Re: Von Vilnius nach Passau - Der Weg ist das Ziel

von: Keine Ahnung

Re: Von Vilnius nach Passau - Der Weg ist das Ziel - 16.10.16 16:17

... und schon kommt der zweite Teil (Tag 2 - Tag 6) ...



DER ZWEITE TAG (26.05. – 160 KM / 690 M)

Frühstück war bei meiner Unterkunft nicht inklusive und den Wohnungsschlüssel sollte ich einfach unter die Fußmatte vor die Tür legen, so dass ich bereits um 7 Uhr auf dem Fahrrad saß. Das entspricht so meiner bevorzugten Tageseinteilung: Früh losfahren – nach ca. 2 Stunden etwas zu Frühstücken suchen (meist kaufe ich mir gleich schon etwas für das Mittagessen ein – um etwa 13 Uhr ein Plätzchen für das Mittagessen suchen – abends am Zeltplatz das Abendessen kochen oder den dekadenten Luxus einer festen Unterkunft und eines Restaurants genießen.
Die Sonne schien und die Landschaft sah sogar noch schöner aus als am Vortag. Die ganze Strecke war recht wellig, so dass auch in diesem eher flachen Gebiet einige Höhenmeter zustande kamen. Einige längere Abschnitte führten mich in die Kunst des Wellblechreitens und des Sand Durchpflügens ein und verschafften mir auch ab und zu die Freude kurzer Schiebeabschnitte, wo dann nicht nur das Fahrrad, sondern auch ich selber im Sand zu versinken drohte. Es folgen einige Eindrücke …











Ich folgte in Litauen auch der LT1-Radroute. Schon bei der Vorbereitung hatte ich mich gewundert, warum diese bei Milioniškės in der OSM-Karte unterbrochen erschien. Mühsam hatte ich aus den Satellitenaufnahmen erkannt, dass es doch dort einen verbindenden Weg geben würde. Den hatte ich dann auch eingeplant. Ich war aber schon vorgewarnt und tatsächlich, die Verbindung war ein feinkörniger Sandweg durch dichten Wald. Ausweichen unter die Bäume ging nicht, fahren gar nicht und schieben fast auch nicht.



So beschloss ich doch wieder die Hauptstraße zu nehmen. Danach war der LT1 wieder gut fahrbar. Dies ist übrigens eine der Aktionen, die die gut 100 km zusätzlichen Fahrweg im Vergleich zum abgespeicherten Track erklären. Die Landschaft ist schön, die Wälder endlos – die Bilder können das nur ungefähr wiedergeben.











Am Nachmittag war es dann längere Zeit stark bewölkt und nicht sehr warm. Zum Glück entschied sich die Sonne gegen Spätnachmittag, ein Comeback zu versuchen. Vor Druskininkai machte ich – wie geplant – einen Abstecher zum Grutas-Park, in dem ein Geschäftsmann einen sehr interessanten Park errichtet hat. „Stalin im Streichelzoo“ hat der Spiegel diesen Park einst tituliert. Statuen, Grenzelemente und Politparolen sind inmitten von Tiergehegen aufgestellt worden – eine sinnvolle Verwertung des ganzen Schrotts. Der Besuch lohnt sich!







In Druskininkai ging es dann schließlich auf den Zeltplatz – auch der ist zu empfehlen!




DER DRITTE TAG (27.05. – 161 KM / 1353 M)

Wieder ging es um 7 Uhr in der Früh los. Zuerst besichtigte ich Drushkininkai, ein recht netter Ort, der einen Besuch wert ist. Ich denke, dass die Fotos einen ganz guten Eindruck vermitteln können.









Entlang der Memel verließ ich Drushkininkai und folgte weiter dem LT1, der zunächst recht gut zu fahren war. Die Sonne schien, aber es war noch kühl. Tagsüber wärmte es auf und abends wurde es richtig warm. Obwohl man das von der Gegend dort nicht erwartet, gab es doch einige Steigungen zu überwinden.





Über die Nieda ging es weiter durch blühende Wiesen, eingerahmt von blühenden Fliederbüschen, vorbei an kleinen Seen Richtung Polen.







Die letzten 20 km vor der Grenze war der LT1 allerdings eine reine Sandpiste. Die ersten 10 km bewältigte ich mit vielen Schiebepassagen. Hier war ich froh über die Rohloff-Schaltung, die mir bei den abrupten Fahrstopps erlaubte, immer wieder zurück in den niedrigsten Gang zu schalten, um überhaupt noch anfahren zu können. Die letzten 10 km wich ich dann auf eine Straße aus, die mich mit etwas Umweg zur Grenze brachte. Offensichtlich wurde in der Grenznähe weniger in den Straßenbau investiert. Die Straße erwies sich zum Teil als Teststrecke für meine Federung, aber ich musste zumindest nicht schieben.





In Polen nutzte ich – wie oben schon erwähnt – in weiten Teilen den Green-Velo-Radweg. Ich kann ihn nur empfehlen. Auch auf ihm müssen ab und zu sandige und schlechte Strecken überwunden werden, aber die Wegführung durch die schöne Landschaft und interessante Ortschaften ist hervorragend. Zum Teil verläuft er auch auf neu angelegten Strecken und er hat alle paar Kilometer Raststätten, die häufig auch Toiletten und immer überdachte Bänke und Tische anbieten.







Der einzige Geldautomat am Weg war leider defekt. So musste ich einen Umweg über Swietego machen. In Bryzgiel bin ich schließlich auf den sehr gut ausgestatteten Campingplatz gefahren. Vom Zelt aus hatte ich einen tollen Blick auf den darunterliegenden See.






DER VIERTE TAG (28.05. – 153 KM / 357 M)

Und wieder schönes Wetter! Um 6:30 saß ich auf dem Fahrrad („Der frühe Vogel …“). Der Green-Velo-Radweg bot erneut den Wechsel zwischen schlechten sandigen Pisten und hervorragenden Sträßchen oder Radwegen mit Autobahn-Belag. Auch dieser Teil – wie eigentlich der ganze Radweg – führte durch schöne Natur und kleine Ansiedlungen.





Entlang des netten Flüsschens Netta ging es zu seiner Einmündung in die Biebrza, deren Umgebung den Biebrza-Nationalpark bildet. Da Wochenende war, gab es dort etliche einheimische Radfahrer, die Tagesausflüge machten. Auf der ganzen Tour (2700 km) ist mir kein einziger „Reiseradler“ begegnet, wenn ich von dem kurzen Stück entlang der Donau absehe. Das war bei meiner letztjährigen Tour durch den Balkan anders.







Im Biebrza-Nationalpark findet man eine ursprüngliche Flusslandschaft, die es sicher wert ist, geschützt zu werden. An solchen Punkten findet man auch mit großer Sicherheit einen der tollen Rastplätze, bezeichnet mit MOR (Miejsce Obsługi Rowerzystów), wo meist Informationstafeln auch in Englisch Auskunft über Sehenswürdigkeiten der Umgebung geben.











Ein Campingplatz war nicht in Reichweite und wild Zelten wollte ich bei dieser Tour nicht. Leider waren am Wochenende auch die meisten Pensionen und Zimmer von Einheimischen belegt, so dass ich schließlich froh war, von meinem Navi an der Hauptstraße das Hotel „Atlas“ angezeigt zu bekommen. Naturromantik wurde dort nicht geboten, aber ich konnte zumindest schon einmal meine Sachen waschen und bis zum Morgen trocknen.


DER FÜNFTE TAG (29.05. – 156 KM / 707 M)

Erneut ein sonniger und warmer Tag – womit habe ich das verdient? Nach einem Frühstück im Hotel, bei dem mich der Kellner aufforderte, doch gleich eine Brotzeit mitzunehmen. Das habe ich auch gerne angenommen und so war das Mittagessen schon gerettet. Um 7:20 saß ich wieder auf dem Fahrrad. Bzgl. der Wege kann nichts Neues berichtet werden. Der übliche Wechsel zwischen gut und herausfordernd – aber, das muss man betonen, die gute Wegqualität überwiegt ganz klar. Und auch das bleibt – die Wegführung ist top und die Natur kann man in vollen Zügen genießen. So kam nun schon der nächste Nationalpark, der seinen Namen vom Fluss Narew hat. Auf der Strecke durch Polen entlang der Weißrussichen und später ukrainischen Grenze wurde man aber auch immer wieder daran erinnert, dass diese Gebiete in der Zeit vor und während des zweiten Weltkriegs schwer zunächst unter der willkürlichen Okkupationsspolitik Stalins und Hitlers und danach die Kampfhandlungen gelitten haben. Soldatenfriedhöfe hatte ich sehr viele gesehen und es gibt sie auch von noch früheren Kriegen, die Polen zu überstehen hatte.







Aufgrund der historischen Bedeutung fand ich einen Abstecher in die Stadt Białystok interessant. Dieser Ort, der eine nennenswerte Minderheit an deutscher und jüdischer Bevölkerung aufwies, ist ein typisches Beispiel für die willkürliche Inbesitznahme polnischer Gebiete durch Deutsche und Russen. Leider ist er auch ein Beispiel für das Unglück, welches den Juden insbesondere während des zweiten Weltkriegs widerfahren ist. Ich musste leider feststellen, dass der Ort ansonsten kein lohnenswerter Abstecher war.




Auf einem Radweg mit interessanten Motiven ging es wieder in die Natur. Der nächste Naturhöhepunkt stand auf dem Programm, der Białowieża-Nationalpark.



Ach so, die Ursache für die Vogelmotive …



Einige Impressionen der folgenden Strecke, die mich schließlich zum Campingplatz des Nationalparks führte, möchte ich noch geben.










DER SECHSTE TAG (30.05. – 122 KM / 414 M)

Und, was soll ich sagen, es war bis zum Abend sonnig. Die etwas reduzierte Kilometerleistung deutet darauf hin – diesmal war es sehr anstrengend. So mancher Küstenstrich würde sich über die Menge und lockere Qualität des Sands freuen, der heute die Grundlage etlicher Wege war. Die für den ambitionierten Radfahrer eher ungewohnte Fortbewegung auf zwei Beinen stellte schon eine gewisse Herausforderung dar, der ich mich natürlich stellte. Die Umgebung im Nationalpark und auch danach entlang der weißrussischen Grenze entschädigten aber locker für die Anstrengungen. Leider hatte ich Wisente (zumindest echte), die ja dort leben sollen, nicht entdecken können, obwohl ich wieder recht früh losgekommen bin.










Und auch für Falk habe ich etwas in Czeremcha gefunden …



Nach ein paar weiteren Sehenswürdigkeiten unterwegs wollte ich eigentlich einen Zeltplatz ansteuern, 5 Kilometer vor Mielnik brach aber ein heftiges Gewitter los, dessen Ende nicht abzusehen war. So entschloss ich mich, in der Pension „Hotel Florian“, die unmittelbar über der Feuerwehr ihre Zimmer offerierte, ein trockenes Quartier zu nehmen – in der Hoffnung, dass es nicht gerade in dieser Nacht einen Feueralarm geben würde, was dann auch nicht der Fall war.








Fortsetzung folgt ...