Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn

von: wal

Re: China (Qinghai): AmnyeMachen u. der blaue Mohn - 26.10.17 05:59

... Fortsetzung:

Während der Rast im Pappelhain ändert sich das Wetter. Der talaufwärts gerichtete Wind hat deutlich zugenommen und Wolken zogen auf.





Da ich den Pappelhain für ein Nachtlager nicht für geeignet halte, mache ich mich auf, um einen besseren Übernachtungsplatz zu finden, bevor es womöglich anfängt zu regnen. Es wird jetzt aber zunehmend schwierig, einen Zeltplatz zu finden, denn ein Dorf geht in das nächste über. Dazwischen Felder: Raps, Gerste, Weizen.





An einem alten Stupa halte ich an, die Bemalung interessiert mich. Leider ist der Ort nicht gepflegt und zum Übernachten auch nicht so toll, weil überall Glasscherben rumliegen.





Etwas später finde ich dann doch noch einen schönen Zeltplatz: auf einer alten Feldterrasse, von der Straße nicht einsehbar und mit Blick in ein kleines Canyon, in dem der Fluss, dem ich talabwärts folge, jetzt verläuft. Das Federgras zeugt von der steppenartigen Vegetation, die mich hier umgibt. Als das Zelt steht, fallen dann auch tatsächlich ein paar Regentropfen. Es ist mein letzter Zeltplatz, morgen werde ich nach Tongren reinfahren und dann den Bus zurück nach Xining nehmen.



Kloster Longwu
Nur wenige Kilometer nach meinem Zeltplatz erreiche ich die Stadt Tongren/Rongwu. Hier steht das Kloster Longwu, das ich mir noch ansehen möchte. Es ist ein Kloster der Gelug-Schule, um 1300 gegründet und gehört damit den ältesten noch aktiven Klöstern in Amdo. Die größeren Klöster sind wie kleine Städte: Eine Mauer mit zahlreichen Tempeln umgeben den Gebäudekomplex aus Tempeln, Wohnhäusern und anderen Funktionsgebäuden. Die einzelnen Tempel sind oft zu ganz unterschiedlichen Zeiten gebaut und daher auch vom Baustil her sehr vielfältig.








So früh morgens bin ich der einzige ausländische Gast. Mit dem Fahrrad fahre ich einmal um die Außenmauer des Klosters, dann stelle ich das Rad dann im Inneren irgendwo in einer Gasse ab und erkunde die verschiedenen Tempel zu Fuß. Es gibt Opfertempel, Gebetshallen, Tempel mit verschiedenen Buddhastatuen, etc... Die Mauern mit traditionellen tibetischen Mustern, oft auch geschnitzten Tierfiguren über dem Eingang die einen chinesischen Einfluss in der Architektur erkennen lassen.









Ich verbringe mehrere Stunden in den verwinkelten Gassen des Klosters zwischen Mönchen und einheimischen Pilgern. Irgendwann gelange ich dann (von innerhalb) in die Nähe des Haupteingangs und hier holt mich die Realität wieder ein: „You! Ticket!“ schallt es von irgendwo her. Die Stimme ignorierend verdrücke ich mich wieder in einer Seitengasse, suche mein Fahrrad und verlasse das Kloster wieder durch den Seiteneingang, durch den ich kam. Anstatt dem offiziellen Ticketpreis zu bezahlen, mache ich dann später in einem Tempel eine Geldspende.





Dies war dann der Abschied meiner Radtour.



Am nächsten Morgen bringt mich der Bus von Rongwu wieder nach Xining. Fahrradmitnahme problemlos und kostenlos, wie bisher immer.

Abschluss

Anschließend verbringe ich noch drei Tage am Qinghai Hu (Kokonor), dem großen See im Westen Qinghais. Dort findet jährlich auch ein Profiradrennen rund um den See statt. Ich habe viel gelesen über den See und die Landschaft, aber für mich sind die drei Tage enttäuschend: Obwohl die Strecke rund um den See als idealer „Radelurlaub“ gilt und tausende chinesische Radfahrer dies machen (Fahrrad-Mietstationen gibt es zuhauf) ist mir zu viel Autoverkehr (mit häufig durchaus gefährlichen Fahrmanövern...), zu sehr überteuerte Preise bei Essen und Übernachtungen, zu viel eingezäuntes Gelände, Zufahrten zum Seeufer oft nur gegen Gebühr… Ich schaue mir das Vogelschutzgebiet ganz im Westen des Sees an (interessanterweise darf man in diesen Nationalpark mit seinem eigenen Fahrrad reinfahren – in China durchaus ungewöhnlich), nehme dann aber den Bus zurück nach Xining.












Ankündigung für das Radrennen Rund um den Qinghai See (Mitte Juli)


typische chinisische Tourenradler, meist total vermummt. Ich hatte nicht wirklich Spaß daran, teil dieser Massen zu sein.



Eine Tagestour unternehme ich noch zum Kloster Kumbum. Auch darüber habe ich viel in altern Büchern gelesen. Kumbum fand ich dann – im Vergleich zu meinen Erlebnissen am Kloster Longwu – ebenfalls enttäuschend. Man zahlt Eintritt und darf nur auf einer vorgegebenen Route durch das Kloster laufen. Damit habe ich nicht wirklich ein Problem, aber es ist dann eben wie in einem Museumsbesuch, von spiritueller Stimmung bleibt da nicht viel. Wer letzteres sucht, darf einfahc nicht die großen Klöster besuchen. Was mich bei dem Besuch in Kumbum dann doch noch sehr beeindruckt hat waren die Butterfiguren. Ein ganzer Tempel ist mit gekühlten Vitrinen bestückt, in denen aus Butter geformte Landschaften, Alltagsszenen und Buddhafiguren bewundert werden konnten.





Noch ein paar Gedanken zum Ende
ich war jetzt über 12 Jahre hinweg (teilweise mit mehrjährigen Unterbrechungen) immer wieder mit dem Fahrrad oder zu Fuß im tibetischen (und uighurischen) Kulturraum innerhalb Chinas in den Provinzen Xinijiang, Tibet, Yunnan, Sichuan und jetzt Qinghai unterwegs. Aus meiner Sicht hat sich vieles nicht zum Besseren gewandelt. Vor allem: mehr Zäune und mehr Verkehr machen es für einen Tourenradler immer schwieriger. Auch ist es ganz sicher nicht mein Ding, mich in die zunehmenden Massen chinesischer Touristen und den damit einhergehenden Regeln einzufügen, wie sie eben an bestimmten, durchaus sehenswerten Orten und Strecken auftauchen.

Für den Moment habe ich die Dinge und Orte gesehen, die mich ganz besonders interessierten, und ich habe diese Gegenden so erlebt, wie ich es mir vorstelle: individuell mit möglichst wenig Aufwand und Infrastruktur. Und so möchte ich es in Erinnerung behalten. Es kann durchaus sein, dass ich jettz erstmal eine Pause mache mit dem (Rad)Reisen nach China.