverí 20 € m. Fr.
AE (El Museo del Vidi): gefüllte Kroketten, Lamm, Pf, Gemüse, Rw, warmer Schoko-Ku., Cafe 26,75 € (+)

Noch einmal geht es an der Costa Brava entlang, diesmal selbiges Stück vom Vortag zurück und weiter über Sant Feliu, Platja d’Aro erneut zum Abzweig nach Calonge in Sant Antoni. Zuvor durchstreife ich noch Tossa de Mar, die meisten Läden, Kneipen und Restaurants noch im Morgenschlaf. Eindrucksvoll zieht sich die mittelalterliche Festungsmauer um die Stadt bzw. den Küstenhügel hinauf. Sieben Türme geben der Stadt ein malerisches Bild, das zwangsläufig Künstler verschiedenster Couleur anlockte. Marc Chagall hat vom „blauen Paradies“ gesprochen. Dazu erklimme man die Küstenfels oder schaue einfach das Gesamtpanorama von Norden an.

Zurück nach Norden über die Küstenstraße – jubilierend, siehe Vortag. In Sant Feliu ist natürlich mit der idyllischen Costa Brava vorbei. Selbst schon ein städtisches Zentrum, beginnt nunmehr auch ein touristischer Streifen mit großem Andrang. Die Ortsgrenzen kann man kaum nachvollziehen. Deswegen ist aber noch nicht jeder Strandabschnitt überfüllt. Nischen und Lücken finden sich überall. Überraschend wenige Leute fand ich an der Platja d’Aro im Norden beim Wahrzeichen, dem Fels Cavall Bernat, der wie ein Hinkelstein mitten im güldenen Sand steht. Ein Objekt aus Pirineosaurus’ Sammlung von a-STONE-ishing things.

Der Abschied vom Meer fiel sicherlich schwer, doch Pirineosaurus sieht sich jetzt neuen Aufgaben gegenüber, weitere Felswunder warten. Zunächst steht ein landschaftlich eher unspektakulärer Übergang nach Girona an. Am Beginn steht Calonge, den Ort, den ich zwei Tage zuvor vorbei ziehen ließ. Neben der Burganlage mit einem großen Platz davor gibt es einige interessante Cafés. Ein kleiner Bummel lohnt. Doch leidet auch dieser Ort schon an auffällig wenigen Besuchern, alles tummelt sich am zugehörigen Strandteilort Sant Antoni. Der Coll de la Ganga ist leichter Pass, liebliche Landschaft u. a. mit Weinbergen begleitet das Auge.

Ich lasse die Keramikstadt La Bisbal d’Empordà aus, besichtige nur die kleinen Orte Cruilles (Turm, Kloster) und Monells. Nach Monells schaffen es weniger Touristen als nach Peratallada, ich kann auch keine Geschäfte ausfindig machen. Doch die Gassen mit Torbögen, die verwunschenen Blumenkübel, die Plätze mit einsam verlorenen Katzen oder ein stiller Brunnen in einer Häusernische strahlen unvergleichlichen Charme aus. Im Ort herrscht geheimnisvolle Stille, jeder Winkel atmet Schönheit aus der Ruhe. Sofern ein Mensch auftaucht, scheint er sich angemessener Unauffälligkeit verpflichtet. Schon fast wieder steingewordene Poesie. Hier werden Geschichten bestimmt nicht einfach erzählt, sondern mit einer sanften Melodie geflüstert. A-STONE-ishing.

Bis Madremanya hat der Radler einfaches Spiel, hübsch unauffällig bis auf ein Türmchen, dessen blau-weiße Dachzeichnung bayerisch anmutet. Bei Madremanya verunsichern mehrere Abzweige, man nehme nicht gleich den ersten. Das Ziel heißt kurz „Els Angels“, das verstehen alle, andere Kartenbezeichnungen kennt das einheimische Volk weniger. Die Höhe erfordert schon einen kräftigeren Pedaltritt, nicht zuletzt gerne von einheimischen Radfahrern zum Training genutzt. Oben beim Engel ist der Pass; nur wenig weiter hoch findet sich die Kirche nebst Aussichtsplattform. Pyrenäenblick mit Abendsonne. Ein Mountainbiker aus Girona bestätigt mir nochmal den Übernachtungstipp Alberg Cerveri, den ich von Pau habe, einem Saurierfreund aus der Nähe von Girona, der aber zur selben Zeit in nordischen Wäldern zum Bärenjagen unterwegs war. Der MTB-Fahrer berichtet noch über die vielfältigen MTB-Routen im Hinterland der Costa Brava, von der Popularität des Radfahrens und klagt über die Touristen, die Girona trotz Flughafen weitgehend vernachlässigen. Er meint, Girona wäre nur eine Kleinstadt.

Die Abfahrtsseite ist felsiger, Kiefern, keine Felder. Die Straße windet sich recht kompliziert, Girona ist erst spät zu sehen, kurze Einfahrt. Wohl habe ich den Rat missachtet, am Ufer der Ter entlang zu radeln und lande in der falschen Ecke am Bahnhof auf der Neustadtseite. Dort hilft mir ein Taxifahrer, von dem ich dann einen Stadtplan erhalte – so gesehen war der Umweg dann doch sinnvoll. Die Herberge ist unauffällig mitten in einer der alten Häuserfassaden zu finden. Ich bekomme ein Zimmer für mich allein, die Herberge ist kaum besucht, die Einrichtung sehr angenehm, besser als die Durchschnittsjugendherberge in Deutschland oder Frankreich. Nur wenige Schritte sind es zu Altstadtkneipen und Restaurants, die Auswahl allein fällt schwer. Studentischer Flair, viel Atmosphäre, eine Stadt mit hoher Lebensqualität, in der das Rad auch zum Alltag gehört.

Der blinde Pianist Tete Montoliu aus Barcelona ist vielleicht bis heute die bedeutendste Jazzfigur Kataloniens (1997 verstorben). Seine Virtuosität und sein Einfühlungsvermögen machten ihn zu einem brillanten Ensemble-Partner zahlreicher internationaler Jazzgrößen vom Bebop bis zur freien improvisierten Moderne eines Anthony Braxton. Auch die katalanische Volksmusik griff er in seinen Werken auf. Ideal also, ihn in das internationale Flair der Costa Brava und als identitätsstiftenden wie pulsierenden Geist der kosmopolitischen Urbanität der Region einzuflechten. Am ehesten kann man ihn als eine Stilikone des Hardbops à la Oscar Peterson bezeichnen, welches folgendes Beispiel untermauert: Tete Montoliu Trio „Blues for Perla” (8:55 min.)

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Verantwortlich gezeichnet
Pirineosaurus Rex

Fortsetzung folgt