Re: Zum EV 6 und bis Mulhouse

von: Fricka

Re: Zum EV 6 und bis Mulhouse - 15.09.16 06:33

20.5.2015

Am Morgen um 9 Uhr ist auch niemand in der Rezeption. Obwohl laut Aushang ab 8 Uhr geöffnet ist. Wir stehen gerade mit unseren Rädern davor, als ein Gemeindeangestellter erscheint. Ohne zu zahlen, möchte er uns verständlicherweise nicht abreisen lassen. Kassieren „kann“ er aber auch nicht. Der Preis hängt aus. Wir einigen uns schließlich insoweit, als ich ihm das Geld gebe und er mir eine Quittung. Er kann das Geld dann an den eigentlichen Hüter des Platzes weitergeben. Auf der Quittung prangt der Gemeindestempel. Mir reicht das. Er ist aber immer noch unzufrieden. Ich müsse eine Rechnung bekommen. Sonst gehe das nicht. Ich muss ihm noch meine Adresse aufschreiben, damit man sie zuschicken kann. Was auch tatsächlich inzwischen geschehen ist.

Nicht weit vom Platz treffen wir auf die Schelde und ihren Seitenkanal. Wir können dem Kanal noch ein Weilchen folgen. Hier ist der Uferweg perfekt asphaltiert. Alles grünt und blüht. Die Vögel zwitschern. Urlaubsgefühl kommt auf. In Marcoing verlassen wir den Kanal. Der Radweg endet hier. Und der Kanal knickt nach Osten ab. Auf Straßen geht es weiter. Zunächst auf einer kaum befahrenen durch idyllische Dörfchen.

Wir nähern uns der Somme. Schon gestern sind wir immer wieder an Kriegsgräberstätten vorbeigefahren. Auch heute passieren wir einen nach dem andern. Dabei überwinden wir Steigung um Steigung, um aus dem Scheldetal hinüber zum Sommetal zu kommen. Ab Gouzeaucourt wird der Verkehr dichter. Und in Fins landen wir auf einer stark befahrenen Straße Richtung Peronne.

Schon von weitem sieht man das breite Sommetal liegen. Zügig geht es jetzt abwärts durch den üblichen Gürtel aus Vororten, Gewerbegebieten und Umgehungsstraßen. Von Peronne sind wir auf Anhieb begeistert. Ein hübsches Städtchen mit mittelalterlichem Kern. Es gibt Geschäfte jeder Art, viele Straßencafes und Restaurants, eine Burg, Museen, Kirchen – und zwei Campingplätze. Wir würden gerne etwas Essen. Aber es ist schon zu spät. Da ist man hier streng. Vor dem Abend wird es nichts, aber auch wirklich nichts essbares mehr geben. Nachdem wir das öfter erleben, geben wir den Versuch auf und kaufen lieber ein und kochen selber.

In Peronne aber beschließen wir, zunächst zu campen und anschließend am Abend noch einmal einen Stadtbummel zwecks Abendessen zu unternehmen. Der C Municipal hat geschlossen. Der andere ist gut besetzt. An der Rezeption ist niemand. Wir suchen uns ein Plätzchen am Zaun zum Kanal und richten uns ein. Wir waschen unsere Wäsche und hängen sie in die Sonne. Und sitzen bald so gemütlich mit Blick aufs Wasser, dass wir beschließen, den Abend hier zu verbringen. Auf dem Kanal fährt die Walhall vorbei. Ein Schiff, dass wir seit Namur immer wieder getroffen haben. Ab Peronne aber dann nicht mehr. Die ganze Zeit fuhr es ohne Ladung. Auch jetzt noch.

Wieder zu Hause habe ich das Schiffchen im Internet gesucht, weil ich wissen wollte, warum man solche langen und komplizierten Touren ohne jede Ladung unternimmt. Die Walhall ist schon sehr alt. Zu Beginn ihrer Karriere wurde sie noch getreidelt. Von Pferden, die einen Stall an Deck hatten. Heute ist sie eine der letzten ihres Typs und noch gut unterwegs. Damals war sie längst über den Canal du Rhone au Rhin zum Rhein zurückgekehrt, hatte verschiedene andere Touren ausgeführt und dampfte gerade mit riesiger Bugwelle schwer beladen rheinaufwärts. Das Schiff nutzt den Vorteil, auch sehr schmale Kanäle befahren zu können. Es ist verstärkt worden für große Lasten und transportiert hauptsächlich Maschinenteile, die auf der Straße nur schwer zu bewegen wären. Dafür lohnen sich anscheinend auch lange Anfahrten.