Re: Mittsommer in Schweden (rundherum in Svealand)

von: k_auf_reisen

Re: Mittsommer in Schweden (rundherum in Svealand) - 27.08.09 09:53


Teil 3

19. Juni 2009
Skärmarboda – Mogetorp – Axbergshammar – Dylta – Brunnsjötorp – Ölimbrotorp – Dylta Bruk – Nyängshagen – Kvinnerstatorp – Kvinnersta – Hovsta – Förlunda – Hovsta kyrka – Örebro – Karlslund – Örebro – Brickebacken – Norra Bro – Gryt – Almbro – Gällersta – Frommesta – Ekeby – Torsta
61 km


In der Früh hat der Regen aufgehört und ich beginne den Tag mit einem Spaziergang hinauf zur Rückzugsfestung, in deren Nähe ich gezeltet habe.


Aufstieg zur Fornborg bei Skärmarboda

Außer den Resten einer Mauer ist nicht viel zu sehen, aber die Aussicht ist nett.


Weit reicht der Blick von dort über die Wälder

Ich komme dann gut voran, passiere in Axbergshammar wieder einen Gutshof und fahre auf gewundenen Straßen durch kleine Dörfer nach Dylta Bruk, wo einst Schwefel, Alaun und rote Pigmente gewonnen wurden. Es gibt ein Schlößchen und ein größeres Holzgebäude mit Uhrturm, im Gegensatz zu sonst aber keinerlei Informationstafeln zu den Gebäuden, und so ist der Besuch dort etwas unergiebig.
Im weiteren Verlauf gibt es einen Radweg, und ich muß daher nicht auf der verkehrsreichen Hauptstraße nach Örebro fahren. Die erste größere Stadt seit langem macht auf Anhieb einen sehr netten Eindruck, und das wird auch so bleiben. Hübsch liegt das große Schloß im Zentrum der Stadt, die mächtigen Türme werden vom Wasser eines Flusses umspült.


Örebros slott

Besichtigen kann ich es allerdings nicht – denn heute ist Midsommarafton. Warum die Sommersonnenwende zwei Tage vor dem eigentlichen Ereignis begangen wird, ist mir nicht ganz klar, aber ich wollte schon lange einmal an einer Mittsommerfeier teilnehmen. Vorsorglich habe ich mir aus einer Zeitung die Termine herausgesucht.


Der Eingang zur Burg bleibt mir verschlossen


Wurde auch er nicht eingelassen?

Jetzt ist es also soweit, und da auch die Nicolaikirche geschlossen ist, begebe ich mich zum Freilichtmuseum Wadköping, vom Schloß einen Kilometer flußab. Hier hat man den midsommarstången, eine Art Maibaum, schon aufgerichtet, und eine Volkstanzgruppe führt traditionelle Tänze auf. Auch die verschiedenen Trachten werden erklärt.


Volkstanzgruppe in schwedischen Trachten


Die Mädchen haben den traditionellen Blumenkranz im Haar

Da ich auch einen Blick auf Schloß Karlslund werfen möchte, radle ich durch die Stadt nach Westen und bin rechtzeitig hier, um den Beginn der Feier mitzuerleben. Nach dem Aufstellen des Mittsommerbaumes darf hier zunächst die Allgemeinheit herumtanzen, vor allem die Kinder mit ihren Eltern sind mit Elan dabei. Allerlei typische Lieder werden gesungen, an prominenter Stelle, wie schon zuvor, die Små grodorna, die ich aus meinem Schwedischlehrbuch kenne. In natura natürlich gleich doppelt so interessant.


Midsommarstången – die schwedische Version des Maibaums

Ich spaziere durch den Schloßpark. Überall sitzen Gruppen von Leuten am Boden und picknicken, es herrscht eine entspannte Volksfestatmosphäre.


Mittsommerpicknick in Karlslund

Auf die schönste Mittsommerfeier – aller guten Dinge sind drei – stoße ich aber eher zufällig, als ich wieder in der Stadt bin. Im Stadtpark haben sich erneut zahlreiche Leute versammelt und schauen bei strahlendem Abendsonnenschein der Vorführung einer Volkstanzgruppe zu.


Tanz um die Mittsommerstange im Stadtpark


Bunt gemischte Zuschauer

Bei den Musikanten spielen einige Frauen mit, die wohl schon etliche Jahre dabei sind.


Wieviele Lenze sie wohl schon aufspielen?

Im Publikum zahlreiche Mädchen mit Blumenkranz im Haar – aber nicht nur die blonden Schwedinnen, nein, auch die Töchter von Immigranten, hier scheint die Integration gut zu funktionieren.




Bunte Blumenkränze gehören dazu

Auch das Volk darf tanzen, und viele machen mit. Und dann berührt mich ein Lied besonders: Das Lied von der kleinen Katze (und allen möglichen anderen Tieren), Lille katt. Das weckt Kindheitserinnerungen an gemütliche Fernsehnachmittage im Kreise meiner Familie, denn Klein-Ida hat dieses Lied einmal in der Verfilmung von „Emil i Lönneberga“ nach Astrid Lindgren gesungen – weiß der Geier, warum der Lausbub in der deutschen Version „Michel“ heißt.
Ich bleibe jedenfalls bis zum Ende der Feier und genieße den wunderbaren Abend in Örebro. Dann spaziere ich noch ausführlich durch Wadköping, um mir nun auch das Freilichtmuseum anzusehen. Die Gebäude haben natürlich zu, sind aber auch von außen sehenswert, und das ganze bildet ein entzückendes Ensemble älterer und etwas weniger alter Holzhäuser.




Historische Bauten in Wadköping

Angenehm verlasse ich die Stadt und radle zwischen Äckern, Wiesen und Weiden hindurch. Etwas beunruhigt sehe ich die finsteren Wolken, die zwar zunächst noch für eine prächtige Lichtstimmung sorgen, allerdings nichts Gutes verheißen.


Und wieder zieht ein Wetter auf …

Und richtig, in Gällersta ist es soweit, ein heftiger Schauer geht nieder, es hagelt, und ich finde nur einen notdürftigen Unterstand unter einem leicht vorspringenden Dach. Es hört dann doch noch einmal auf, ich radle noch bis Torsta, wo ich zum Glück eine gemähte Wiese finde, das Zelt aufstelle, womit ich gerade fertig bin, als es wieder regnet. Es ist mittlerweile halb elf, ich koche noch und gehe dann schlafen.


20. Juni 2009
Torsta – Vrana – Sköllersta – Kånsta – Tybble – Askersby – Odensbacken – Hummelsta – Segersjö – Lämnäs – Bönerud – Hampetorp – Djursnäs – Dimbo – Läppe – Rörvik – Kalkbrottsvillorna – Gimgöl – Väsby – Julita gård
58 km


In der Früh regnet es noch, und ich habe ein Motivationsproblem. Erst spät packe ich zusammen und mache mich auf den Weg. Der ist zunächst unspektakulär, ein heruntergekommener Gutshof in Vrana, ein kleines Naturreservat mit alten Eichen in Sköllersta, zwei Grabhügel neben der Straße bei Kånsta.
In Odensbacken kaufe ich ein und warte einen neuerlichen Regenschauer ab, bevor ich einen kurzen Blick auf die frühgeschichtlichen Reste werfe. Zum Glück klart es dann bald auf, und ich komme in den Genuß eines sonnigen Nachmittages. Gleich nördlich von Odensbacken, in Hummelsta, finde ich einen weiteren netten Runenstein. Kurz danach komme ich an einer Grabröse vorbei, jenseits des Kvismare kanal liegt der Gutshof von Segersjö in der Sonne. Durch lichte Wälder geht es jetzt südwärts, vorbei an einer hübschen Steinsetzung.
Jetzt erwartet mich wieder ein Stück Hauptstraße; glücklicherweise sind nur wenige Laster unterwegs. Bald stoße ich auf ein Hinweisschild auf frühgeschichtliche Äcker bei Bönerud. Viel ist, ehrlich gesagt, nicht zu sehen, aber es gibt eine Informationsbroschüre, und mit der ist es doch ganz interessant, den kurzen Rundgang zu machen und zu lesen, was die eisenzeitliche Landwirtschaft für Spuren hinterlassen hat.
Jetzt geht es am Södra Hjälmaren entlang. Irgendwann setze ich mich auf eine Bank mit Blick über den See und jausne. Später fahre ich unter einer Materialseilbahn hindurch, die einstmals Kalk aus einer Grube über viele Kilometer zu einem Verarbeitungsbetrieb befördert hat.


Blick über den Södra Hjälmaren

Malerisch grasen einige Pferde rechter Hand unter riesigen Eichen. Es handelt sich um das Naturreservat Väsby Västeräng, und ich mache dort einen kurzen Spaziergang. Das Gelände ist allerdings eher sumpfig.


Spätnachmittags in Väsby

Als ich Julita gård erreiche, ist es schon fast acht Uhr abends. Das hat den Nachteil, daß die Gebäude jetzt geschlossen sind, aber den Vorteil, daß man gratis durchs Gelände spazieren kann. Und das tue ich auch ausführlich. Es ist ein wunderbarer Abend, und prächtig liegt der Gutshof mit seinen Nebenflügeln, einem für die Pferde, einem für die Wagen, auf einem Hügel am Ufer des Öljaren.


Julita gård


Lädt das nicht ein zu einer entspannten Rast?

Ein beschaulicher Steg führt hinaus auf den See. Hinter dem Schlößchen ein hübscher französischer Garten. Und ein kleines Freilichtmuseum mit alten Häuschen gibt es auch noch.


Myriaden von Insekten …


… und ein einsames Boot

Zum Abschluß des gelungenen Abends finde ich noch einen schönen Zeltplatz mit Blick auf den See.


21. Juni 2009
Julita gård – Julita – Gimmersta – Äsköping – Fågelsta – Äs – Bie – Ökna – Flodafors – Stenhammar – Flen
48 km


Ich genieße den Sommeranfang mit einem gemütlichen Frühstück am Öljaren. Spiegelglatt liegt der See in der Morgensonne.


Morgenstimmung am Öljaren

Ich folge dann dem Munkleden, einem Wanderweg, der Julita gård mit der Kirche von Julita verbindet und unterwegs noch ein paar andere Informationstafeln aufweist, unter anderem beim hübschen, verlassenen Weiler Gryt mit seinen malerischen Holzhäuschen inmitten üppig wachsender Blumen.


Gryt – langsam wieder überwuchert

Die Kirche ist überraschenderweise offen, und ich kann in aller Ruhe die interessanten Deckenfresken aus dem 17. Jahrhundert betrachten.


Die klugen und die törichten Jungfrauen: Deckengemälde in der Kirche von Julita

Der kurze Abstecher nach Gimmersta, um einen Blick auf den dortigen Gutshof zu werfen, lohnt sich eigentlich nicht. Und damit ich nicht übermütig werde, sind inzwischen sogar wieder ein paar Wolken aufgezogen, aus denen es doch tatsächlich zu regnen beginnt.
Der Regen hört aber bald wieder auf, und ich steige zur Fornborg auf einem Hügel bei Äs hinauf. Nett liegen die Mauerreste im Wald, unten sieht man einen hübschen Gutshof.


Am Wege nach Flodafors

Mein nächstes Ziel ist Flodafors, wo ich die Kirche besuche, während draußen ein neuerlicher Schauer niedergeht. Diese ist untypisch: der alte Bau mit schönen Wandmalereien von Albertus Pictor ist als Seitenschiff der großen, neugotischen Kirche bewahrt, daran anschließend gibt es auch noch einen barocken Grabchor.


Malereien des Albertus Pictor in der Kirche zu Floda: die Heilige Dreifaltigkeit …


… Kain und Abel …


… Christi Himmelfahrt

Ich will nicht zu spät in Flen sein, weil ich dort wieder einmal eine Couch habe, und radle bald hübsch am Nordufer des Valdemaren entlang.


Am Valdemaren

Einen kurzen Blick werfe ich auf Schloß Stenhammar, dann treffe ich mich mit meiner Gastgeberin in Flen. Wir verbringen einen netten Abend, machen auch einen Spaziergang zu einem weiteren See.


22. Juni 2009
Flen – Öja – Hålbonäs – Varbro – Årby – Vadsbro kyrka – Katrineborg – Vadsbro – Blacksta – Ekenäs – Ålspånga – Bettna – Valsta – Vrena – Länninge – Mjälnäs – Stigtomta – Tista – Bärbo – Näs – Bärbo –
74 km


In der Früh nehme ich es sehr gemütlich, plaudere noch ausführlich mit meinen Gastgebern. Die ganze Familie ist sehr sympathisch.
Sehr schön ist dann auch die Kirche. Hier gibt es etliches zu sehen, vor allem die schönen Malereien.


Lustige Gewölbe, sogenannte gubbvalv in der Kirche zu Flen


Die Kanzel

Die Kirche nimmt aber auch an einem Programm namens „Vägkyrka“ teil, das heißt, sie ist offen, und ehrenamtliche Helferinnen kümmern sich um die Besucher. Ich bekomme eine Kirchenführung und werde dann zu Tee und Kuchen eingeladen. Lange plaudere ich mit den beiden Damen. Da es der erste Tag dieses Sommerprogrammes ist und ich der erste Besucher, werde ich dann auch noch von einem Journalisten einer Lokalzeitung interviewt. Daß ich mit dem Fahrrad unterwegs bin, beeindruckt ihn offensichtlich, und ich kann ein bißchen Werbung für diese Art des Reisens machen.
Jetzt ist es schon Nachmittag, und ich werde mich etwas sputen müssen. Immerhin ist das Wetter jetzt, zum Abschied, noch einmal so prachtvoll, wie es am Anfang zur Begrüßung gewesen war. Auf der Weiterfahrt mache ich aber trotzdem noch etliche Abstecher zu kleineren Sehenswürdigkeiten: Stenhammars Skans, eine Fornborg auf einem Hügel über dem Valdemaren;


Blick über den Valdemaren

die Reste des Gutshofes Hålbonäs; die Mühle von Varbro am idyllischen Mühlensee. Leider ist die Kirche von Vadsbro geschlossen, was ärgerlich ist, weil sie laut Reiseführer recht interessant sein muß.


Am Mühlenteich in Varbro

Bei Blacksta gibt es wieder einige frühgeschichtliche Stätten, Grabhügel, Gräberfelder und Runensteine. Überraschenderweise gibt es hier auch einen Weinberg. So weit im Norden? Die Schweden scheinen auf den Klimawandel gut vorbereitet zu sein … Einige Gutshöfe erreiche ich auf kurzen Abstechern, Ekenäs, Ålspånga, Mjälnäs.
In Stigtomta verlasse ich die Haupstraße und fahre hügelauf, hügelab nach Osten. Eine herrliche Allee führt zum Gutshof von Tista. Ich fahre noch weiter bis Näs, wo ich ausnahmsweise auf Unsympathler stoße: eher rüde teilt man mir mit, daß man nicht wünsche, daß ich vom Schlößchen ungefragt ein Photo mache.


Alte Bäume und lange Schatten: Zufahrtsallee nach Tista

Es ist spät, und ich suche mir bald einen Zeltplatz. Zum Glück stören die vielen Wildschweine, die ich zuvor gesehen hatte, meine Nachtruhe nicht.


23. Juni 2009
Tista – Täckhammar – Kristineholm – Siggetorp – Ängstugan – Bönsta – Nyköping – Skavsta
24 km


Leider ist der letzte Tag meiner Schwedenreise gekommen. Ich stehe zeitig auf, radle noch kurz zum Gutshof von Täckhammar und schaue mir auf der Fahrt nach Nyköping zwei Gräberfelder an.


Abschied von Schweden: Gräberfeld bei Siggetorp

In die Stadt will ich deshalb noch einmal, weil ich noch ein paar Einkäufe erledigen will und auch Kartons für die Verpackung des Fahrrads benötige. Der Besitzer eines Sportgeschäftes, in dem ich eingekauft hatte, geht mit mir extra in ein abseits gelegenes Lager, wo ich mir schöne, große Kartons aussuchen kann.
Ohne Probleme radle ich mit diesen zum Flughafen, und auch das Verpacken geht rasch. Diesmal gibt es auch keine Beanstandungen wegen irgendwelcher hochgefährlicher Teile in meinem Gepäck, und ich besteige entspannt das Flugzeug. Über den Fensterplatz kann ich mich allerdings nicht lange freuen, denn obwohl der Himmel über Nyköping wolkenlos ist, erreichen wir überraschenderweise bald eine geschlossene Wolkendecke, und nichts wird es mit der Aussicht, auf die ich mich gefreut hatte.


Fazit: Auch wenn mein fast schon traditionelles Wetterglück auf Radreisen diesmal etwas ausgelassen hat, habe ich doch im Rückblick den Eindruck, daß es so schlimm gar nicht war. Schweden bietet auch in den weniger spektakulären Regionen wunderbare Landschaften mit viel Kultur, netten Leuten und ist ein ideales Land zum Radfahren: rücksichtsvolle Autofahrer, jede Menge verkehrsarmer Nebenstraßen, überhaupt kein Problem, schöne Zeltplätze zu finden, Sicherheit ist absolut kein Thema, die Ladenöffnungszeiten sind sehr radfahrerfreundlich, und im Sommer ist es ewig lange hell. Egal, ob gemütliche Genußtour wie in meinem Falle oder ambitionierte Streckenfahrten, hier ist alles möglich. Meine Begeisterung für Skandinavien wird mir erhalten bleiben.

K.