Italien Griechenland Sommer 2008

von: iassu

Italien Griechenland Sommer 2008 - 19.09.08 19:39

Hallo liebe Lesemutige: hier gibt´s jetzt den 1. Teil Friedrichshafen - Venezia meiner diesjährigen Radtour. Der link zu den Bildern steht unten am Schluß. Wer es in größerer Schrift braucht, kann ersazweise auch hier lesen.

Der Rahmen für mein vollgefedertes Reiserad "Rennsofa" wurde erst eine Woche vor Abreise geliefert. Es war das zweite Exemplar gewesen, der erste war mit Sitzrohrbruch zurück zum Hersteller gegangen. Jetzt konnte ich das Rad gerade noch so aufbauen und am Abreisetag das erstemal mit Gepäck bestücken. Die eigenwillige Gepäckträgerbauweise, so von mir nicht gewollt, erwies sich als extrem verwindungsfreudig, was ich bei der Fahrt zum Bahnhof geschockt feststellte. Ich hatte das Hotel schon reserviert und deshalb und weil ich es nicht gleich wahrhaben wollte, kehrte ich nicht sofort um. Genau das tat ich aber am nächsten Morgen. Wieder dieselbe Strecke im Zug zurück und zuhause ein letzter Versuch: es könnte auch die Gabel schuld sein, Austausch der Parallelogrammgabel gegen die Fox vom letzten Rad. Dasselbe unmögliche Fahrverhalten. Bei 50 km/h den Paß runter hätte sich das Rad buchstäblich verknotet, so weich war der Rahmen mit nur 11 kg Gepäck exponiert hinten auf dem Träger. Da war meine Eigenkonstruktion am Specialized erheblich besser gewesen. Es half alles nichts, ich mußte einen anderen Rahmen nehmen, einen Starrrahmen von Bornmann mit starrer Kinesisgabel. An diesem mußte erst das Tretlagergehäuse plan gefräst werden, da ein Hollowtech II Lager hineinkommen sollte. Das Rad war fahrfertig und gelegentlich in Betrieb gewesen, allerdings mit für die Reise ungeeigneten Zutaten. Am kommenden Tag war ich nach 10 Stunden Umbaus und Umpackens von meiner Ortlieb Reisetasche in normale Backroller fertig. Das Ergebnis ernüchternd. Sooo hart ist also ein starres Reiserad, nach 5 Jahren Vollfederung! Wieder ab zum Bahnhof. Das Rad ist immerhin erfreulich steif und zwei Kilo leichter. Merkt man angenehm beim Verladen.

Dieses Jahr so gut wie keinerlei Unterkunft vorgebucht, bin ich frei in der Entfaltung. Sollte aber innerhalb der nächsten Wochen feststellen, daß mir diese Freiheit garnicht so gut tut. Werde zu bequem. Aus der Laune des Augenblicks heraus steige ich öfters irgendwo ab und bleibe in einem Ort, oder steige in den Zug, wohingegen ich eigentlich gut hätte 30 oder 50 km weiterfahren können. Nur die ungewohnte und unbequeme Sitzposition auf dem Rad war eine taugliche Begründung gegen allzu lange Tagesetappen.

Los geht es von Friedrichshafen am hellen Tag um halb elf mit einer Fahrt nach Rohrschach. Eigentlich die Masche, denn so fahre ich am wenigsten unnötig um den See herum. Aber so spät....Schnell erreiche ich St. Margrethen und biege auf den Rheindammweg ab. Es ist schönes Sommerwetter, später ziehen einige bedrohliche Wolken auf, aber ohne Regen.
Ab Höhe Liechtenstein wechsle ich das erstemal die Seite. Bisher bin ich immer westseitig gefahren. Als dann die Steilküste kommt, fahre ich mutig weiter. Jetzt bis zur letzten Brücke zurück: nein danke. Immerhin hatte ich von drüben öfter Badende gesehen, also irgendwo muß es dort einen Weg geben. Am letzten Parkplatz vor dem Wald steht ein alter Campingbus und ein junges Paar aus Bern meint, sie hätten keine Ahnung, ob es dort weitergeht. Auf einem Trampelpfad bergab führt der Weg, nur noch schiebend zu bewältigen. Dort ist eine schöne Stelle zum Baden und Spielen. Weiter geht garnichts, die Felsen anscheinend direkt ins Wasser. Mist. ich klettere ohne Rad durchs Unterholz und mache einige Bilder von Papa Rhein, im Vordergrund begehbare Steine im Flachwasser, dann der reißende Fluß, im Hintergrund aufwirbelnder Sand im Wind auf den Sandbänken. Schön! Auf dem Rückweg zum Rad entdecke ich in einiger Höhe doch eine Fortsetzung des Weges. Das Rad tragend, klettere ich den Steilhang hoch und schiebe es dort auf wurzelverziertem Pfad bergauf, bergab, Tragestellen inbegriffen. Ich komme mir hier mit dem bepackten Reiserad, dem Gott des Unterholzes Tribut zollend, doch reichlich bescheuert vor. Nach langen 200 m erreiche ich wieder Flußhöhe und zivileres Gelände und einen Weg. Im folgenden Wald umfliegt mich ein Kaisermantel, ich werfe das Rad ins Gebüsch und mache einige Bilder, voll entschädigt von der MTB-Tour ohne MTB.
Weiter bis Landquart die mir gut bekannte, schöne Strecke. Dort setze ich mich in den Zug nach Klosters. Die knapp 40 km und 1000 Hm schenke ich mir für heute.....

Am nächsten Morgen reizen mich das Superwetter und die Bahn vor meinem Hotel auf den Gotschnagrat. Ich lasse mich hochfahren und genieße die Aussicht. Wieder unten hole ich das Rad aus dem Hotel und gehe an die ersten paar wirklichen Höhenmeter der Tour: hinauf zum Tunneleingang. Der Vereinatunnel kostet, wenn man oben am Autoverlad löst, nur 10 Sfr, das Ticket von Klosters nach Susch mit Rad im normalen Zug hätte ein Vielfaches gekostet. Die Fahrt geht ruckzuck und unversehens steht man im Engadin. Wer fliegen kann, ist im Vorteil, es gibt hier aus dem kleinen Abteil für die Radler keine Rampe und geht 1,20 Meter tief auf die Gleise....

Ich fahre aufwärts nach Zernez und nehme den Ofenpaß in Angriff. Es ist schönes Sommerwetter und nach kurzer Zeit finde ich meinen Rhythmus. Der Verkehr ist gerade noch erträglich. Schon wissend, was mich erwartet, nehme ich die zwischenzeitliche Abfahrt und die Vernichtung kostbarer 200 HM gelassen hin. Landschaftlich finde ich den Paß, Nationalparkgegend hin oder her, langweilig. Inzwischen schon erschöpft, mache ich zuerst an einer Baustelle Rast und esse meine Verpflegung. Der AB erzählt mir vom Anruf einer länger nicht gesehenen lieben Person, was mich sehr freut und zur Weiterfahrt beflügelt. Am Gasthaus Il Fuorn mache ich wieder Pause. Zu meiner Überraschung hat es keine Zimmer frei, ich wäre sonst dort geblieben. Also geht es weiter hoch, eigentlich ist das sehr überschaubar, was noch kommt, aber es ist auch schon 17 Uhr. Die letzten paar km finde ich ätzend, da immer steiler und ich immer schlapper. Um viertel nach sechs habe ich es geschafft.
Nach dem obligatorischen Um- bzw. Anziehen folgt eine wirklich rauschende Abfahrt auf hervorragender Straße. Die 70 km/h werden immer wieder deutlich überschritten, eine vorsichtige Autofahrerin rigoros überholt. Na die wird auch den Kopf schütteln. Aber die Freuden der Abfahrt sind das unverletzliche Recht des Reiseradlers, welches er sich mit der Auffahrt erworben hat. Allerdings wird es bald immer flacher und die letzten km bis Sta. Maria in Müstair müssen banal erkurbelt werden.

Es folgt ein wunderschöner Morgen. Zuerst die Abfahrt ins Vinschgau und ab Schluderns ein stahlblauer Himmel und der schneeweiße Ortler, der die sattgrünen Wiesen und mein blau-rotes Fahrrad grüßt. Dann, den Radweg gefunden, eine nicht ganz so aufregende Fahrt unter dichten Bäumen, flach wie Holland. Nach einigen Fischteichen macht der ausgewiesene Radweg eine scharfe Rechtkurve in die völlig falsche Richtung und wird zudem Naturweg - und tschüß. Fahre auf der Straße weiter. Einige Zeit später probiere ich es wieder. Immer wieder gibt es Wald- und Schotterpassagen, immerhin geht es schön bergab. In Schlanders fahre ich ab und in den Ort. Hier wohnte und arbeitete mal mein Sohn für anderthalb Jahre, mich verbinden intensive und nicht nur angenehme Erinnerungen an diese Gegend. Weiter unten wird der Radweg zwangsbeduscht. Sie wässern hier ihre Wiesen und Bäume großflächig und teilweise bis in höchste Höhen der Berghänge hinauf. Ich packe die Kamera weg und rausche durch...
Die Seilbahn von St. Martin hatte er sich damals bei unserem Besuch als Highlight für uns ausgedacht....es war ein sehr schöner Tag gewesen. Weiter.
Bei Töll stürzt die Etsch plötzlich in ein Becken und ins Tal hinab. Die Straße rechts ist für Radler gesperrt und ich fahre links in sanften Kurven hinunter nach Meran. Hier und in vielen anderen Städten ist die Beschilderung der Via Claudia und dieselbe selbst eine Katastrophe bzw. nicht existent. Nach einigen Versuchen gebe ich es auf und nehme die Straße. Außerhalb der Stadt beginnt wieder der Radweg und führt schnurgerade am Fluß entlang, alles Interessante meidend. Heute schmerzt mich mein Hinterteil und mein Nacken. Ich fahre nach Bozen herein und übernachte dort. Abends sieht man in der tiefstehenden Sonne wunderschön die Sellagruppe im Hintergrund zum Greifen nah über den Dächern der Stadt.

Der nächste
Tag bleibt bedeckt. Der Weg aus Bozen ist prima beschildert. Im Industriegebiet südlich halte ich an und tausche die Vorbauten. Der Hauptlenker ist damit endlich höher, das Geweih leider tiefer, aber es ist ein Riesengewinn. In einer Landschaft mit begrenztem Sensationswert geht es flott und angenehm auf dem Etschdamm weiter nach Süden. Sie haben sich hier mit der Beschilderung richtig Mühe gegeben, ist interessant, welche geschichtlichen Bezüge sie herstellen. Vor Trento kommt erst eine riesige Brückenbaustelle. Bald danach muß man ein Flußbett umfahren, weswegen man ca 6 km Umweg zu machen hat bei Gegenwind und auf hochmiserablem Belag. Nervig. Ich lasse mich von meiner Trägheit überreden und bleibe in Trento für heute.

Am nächsten Morgen fahre ich erst kurz durch die sehr schöne Innenstadt und dann zum Bahnhof. Dem Aufstieg ins Val Sugana haftet ein richtig schlechter Ruf an (wie schlecht, sollte ich auf dem Heimweg einige Wochen später erfahren) und ich fahre mit dem Nahverkehrszug nach Pergine. Wieder ist es bedeckt und kühl. Zuerst nehme ich die Straße talabwärts. Es ist wieder landschaftlich langweilig, vorsichtig ausgedrückt. Erst ab der Halbzeit, wenn das Tal enger wird, wird es auch schön. Die Felswände treten eng zusammen, die Sonne kommt zum Vorschein und ich versuche mich auf dem jetzt hervorragend aussehenden Radweg. Allerdings ist es Sonntag und wahre Horden von Ausflugsradlern verscheuchen mich bald wieder. Als ich nach einer ausgiebigen Mittagspause an einem Streckenrestaurant weiterfahre, wird die Straße vierspurig und ein angekündigter Stau vertreibt mich auf die rechtsparallele Nebenstrecke. So geht es weiter bis Bassano, welches mich mit seiner tollen Wasserfront und einer Luzernartigen Holzbrücke, die ich unvermittelt erblicke, überrascht. Fahre da einmal durch die Altstadt, es ist brechend voller Leute, ich nehme ein Zimmer außerhalb des Zentrums. Ziemlich erschöpft, bleibe ich lesend und tagebuchschreibend drin und gehe früh schlafen.

Der nächste Tag bringt endlich sommerliche Wärme. Habe mir in Meran, mehr aus Angebotsgründen, denn aus Bedarf, eine Radhose gekauft. Bisher war ich überzeugter Verweigerer von sowas. Heute, in der Wärme stelle ich fest, daß ich darin zwar ziemlich schwitze, auch mehr, als in meiner kurzen Jeans, die ich sonst trage, aber dennoch sehr angenehm sitze, vor allem ab der ca. vierten Stunde, ganz im Gegensatz zu sonst. So wird mir das Teil zum geschätzten Ausrüstungsgegenstand. Ich folge der seit Bassano topfebenen SS 245 nach Mestre. In Castelfranco, dessen angeblich derart tolle Innenstadt jetzt so umwerfend auch nicht ist, mache ich Cappuccinopause. In Scorzé komme ich an einer riesigen Plakatwand vorbei mit einem uralten Foto eines Radfahrers - eine nette Gelegenheit für eine Selbstauslöseraufnahme. Kurz danach fährt eine Reiseradlerin vorbei, die Augen stier nach vorne. Noch zwei Fotos in Martellago unter dem hohen Kirchturm und ich finde mich bald im Umfeld von Mestre wieder. Diesmal zwischen Einkaufszentren der XXXL Größe etwas umher irrend, finde ich dann doch auf die Straße nach Venezia, wie immer eine Art Triumpheinreise.
Ganz vorne, schon fast an der Brücke zur Piazzale Roma, steht zwischen Straßenleitplanke und Mauer eingeklemmt mit seinem Rad ein nicht allzuschlanker Kollege. Er hat gelbe Ortliebs, dazu einen gelben Packsack, einen fetten Rucksack und zusätzlich etwa zehn 1,5 Ltr. Wasserflaschen geladen. Er trägt einen Helm der ersten Generation, die Stoffhaube dazu hat sich schon lange verabschiedet, weiter unten knöchelhohe Wanderschuhe und Socken. Es hat 32°. Der Gepäckträger ist ein einfaches Alumodell und an der tragenden Strebe rechts deutlich verbogen und eingeknickt. Er ist Kanadier und freut sich mit mir riesig, einen Gesinnungsgenossen gefunden zu haben. Wir tauschen uns eine Weile aus, ehe er doch noch aus dem Engpaß findet und mir den Weg in die Stadt freimacht. ich nehme das Hotel Sta. Chiara, gleich vorne. Sie haben einen eigenen Autoparkplatz (!), wo ich auch bequem das Rad an einem Geländer anschließen kann. Nach einer Dusche mache ich mich auf den Weg in die Stadt und genieße den Abend.-

Bilder zum Teil 1