Re: Mittsommer in Schweden (rundherum in Svealand)

von: k_auf_reisen

Re: Mittsommer in Schweden (rundherum in Svealand) - 27.08.09 09:52

Teil 2

8. Juni 2009
Sundby – Åsby – Jäder – Kjulaås – Ramshammar – Torsborg – Hammarby – L. Lövhulta – Vallby – Hyggeby – Grundby – Åkerby – Torshälla – Roxnäs –
39 km


Der Tag beginnt mit einer besonders eindrucksvollen Sehenwürdigkeit aus der Vikingerzeit, der Sigurdritzung. Es handelt sich dabei um eine in einen Felsblock eingeritzte Runeninschrift, die darlegt, daß eine gewisse Sigrid die Baukosten für die Brücke getragen hat, die hier einst stand. Der Text, eingeschrieben in den Leib des Drachen Fafnir, wird mit weiteren Abbildungen aus der Sigurdsage verziert. Faszinierend.




Alte Sagen lebendig dargestellt: die Sigurdritzung

In der Nähe liegt Schloß Sundbyholm. Ich gehe im hübschen Park am Ufer des Mälaren spazieren.
Dann radle ich nach Jäder, wo zu meiner Freude die interessante Kirche offen hat. Der bereits erwähnte Axel Oxenstierna hat sie als Grablege für seine Familie ausgeschmückt. Daneben gibt es wieder einen belgischen Altar, eine hübsche Kanzel und einen alten Taufstein. Kurios ist der im Vorraum aufgehängte Hut eines Gläubigen, der beim Kirchgang vom Blitz getroffen worden war.


Jäders kyrka


Der Hut des unglücklichen Kirchgängers

Auch in Kjula werfe ich einen Blick in die Kirche und schaue mir dann in einer weniger attraktiven, von Schottergruben geprägten Landschaft noch ein paar frühgeschichtliche Reste an, unter anderem das große Gräberfeld von Kjulaås, wo sich ein wahrhaft monumentaler Runenstein zwischen zahlreichen namenlosen Gräbern erhebt.


Der große Runenstein in Kjulaås

Da ich keine Lust habe, nach Eskilstuna hineinzufahren, umgehe ich die Stadt nördlich. Bei Grundby stoße ich wieder auf ein eisenzeitliches Gräberfeld mit einem großen Grabhügel, dem Kung Inges Hög.
In Torshälla kaufe ich ein und mache dann noch einen abendlichen Bummel durch das nette Viertel um Rathaus und Kirche.


Bergströmska gården in Torshälla

Die Hoffnung auf eine Zeltmöglichkeit am Väsbyviken erfüllt sich nicht, dort ist alles zersiedelt, aber ich finde dann einen sehr schönen Platz im Wald südlich der Bucht, stelle das Zelt auf Moos und Rentierflechte zwischen den Felsen auf. Der Wetterbericht hat sich, wie üblich, geirrt, diesmal aber zu meinen Gunsten, und ich sitze noch lange draußen, koche mir was Feines und genieße die Natur, bis es dunkel wird. Gut, so richtig dunkel wird es um diese Jahreszeit auch hier, deutlich südlich des Polarkreises, nicht, aber doch irgendwann relativ kühl.


9. Juni 2009
– Tumbo – Kvicksund – Stensjö – Åholmen – Horn – Borgåsund – Strömsholm – Kolbäck – Säby –
44 km


Erste Station am Vormittag ist Tumbo, wo ich Glück habe: gerade, als ich mich über die geschlossene Kirche ärgern will, kommt ein Herr vorbei, der mir aufsperrt und mir Zeit für eine Besichtigung gibt. Später studiere ich noch ausführlich die sechs Runensteine im Kirchhof.
Auf der Brücke bei Kvicksund überquere ich den Mälaren, verlasse damit Södermanland und erreiche Västmanland. Ein kurzer Abstecher führt mich ins Naturreservat Åholmen, einem verwilderten ehemaligen Park, wo ich durch bunte Blumenwiesen und Wälder spazieren gehe.


Bunte Akeleien in Åholmens naturreservat

Unter einer Roßkastanie steht romantisch ein Denkmal für den Naturforscher Carl von Linné, am Ufer des Sees gibt es einen verlassenen Bootssteg.


Am See in Åholmen


Gräberfeld in Horn mit Grabrösen

In Strömsholm erwartet mich wieder ein interessantes Schloß; dieses diente vor allem den Witwen einiger schwedischer Könige als Alterssitz. Schön vor allem der Speisesaal im Erdgeschoß, dessen Wände mit netten Malereien im pseudochinesischen Stil bemalt sind. Im Portraitsaal hängen große Ölbilder schwedischer Könige, und im ersten Stock sind im riesigen Ratssaal die Lieblingspferde König Karls XI. in großformatigen Bildern verewigt. Eine Sonderausstellung dient als PR für Kronprinzessin Victoria und erinnert mich ein wenig an die ausführlichen Museen zur Verherrlichung lokaler Potentaten, die ich in Malaysia gesehen hatte.


Strömsholms slott

Nach dem Schloßrundgang setze ich mich noch für eine gemütliche Jause in den ausgedehnten Schloßpark, dann werfe ich noch einen Blick auf die Nebengebäude, hübsche Holzhäuser aus dem 17. Jahrhundert. Etwas weiter gibt es ein großes Zentrum für Reitsport mit langer Tradition, das sicherlich die Herzen passionierter Pferdeliebhaber höher schlagen ließe; ich aber bevorzuge meinen Drahtesel.


Landschaft bei Strömsholm

In Kolbäck gibt es, neben einer geschlossenen Kirche und einer Einkaufsmöglichkeit, wieder eine völkerwanderungszeitliche Rückzugsfestung – nicht so romantisch gelegen wie jene in Rällinge, aber doch ganz interessant. Ich radle dann noch weiter bis Säby und stelle mein Zelt wenig später in eine Wiese.


10. Juni 2009
– Lagersberg – Giresta – Lundby – Rytterne – Åkerby – Tidö – Lövsta – Askö – Barkarö – Fullerö – Västerås
55 km


Ich habe für den Abend eine Couch in Västerås bekommen und mir vorgenommen, je nach Wetterlage auf direktem, kurzem Wege dorthin zu radeln oder mit ein paar Umwegen. Da es nur ganz leicht regnet, entscheide ich mich für die längere Variante. Viel zu sehen gibt es am Weg allerdings doch nicht, ein paar Gutshöfe sind mehr oder weniger interessant; ganz nett, aber auch nicht aufregend, sind die Ruinen der Kirche von Stora Rytterne in Lundby, wo es auch einen Runenstein gibt, und ihr Pendant von Lilla Rytterne in Åkerby.
Mehr verspreche ich mir vom Schloß in Tidö, welches auch der Reiseführer lobend erwähnt. Groß ist daher meine Enttäuschung, als ich feststellen muß, daß ich am letzten Tage des Winterzeitplans dort bin, was bedeutet, daß Führungen nur am Wochenende stattfinden. Wenig Trost bereitet mir, daß es auch nach dem Sommerplan nur eine Führung pro Tag gegeben hätte.


Schloß Tidö


Hochmoderne Tankstelle in Tidö

So werfe ich auf der Weiterfahrt noch einen Blick auf den Gutshof in Fullerö, wieder so ein kleines Schlößchen einer landbesitzenden Familie. Schafe weiden im Schloßpark, und obwohl das Gelände als Privatbesitz gekennzeichnet ist, stört sich niemand daran, daß ich ein Photo mache.
Västerås beginnt zunächst mit Industrie- und Hafenanlagen. Etwas verloren steht dazwischen ein Runenstein. Bis zum Treffen mit meiner Gastgeberin habe ich noch Zeit, und da mir der Regen langsam auf die Nerven geht, begebe ich mich in die Bücherei. Später treffen wir uns wie vereinbart und radeln noch im Nieselregen zum Djäkneberget hinauf, einem Aussichtspunkt im Westen der Altstadt. Besonders schön finde ich die Stadt auch von hier ehrlich gesagt nicht, aber meine Begleitung ist sehr angetan – ich hoffe, ich habe sie wegen meines etwas fehlenden Enthusiasmus nicht beleidigt.


11. Juni 2009
Västerås
18 km


Spontan habe ich beschlossen, meinen Aufenthalt in der Stadt zu verlängern und kann mich also ohne Gepäck zur Besichtigungs- und Einkaufstour aufmachen. Die beginnt beim gotischen Dom, der schon früher als angeschrieben geöffnet wird, wohl, weil später ein Schulabschlußgottesdienst stattfinden soll. Es gibt viel zu sehen, darunter auch wieder drei gotische Altäre aus Belgien, nebst einer Renaissancetaufkapelle aus Lübeck, zahlreichen Gräbern, unter anderem jenem König Eriks XIV., etc.


Der Dom zu Västerås: Hauptaltar, Import aus Belgien


Ein Nebenaltar: das Schweißtuch der Veronika

Der Gottesdienst ist dann ungewöhnlich, eigentlich eher ein Kirchenkonzert: Schülergruppen geben, nach Jahrgängen sortiert, christliche (?) Lieder zum besten. Daneben trägt eine Organistin ein Stück vor, das ich nicht kenne, mir aber so gut gefällt, daß ich mich nachher mit ihr unterhalte und mich darüber erleuchten lassen; sie hat die Toccata aus der Suite gothique von Léon Boëllmann gespielt.


Memento mori – ein Grabmal im Dom zu Västerås

Nun steht ein Mittagsimbiß an, ich brauche noch ein paar Landkarten, verzichte aus Gewichtsgründen aber darauf, mir eine umfangreiche Geschichte Schwedens zu kaufen. schmunzel Am „italienischen“ Eisstand gibt es zunächst Verständigungsschwierigkeiten, die sich überraschenderweise auf Spanisch lösen lassen – die Verkäuferin stammt aus Marokko, lebt aber seit vielen Jahren in Schweden, wo es ihr allerdings viel zu kalt sei.
Auf der Suche nach einer Möglichkeit, meinem Handy Land und Leute näher zu bringen, muß ich feststellen, daß schwedische SIM-Karten im Vergleich zu Deutschland wahnwitzig teuer sind, zumal die Dinger grundsätzlich ohne Startguthaben verkauft werden. Nach einigem Herumfragen finde ich dann doch etwas Brauchbares knapp unterhalb der Schmerzgrenze.


Västerås ist eine radfahrerfreundliche Stadt

Inzwischen hat sich das Wetter gemacht, und ich setze meine Stadtbesichtigung fort. Außer dem Dom gibt es nicht vieles, was man gesehen haben muß. Ich werfe einen Blick ins Schloß am Rande eines Parks, wohin die unerwartete Sonne jetzt allerlei Volks gelockt hat, und führe mir eine Ausstellung über das Sammeln (von Plastiksäcken bis Barbiepuppen) zu Gemüte.


Västerås: Am Svartån

Da es ein gar so schöner Abend ist, radle ich noch hinaus zum Freilichtmuseum Vallby und schlendere dort längere Zeit zwischen den Höfen, Ställen und Lagerhäusern herum.


Im Freilichtmuseum Vallby


12. Juni 2009
Västerås – Tibble – Hälla – Tibble - Anundshög
16 km


Nachdem ich Västerås verlassen habe, stoße ich bei Tibble auf den Badelunda fornstig, einen Wanderweg, der an einigen (früh)geschichtlichen Stätten entlangführt. Das klingt interessant, und ich werfe einen Blick auf ein altes Labyrinth. Der Weg führt an wikingerzeitlichen Siedlungsplätzen vorbei, wird dann aber immer schlechter befahrbar, und schließlich weiche ich auf den Golfplatz unterhalb aus. Die Golfer schauen zwar etwas seltsam, erklären mir aber den Weg zum Ausgang, und zum Glück ist es nicht weit bis zum Einkaufszentrum in Hälla.
Nachdem ich dort auch einen Patschen repariert habe, fahre ich über den Badelundaåsen zurück und komme an ein paar weiteren Informationstafeln des fornstig vorbei. Schließlich erreiche ich den Anundshög, eine der bekanntesten vorgeschichtlichen Stätten in Västmanland. Die Anlage ist beeindruckend: ein gewaltiger Grabhügel erhebt sich in der Mitte, zu dessen Füßen liegen zwei große Schiffssteinsetzungen, etwas abseits zwei weitere.


Zwei große Schiffssteinsetzungen unter dem Anundshög

Leider beginnt es kurz nach meinem Eintreffen zu regnen, und ich stelle mich unter einem vorspringenden Dach mehr schlecht als recht unter. Zu allem Überfluß fühlen sich zwei Schweden, die durch den Regen radeln, bemüßigt, sich zu mir zu gesellen. Was ja an sich willkommen wäre, wenn die beiden nicht schon angetrunken wären und dann auch noch eine Flasche einer gelben, alkoholischen Flüssigkeit – offenbar Löwenzahnwein, so ich die Erklärung richtig verstanden habe – auspackten. Ich trinke höflichkeitshalber einen Schluck, während die beiden fast die ganze Flasche leeren. Nicht nur aus sprachlichen Gründen – einer der beiden radebrecht zumindest deutsch und englisch – wird die Unterhaltung ziemlich eintönig.
In einer Regenpause schaue ich mir den Anundshög an und finde auf der anderen Seite ein Café, wo es sich viel gemütlicher sitzt. Hier verbringe ich den weiteren Nachmittag durchaus angenehm. Um sieben schließt das Lokal, und ich suche mir ein Stückchen weiter einen Platz zum Zelten.


13. Juni 2009
Anundshög – Badelunda – Hubbo – Ansta – Äs – Gesala – Romfartuna
18 km


Am Morgen regnet es nicht, sogar das Zelt ist überraschenderweise einigermaßen trocken. Weit ist es nicht bis Badelunda, und dort hat sogar die Kirche offen, weil später eine Taufe stattfindet.


Am Weg nach Romfartuna: der Gutshof Lycksta


Die Kirche von Romfartuna

Auch in Romfartuna hat die Kirche aus diesem Grunde offen, und auch hier gibt es interessante Fresken und einen Runenstein.
Entgegen der Wettervorhersage beginnt es mittags zu regnen. Ich will den Guß in einem Häuschen am Spielplatz abwarten, doch wird es ein längerer Aufenthalt. Als es abends immer noch nicht aufhört, fahre ich ein Stück aus dem Ort und stelle mein Zelt am Rande eines Sportplatzes auf. Zum Glück habe ich zufällig gerade heute den ersten Pilz auf dieser Reise gefunden – war mir schon abgegangen! – und entwickle ein Rezept, das sich für Skandinavientouren bestens eignet – Kafkas Birkenpilz:

Man nehme (in meinem Falle einen) Birkenpilz, schneide ihn in Stücke und dünste ihn in Butter, gebe (reichlich) Salz, Pfeffer und Basilikum dazu. Fertig. Ist schnell gemacht und schmeckt famos.

Auf der weiteren Tour werde ich noch ein paar Mal in den Genuß kommen …


14. Juni 2009
0 km


Der meteorologische Tiefpunkt der Reise: den ganzen Tag regnet es, sodaß ich das Zelt, von wenigen, physiologisch bedingten Ausnahmen, nicht verlasse. Glücklicherweise habe ich noch ein paar Lebensmittel und mache mir daher einen gemütlichen Lesetag. Um mein Schwedisch in Schwung zu bringen, nehme ich mir Människa utan hund vor, einen Krimi von Håkan Nesser. Das Buch liest sich ganz gut, ist recht spannend, und am Abend habe ich ca. die Hälfte gelesen.


15. Juni 2009
Romfartuna – Hallsta – Vallrum – Ransta by – Ransta – Fastbo – Kumla kyrkby – Sala – Trefoten – Kila – Grällsta – Strömsberg –
51 km


Das Frühstück ist frugal, ich habe am Vortag fast alle kulinarischen Restbestände vertilgt. Irgendwo sollten noch Bananen sein, aber die finde ich nicht mehr; ich hoffe, daß sie nicht doch in den Tiefen einer Packtasche inzwischen größtes Unheil angerichtet haben.
Zum Glück hört es bald auf zu regnen, und ich packe zusammen. Ausnahmsweise radle ich auf einer Hauptstraße (Nummer 56). Auch wenn es einen breiten Seitenstreifen gibt, nervt doch bald der starke Verkehr, die vielen Laster und der Lärm. Ich bin offenbar von den herrlichen Nebenstraßen der letzten Wochen verwöhnt. So zweige ich bald ab und nehme gerne den weniger guten Belag in Kauf.
In Ransta frage ich nach einem Geschäft. Das mache erst um zehn auf, erklärt man mir im Bahnhofscafé, aber hier gebe es ein Frühstücksbuffet „all you can eat“. Für 30,- Kronen (ca. 3,- Euro) scheint mir das ein hervorragendes Angebot (und widerlegt wieder einmal den Mythos vom ach so teuren Schweden – so arg ist es auch sonst nicht, finde ich), und ich begebe mich in die Stube, wo ich zunächst der einzige Gast bin. Das ändert sich bald, zahlreiche Dorfbewohner frühstücken hier, und auch ich gönne mir einen ausführlichen, gemütlichen Aufenthalt.
Zu meiner großen Überraschung ist die Kirche in Kumla offen. Es gibt eine Audioanlage, mit der ich mir eine Beschreibung auf deutsch anhören kann, während ich die schönen Deckenfresken bewundere.


In der Kirche zu Kumla


Gewölbemalereien: Christi Himmelfahrt und Pfingsten

In Sala suche ich zunächst eine Tankstelle, um meine Reifen nach einer Reparatur am Vormittag wieder auf Solldruck zu bringen, doch hat sich auch hier die Pest der Kartenautomatentankstellen rasant ausgebreitet. Und wo es keinen Menschen mehr gibt, gibt es auch keine Luft, denn es ist ja niemand da, der auf das Gerät aufpassen könnte. Grummel. Erschrocken stelle ich fest, daß es schon halb vier Uhr nachmittags ist.
Jetzt aber rasch zu den Silberminen. Obwohl ich dort mehr als eine Stunde vor der Schließung eintreffe, gibt es eine Führung durch die Gruben erst wieder am nächsten Tag. Schade. Daß die Führung sauteuer gewesen wäre – ja, ich weiß, ich widerspreche mir gerade selber –, macht es mir leichter, mein Zuspätkommen zu verschmerzen, und ich widme mich stattdessen ausführlich dem interessanten Museum. Aus der einen Stunde werden deren zwei, auch hier nimmt man es nicht genau mit den Öffnungszeiten. Danach schaue ich mir die oberirdischen Gebäude an: Fördertürme über den Schächten, Wohnungen für die Werksleiter, Reste älterer Anlagen.




Alte Fördertürme und Grubenanlagen in Sala

Abends kehre ich in die Stadt zurück, um einen Großeinkauf zu tätigen. Zu meiner Überraschung lassen sich alle Vorräte ganz gut verstauen. Auch eine bemannte Tankstelle mit Luft finde ich noch, und so ist die Welt wieder in Ordnung. Gut gelaunt verlasse ich Sala. Meinen ursprünglichen Plan, auf dieser Tour noch bis Dalarna zu fahren, hat der Regen der letzten Tage (und mein sehr gemütlicher Fahrstil) durchkreuzt; ich habe beschlossen, daß Sala mein nördlichster Punkt wird, und radle daher nach Südwesten, komme dabei noch an einem gut erhaltenen und gut lesbaren Runenstein vorbei, bevor ich mir, jetzt wieder abseits der Hauptstraße, einen Zeltplatz suche.


16. Juni 2009
– Vargstubacken – Olsbo – Sätrabrunn – Hassmyra – Fläckebo – Vevde – Hönäs – Rörbo – Ramnäs – Usträngsbo – Gillbo – Österflena – Gunnilbo – Skärsjön
61 km


Wettermäßig ist es der angenehmste Tag seit langem, in der Früh scheint sogar die Sonne, und auch wenn dann wieder Wolken aufziehen, bleibt es trocken. Warm ist es zwar nach wie vor nicht, aber ich kann zumindest wieder ohne Anorak und barfuß radeln.
Erste Station ist Sätrabrunn, ein alter Kurort, der aus einer Ansammlung größerer und kleinerer Holzhäuser in einer parkartigen Umgebung besteht. Es gibt keine besonderen Sehenswürdigkeiten, aber das Ganze hat Charme. Das Heilwasser selbst schmeckt allerdings widerlich.




In Sätrabrunn

Positiv überrascht mich Fläckebo. Der Ort ist in meinem Reiseführer nicht erwähnt, aber die Kirche ist nett (und offen), hat interessante Gewölbe und verschiedene alte Holzskulpturen.


Kruzifix in der Kirche zu Fläckebo

Vor dem Gotteshaus ist noch eine Reihe alter Holzhäuser und -hütten erhalten, die zum Teil den Bewohnern der umliegenden Weiler als Ställe für die Pferde dienten, während sie den Gottesdienst besuchten.
Am See unterhalb der Kirche gibt es noch einen großen Runenstein mit einer langen Inschrift. Und ein Idyll ist das winzige Freilichtmuseum daneben, mit bloß einer Handvoll Häuschen, die aber ein sehr hübsches Ensemble bilden. Vier ältere Damen sitzen an einem Holztisch und laden mich zu Tee und Kuchen ein. Langsam wird das auch was mit dem Schwedischen.


Freilichtmuseum Fläckebo Hembygdsgård


Blick in die Stube eines der Gebäude dort

Sehr nett geht es weiter am Fläcksjön.


Bruden och Brudgummen – Braut und Bräutigam, zwei malerische Stadel am Fläcksjön


Ich überquere den Svartån

Dann ändert sich die Landschaft, und den Rest des Tages radle ich durch ausgedehnte Wälder. Mittendrin liegt Ramnäs, eine alter Industrieort. Hier gibt es zwei Ansitze ehemaliger Fabriksbesitzer, dazwischen strömt die Kolbäcksån an einer alten Schmiede vorbei. Auch eine riesige hölzerne Lagerhalle, wo einst das angelieferte Eisen gelagert wurde, die jetzt aber völlig leer steht, gibt es da.


Alte Schmiede in Ramnäs

Ich fahre fürbaß in Richtung Westen und wähle bald die Piste über Ustrangsbo, weil mir die landschaftlich reizvoller als die Hauptstraße erscheint. Ich handle mir damit etliche Schlaglöcher ein, komme aber doch ganz gut vorwärts. Ustrangsbo ist ein winziger Weiler mitten im Wald, später fahre ich nett am Langbjörken entlang mit einigen netten Blicken auf den See.
Kurz vor Gunnilbo erreiche ich wieder Asphalt, halte mich im Ort nicht auf und komme zu meiner Überraschung nach – Lappland! So heißt nämlich das waldige, moorige Hochplateau, auf das die Straße jetzt hinaufführt. Einmal oben, geht es rasch weiter, und schon bald habe ich den Skärskjön erreicht, wo ich einen wunderbaren Abend verbringe: das Farbenspiel der Wolken, die sich auf der glatten Wasseroberfläche spiegeln, von der untergehenden Sonne in verschiedenen Rosatönen gefärbt, ist phantastisch.


Abendstimmung am Skärsjön


17. Juni 2009
Skärsjön – Skinnskatteberg – Bäckegruvan – Riddarhyttan – Röda Jorden – Ö. Glifsån – Torsbäcken – Gammelbo – Nyckelbäcken – Hagen – Ramsberg – Löa – Heden – Vasselhyttan – Storå – Guldsmedshyttan – Fanthyttan – Dykartorp
74 km


Nach dem Frühstück mit Blick über den Skärsjön rolle ich hinunter nach Skinnskatteberg. Die dortige Kirche ist offen, aber nicht sonderlich sehenswert. Auch einen ehemaligen Gutshof mit schönem Blick über den nächsten See, den Nedre Vättern, gibt es hier, heute ist dort eine Försterschule untergebracht.
Hügelig geht es weiter durch den Wald. Kurz vor Riddarhyttan zweige ich nach links ab zum Kopparverket, seinerzeit eine Kupferhütte. Die ganze Gegend lebte ja einst vom Bergbau. Von den Anlagen, in denen in einem komplizierten, vielstufigen Prozeß das Metall gewonnen wurde, ist außer ein paar Staudämmen und dem quadratischen Haus, in dem die fertigen Kupferbarren gelagert wurden, nicht mehr viel zu sehen, aber bei strahlendem Sonnenschein ist der Spaziergang ein Genuß.


Kopparverket

Zur Umgehung der Hauptstraße habe ich mir überlegt, eine Verbindung zu wählen, die allerdings in meiner Karte nur als schwarze Linie eingetragen ist – also jedenfalls ohne Asphalt, vielleicht ein mieser Forstweg. Daß in diese Richtung aber eine weitere bergbauhistorische Sehenswürdigkeit angeschrieben ist, Röda Jorden, gibt den Ausschlag. So schlecht wird die Piste schon nicht sein, und in der Tat, die Waldstraße ist nicht schlechter als die (höherrangige) Nebenstraße vom Vortag, und ich bereue meine Entscheidung nicht.
Röda Jorden ist bald erreicht. Hier wurde in der Eisenzeit Sumpferz verhüttet. Neben geringen Resten von einfachen Schmelzöfen hat man diese Prozesse hier rekonstruiert (und stellt einmal im Jahr die frühgeschichtliche Metallgewinnung nach). Nett ist aber vor allem der Spaziergang durch den Wald, teilweise entlang des Baches, der sich tiefrot durch das Grün der Vegetation schlängelt.


Röda jorden – die rote Erde – macht ihrem Namen alle Ehre

Es zieht zwar wie am Vortag langsam wieder zu, ist aber doch endlich wieder so warm, daß ich auch auf die Pullover verzichten kann. Geraume Zeit radle ich durch eine wunderbare, abgelegene Waldlandschaft. Das Relief wird stärker, ich muß einen etwas höheren Hügel überwinden, werde dafür mit einem schönen Blick auf den kleinen Dammsjön belohnt, umgeben von weiten Wäldern. Rasant geht es bergab nach Torskbäcken, das inmitten herrlicher Blumenwiesen an einem weiteren See, dem Norrmogen liegt. Die Birken am Ufer und die wunderbare Landschaft bringen mich ins Schwärmen, und ich weiß, warum ich hier bin: Schweden kann schon traumhaft schön sein.


Norrmogen

Gammelbo ist der erste etwas größere Ort seit Riddarhyttan, aber trotzdem winzig. Immerhin gibt es einen Gutshof und die Reste einer Eisenhütte.
Erst in Ramsberg gibt es wieder Asphalt, wenn auch nur für ein paar hundert Meter. Ich werfe einen Blick in die Kirche.


In der Kirche zu Ramsberg, geplant von König Gustav III.

Eine kleine Erinnerung an das Banditenmuseum in Ronda, das ich im Frühling besucht hatte, weckt der Gedenkstein für einen hiesigen Räuber, der vor dem Gotteshaus steht.
Zu meiner Freude verschwinden die Wolken wieder. Ausnehmend gut gefällt mir die Landschaft auf dem Weiterweg nach Löa, auf einer guten Schotterpiste am Ölsjön entlang und durch tiefe Wälder.


Am Ölsjön

In Löa gibt es auch wieder industriegeschichtliche Sehenswürdigkeiten: ein altes Sägewerk und gegenüber eine ehemalige Eisenhütte, die von den Dorfbewohnern im Gemeinschaftsbesitz betrieben wurde. Die Anlagen sind zwar versperrt, schauen aber urig aus, und Informationstafeln geben Auskunft über die Geschichte.


Die ehemalige Eisenhütte in Löa

Nach den vielen Kilometern auf einsamen Waldpisten ist die folgende Hauptstraße nach Süden ein Antiklimax; vor dem Verkehr kann ich wenigstens zwischendurch auf eine Nebenstraße flüchten.


Am Usken entlang

Nachdem ich mich noch ein Stück auf der Straße Nummer 50 weitergekämpft habe, kann ich endlich zum Usken abzweigen und finde bald einen brauchbaren Zeltplatz mit Blick über den See.


Abendstimmmung am Usken

Es gibt Kafkas Birkenpilz, und noch gegen halb zwölf ist es hell genug, um Tagebuch zu schreiben. Kein Wunder, die Mittsommernacht nähert sich.


Die Nacht bricht herein


18. Juni 2009
Dykartorp – Siggeboda – Siggebohyttan – Öskevik – Vreten – Södermalma – Oskarsvik – Bergsmanshyttan – Born – Risbacken – Karlslund – Nora – Pershyttan – Stora Mon – Skärmarboda
35 km


Ich breche früh auf und bin schon vor halb neun in Siggebohyttan. Klar, daß der alte Bergmannshof noch lange nicht offen hat. Da ich aber auch nicht ewig warten will, schaue ich mir die Häusergruppe von außen an.


Siggebohyttan; hier lebte ein reicher Bergmann


Blick durchs Fenster

Es geht an Seen entlang weiter, Usken und Fåsjön. Die Landschaft ist weniger aufregend als tags zuvor, landwirtschaftlich genutzt. Zudem kommt es von Süden finster daher, und kurz nach Born, wo ich einen Blick auf die alte Brücke werfe, beginnt es zu regnen. Ich stelle mich bei einer Bushaltestelle unter und ersetze eine gebrochene Speiche.
Als der Regen nachläßt, fahre ich die paar Kilometer nach Nora. In der dortigen Touristeninformation gibt es auch einen Computer, und ich stille erst einmal meine virtuellen Bedürfnisse, bevor ich eine Pizza essen gehe. Von der Stadt bin ich dann etwas enttäuscht: der Reiseführer hatte sie sehr gepriesen, und sie ist auch nett, aber nicht herausragend. Ich bummle durch das Stadtzentrum und werfe einen Blick auf die Kirche. Gerade, als ich weiterfahren will, beginnt es wieder zu regnen, und ich setze mich auf eine Bank in einem Supermarkt und lese.
Abends kommt doch noch einmal die Sonne heraus.


Am Bahnhof in Nora

Ich mache ein paar Photos von den alten Zügen am Bahnhof, dann nehme ich den kurzen Abstecher nach Pershyttan auf mich, um die ehemaligen Bergwerksanlagen zu sehen. Geraume Zeit spaziere ich über das Gelände zwischen Gruben und Hütten. Besonders interessant sind das enorme Wasserrad und das daran anschließende Gestänge mit dem seinerzeit verschiedene Maschinen angetrieben wurden.


Antriebsgestänge in Pershyttan

Leider zieht es schon wieder zu, und da es zudem schon recht spät ist, überlege ich kurz, frisch gleich auf einer der Rasenflächen zwischen den Grubengebäuden zu zelten. Eigentlich sollte ich aber noch ein paar Kilometer hinter mich bringen, und so mache ich mich doch noch einmal auf den Weg, zweifle jedoch bald an der Weisheit dieser Entscheidung, als es wieder zu tröpfeln beginnt. Im Osten aber sieht es noch heller aus, ich trete kräftig in die Pedale, komme zügig voran, und tatsächlich schaffe ich es, dem Regen davonzufahren. Bis Skärmarboda habe ich genügend Vorsprung herausgefahren, um sogar das Zelt noch einigermaßen trocken aufstellen zu können.

Ende des 2. Teils