Re: Giro Piemontese Grande

von: veloträumer

Re: Giro Piemontese Grande - 20.11.17 20:03

EP-4 Besondere Adressen & Wissenswertes

• Cicli Sport Gastaldi, Busca, Piazza Savoia 12, lieferte erstklassige und wohlwollende Hilfe, nahm für die Werkarbeit nicht mal Geld, sehr freundlich. Auch gute Ausstattung mit Accessoires und Kleidung, konnte einen günstigen Sattel kaufen, schönes Design (Selle Montegrappa Liberty XC1400, ca. 23 €) und besser als die meisten Highend-Produkte auf dem deutschen Markt. Die Frau (eigentlich aus Rumänien) konnte besser Englisch als der Mechaniker/Chef und vermittelte und begleitete mich/uns noch zum Hotel.



• Cicli Matergia, Ciriè, Via San Maurizio 90, öffnete trotz Ladenschluss nochmal die Pforten. Trotz enger Räumlichkeiten sehr gute Schuhauswahl. Machte auch radtechnisch einen versierten Eindruck, freundlich. Auf den Schuh (Diadora Trivex II, 100 €) gab es Rabatt und zudem noch eine Mütze geschenkt.



• Ciclomania Barale, Domodossola, Via Giovanni XXIII 64. Kompetente Behebung des defekten Freilaufs (75 € bei 56 € Materialkosten), Englischkenntnisse allerdings bescheiden, etwas mürrisch. Neben dem Chef (Verkauf, telefoniert viel) noch einige Angestellte, insbesondere ein Hauptmechaniker. Bevorzugt als Erster am nächsten Morgen Reparatur eingeschoben. Ladenteile zu beiden Seite der Straße, Rennradspezialist, Accessoires und Kleidung schwierig zu sichten wegen Platzmangel, hat aber viel in Schubkästen usw. (Mütze 15 €).


Der Piemonteser ist um kauzige Fahrraddesigns nicht verlegen

• Cracking Art Group, Milano/Italien/Welt, ist ein 1993 von Italienern, Franzosen und Belgiern gegründetes Künstlerkollektiv, die ökologisches Bewusstsein durch bunt auffällige Tierfiguren an öffentlichen Plätzen schärfen wollen, wo man es nicht erwarten würde. Im Fokus stehen die Probleme, die das Plastikzeitalter auf die Naturräume und seiner lieb gewonnen, aber nicht so behandelten Wesen verursacht. „Cracking“ bedeutet die Transformation von organischen Verbindungen in künstliches Plastik. Die verwendeten Plastikfiguren bestehen alle aus recyclebarem Kunststoff. Dabei wirken die leuchtend bunten und überlebensgroßen Tierfiguren, zudem noch in Ensembles angelegt, besonders drastisch künstlich. Nicht zuletzt sind die Tierfiguren auch symbolisch gewählt, so stehen die etwa in Biella verbauten Pinguine für ein Tier, dass vom Menschen als besonders anmutig und liebevoll bewertet oder gar verhätschelt wird, gleichzeitig aber seine Lebensräume zunehmend vernichtet werden, weil die Menschheit von den Bequemlichkeiten ihres vermeintlichen Zivilisationsfortschrittes auf egoistische Weise nicht abrücken wollen. Installationen der Cracking Art Group finden sich viele in Italien, sind aber auch weltweit wie in den USA, Australien oder gar China zu finden. Die blauen Pinguine in Biella stammen von einer Workshop-Arbeit aus dem Jahre 2005, mittlerweile gibt es auch eine Variante gelber Pinguine in Prag. Mehr u.a. auf der Website, auch in Englisch.



• Filigranart di Oliveri Miria, Campo Ligure, Via A.S. Rossi 15. Davide Oddone führt eine alte Familientradition von äußerst filigran gearbeiteten Silberschmuckstücken fort, die nicht nur als Körper- sondern auch als Wand- oder Vitrinenschmuck eine schicke Figur abgeben. Blumen, Vögel, Weintrauben, sogar Schiffe oder Eiffelturm ergeben so lichtdurchflossene Kunstwerke von höchster Kunstfertigkeit, einzigartig mit dem Ort verbunden. Abweichend vom Silber werden Teile auch eingefärbt oder vergoldet für dezente Farbnuancen. Viele Arbeiten sind zudem auf Vulkangestein gesetzt, das aus dem Valle Fontanabuona im Osten von Genua stammt und gleichwohl andere Formen des Kunsthandwerks begründet. So finden gleich zwei typische Handwerkskünste aus Ligurien zusammen. Hier eine Präsentation der Arbeit (3:47 min., ital.).



• GeMinerals, Jekaterinburg/Milano, verkauft und fertigt dekorative Nutzteile wie auch künstlerische Skulpturen aus besonderen und teils seltenen Mineralien aus Russland/Sibirien, die durch ihre Maserung alle Unikate sind. Die Produktion in Familienhand findet in Russland statt, der Verkauf, ebenso in Familiehand, wird aus Mailand geleitet, zuweilen wird ein Teil des Sortiments auch auf entsprechenden Märkten in Italien (hier: in Ivrea) und Europa (2016 in Memmingen gewesen) angeboten. Es lassen sich auch Auftragswerke erteilen. Shop & Anschauungsmaterial im Web: GeMinerals.



• Campeggio Lou Dahu, La Mármora, prämierte ich zum besten Zeltplatz der Reise (Bild unten). Außer das eigene Zelt aufzuschlagen gibt es auch Indianerzelte, Jurtenzelt und Zimmer im Gebäude zu mieten. Das Ambiente ist gartenähnlich und sehr schön mit vielen Details gestaltet, was dann auch für das Gasthaus gilt, wo es sich empfiehlt, bei mehreren Personen den Speisewunsch vorab anzumelden, für Eigenversorger findet sich auch ein Minimarkt. Die Betreiber überzeugten mit sehr offenherziger Freundlichkeit – gelebte okzitanische Tradition. Die Qualität des Essens konnte auch überzeugen. La Mármora lässt sich sehr gut als Basis nutzen, um die MSKS in einen Rundkurs über den Colle d’Esischie einzubinden, über diesen ebenso das Val Grana (als asphaltierten Rundkurs); dazu kommen weitere MTB- und Wanderoptionen mit oder ohne die MSKS, soweit man einen längeren Aufenthalt plant. Infos: Campeggio Lou Dahu. Hervorhebend positive Eindrücke vermittelten auch die Campings in Torazzo (im Biellese) und in Ceresole Reale (der unterste im Ort, Nivolet-Straße) mit schönen Parzellen bzw. Wiesenflächen für Kleinzelter, in Torazzo zudem mit überdachtem Picknickplatz und Grill für Eigenversorger, in Ceresole Reale zudem mit sehr kurzen Wegen, der panoramareichen Bistro-Terrasse und einer besonders freundlichen Campingwartin.



• Locanda Aquila Bianca, Piamprato erwählte ich zur schönsten festen Behausung auf der Reise. Ein schnuckeliges Zimmer im Naturholzstil bot trotz des kleinen Fensters einen doch noch großartigen Bergblick ausgehend von dem 1600 m hoch liegenden Almweiler. Das Zimmer im Nebenhaus gelegen, gab es im Haupthaus nicht weniger preiswürdige Kost aus nachhaltiger Landwirtschaft. Haselnussrisotto, Schweinefilet und Panna Cotta mit Maronensauce hätten es ggf. auch auf eine der Medaillenplätze des lukullischen Podests verdient, wohl verhinderte die dösige Wohligkeit am warmen Ofen am Ende der Welt einen noch größeren Eintrag ins Tagebuch, wo man mit Superlativen nicht wedelt, sondern sie genießt. Mehr im Web.



• Trattoria dei Passeggeri, Brachiello, (Website)) kürte ich zur besten Essstube der gesamten Reise. Unauffällig an der Straße in einem oberen Ortsteil von Ceres im Val di Ala – dem schönsten der Lanzentäler – gelegen, nimmt auf einer Terrasse mit Bergblick Platz und erhält hochwertige Produkte, davon vieles aus eigener Herstellung wie z.B. der Speck. Am besten man verköstigt eine ganze Palette der Vorspeisenvarianten, mit erlesenem Olivenöl und feinen Sößchen zur exquisiten Aromaentfaltung gebracht. Weinkenner finden eine gastwirtverlesene Auswahl. Da es keine Laufkundschaft gibt, treffen sich Insider der Region, es kann voll werden. Donnerstag ist Ruhetag, Alternativen sind dann recht schwierig zu erreichen, im Ort keine Unterkunftsmöglichkeit!



• Taverna degli Orsi, Limone Piemonte, bekam von mir die Silbermedaille unter den Schlemmerbuden zugesprochen. Intelligenter Gastwirt, der schon einige europäische Stationen in seinem Berufsstand hinter sich brachte. Selbstgemachte Pasta von besonders erlesener Art, hochwertige Zutaten, durchdachte Zubereitung und höchste Gästeaufmerksamkeit bis in alle Details bei stilvollem Ambiente ragen selbst in der an Konkurrenz nicht armen Exklusivität des Blitz- & Donnerortes in den südlichsten Zipfeln des Piemonts hervor: virtueller Besuch.



• Trattoria Vecchio Mulino, Entrácque, muss sich den untersten Podestplatz der Leckermäulchenadressen mit dem Albergo/Ristorante La Beppe, Ponte di Nava, teilen, wobei hier eigentlich drei gleichwertige zu nennen wären (s.o. beste feste Behausung). Während die „alte“ Mühle fast im postmodernen, lichten Holzküchenstil gehalten ist und retrorustikal auf Schieferplatten gespeist wird, wirkt der Seppl schon eher bürgerlich bieder oder plüschig an. Letzteres steht dann aber für gute Tradition und angenehm zu sitzen ist dort bei Aussicht sicherlich. In beiden Fällen gab es überzeugend zubereitetes Roastbeef sowie regional-eigenständige Kreationen mit Frischkäse, etwa in Verbindung mit Nüssen und Auberginen (Mühle) oder als panierte Parmesanbällchen (Seppl). Selbstgemachte Pasta und Gnocchi vorzüglicher Qualität sind selbstverständlich Standard. Die Abrundungen mit Eis auf Schokokuchen (Mühle) oder in meinem Vorzugsgusto Marone (Seppl) unterlegten nochmal die Liebe zur Speisezubereitung auf dekorative Weise.



• La Bollina, Serravalle Scrivia, heißt ein kleines Weingut, das eine Kollektion von Weinen mit Radmotiven kreiert hat in der Region Gavi D.O.C.G. Eigentlich als Outlet-City verschrien, liegt das Weingut etwas abseits in den Hügeln, zudem mit Restaurant und luxuriösem Golfhotel. Gelegen nahe bei der Strada Fausto Coppi, sowie dem Fausto Coppi gewidmeten Museo dei Campionissimi in Novi Ligure gehört die Radkultur auch zur Philosophie des Weingutes La Bollina. Die Weine gibt es natürlich auch andernorts, etwa in einer Vinothek in Gavi, dem namensgebenden Zentrum dieser Weinregion, dort mit weiteren historischen Fotos zum italienischen Radrennsport. Infos: La Bollina und Radkultur (ital.), weiteres zu den Weineditionen und Hotel über die im Link enthaltene Website auch in Englisch.



• Museo dei Campionissimo, Novi Ligure wurde letztlich zu Ehren zweier Radsportlegenden des Piemonts – Fausto Coppi und Costante Girardengo – errichtet. Das Museum konnte ich aufgrund ungünstiger Uhrzeiten nicht besuchen. Einen kleinen Ersatz an Legendbildern liefert das angrenzende Museumsrestaurant, eine recht exquisite und steife Adresse – gutes Essen gewiss, aber auch ein bisschen teuer für typische Radlerklientel und solche Haudegen wie die ehemaligen Stars. Girardengo war einst mit dem bekannten, lange flüchtigen Banditen Sante Pollastri befreundet, der schließlich bei einem Zieljubel für seinen Champion verhaftet wurde. Die Geschichte fand sogar Eingang in ein Lied („ll Bandito e il Campione“). Coppi hingegen war selbst der tragische Held. Schon die gesamte Familie war nicht vom Glück verfolgt, die Geschwister starben früh. Coppis Ehebruch und die Beziehung zur neuen Geliebten wurde zu einem Politikum, indem der Papst das Ende der Liebschaft forderte und sogar ein Gericht diesen privaten „Unstand“ verurteilte. Der Höhepunkt bürgerlicher Scheinmoral in den 1950er Jahren – auch in Italien (und Vassallis Romangeschichte aus dem 17. Jahrhundert drängt sich wiederum auf). Dass Coppi trotz zahlreicher Verletzungen letztlich im Alter von 40 Jahren an Malaria starb, ist dann quasi schon ein tragisches Kuriosum. Die Website des Museums scheint nicht zu funktionieren, ersatzweise geht auch was über die Seite der Gemeinde Novi Ligure.



• Museo dei Cavatappi, Barolo, zu Deutsch: Korkenziehermuseum, gehört zu den kleinen Museen, die sich liebevoll der Sammlung und Präsentation sonst kaum beachteter Alltagsgegenstände widmen. Passend zur weltbekannten Weinregion, geben ca. 500 Ausstellungstücke Aufschluss über die Entwicklung der Hilfsmittel, eine Flasche mit Korken aufzubekommen. Die Grundstruktur war recht früh gefunden, Ziervarianten erweisen sich nicht immer als funktional. Für die moderne Entwicklung ist ein unter Radlern bekannter Konstrukteur zu finden – Campagnolo. Rad und Wein haben also eine immer wieder gut gepflegte Beziehung. Im Eingangsbereich gibt es Souvenirs, Weine und vor allem eine Vielzahl spezialisierter Weinbücher, insbesondere zum Barolo. Aktuell lag auch noch eine Sonderausstellung mit Etiketten von Romano Levi an, der den Flaschen künstlerisch gemalte kindliche und fröhliche Motive verpasste. Exklusiv (teure) Weinprobe auch vor Ort möglich. Einen Einblick ins Museum gibt bereits die Website (deutsch).



• Monfortin Jazz, Monforte d’Alba, ist das Jazzfestival mit der vielleicht reizvollsten Bühne im Piemont. Am oberen Punkt des Ortes mit grandioser Aussicht in die Langhe, nebst Kirche, in der auch mal eine Weinprobe stattfindet, liefert eine Art Amphitheater die Kulisse, wo man unter offenem Himmel wohl von allen Plätzen aus gute Sicht auf die Bühne und die Weinberge hat. Das Festival dehnt sich im Juli und August über fast einen Monat, Konzerte gibt es aber nur an einigen Tagen, sodass man die Termine zuvor genau studieren muss um in einen Konzertgenuss zu kommen. Acts in 2016 wie Stefano Bollani, Paolo Conte, Ute Lemper oder Gregory Porter zielen auf Publikumslieblinge ohne große musikalische Experimente – angemessen für einen Ort, wo zahlungskräftige Weinkenner nicht allzu viele Geschmacksrebellionen erlauben; Infos im Web.



Ähnlich populär orientiert, auch mit Grenzüberschreitung zu Rock und Blues, aber zeitlich kompakter ist das Festival in Tortona wohl immer gegen Mitte Juli, internationale Stars 2016 dort u.a. der japanische Tastenwirbel Hiromi und die gefeierte Bassvirtuosin wie Sängerin Esperanza Spalding. Weit mehr für Insider, auch eine gute Teil Sichtungsmöglichkeit für die nachwachsende italienische Szene, ist das Jazzfestival des Jazzmagazins jazzit, das allerdings nur zufällig in Cumiana im Piemont die Pforten offen hatte. Tatsächlich wechselt der Ort des Festivals jedes Jahr, wozu sich Orte aus ganz Italien bewerben können. Cumiana überzeugte mit ansteckendem Charme, vielen engagierten Freiwilligen und einer auch optisch gelungenen jazzigen „Durchdringung“ des gesamten Ortes und schaffte eine gelungene Symbiose aus italienischer Lebensart, Spezialitätenangeboten, kommunikativem Musikertreffpunkt und jazziger Vielfalt auf den Bühnen sowohl innen wie außen. Kontakte ergaben sich zur Postfusionband Maloo und dem eMPathia Jazz Duo mit der Sängerin Mafalda Minnozzi und dem Gitarristen Paul Ricci, beide Formationen eine Entdeckung wert.



• Gianmaria Testa ist – war – „Il Cantore“ des Piemonts, heimatverwurzelt als Sohn eines Bauers, piemontesisch sprechend dem kulturellen Erbe verpflichtet – und doch ein Mann von Welt, der Tragisch-Politisches in naturlyrische Liedtexte einarbeitete, mahnende Gedanken über lyrische Melodietöne legte – dem Humanismus einfordernd, wie er selbst sagte. Ich fühlte mich gezwungen, zu seinem frühen Tod am 30.3.2016 ihm ein Gedicht zu widmen – und in Alba dann den Erbverwaltern überreicht. Als Bahnhofsvorsteher in Cúneo bewahrte er sich lange die Unabhängigkeit vor der kommerzialisierten Musikszene und doch waren es letztlich seine Signale als Liedermacher, die ihn auf den musikalischen Schienen auf bleibende Reisen schickten. Melancholische poesia in hauchzarten Arrangements verpackt, so habe ich seinen Stil mal beschrieben. Ein ebenso historisches wie zeitgemäßes Vermächtnis zur Flüchtlingstragödie im Mittelmeer schuf er mit der CD „Da Questa Parte Del Mare” (Le Chant du Monde LDX 8741442), und zu der ich im Jazz Podium 12/2006 – und betone mit Blick auf das Heute nochmal: 2006 (!) – u.a. folgende Rezensionsworte fand:

“Nein, Gianmaria Testa ist kein Protestsänger, kein politischer Quergeist. Die Idee, ein Konzeptalbum zum Thema Migration zu machen, entstammt seinem inneren Bedürfnis, das Erlebte zu verarbeiten. Nicht vergessen hat er die Schreie von blinden Passagieren, die aus Nordafrika über das Meer kamen, ins Meer geworfen wurden, einer überlebte nicht. Testa war Zeuge dieses Vorgangs in Apulien Anfang der 1990er Jahre. Aber er bleibt in seinen Liedern ein Poet – das Bild des leeren Bootes auf dem Meer, das ‚den Wind verloren hat’ – ein Name, der verloren geht, weil ihn niemand mehr ruft. Auch Italiener waren Emigranten, verachtet auf der Suche nach Arbeit im Frankreich der 1950er Jahre, so ein Tribut an den Schriftsteller Jean-Claude Izzo. Doch Testa sieht auch immer das Licht, die Hoffnung, die Träume, wie es hätte sein können, eine Liebe ‚ich wollte für dich / die reinste aller Rosen behalten’, ... So feinsinnig die Poesie Testas ist, so sensibel dahingetupft sind die musikalischen Arrangements. Mal dezente Celloklänge, mal eine freie Linie von Gabriele Mirabassis Klarinette, auf die sich Testa mit wilder Inbrunst fallen lässt, mal ein von Bill Frisell melancholisch gelegter Klangteppich, aus dem Paolo Fresus Trompete hervortritt wie eine näher kommende Schiffsirene aus dem Meeresdunst. Ein Muster an poetischer Arrangierkunst!“ Statt lesen kann man auch hören: Gianmaria Testa „Una Barca Scura“ (4:32 min.).

• Monte Verità, Ascona, Hotel, Seminarzentrum und Museumsstiftung (Fondazione Monte Verità), das versucht die Erinnerung an eine der wichtigsten Strömungen der alternativen Lebensweisen aufrecht zu erhalten. Neben dem öffentlich und kostenlos zugänglichen Park und der Einkehrmöglichkeit im historischen Teehaus sind auch geführte Führungen möglich, die aber recht teuer sind. Ebenso kann man den historischen Tennisplatz bespielen, sofern man übliche Buchungsgebühren zahlen möchte. Der Park enthält aktuell (2016) einige Baustellen, sodass man einige historische Orte nicht instand und nicht alle Wege begehbar sind – zu Fuß übrigens auch durch den Wald über Wanderwege erreichbar ohne Hotelzufahrt. An der Rezeption liegen Infos aus und kann teils sonst nur noch schwer erhältliche Literatur zur Wesensgeschichte des Berges erworben werden. Mehr auch oben in der letzten Position der Literaturhinweise (Ulricke Voswinckel).



• Casa Museo Walser, Borca/Macugnaga, war geschlossen. Der Besuch eines Walsermuseums war Teil meiner Westalpentour 2009 (siehe im Profil) in Alagna Valsesia. Das Valsesia wäre natürlich auch typisch und passend zur Tour durchs Piemont gewesen, aber da sieht man ja auch keinen Monte Rosa... Einen kurzen Durchflug durch das Museum in Macugnaga gib es in diesem Video (1:31 min.).



• Museo dell’ Emigrante, Roasio, war geschlossen. Einen Eindruck samt Erläuterungen kann man gut über ein Video (21:32 min., ital.) erhalten.



• Sacra di San Michele überragt das Susa-Tal wie eine kriegerische Wachtburg, doch handelt es sich um eine der bedeutendsten Abteien Italiens, daselbst sogar mittlerweile zum Wahrzeichen des Piemonts erhoben. Ende des 10. Jh. zur Pflege der Pilgerbewegungen gegründet, entwickelt sich der monumentale Gebäudekomplex erst im Laufe der Zeit mit zahlreichen Erweiterungsbauten. Im 12. Jh. kristallisierte sich die Struktur der dreischiffigen Basilika heraus, zugleich war es die Blütezeit als geistiges Zentrum, zahlreiche aristokratische Geldgeber aus ganz Europa leisteten Tribute. Im Wechselbad zwischen politischen Machtkämpfen, kriegerischer Zerstörung und religiöser Revitalisierung diente das Gebäude Umberto Eco, daselbst Piemonteser aus Alessandria, vermutlich zur Inspiration seines Romans „Der Name der Rose“. Steigt man durch die kargen wie erhabenen Treppen und Gewölbe auf, verdichtet sich überall der Geist über die Geheimnisse eines verbotenen Buches. Das Gefühl von Welt- und Geistlichkeit in diesem architektonischen Palast eindrücklich einander konträr wie einend nachzuempfinden, ist ein nicht ersetzbares physisches Erleben von Geschichte. Die allesamt steilen Anfahrtsvarianten, teils zum Wochenende für Autos durch Einbahnverkehr erschwert, werden zudem durch einen hübsch terrassierten Klostergarten belohnt, nicht zu vergessen die grandiose Aussicht. Der Museumsladen hält besonders kunstvolle Postkarten bereit, die sich als Lesezeichen weiterverwenden lassen. Zur Website.



• Centro Uomini e Lupi, Entrácque, ermöglicht Einblicke in das Wolfsleben, das Verhältnis Mensch/Wolf und die Mythen und Legenden über den Graupelz. Das Zentrum unterhält ein Gehege mit nicht mehr wildlebensfähigen Wölfen, die sich ggf. über einen Aussichtsturm beobachten lassen. Des weiteren gibt es Filmdokumentationen zum Leben der Wölfe zu sehen. Es befindet sich außerhalb an der Umgehungsstraße des Ortes, die zum Stausee und zwei Täler führt, darunter auch das Vallone della Rovina. Direkt an der zentralen Piazza von Entrácque befindet sich hingegen das Besucherzentrum mit Shop und Vorführfilmen zum Mythos Wolf. In einem Beispiel erradelt ein Erzähler mit einem „magischen“ Fahrrad die Wolfslegenden verschiedener Völker von Russland bis zu den Indianern Nordamerikas. Mehr auch über die Website (teils in Englisch).



• Waldenser-Museumsstüble, Pinache/Wiernsheim, beleuchtet die Flucht- und Ansiedlungsgeschichte des okzitanischen Volkes zwischen dem Val Chisone im Piemont und dem Heckengäu mit heute noch daran erinnernden Familien- wie Ortsnamen (z.B. Pinache <-> Pinasca) ist hier recht charmant dokumentiert. Es gibt auch Publikationen und Literatur zu kaufen. Ein besonderes Augenmerk sollte auf den ersten Radpendler Gustav Rivoir aus dem Heckengäu (in die Goldstadt Pforzheim) gelegt werden. Rivoir fuhr noch mit amtlich bestätigter Fahrradkarte des Königreiches Württemberg, die zum suspekten wie „gefährlichen“ Radfahren berechtigte. Besuchszeiten und mehr auf der Website der Gemeinde Wiernsheim.

Fortsetzung folgt