Re: Saxonia Bohemia Velogida

von: veloträumer

Re: Saxonia Bohemia Velogida - 11.01.17 20:43

Nicht jede Reise hinterlässt bleibende Spuren, aber manche doch. Sie arbeiten in einem weiter, bringen neue Gedanken, spinnen Geschichten und wollen sich in anderen Formen entwickeln – in Bildern, in Worten, vielleicht auch in Taten. Die tiefen Erlebnisse der Reise waren vielfältig, doch wohl war es die Poesie der Bilder und Farben, die malerischen Mutationen der Blickwinkel, die sich niedergeschlagen haben und in ein paar letzten lyrische Worte gefasst werden wollen:


Novemberlichter im Erzgebirge

Der Nebel hoch
schluckt das Licht,
im Morgen stumm
die erste Stunde bricht –
ich kann noch schweigen
– nein, nicht lange, nicht ewig!

Den Tropfen nachts gefangen,
im Tau zu Reif gerieselt,
als Glanzkristall nun krönt
den Untertan hernieder biegend –
den dürren Halm
– du Schöner!

Ein jeder Sonnenstrahl so zart
den Humus lustvoll leuchten lässt,
die Lärchennadeln am Wonnebusen gratiniert,
gebleichtes Chlorophyll zu rotem Gold gewandelt –
nun nährt das Erdenblut
– du Frucht des Lebens!

So mancher hier am Wegesrand
erwartet Leben selbst im Tod,
der Pilz sich greift den Stamm der Birke,
die Flechten überziehen tote Fichten –
gar tanzen silbrig glitzernd fesch im Paillettenkleid
– ihr Freudengeister!

Im Zweigentor des Hagebuttenstrauchs,
da tropfen die roten Wunden sehr,
was Feindlichkeit und Grenzen hier verletzten:
den freien Bund der Menschen himmelblau und ungeteilt –
welch Farbenfest so gierig rasch verzehrt sein kann!

Du Iris der getreuen Europa, wache nur – wache sehr!!