Re: Zum EV 6 und bis Mulhouse

von: Fricka

Re: Zum EV 6 und bis Mulhouse - 11.09.16 07:51

16.5. Sonntag

Erfreulicherweise scheint die Sonne. Die nasse Wiese dampft. Wir packen zusammen. Vor Abfahrt kaufen wir im Campingladen noch Baguette und Wasser. Wer weiß, was wir am Sonntag an offenen Läden finden.

Die Landschaft gefiel uns schon gestern abend im Regen. Bei Sonne ist sie noch schöner. Sieht allerdings etwas anstrengend aus. Sehr hügelig. Wir fahren Richtung Hombourg und hoffen, auf den RaVel 38 zu treffen, einen Bahnradweg, der uns nach Lüttich bringen soll. Zahlreiche große und kleine Gruppen von Rennradlern sind unterwegs. Einige überholen um Haaresbreite. Sehr unangenehm. Dazu kommt uns ein Konvoi von ca. 50 Oldtimern entgegen. Wir stehen am Straßenrand und winken.

Hinter Hombourg kreuzen wir irgendwann den RaVel und biegen auf ihn ein. Er ist nicht befestigt, lässt sich aber gut fahren, obwohl er von den gestrigen Regenfällen noch aufgeweicht ist. Wir haben einen weiten Rundblick und versuchen in der Ferne das Meuse-Tal auszumachen. Wir fahren jetzt ständig bergauf. Vorbei an den üblichen Bahnradweg-Accessoires wie einladende Gaststätten in gewesenen Bahnhöfen. Weil Sonntag ist, sind auch hier etliche Radler und Wanderer unterwegs. Der Radweg ist gut ausgeschildert.

Als wir an einem Hinweisschild auf einen Flohmarkt vorbeifahren und viele parkende Kombis Kleinbusse usw. sehen, biegen wir ab. Wir vermuten einen Bratwurststand. Der Flohmarkt findet auf dem Gelände eines ehemaligen Viehmarkts statt. Ehemalig? Kann noch nicht lange her sein. Überall liegt Mist herum. Die Verkäufer haben ihre Handelsware auf dem Betonboden ausgebreitet und sitzen daneben. Viele Kunden sind nicht zu sehen. Überall wird zusammengepackt. Das Zeug wird direkt vom Stand zu den Containern vor der Halle gebracht. Hier warten wieder andere, die sich aus den Containern heraussuchen, was sie meinen, gebrauchen zu können.

Tatsächlich gibt es auch einen Bratwurststand. Damit ist für das Mittagessen schon einmal gesorgt. Wir sind zwar an vielen Supermärkten vorbeigekommen. Aber keiner hatte geöffnet. Und das mitgenommene Wasser hat eine Temperatur erreicht, die man bei Badewasser komfortabel finden würde.

Irgendwann erreichen wir den höchsten Punkt und nun geht es genauso ausdauernd ab- wie vorher aufwärts. Bald ist der Weg auch asphaltiert. Die Strecke nach Lüttich verringert sich zügig. Auf einmal endet der Weg abrupt. Da er das auf der Karte auch tut, habe ich mir eine Straße in Lüttich herausgesucht, die zum RaVel 1 gehört, dem wir ab hier folgen wollen. Das Navi funktioniert nach einigem Gebastel endlich zuverlässig. So sind wir schnell unten im Tal.

Es folgt ein Gekurve um die vielen Hauptverkehrsstraßen zu über- und unterqueren, die noch zwischen uns und der Meuse liegen. Und auf einmal haben wir sie erreicht. Es führt kein Weg direkt dran entlang. Aber zwischen den Häusern durch, sehen wir sie. Die Wohnhäuser lassen wir bald zurück, um durch nicht endende Industriegebiete zu fahren. Bzw. durch den Hafen. Obwohl Sonntag ist, ist hier heftig Betrieb. Keine Rede von Industriebrachen. Es lärmt, qualmt, staubt und stinkt. Große LKWs werden mit Schrott beladen.

Der RaVel 1 ist mal ausgeschildert, mal nicht. Ausgeschildert meist, wenn es sowieso einen gut erkennbaren Radweg gibt. Häufig geht es aber Straßen entlang und über unübersichtliche Kreuzungen – das natürlich stets ohne Wegweisung. So richtig den Weg verlieren, kann man natürlich nicht – rechts die Meuse und links endet das Tal seitlich schnell, aber schön ist irgendwie doch anders.

Die Gewerbebetriebe dünnen sich mit der Zeit etwas aus, bleiben aber allgegenwärtig. Uns wird klar, dass wir keinen, der von uns herausgesuchten Campingplätze mehr erreichen werden. Aber auf den RaVel-Karten sind zusätzliche eingezeichnet. Allerdings existieren die nicht unbedingt tatsächlich.

Kompliziert ist immer wieder das Überqueren der Brückenauffahrten. Irgendwann geraten wir auf die andere Seite. Mehr oder weniger unabsichtlich. RaVel 1 ist aber meistens auf beiden Seiten. Also bleiben wir dort. Hier ist das Tal schmaler, so dass es gleich bergauf geht. Bald sehen wir auf der anderen Seite ein Kernkraftwerk. Und danach kommen wir auf Huy zu. Der Ort hat eine sehr eindrucksvolle Silhouette. Burg, Kirchen, alles da. Nur haben wir jetzt keine Zeit mehr. Wir brauchen eine Übernachtungsmöglichkeit. In einem Dorf, gleich hinter Huy, mit dem schönen Namen Bas Oha ist einer eingezeichnet. Wir fragen ein paar Passanten, ob der tatsächlich existiert. Sie sind unterschiedlicher Meinung. Aber jedenfalls liegt er direkt an der Meuse. Schließlich kommen wir auf Bas Oha zu. 1,5 km noch. Da ist die Straße Richtung Ort gesperrt. Eine Umleitung führt steil in die Höhe. Wir folgen ihr trotzdem und stehen sozusagen „plötzlich und unerwartet“ vor einem vergammelten Campingschild an der Einfahrt zum Platz. Ein paar Dauercamping-Wohnwagen stehen drauf. Menschen sind nicht zu sehen. Jetzt am Sonntag Abend ist offensichtlich niemand mehr da.
Als wir auf der Wiese unser Gepäck abladen, erscheint der Platzwart und bittet uns in sein Vorzelt. 8 € möchte er von uns haben. Duschwasser ist frei. Wir bauen unser Zelt auf und gehen in der ungewöhnlichsten Dusche dieser Reise duschen. Es gibt reichlich heißes Wasser in einer Art selbstgebastelten Hütte mit sehenswerten Do-it-yourself Installationen. Die Bodenbretter biegen sich bedenklich durch, halten aber noch. Der ganze Boden ist so schief, dass das Wasser durch den Raum bis zur Tür läuft, die offen stehen muss, da es sonst drinnen kein Licht gibt.

Wir kochen uns unser Abendessen und verbringen eine sehr ruhige Nacht.