Pyrénées Cathares-Catalán

von: veloträumer

Pyrénées Cathares-Catalán - 27.11.11 21:46

Tour des Pyrénées Cathares-Catalán
de Narbonne à Lourdes (F/AND/E)




Gesamt: 37 Tage | 3.209 km | 58.470 Hm| 169 Pässe | 4300 Fotos (brutto)
Durchschnittswerte: 87 km/d | 12,0 km/h | 7:09 h/d | 1.580 Hm/d

Track auf GPSies (am PC nachgebaut): Pyrenees Cathares-Catalan

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Inhaltsverzeichnis

Prolog I – Tourgedanke, Geschichte, Leistung, Wetter (gleich hiernach)

Prolog II – Schlafen, Essen & Trinken, Souvenirs

Prolog III – Karten & Wege, Pech & Pannen

1. Pays du Cathare – Aude, Corbières

2. Roussillon, katal. Grenzland, Côte Vermeilles

3. Rund um den Canigou

4. Vulkanland Garrotxa, Ripolles

5. Serra del Cadí-Moixeró, Andorra

6. Vall d’Aneu, Vall d’Aran, Luchon

7. Hautes-Pyrénées

8. Exkurs Aragonien, Serra del Cadí nochmal

9. Cerdagne, Têt-Tal, Capcir

10. Aude/Ariège-Tal mit Pays de Sault, Pays d‘Olmes

11. Pays de Foix, Couserans

12. Comminges, Bigorre, Nachträge mit Gedicht


PROLOG Allgemeines und Geschichte(n)

Zusätzlich zu diesem Prolog folgen noch 12 regionale enger umrissene Teile mit jeweils einer Bildergalerie. Das soll die Reise in halbwegs überschaubaren Häppchen verdaulich machen. Die einzelnen Teile werde ich in unregelmäßigen Abständen nachschieben. Den Prolog serviere ich im Drei-Gänge-Menü. Die Etappenbeschreibungen werde ich dafür etwas geraffter darstellen und mich auf Besonderheiten konzentrieren. Im Zweifel bitte ich jetzt schon um etwas Geduld, wenn das Folgekapitel länger auf sich warten lassen sollte. Wer nur an der zweifellos opulenten Auswahl an Reisebildern interessiert ist, kann sich den episch ausladenden Prolog auch sparen und sich auf die 12 Bildergalerien ab TEIL 1 beschränken. Der Tourverlauf ist auch damit weitgehend nachvollziehbar. Es soll niemand klagen, er sei des Schlafes beraubt worden. grins Die Nur-Bilderstürmer können erst mal zurück zur Theke gehen, wenngleich auch im Prolog schon ein paar Auflockerungsbildchen untergebracht sind.




Tourgedanke und Geschichte

Die Pyrenäen bereiste ich schon insgesamt dreimal – davon zweimal in der ganzen Kammlänge des Gebirges. Es ging folglich diesmal nicht um einen raschen Durchritt, sondern um Ausschnitte, Nischen und Lücken – um ein thematisches Konzept in engeren Grenzen. Da mir bisher die Pyrénées Orientales und das Vorgebirge im Weinland Corbières sowohl von den Menschen als auch von der Landschaft her am besten Gefallen hatte, fiel die Wahl auf den östlichen, aber auch zentralen Anschlussteil der Pyrenäen. Auf der spanischen Seite habe ich u. a. die bedeutende Lücke der Serra del Cadí geschlossen, die ich zuvor nur mit dem Städtchen La Seu d’Urgell gestreift hatte.

Der Tourname „Cathares-Catalán“ erklärt sich wie folgt. Ein Grundgedanke der Tour war es, wesentliche Teile des Katharerlandes abzuradeln, das auch unter dem historischen Namen Okzitanien bekannt ist. Dazu sollten die wichtigsten Burgen gehören, von denen ich nicht alle, aber immerhin einige besucht habe. Wichtige Orte der Katharer außerhalb der Pyrenäen wie Albi (Katharer werden auch als Albigenser bezeichnet) mussten zwangsläufig außen vor bleiben. Weitere Hochburgen der Katharer – wie etwa das schöne Carcassone – lagen ebenfalls nicht auf der Route, um Überschneidungen mit alten Touren weitgehend zu vermeiden.

Die Katharer oder Katharer – neuere Forschung oder Katharer-Geschichte im Video (9 Min.) waren eine christliche Glaubensrichtung, die sich von der katholischen Kirche abwandte, um der reinen christlichen Lehre nachzueifern. Sie waren die Vordenker des Protestantismus und haben sich gegen den Papst aufgelehnt. Sie nannten sich Bonne Homme (= Gutmenschen). Während es Ihnen anfangs gelang, mit den mächtigen irdischen Herrschern zu koalieren, begünstige die Rückbesinnung auf die religiöse Askese und die Abkehr vom Schutz der weltlichen Könige letztlich die Vernichtung der Katharer. Sie wurden von der katholischen Kirche mit allen inquisitorischen und kriegerischen Mitteln verfolgt – es war eine Art Holocaust – vergessen, verdrängt – wie so häufig in den selbstherrlichen Institutionen der Religionen.



Folgerichtig zogen sie sich zum Schutz auf schwer zugängliche Burgen zurück. Das Château de Queribus wird sogar heute noch bei starken Winden für Besucher gesperrt, der Zugang gilt auch bei gutem Wetter als schwierig und Eltern mit Kindern werden zu besonderer Vorsicht aufgerufen. Radlerisch bedeutet das stets eine große Herausforderung, zumeist sind die Burgen aber allein per Rad nicht zu erreichen – ein zusätzlicher Fußmarsch ist oft nötig. Die Burgen wurden letzte Zufluchtsstätte und nur im südöstlichen Frankreich sind so zahlreiche Relikte der Katharer heute zu besichtigen. Als Symbol des endgültigen Untergangs gilt die Burg von Montségur, die 1299 erstürmt wurde. Katharer gab es überall in Europa – doch nirgendwo hatten sie einen so hohen Organisationsgrad wie in dieser französischen Ecke.

Was treibt mich als Ungläubiger um, den Spuren einer religiösen, ausgestorbenen Gruppe zu foglen? – Es ist nicht die reine Lehre – eine Lehre, die als höchstes Gut sexuelle Enthaltsamkeit bis hin zum Verzicht auf Fortpflanzung ebenso predigte wie den Verzicht auf Fleisch als Nahrungsmittel – es ist vielmehr die Faszination einer Gruppe, die sich gegen den übermächtigen Papst und gegen die Heuchelei der etablierten Kirche aufgelehnt hat. Eine Haltung, sich der schlichten Doktrin, der blinden Gefolgschaft zu verweigern. Eine Haltung zu Selbstbestimmung und Eigenständigkeit.

Es ist auch ein Irrtum, dass die Katharer sich ausschließlich in der Knechtschaft einer reinen Lehre bewegten. Vielmehr war es einem engen Kreis vorbehalten, diese idealen Ziele anzustreben. Für den Sympathisantenkreis galt eine weitreichende Toleranz und wohl gar eine große Freizügigkeit. Bemerkenswert ist auch das Maß an Gleichberechtigung, dass Frauen bei den Katharern genossen – einschließlich in der der damaligen Berufswelt. (Vieles über das Leben der Katharer ist noch nicht ausreichend erforscht, sodass teils falsche Mythen die Sachliteratur prägen.) Auf dem Wappen des Languedoc findet sich das Zeichen der Katharer wieder und es ist wohl kein Zufall, dass dieser Landstrich samt des katalanischen Roussillons heute zu den liberalsten und gleichfalls selbstbestimmtesten Regionen Frankreichs gehört.

Innerhalb der Pyrenäen liegt das Kerngebiet der Katharer in den heutigen Departments Aude und Pyrénées Orientales sowie im östlichen Ariège. Einige entlegende Täler des Couserans im westlichen Ariège waren gleichfalls späte Rückzugsgebiete, wenngleich die sichtbaren Spuren dort seltener sind. Schließlich reichen die Spuren noch weiter nach Westen in etwa bis Lourdes im Department Hautes-Pyrénées, das auch den Endpunkt meiner Reise markierte. Eine kartographische Übersicht findet ihr hier. Genau genommen wollte ich lieber einen Rundkurs fahren, und nicht so weit nach Westen, aber buchungs-bahn-technisch verblieb mir nur diese Möglichkeit. (Näheres zu den Eigenheiten der SNCF und dem Dilemma europäischer Bahnen gab und gibt es immer wieder an anderer Stelle im Forum, daher hier nichts dazu.)



Auch die spanischen Grenzregionen Katalonien (mehr) und Aragonien (weniger) waren Rückzugsgebiete der Katharer. Eine der bekanntesten Fluchtroute verläuft mitten durch die Serra del Cadí in die Cerdagne. Schutz fanden die Katharer z.B. in den Festungen von Gósol und Bagá. Die Katalanen sind bis heute ein besonders selbstbestimmtes Volk mit eigener Sprache – nicht nur in Frankreich sondern auch – und noch mehr – in Spanien. Tradition und Modernisme geben sich hier die Hand. Poesie, Musik, Kunst und Essenskultur haben von hier aus die Welt erobert (Antonio Machado, Isaac Albéniz, Pablo Casals, Tete Montoliu, Montserrat Caballé, José Carreras, Salvador Dalí, Antoni Gaudí, Aristide Maillol, Kubismus über Picasso in Cerét, Fauvismus über Matisse in Colliouré, molekulare Küche). Lebenslust, Toleranz und Freizügigkeit haben hier den höchsten Stellenwert innerhalb Spaniens. Mallorca, Ibiza, Barcelona sind typischerweise Teile Kataloniens.

Die Katalanen haben sich politisch einen gehobenen Autonomiestatus gesichert wie die Basken und – wie die Aragonier. In dieser Nachbarregion wird nicht nur im östlichen Teil gleichfalls katalanisch gesprochen, sondern Katalonien war in Zeiten der Katharer (12./13. Jh.) Teil des Königreiches Aragonien. Also alte Freunde unter sich. Auf der spanischen Seite habe ich die katalanische Sprachgrenze kaum überschritten – vermutlich nur bei der Überfahrt von Frankreich im Bielsa-Tal.

Nicht zu vergessen seien auch die Wege des jüngeren Holocaust, die ich immer wieder kreuzte. Über die Pyrenäen führten zahlreiche Fluchtwege der französischen Resistance und durch die Nazis verfolgter Juden und Intellektueller. Eine der Hauptrouten dieser „chemins de la liberté“ führt über das Massiv vom Mont Valier etwa über den Col de Py, das Vall d’Aran und den Puerto de Beret, der eine Pistenalternative zum Straßenpass Col de Bonaigua darstellt. Es ist schon beklemmend, mitten in der Bergidylle zwischen scheinbar gelangweilten Kühen an eines der größten Menschenverbrechen erinnert zu werden. Einige dieser Fluchtwege dienten aber auch in umgekehrter Richtung nahezu zur gleichen Zeit den spanischen Republikanern als rettender Anker vor dem sich etablierenden Franco-Regime in Spanien. Am Tunnel von Vielha, heute Autoschnellverbindung vom Vall d’Aran ins Vall del Noguera, von Frankreich nach Aragonien und Katalonien, klebt das Blut zahlreicher Zwangsarbeiter, die Opfer das spanischen Faschismus unter Franco wurden.

Aktuelle Zusatzanmerkung: Die Tränen zu unterdrücken, fällt an solchen Orten schon schwer genug. Ich möchte aber auch nicht noch von der Wut über dreckige Zeitgenossen erfüllt werden. Leider hat unrühmliche Aktualität meine nachsinnenden Gedanken auf und von der Reise bereits eingeholt: Es gibt auch in diesem Radreiseforum Auf-den-Kopf-Gefallene, die aus der anonymen Virtualität raus schmutzige Attacken auf einzelne Mitglieder führen. verärgert böse

Damit es auch ungebetenen Lesern klar ist, ich dulde hier keine Geschichtsverunglimpfung – keine Nivellierung von Menschenrechtsverbrechen, keine Schmutzkampagnen von Gossendeutschen gegenüber aufrichtigen Deutschen, keine Dumpfbackenpolemik gegenüber wachsamen Geistern – aus welchem Blute sie auch immer sind. Ein Radreiseforum ist zwangsläufig mit Reisen beschäftigt – und entsprechend zwangsläufig mit der Begegnung mit anderen Kulturen, mit Menschen, die an Ausgrenzung leiden oder gelitten haben. Bisher bin ich noch auf fast jeder größeren Radreise auf die Mahnmale der fatalen Folgen der Menschen- und Kriegsverbrechen im Namen vergangenen deutschen Größenwahns gestoßen – so wie auch auf dieser Reise. Jede Art von Faschismus ist geradezu ein Widerspruch zum Radreisegedanken an sich. Nazis, macht euch hier vom Acker!!




Der bekannteste chemin de la liberté ist aber der „Chemin Walter Benjamin“ im Küstengebirge zwischen Banyuls-s-Mer und Port Bou, der dem deutschen Philosophen und Schriftsteller und seiner Fluchthelferin Lisa Fittko gewidmet ist. Benjamins vielleicht wegweisendstes Werk ist eine gleichwohl heute immer noch aktuelle Abhandlung über „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ (Reclam, ISBN 978-3-15-018830-9), in dem er durch die beliebige Reproduzierbarkeit von Musik und bildender Kunst den Verlust der Aura des Kunstwerkes konstatiert, was zur Entwertung des Kunstwerkes führt. Im Gegensatz zu Adorno wertet er diesen Weg zur Massenkunst aber eher positiv. Eine gerade vor dem heutigen Hintergrund – des allseitig verfügbaren Internets, der Downloads bis hin zur Digitalisierung von Wissen und Kunst, dem Kopierwahn der Chinesen als wirtschaftliche Weltmacht – ein zu interpretierendes Theoriegebäude von hoher Aktualität.

Benjamin suchte nach einem Fluchtversuch 1940 den Freitod, weil er nach erschöpfender Wanderung über den Col de Rumpissa von den spanischen Grenzbeamten abgewiesen wurde und nächsten Tages wieder an die Franzosen ausgeliefert werden sollte – damals gleichbedeutend damit, wieder in die Hände der Gestapo zu geraten. Dieser Weg ist ein Wanderweg, vielleicht mit einem Mountainbike machbar, nicht aber mit einem gewöhnlichem Reiserad. Ich habe mich auch auf das Denkmal am Beginn des Weges unweit Banyuls beschränkt (Station 2 des Weges). Einige Meter bin ich zuvor auf einem ähnlichen chemin de la liberté abgeschritten, der über einen nahe gelegenen, aber anderen Pass führt. Kennzeichnend sind die ansteigenden Weinberge, von denen man weiter oben gute Aussicht auf das Meer hat.

Es muss für die Flüchtlinge ein beklemmender Zwiespalt gewesen sein, die Schönheit der Landschaft zu sehen und gleichzeitig den Verlust von Heimat mit ungewisser Zukunft zu beklagen. Wer nach Port Bou kommt, sollte das dortige Denkmal besuchen, das zum Meer hin begehbar ist und zwischen dem rostigen Stahl das Pfeifen des Windes sich sinnhaft zur Klage der Flüchtlinge erhebt. Ich habe diese Gelegenheit vor drei Jahren verpasst, da ich unter Zeitdruck für den Rückreisezug stand. Auf der Glasplatte am Ende steht einer von Benjamins letzten Notizen zum Begriff der Geschichte: „Schwerer ist es, das Gedächtnis der Namenlosen zu ehren als das der Berühmten. Dem Gedächtnis der Namenlosen ist die historische Konstruktion geweiht…“


Körperliche Leistung und Wetter

Abwechslungsreichtum in den Pyrenäen bedeutet automatisch eine Vielzahl von Passfahrten. Anders als in den Alpen gibt es weniger lange Täler, dafür mehr kleinteilige Folgen von Pässen und Tälern, ohne dass eine eindeutige Hauptkammroute erkennbar ist. Insbesondere im Couserans gibt es geradezu einen Pässebauch von zahlreichen parallelen Ost-West-Pass- und Tal-Routen. Ursprünglich hatte ich mal eine Tour mit allen restlichen Grenzkammpässen der Pyrenäen geplant. Das ergab aber ein zu stressiges Programm, bei dem wichtige Landschaften heraus gefallen wären. Die noch ausstehenden westlichen Grenzkammpässe müssen also noch warten.

Die Tour hatte ich eigentlich für zwei Jahre zuvor geplant. Mittlerweile habe ich aber im letzten Jahr einen Knieschaden erlitten, der – chronisch geworden – eine bleibende, wenn auch nur kleine Einschränkung bedeutet. Zudem ist meine Leistungsfähigkeit altersbedingt signifikant geringer geworden, wie die Vergleichswerte auf den heimischen Trainingsstrecken zeigen. Noch nie hatte ich so langsame Geschwindigkeitswerte. Lange Strecken machen mir immer weniger Spaß. Das alles spiegelt sich wohl auch in den Daten der Reisetour wieder. Zwar habe ich bis kurz vor dem Start versucht, den Tourplan zu entschärfen – doch blieb die Route immer noch deutlich überplant – heftige Streckenstreichung unvermeidlich. Letztlich trugen auch die Buchungsprobleme der Züge zu einer ungünstigeren Routenwahl bei.



Sowohl die Höhenmeterwerte als auch die Etappendistanzen blieben unter denen einiger vergangener Alpentouren. Trotzdem seien Nachahmer gewarnt, die Tour als Leichtmatrosenkommando zu unterschätzen. Es waren immerhin mit ca. 170 Pässen mehr als jemals zuvor – kurze Tagesetappen die logische Konsequenz. (Technische Anmerkung: Die barometrische Höhenmessung verlief nicht störungsfrei. Ich hatte Tage, wo anhand von -Kartendaten nachweislich über 300 Hm fehlten. Andere Tage waren wiederum recht präzise. So gesehen könnten auch einige Werte fehlerbehaftet sein. Ein Nachbauversuch auf GPSies lieferte insgesamt über 25000 Hm mehr. Das dürfte allerdings der freien Fantasie digitaler Rasterkarten entspringen, zumal einige Strecken nicht exakt nachgeführt werden können und das System als fehlerbehaftet bekannt ist.)

Neben dem extremen Auf-und-Ab und der verminderten Leistungsfähigkeit haben aber auch noch andere Faktoren zu niedrigen Geschwindigkeiten und geringen Tagesdistanzen geführt. Durch die vielen Nischenstrecken werden die Straßen in der Summe immer schlechter und rauer als die bekannten Passrouten. Vielfach konnte ich abwärts gar kein typisches Abfahrtstempo erreichen. Das ist ohnehin typisch für die Pyrenäen im Vergleich zu den Alpen. Nicht zuletzt denken die Organisatoren der Tour de France darüber nach, diese kleinen, rumpeligen Pyrenäenstraßen aus dem Programm zu nehmen, weil offenbar dieses Jahr dadurch einige Unfälle verursacht wurden. Auch nimmt bei Nischenrouten die Anzahl von Pässen mit starken Steigungen zu. Das erfordert überdurchschnittlich viel Zeit für die Anstiege. Schließlich habe ich auch einige Offroad-Projekte absolviert, die sich teils länger dehnten als erwartet oder auch gar nicht so geplant waren.

Ein anderer limitierender Faktor war eine bewussteres Reisen mit mehr Zeit zum Fotografieren und Besichtigen. Dabei dauerte auch manche Visite länger als ich erwarten konnte. So musste ich etwa für die Weinfassbesichtigung in Thuir 1 ½ Stunden warten, weil trotz offizieller Öffnung um 9 Uhr der Besichtigungstermin mehrfach verschoben wurde. Das Fotografieren dauerte schon deswegen länger, weil ich erstmals mit Wechselobjektiven hantierte und ich eine Reihe zeitintensiver Makroaufnahmen gemacht habe. Letztlich waren die 87 km pro Tag noch eher zuviel als zu wenig.

Ein kaum abschätzbarer Faktor in der Zeitprognose bleibt das Wetter. Pyrenäen-Wetter ist üblicherweise wechselhaft und mit nieseligen Wolkenregen muss man immerzu rechnen. Doch in einer derart dichten, ununterbrochenen Folge, wie das in den letzten 10 Tagen der Fall war, bei gleichzeitig sehr niedrigen Temperaturen, blieb der Sommer auch hier deutlich unter seinen Möglichkeiten. Konnte ich mit den Streichungen im ersten Teil der Reise weitgehend gut leben, da sie ja meinem Genuss dienten, so wurden mir die Streichungen einiger Kernstrecken in dem letzten Teil der Reise aufgrund der Witterung doch mehr als lästig. Es gab sogar Momente, in denen der Spaß am Radfahren nicht mehr aufkommen wollte. Eine Frau musste mir einmal Trost spenden als sie mich bei ziemlich ungezügelten wütenden Gesten beobachtet hatte, die sich gegen den imaginären Wettergott richteten.



Insgesamt muss ich rückblickend aber mit der Ausbeute an Sommer zufrieden sein, hatte ich doch knapp vier Wochen ausreichend gutes Wetter mit nur wenigen Einbrüchen (typischerweise mal wieder am Ruhetag). Das Sommerwetter in Deutschland war wohl schlechter. Auffällig war aber eine insgesamt recht kühle Witterung, die Hitzeschlachten auf ein Minimum reduzierte. Das ließ aber schon ahnen, dass der Sommer nicht richtig in Gang kommen würde. Dabei zogen die Luftmassen selbst für Pyrenäenverhältnisse ungewöhnlich schnell über die Berge.

Egal ob Sonne oder Regen, ein Faktor sorgte stets für eine kräftige Bremse: Der Wind. Wenn ich von Wind spreche, meine ich Gegenwind. Was anderes kenne ich ohnehin nicht. grins verärgert Die Richtung war egal – er war fast immer da, zumindest auf der französischen Seite. Letztlich war auch der Wind für das unbeständige Wetter später verantwortlich. Die Wetterfronten zogen so schnell durch, dass lokale Aufheiterungen kaum ein Chance hatten. Bereits am ersten Tag hatte ich an einfachen Pässen mit stürmischen Windböen zu kämpfen. Auf einigen Pässen wie dem Col de Portet und dem Col de Lers kann man sogar von Orkanstärke sprechen. Anderseits war es nur wenig weiter in den Mulden der anliegenden Bergseen wiederum nahezu windstill.

Eine Besonderheit der atlantischen Winde in den Pyrenäen ist, das er stets die Fühltemperatur deutlich absenkt – insbesondere in Verbindung mit wolkenfeuchter Nieselluft. Das bedeutet bei 8 °C ein Gefühl wie bei Frost. Einmal meinte ich sogar bei 16 °C lange Handschuhe zu benötigen, so irregeleitet wurde das Körpergefühl. Anderseits sorgen die Winde für einen zwar äußerst unangenehmen Nieselregen, bei dem man allerdings weiterfahren kann. Platz- und Gewitterregen gibt es hingegen wesentlich seltener als in den Alpen. Dennoch musste ich diesmal einen ganzen Morgen lang bis Mittag den Regen in Puivert aussitzen, wobei ein Museumsbesuch und andere gelittene Radreisende die Pause überbrücken halfen. Ein heftiges Gewitter zwang mich am Stadtrand von Berga zu einer ungenehmen Nacht unter einem Tankstellendach, nachdem ich aus Geiz heraus eine Hotelunterkunft verworfen hatte.

Im Gegensatz zur 2008er-Tour bekam ich aber keine Erkältung und blieb auch sonst auf der gesamten Tour gesund und ohne jegliche Art von Stürzen.

Fortsetzung folgt

von: LudgerP

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 28.11.11 16:24

Hallo Matthias,

ich freue mich schon auf deinen Bericht, besonders, da ich zur gleichen Zeit in den Pyrenäen weilte, vom 15.06.-29.06 in Ainsa - wandern. In den 14 Tagen war auf spanischer Seite das Wetter weitgehend schön und warm. Den Startpunkt für meine Radtour nach hause habe ich aufgrund des langen Bielsa Tunnels und der Baustelle darin nach Frankreich verlegt. Das war schon komisch, vor dem Tunnel so um die 25 Grad und Sonne dahinter in Frankreich 4 Grad und fürchterlicher Regen. Da habe ich voll abgememmt und den Start der Radtour nochmals verlegt und zwar auf den nächsten Tag und nach Millaut.

Ich bin auf deine Strecke gespannt, da ich auch nochmals gerne dort unten radeln würde.

Grüßle, Ludger
von: kettenraucher

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 28.11.11 17:10

Hi Veloträumer,

danke für diesen eindrucksvollen Prolog. Intensiv, informativ, anregend. Ich bin noch gar nicht neugierig auf den weiteren Verlauf der Tour, weil mir der Beginn noch ein paar Tage kreatives Kopfzerbrechen bereiten wird.
von: Juergen

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 28.11.11 19:15

Hallo Matthias,
im Namen der katholischen Kirche und des Faschismus wurden Millionen von Unschuldigen ermordet und vertrieben. Diese Wahrheit kann gar nicht oft genug beschrieben werden.
Darauf hinzuweisen scheint mir hier im Radreise Forum äußerst wichtig und notwendig, gerade in einem Reisebericht über das Lieblingsurlaubland der Deutschen.

Deine Gedanken und Empfindungen sind sicherlich auch von großem Interesse für diejenigen, die sich auf den Weg nach Santiago di Compostella machen werden.

Ich bin dir sehr dankbar, dass Du diese Themen hier so nachdrücklich aufgreifst, denn die Aufarbeitung ihrer Geschichte schien den Spaniern lange Kopfzerbrechen zu bereiten. So wurde das letzte Denkmal von Franco erst 2009 abgerissen und in 1981 gab es den letzten Versuch eines Militärputsches durch die Guardia Civil, an deren harte Ellenbogen ich mich noch sehr gut erinnere.

Ich freue mich auf deine weiteren Berichte.

Herzliche Grüsse
Jürgen
von: bep

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 28.11.11 19:43

Schon der Prolog eine herrliche Zeitreise a'la Humboldt - Heine - Scholl-Latour; könnte das Vorwort einer Dissertation sein :-)
Wir harren sabbernd der Fortsetzung.
von: iassu

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 28.11.11 19:58

Danke Matthias für die deutlichen blauen Worte. In einer Zeit der - inzwischen schon wieder abklingenden - Aufmerksamkeit und Sensibilität gegenüber der braunen Krankheit finde ich deutliche Worte besonders angebracht und die Existenz der besagten Kreaturen im Forum besonders unerträglich.
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 28.11.11 20:45

In Antwort auf: bep
Wir harren sabbernd der Fortsetzung.

Für die Leseratten kann da jetzt Abhilfe geschaffen werden. Immer noch Prolog, daher für die Bilderstürmer Zeit, ein weiteres Bier an der Theke zu zapfen. bier

Schlafen als Nomade

Das Thema Übernachtung ist bei einem Reisenden mit Zelt i.d.R. schnell abgehandelt. Das Mobilhaus sieht immer gleich aus, der Schlafkomfort auch. Das klassische Ziel sind Campingplätze – die sind sicherlich unterschiedlich, für einen Nur-Übernachter aber auch weitgehend monofunktional. Dass französische Campingplätze selten über Klopapier verfügen ist nach wie vor üblich, wenngleich man manchmal positiv überrascht wird – insbesondere wenn Niederländer die Hände in der Arbeit haben. Auch nicht neu ist, dass im Schnitt spanische Campings eher etwas teurer als französische sind. Trotzdem setzten die Rekordlatte die Franzosen in dem FKK-Camping in Maureillas-las-Illas auf 25 Euro (Einzelpreis ist allerdings identisch zum 2-Personen-Preis – mal wieder Pech als Alleinreisender gehabt). Wohl aber auch das schönste Camping-Gelände auf dieser Tour. Auf einigen Camping Municipal hingegen war ich mal wieder nicht zahlender Parasit, peinlich weil ich keine offene Rezeption aufgrund meiner An- und Abreisezeiten vorfand.

Nicht glücklich war ich über den Camping Repos de Pedraforca, inmitten der Serra del Cadí unweit Saldes gelegen. Der recht teure Platz war übermäßig voll und laut, mit allem touristischen Schnickschnack (zu meinem Vorteil auch mit Restaurant, da abseits der Orte), aber mit Stellplätzen, auf denen kein Hering ins Erdreich rein wollte. Auf jeder wilden Wiese in der Nähe hätte ich mein Zelt besser aufstellen können. Warum derart professionelle Platzbetreiber solche Stellflächen bereit halten, bleibt deren Geheimnis – es sei denn, sie haben nur noch den Autocamper mit Hammer und Riesenzelt oder mit Caravan im Auge. verärgert In jedem Fall ein klares Minus mit dem Rat an andere Radler, eine bessere Standortwahl zu treffen (evtl. Gosols, auch charmanter in Ortsnähe gelegen).



Trotz der hohen Campingplatzdichte erreichte ich oft nicht einen Platz. Das lag vor allem daran, dass ich mich meistens aus dem Takt meiner Planung herausbewegte. In den sehr ländlichen Gegenden ist dann auch nicht überall ein Camping zu finden – in Spanien noch weniger. In manchen Situationen war es mir auch wichtiger, noch etwas weiter voranzukommen als frühzeitig an einem Campingplatz Station zu machen. Die Konsequenz heißt Wildcampen – nicht wirklich ein Problem in den meisten Fällen. Ich war allerdings auch bereit in Höhlen zu schlafen, nahezu innerorts in der Picknickecke, unter dem Dach einer verfallenen Kirche in einem Bergdorf, in dem bereits mehrere mysteriöse Morde stattfanden, teuflisch oder unter einem Tankstellendach im Windsog des Gewitterregens (s.o.). Insgesamt lagen knapp die Hälfte der Übernachtungsplätze auf freier Wildbahn. Für manche die normale Reisewirklichkeit, für andere eine Gruselvorstellung.

Zeltübernachtungen bergen aber auch Gefahren, die man nicht alle vorausahnen kann. Die wohl kurioseste Geschichte meiner Radreisekarriere insgesamt ereignete sich beim Wildcampen auf der Passhöhe des Coll de Fadeilla (Tremp – Coll de Nargó). Bereits hier im Forum breit getreten, erdreistete sich ein katalanisches Tier – allen fundierten Hinweisen zufolge namentlich ein Fuchs – Dreiviertel meines Schuhwerkes unter der Apsis des Zeltes zu rauben. entsetzt böse Wahrscheinlich verhinderte nur mein nächtlicher Harndrang Schlimmeres. Im Morgenlicht konnte ich meinen zweiten Radschuh in gewisser Entfernung zum Zelt glücklicherweise wiederfinden – die Sandalen blieben indes verschollen. Nach fuchswissenschaftlichen Erkenntnissen liebt dieser Leder- und Schweißgeruch – der Radschuh war aber ohne Leder und hatte wohl nicht ausreichend gemüffelt, schmunzel sodass Meister Reinecke ihn fallen ließ.

Ohne Folgen blieben der nächtliche Überfall des Campingplatz in Vernet-les-Bains durch eine Wildschweinhorde. Dass Essbare hatte ich noch schnell vom Rad ins Zeltinnere genommen und hoffte auf ethisch-moralische aufrichte Wildsauen, die nicht ihr eigen Fleisch und Wurst essen möchten. listig Die Exkursion der Borstentruppe war zwar lautstark, aber nur von kurzer Dauer. Aufatmen!

Festunterkünfte bezog ich nur zweimal. Einmal litt ich nach unsäglich langatmiger Passfahrt und nächtlicher Abfahrt vom Puerto de Beret ins Vall d’Aran an unterkühlten Schultern und Unwohlsein. Zwar sorgte das warme Essen eines schmackhaften Kartoffelauflaufes für Entspannung, doch sehnte ich mich gegen Mitternacht nach einer schlichten Bettfalle ohne Arbeit. Die Umgebung war wegen Steillagen und dichter Bebauung zum Wildzelten auch recht schwierig. So fand ich mit Unterstützung der Dame des Restaurants in Salardú einen Platz im C.E.C. – Centres Excursiones Catalunya – eine Art Wanderheim im Jugendherbergsstil. Die 15 Euro waren mehr als günstig, wenngleich das angekündigte Frühstück lediglich aus einer schlichten Tasse Milchkaffee bestand. Das war auch ein Glücksfall, denn das Vall d’Aran ist touristisch recht begehrt und für teure Unterkünfte bekannt.



Die andere Festunterkunft war ein Übernachtungsangebot von Forumsmitglied Rainer alias Axurit, der seinen gerade beginnenden Lebensabend in einem eigenen Häuschen in Corneilla-s-Rivière (Nähe Perpignan) einzurichten beginnt, nachdem er dem Ulmer Donauufer zugunsten des Südens den Rücken gekehrt hat. Die Absprache funktionierte ausgezeichnet, wenngleich ich zum pünktlichen Erreichen meine Etappe kürzen und umbauen musste. (Genau genommen lag das mehr an den beiden Vortagen, die von Wind und ein paar weiteren ungünstigen Umständen geradezu torpediert wurden.) Rainer sorgte zwischen Umzugs- und Renovierungsgewirr für einen gelungenen Grillabend im mediterranen Balkonklima. Corneilla ist ein hübsches Örtchen, das zum Radeln eine ideale Lage hat. Man kann in der Ebene zwischen Schilf, natürlichen Lehmwänden, Platanenalleen und Obstplantagen herumdöseln, Hügelfahrten mit südlichem Flair unternehmen oder sich auch nahebei auf anspruchsvolle Gebirgstouren begeben. Ländliches und Großstadtnähe fließen zueinander. Obst und Wein gibt es wie im Schlaraffenland.

Rainer würde sich übrigens freuen, wenn weitere Forumsmitglieder bei ihm mal vorbeischauen würden. An dieser Stelle: HERZLICHEN DANK, Rainer, für Kost und Logis! bravo


Essen und Trinken

Grundlegendes über Essen in Frankreich oder Spanien zu erzählen hieße Eulen nach Athen tragen. Ich beschränke mich als auf Auffälliges und Veränderungen gegenüber Vorjahren. Das Auffälligste beim Essen ist natürlich, wenn man nichts zu essen bekommt. Das war diesmal wieder in verschiedenen ländlichen Teilen recht häufig kritisch.



Durch das Corbière irrte ich einen ganzen Tag lang, ohne einen Bäcker zu finden. Für Frankreich schon sehr ungewöhnlich. Und nur zwei Bistros lagen auf dieser Strecke, eines war in der Frühe noch nicht auf, das andere nutzte ich Mittags im Dörfchen am Fuße der Burg Termes, die ich anschließend besichtigte. Das kleine Gericht mit Ökoprodukten war durchaus schmackhaft, aber auch nicht ausreichend energiereich. Zum Glück konnte ich auf Vorräte vom Markteinkauf am Vortag in Port-la-Nouvelle zurückgreifen, was insbesondere auch das Abendmahl rettete, wenngleich Wurst, Käse und Oliven ohne Brot und Wein ein lückenhaftes Geschmackserlebnis liefern. Schon am Vorabend, dem ersten Reisetag, ergatterte ich nur ein Sandwich mit einer Karaffe Wein, weil das einzig verfügbare Restaurant gerade mit einer Feiergesellschaft überfordert war. Und noch ein Abend mehr: Auch das Abendessen bei der Zuganreise war natürlich ein Kaltessen mit selbst gemachten Brötchen. Insgesamt musste ich doch sehr häufig auf Selbstversorgung zurückgreifen, was zwar die erwarteten Kosten der Reise senkte, aber den Genuss auch etwas trübte.

Ein ziemliches Desaster war auch der Versuch auf der Etappe über den Collade des Roques Blanches an Brot oder anderes Verwertbare zu kommen. Nachdem ich sträflicherweise Vernet-les-Bains frühzeitig ohne Suche nach vielleicht geöffnetem Bäcker verließ, gab es dergleichen nichts Geöffnetes im laut Karte großen Besiedlungsfleck Casteil – letztlich nur noch ein ruhiges Bergdorf. Dass auf der folgenden Route kaum noch Verpflegung zu erhalten war bis zum Abend in Prats-de-Mollo, war zu befürchten. Doch gipfelte meine Bemühung um etwas Nahrung darin, dass in einem Dorfbistro in Py die Wirtin auch noch einen kleinen Laden führte. So das Glück kurz vor Augen, verlangte sie für eine Tüte Trockenpflaumen und eine Packung lätschiges Industrieschnittbrot stolze 8 Euro. entsetzt Wir sind uns etwas in die Haare geraten, zum Glück beherrsche ich die französische Sprache nicht. Dass die Frau im Bergdorf anders kalkulieren muss, mag stimmen, dem steht aber auch eine Wuchergrenze gegenüber. Wenn aber der Berg so steil ist wie der Col de Mantet und eine ungewiss lang dauernde Schotterfahrt durch Niemandsland ansteht, muss der schweißüberströmte Radler auch dieses Angebot wohlwollend akzeptieren. Das Brot hielt erstaunlich lange ohne trocken zu werden, derweil ich stets frisches Brot an den Folgetage zukaufte. Es war so eine Art Notration und ich nannte es fortan das „Luxusbrot“. Die Trockenpflaumen hätte ich mir sparen können, denn die kaute ich erst Wochen später.

Wenn wir bei den Preisen sind: Ich hatte den Eindruck, dass Obst und Gemüse in Frankreich relativ billiger im Vergleich zu dem in Deutschland geworden ist. Das mag damit zusammen hängen, dass Obst und Gemüse nebst Brot, Molkereiprodukten in den letzen 1-2 Jahren sich in Deutschland doch stark verteuert hat. Discounterpreise einmal ausgeklammert. Süße Sachen sind in Frankreich standardmäßig sehr teuer geblieben oder gar noch teurer geworden.

Die üblichen Käse-Schmankerl und Wurstsorten könnt ihr den Bildergalerien entnehmen. Natürlich habe ich bei der Auswahl an herben Ziegenkäse immerzu kräftig zugeschlagen. Auf dem Mittelaltermarkt in St-Bertrand-de-Comminges gab es sogar korsische Käse- und Wurstspezialitäten. Hervorheben möchte den Käse „Le Rogallais“ direkt vom Produzenten Julien Coumes im schönen Städtchen Seix im Couserans, den dieser mit einem stilisierten Selbstporträt auf dem Etikett vermarktet. Herausragende Wurstspezialitäten fand ich auch auf dem Markt von Besalú (Garrotxa). Besondere Wurst, Käse, Honige und Backwaren gibt es in Castellar de N’Hug (Serra del Cadí-Moixeró) – darunter die vielleicht größten Croissants der Welt. Die Spezialitäten sind in dem auch sonst pittoresken Örtchen mittlerweile zur dominierenden Touristenattraktion geworden.



Zu den variantenreichen Köstlichkeiten zählen auch die Honige, von denen ich einige in Frankreich direkt von Produzenten erworben habe. Sündhaft teure Trockenfrüchte habe ich mir in Font-Romeu aus einem ziemlich tuntenhaften Laden gegönnt. Schokoladen habe ich diesmal weitgehend gemieden, dafür immer wieder bei Kuchenartigem zugegriffen. Besondere Vollkornprodukte (Kekse, Brot) gab es direkt bei der Mühle in Cucugnan (Corbière) – ein liebliches Kleinod zwischen zwei Katharerburgen. Im Fenouillèdes fast überall erhältlich sind die schmackhaften Mandelkekse aus St-Paul, die mir auch noch aus meiner 2004er-Tour in genüsslicher Erinnerung waren. Eine optisch wie geschmacklich besonders hervorstechende Leckerei ist der Gâteau de la broche, dem in Arreau sogar ein Fest gewidmet ist, das allerdings über zwei Wochen nach meiner Durchreise stattfand. Erwähnenswert sind auch die Produkte der Konditorei Salvat in Sant Joan de les Abadesses, die auch feine Weine vertreibt und bereits seit 1910 existiert.

Wie immer ist bei späten Etappenankünften keine große Auswahl von Restaurants mehr möglich. Oft musste ich mich damit zufrieden geben, überhaupt etwas zu essen zu bekommen. Dabei muss der Notanker nicht immer das schlechteste Mahl bedeuten. La Bastide-de-Serou erreichte ich bereits in der Dunkelheit gegen Dreiviertel Zehn, nachdem ich vergeblich in kleineren Orten zuvor ein Restaurant gesucht hatte (auf ca. 40 km nichts). In der einzig geöffneten Brasserie mit Essgelegenheit wollte man mir nichts mehr servieren. Da habe ich sie bei der Ehre gepackt – so etwas wäre in Deutschland nicht möglich (!) (haha, natürlich gibts das auch bei uns auf dem Lande!). Dann haben sie sich einen Ruck gegeben und schnell noch ein Menü gezaubert, das zu den besseren und zugleich preisgünstigen der Reise gehörte.

Hervorzuheben sind zudem die kulinarischen Leistungen in Frankreich im Camp naturiste „La Clapère“ in Maureillas-las-Illas (wenngleich ich am ersten Abend wegen kollektiven Grillabends nichts mehr bekam) – auch ein schönes, künstlerisch-erotisches Ambiente (Bilder, Instrumente), in Arreau, in St-Girons, in Mont-Louis, in Antichan und kurioserweise in Lourdes, wo ich bereits einmal schlechte Erfahrungen gesammelt hatte. Das Restaurant im alten Plüschstil unmittelbar in Bahnhofsnähe wirkt etwas abgehoben und mit einem stocksteifen Kellner geradezu steril. Trotzdem war das Essen nicht nur ausgesprochen gut sondern auch noch günstig. Ich vermute, dass in Lourdes bereits durch die Überfülle ein ziemlich starker Preisdruck existiert, zumal viele Pilger sich auf Fast Food stürzen – u.a. ist auch McDonalds vor Ort. Eine interessante, durchaus schmackhafte Note lieferte auch das afghanische Restaurant in Puivert.

Eher unerfreuliche Geschmackserlebnisse gab es auch. In Vernet-les-Bains verfehlte ein Franzose mit italienischer Küche das richtige Timing für die Pasta wie auch die Rezeptur für eine Sauce Bolognese. In St-Beat – immerhin mit zwei Campingplätzen, einem Bildhauerwettbewerb und einer touristisch angepriesen Burg aufwartend – gab es schlicht nur eine Brasserie mit Minimalkarte. Zur faden Ente waren auch noch die Pommes Frites ausgegangen – alles ohne Beilage, da musste ich schon aus Gründen der Energiezufuhr ein Omelett als Nachschlag bestellen. In Osseja gab es ein ähnliches Essen, Entenbrust – zwar mit Pommes Frites, aber so lieblos und langweilig zubereitet, dass es für den Preis schon eine Frechheit war (Pizzeria/Restaurant am Ortsrand Richtung See, es gibt aber Alternativen). In Aulus-les-Bains war der Wirt zwar sehr freundlich, die wohl aber schon mehrfach aufgewärmten Pommes Frites allerdings ein Sakrileg für eine Essnation wie Frankreich.



Die spanisch-katalanische Küche genießt zwar gemeinhin Weltruf, doch bezieht sich das auf ausgewählte Köche und Restaurants. Ähnlich wie in Deutschland bleibt die ordinäre Landküche hinter der Spitzenküche oft deutlich zurück. Wirklich schlecht ist aber auch nichts. Zu den lokalen Spezialitäten der Vulkangegend Garrotxa gehört eine Art Auflauf mit Pilzen, Kartoffeln, Wurst und Käse – optisch kein Blickfang, aber sehr schmackhaft. Ebenso gab es in Olot (1.Abend) eine leckere Sauce zum Fleisch. Es gelang mir aber nicht, dem angeblich Englisch sprechenden Kellner meinen Wunsch nach Kartoffelbeilage klar zu machen. Dieses für Spanien typische Nur-Fleisch-mit-Brot-essen entspricht weder meine Geschmacksnerven, noch werden dadurch die Energiereserven ausreichend aufgestockt. Zu den leckeren Auflaufgerichten gehörte auch der Nach-Küchenschluss-Service in einem urigen Lokal in Salardú (Vall d’Aran), wo ich die aufopfernde Hilfestellung der auch hübschen Wirtin hier besonders hervorheben möchte (s.o.). Schließlich sei noch erwähnt, dass es oft ein menu del dia gibt, das im Vergleich zur freien Kartenauswahl wesentlich günstiger ist und gleichwohl meistens schon eine Flasche Hauswein beinhaltet (so auch das ordentliche Essen in Plan).


Besichtungen, Exkursionen und Reisemitbringsel

Die einzelnen Sehenswürdigkeiten, die ich in Teilen auch per Eintritt besichtigt habe, entnehmt ihr bitte der jeweiligen Etappenblöcken. Allgemein sei aber darauf verwiesen, dass es für die Attraktionen Besichtungspässe gibt, die sich auch überschneiden können. Man bekommt sie gegen kleines Geld und erhält dann an den nächsten Besichtungsorten Ermäßigung. Das lohnt sich meist schon bei 2-3 Besichtigungen. Ich erhielt sogar einen katalanischen Kulturpass gratis beim Besuch der Cave Byrrh in Thuir. Ob es sich dabei um eine regelmäßige Leistung handelte oder eine besondere Zugabe des Tages (für langes Warten?), kann ich nicht sagen. Ein anderer Kulturpass, der mir im Museum von Puivert angeboten wurde, hätte alle Katharerstätten abgedeckt, dafür aber wieder nicht andere Sehenswürdigkeiten z.B. im Roussillon. Da mir bei den ersten Besichtigungen kein solcher Pass angeboten wurde, solltet ihr gleich zu Anfang nachfragen – vielleicht auch bei einer Touristinfo beim Tourstart. Die Eintrittsgelder sind auch ohne Ermäßigung alle recht zivil. So kostet das von mir leider ausgelassene, aber bedeutende Musée d’art moderne in Ceret 5,50 € (ermäßigt 5,- €) Eintritt. In Frankfurt oder Basel zahlt man gut das Doppelte im gleichen Genre.



Zweifellos zu den Höhepunkten gehörten die Begegnungen mit dem Mitteralter. Zum einen kam ich zufällig in Genuss des Mittelalterfestes in St-Bertrand-de-Comminges mit einigen hochwertigen Performances mittelalterlicher und orientalischer Musik- und Tanzdarbietungen. Zum anderen schweifte ich - auch ein wenig zufällig, eine Zwangsregenpause nutzend - durch die Räume des Troubadour-Museums in Puivert. Ein glanzvolle Darstellung in Ton, Text und mit historischen Instrumentenexponaten; ergänzend auch Geschichtskunde zu den Katharern mit der oberhalb des Ortes liegenden Burg. - Eine unbedingte Empfehlung für alle, die dort in der Nähe unterwegs sein sollten.

Als Ausländer bekommt man in den meisten Fällen Unterlagen in deutscher – soweit vorhanden – oder englischer Sprache. Audioguides sind manchmal im Preis inbegriffen, andernorts kosten sie extra. Steigt man schwere Stiege hinauf, den Ortlieb-Lenkertaschenwürfel in der einen Hand, die Kamera schussbereit in der anderen und muss auch noch Objektive öfters wechseln, hat man nicht unbedingt Lust, diese Audioguides auch noch dauernd ans Ohr zu klemmen. Je nachdem eine Kompromissentscheidung für oder gegen mehr Hintergrundinfo. Sofern ich hier in den Etappendaten „B:“ (= Besichtigung, Exkursion) 0,- € angegeben habe, bedeutet das, dass kein Eintritt zu zahlen ist, aber eine wesentliche Abweichung vom Radkurs bzw. ein längeres Absitzen und explizites Laufen nötig sind.



Unter meinen nicht essbaren – wie immer zahlreichen, kleinen Reisemitbringseln – möchte ich drei Teile aufgrund ihrer besonders ansprechenden Kunstartigkeit vorstellen. Von Barcino – eine schon eher internationale Design-Manufaktur in Barcelona, die farbenprächtige Miniaturen im Stile Antoni Gaudís herstellt – habe ich in einem Laden in Besalú ein besonders prächtiges Schmetterlingsexemplar erworben.

Ein ungewöhnliche Technik verwendet eine Dame mit selbstgemachten Geschenkartikeln aus dem bereits erwähnten Örtchen Seix im Couserans. Sie modelliert u.a. Figuren, die aus echten Pflanzenblättern bestehen und durch Glanztinkturen haltbar gemacht wurden. Mein mitgebrachtes Exemplar stellt eine gewissermaßen barocke Hexendame dar.



Wie schon die beiden anderen Mitbringsel ist auch die Postkarte ein Unikat, die mit der Quilling-Technik gearbeitet wurde. Sie stammt aus einem schlichten Souvenirshop an der Col-d’Aspin-Straße bei Espiadet. Quilling ist eine filigrane Papierfaltkunst, bei der dünne Papierstreifen mit einer Nadel so gerollt werden, dass am Ende ein Bild entsteht. Die Anfänge dieser Technik stammen aus dem Europa des 13. bis 15. Jahrhunderts, als Nonnen in religiöse Artefakte mit Papierstreifen dekorierten. Dazu behalfen sie sich der Schreibfeder (= quill, engl.). Selbst unter professionellen Bedingungen ist es nicht möglich, zwei identische Bilder herzustellen. Da sich meist Frauen mit dieser Kunstfertigkeit beschäftigen, dominieren Blumen- und Blättermotive, doch gibt es auch komplexere Bilder. Verschickt habe ich ein Motiv mit Gämse, die von mir mitgebrachte Karte stellt den Gelben Enzian dar – vielleicht meine Lieblingsblume in den Bergen, weil sie verstärkt erst ab einer bestimmten Höhe auftritt und bis 2500 m hoch wächst – also meine Bergziegenreviere ankündigt und blühend begleitet. schmunzel

Fortsetzung folgt
von: kettenraucher

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 29.11.11 16:07

Zitat:
Humboldt, Heine und Co.


Das sind so viele nobelpreisverdächtige Superlative, dass man schon Ironie befürchten muss.
von: kettenraucher

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 29.11.11 16:19

Zitat:
Danke Matthias für die deutlichen blauen Worte.


Brauner Dreck, der das Forum verschmutzt, wird doch hoffentlich von den Moderatoren gelöscht?
von: Falk

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 29.11.11 18:56

Zitat:
Es gelang mir aber nicht, dem angeblich Englisch sprechenden Kellner meinen Wunsch nach Kartoffelbeilage klar zu machen.

Englisch mit einem spanischen Kellner? Das funktioniert nur an der Costa del Sol oder in Palmanova. Dass der Begriff für die Kartoffeln in Festland-catellano und englisch fast derselbe ist, muss nichts bedeuten.
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 29.11.11 22:41

Nun auch noch der letzte Teil des textlastigen Prologs. Für die nächste Tranche brauche ich dann allerdings wieder etwas Luft. Also bitte Geduld.

Karten, Straßen, Verkehr und Offroadprojekte

Soweit Frankreich und Andorra betreffend, habe ich die Michelin-Straßenkarten 1:150.000 verwendet, bei der Planung auch noch die alten 1:200.000 (wegen der Campings). Soweit nicht auf den französischen Karten bereits mitaufgeführt, musste ich für den spanischen Teil auf die Michelin-Karte Aragón/Catalunya im Maßstab 1:400.000 zurückgreifen. Darin habe ich einige Strecke und Punkte eingetragen, die ich zuvor im Internet recherchiert hatte und in dieser Karte entweder gar nicht oder unzureichend markiert sind. Tatsächlich lassen sich noch offene Wegfragen auch gut vor Ort lösen, da es entsprechend gute Regionaltafeln gibt. Für die die Regionen Andorra/Cadí und Canigou habe ich ergänzend IGN-Karten im Maßstab 1:50.000 verwendet, die aber nicht unbedingt nötig gewesen wären. Etwas Orientierungs-Sicherheit im Gebirge kann aber nie schaden.

Insbesondere in Spanien gibt es mittlerweile Straßen, die in den Straßenkarten noch nicht berücksichtigt sind. So existiert etwa in der westlichen Garrotxa-Region zwischen Joanetes (Olot) und Torelló (Vic) eine neue Schnellstraße, die u.a. per Tunnels den Coll de Bracon umgeht. Für Radfahrer ist das uninteressant, man ist aber verwundert über die Quasi-Autobahn, die eben nicht auf der Karte mitten in einer an sich entlegenen Region zu sehen ist. Offenbar entlastet diese Strecke auch den Verkehr zwischen Olot und Ripoll im Norden und sorgt für eine weitere Schnellanbindung der Pyrenäen an Barcelona.

Da ich eine Nischentour geplant habe, lagen auch die meisten Straßen abseits der Hauptwege. Selbst von mir vermutete Hauptwege waren häufig verkehrsarm wie z.B. die Route von Coll de Nargo nach Berga oder von Mont Louis nach Olette im oberen Têt-Tal. Es gab viele Strecken, auf denen über Stunden nicht viel mehr als 10 Autos vorbeikamen. Die oft entlegenen und schwach frequentierten Strecken haben mich auch häufiger ermutigt Pässe in Teilen oder auch komplett nackt abzuradeln. Das ist bei einer windigen Brise oder auf Abfahrten bei heißen Temperaturen einfach ein herrliches Gefühl.



Die vielleicht nervigsten Verkehrsachsen lagen in Andorra. Von La Seu d’Urgell schließt man die Augen und lässt die Pedalen möglichst schnell rotieren. Gegenüber meiner früheren Erfahrung gab es in La Vella weniger Staus (vielleicht lag es auch nur am Samstagabend nach Hauptladenschluss). Die steile Ausfahrt nach La Massana bei Dunkelheit ist dann schon eine kleine Mutprobe. Immerhin gab es bei den letzten Häusern dafür noch Applaus vom Straßenrand. Die Fahrt zwischen Encamp und Canillo war wohl wegen Sonntag eher schwächer frequentiert. Hier (Route zum Port d’Envalira) hat man neue Schilder mit Hinweis auf Reiseradler für die Autofahrer aufgestellt. Alle anderen Binnenrouten waren wiederum verkehrsarm, wenngleich nicht ganz ruhig. Auch sind mittlerweile die aus Frankreich und Spanien bekannten Steigungsschildchen für Radler überall zu finden – ergänzt mit Nummern von Radrouten, die man im Lande fahren. Diese Streckenvorschläge dürfte es bei den Touristinfos geben.

Mit Gegenwind und viel Verkehr war die Strecke zwischen Maury und Estagel ein wenig nervig. Die Einfahrt nach Ceret war ziemlich umkämpft, auch in Lourdes muss man schon mal für Straßenquerungen etwas warten. Die größte Verkehrstraube gab es auf der Strecke zum bzw. am Col de Perthus – seines Zeichens die niedrigste Pyrenäenquerung. Riesiger Grenzrummel, ein wenig Andorra-Gefühl. In der Cerdagne ist der Verkehr schon wegen der vielen Verkehrsachsen recht dicht, Puigcerda ist eine umtriebige Einkaufs- und Flanierstadt, Font-Romeu nicht nur ein Wintersportort sondern auch eine internationale Sommerdestination (viele Amerikaner) für Wanderer, MTBer usw. (hohe Leihrad-Dichte) – absoluter Rummelort mit viel Kitsch.

Auf der Strecke zwischen Col du Portel (Quillan) und Puivert begegneten mir zwei Tour-de-France-Werbeautos – der Haupttransfer war aber schon abgeschlossen. Ohne es geplant zu haben, war ich auf einigen TdF-Strecken kurz danach unterwegs (im Couserans) – noch frische, große Fanbekundungen auf dem Asphalt, aber schon wieder in Ruhe getaucht. Es gab noch ein paar weitere erwartungsgemäß besser frequentierte Teilstrecken, die aber keinerlei Unannehmlichkeiten mit sich brachten. Verglichen mit dem ländlichen Bergverkehr in Deutschland waren es paradiesische Zustände. Raserei und Überholinfernale – Fehlanzeige.

Die Qualität der Fahrbahnen war insgesamt gesehen dürftig. Gerade viele der Nebenrouten auch abseits klassischer TdF-Pässe verfügen nur über sehr rauen Asphalt. Typisch sind auch schmale Straßen mit engen nicht einsehbaren Kurven. Entweder angeschrieben oder auch ohne Schilder fahren Autos maximal 30 km/h oder gar weniger. Typisches Abfahrtstempo oft nicht umsetzbar.



Die besten Straßen haben die Spanier – die Katalanen voran. Das ist ja auch von den Diskussionen um die Verschuldung der Iberer (Portugiesen eingeschlossen) bekannt – tolle Infrastruktur, aber ohne Rücksicht auf Kassenlage. Die raue Grenzstraße über den Coll de Manrelles – von Frankreich aus Las Illas teils unasphaltiert im oberen Teil, mündet auf der Passhöhe auf eine aalglatte, autobahnähnliche Straße, auf der man geradezu paradiesisch heruntergleiten kann. (Im Bild: perfekte Straße durch die kaum besiedelte Sierra del Cadí) Ähnlich habe ich den Übergang bei Coustouges in Erinnerung. Dabei ist die Besiedlung auf der spanischen Seite wesentlich dünner als auf der französischen. Aufgefallen ist mir auch die hervorragende Ausschilderung von Wanderwegen bis hin zu MTB-Pisten in Katalonien mit einem offensichtlich noch recht neuem Schildersystem.

Für die Tour hatte ich einige riskante, weil wenig gut beschriebene Offroadprojekte geplant. Ungeplant waren aber einige asphaltmäßig ausgewiesenen Strecken, die sich durch auflösenden oder gar nicht vorhandenen Asphalt zu Quasi-Offroadstrecken entwickelten. Dazu zählten der Col d’Artigascou als einsame Verbindung zwischen dem auslaufenden Vall d’Aran nach Aspet bzw. via Port d’Aspet nach St-Girons. Im oberen Passbereich schon sehr ruppig, ist die route forestière auf der Ostseite nicht zu empfehlen (auch nur dunkler Wald). Es gibt eine teils auch nicht asphaltierte, aber bessere Alternative über die Höhe direkt zum aalglatten Col de Menté.

Auch der Col de Beyrède bei Arreau führt mit den vielen Zufahrten in die Irre. Es gibt letztlich nur eine gut fahrbare Straße, die aber mit dem Schild „route barrée“ versehen war, was mich auf die alternative route forestière lenkte. Eine sehr mühsames Gewürge für Asphaltfahrer, wenngleich keine echte MTB-Strecke. Immerhin entschädigten die Flora, Schmetterlinge, Tauglitzer und überall sprießendes Wasser für die Mühen.



Zu dem vielleicht aufregendsten Offroadprojekt der Reise gehört die Querung des Canigou-Massivs im Westen über den Collade des Roques Blanches (Bild). Entgegen von anders lautenden Darstellungen im Internet ist die Nordseite leichter befahrbar als die Südseite (siehe ergänzend Etappenbeschreibung im Teil 3). Schon im Vorlauf liegt mit Col de Jou eine Pisten-Abfahrt auf dem Programm, die aber vergleichsweise einfach zu bewältigen ist. Landschaftlich stellt dieses schwierige, wenngleich machbare Projekt ein sensationelles Erlebnis dar. Es macht auch Sinn, die Fahrt anders aufzuteilen – z.B. in der auf dem Offroad-Weg liegenden Schutzhütte les Clots/Coubilet zu übernachten.

Unter Radreise-Insidern schon bekannter sind der Port de Cabús (La Massana, Andorra – Tor, Spanien, Bild unten) und der Puerto de Sahún (Plan – Castejon de Sos) als geschotterte Alternative zum südlicheren Coll de Foradada (Asphalt). Wiederum seltener beschrieben ist der Puerto de Beret als Alternative zum Port de la Bonaigua. Das dürfte weniger an der Wegbeschaffenheit liegen als an dem deutlichen Umweg zu dem gleichfalls schönen und beliebten Straßenpass. Weniger anspruchsvoll, aber einen Tipp wert ist der Collade de Beixalis als Binnenpass in Andorra mit einem Pistenanteil auf der Ostseite. Schlicht harmlos sind die Pistenanteile beim Col du Couret (bei Bagnères-de-Bigorre) und beim Grenzpass Coll de Manrella (Las Illas – Agullana).



Das vielleicht abwegigste Projekt war die Durchfahrt des Coll de Pal von Baga nach La Molina (Verbindung Serra del Cadí-Moixeró zur Cerdagne). Zwar ist der Pass im Südwesten durchgehend ordentlich asphaltiert und erreicht ein Skigebiet, doch gilt er als absolute Sackgasse. Ich habe oben Mountainbiker getroffen, die sind aber irgendwelche Höhenwege dort gefahren, von der Molina-Verbindung hatten sie auch keinen Schimmer. Skipisten und MTB-Trails führen aber nach Super Molina, die Skibasisstation oberhalb von La Molina. Das Ergebnis vorweg: Die Strecke ist zwar kurz, aber brutal steil und schotterig, unfahrbar. Geschoben geht aber. Eine enorme Abkürzung trotzdem, insbesondere wenn man schon den Coll de la Creueta gefahren ist und man keinen Transitwirt für den Tunel de Cadí findet. Wer mit MTB unterwegs ist, kann sich auch an alternativen Trails versuchen, die sind vielleicht besser fahrbar, aber für das Reiserad mit Lowridern zu eng gespurt. Landschaftlich ist der Pass aber nur bedingt interessant, die Schiebeseite gar nicht.

Nicht viel weniger übel ist die Durchfahrt vom Col de Portet zum Lac d’Oule (nahe Bielsa-Tunnel). Bereits die Auffahrt ist schlechter als erwartet, weil teils Piste, aber noch ordentlich. Steil ist die Auffahrt bereits ab Vielle Aure. Als ich meine Abendvesper an einem Brunnen in Soulan zu mir nahm, kam ein Rennradler, der mich bewunderte und schließlich ermutigte, diese Durchfahrt über den Pass zu machen. „Mit meinem Rad kein Problem“, meinte er. Selbstverständlich hat er es selber nie gemacht. Der eigentliche Wanderweg war wiederum zu eng gefurcht für das Reiserad, teils auch unfahrbar steile Rampen. Die von mir gefahrene Piste ist kürzer, gelangt direkt zur Staumauer, ist aber vermutlich steiler bergab. Das ganze war wohl mehr ausgebaute Skipiste, vielleicht fahren auch manchmal Allrad-angetriebenen Jeeps daher. Also wieder Runterschieben, ebenfalls nicht lange, bei der Staumauer gibt es ein bewirtete Hütte samt Übernachtungsmöglichkeit. Von dort gibt es eine fahrbare Piste abwärts bis zur Straße zum Lac Aumar. Insgesamt landschaftlich lohnend, archaisch wirkende Baumwelt (siehe Bild), großer Wasserfall bei der Hütte.



Nahezu gar keine Informationen hatte ich über die Fahrbarkeit der Gorges de la Frau, mit der man das Pays de Sault durchqueren kann, etwa um abkürzend vom Col de Chioula nach Montségur zu gelangen. Dieser Wanderstieg ist in der Tat MTB-zugelassen und so offiziell ausgewiesen. Ich hatte mich tags zuvor noch in Axat bei der Touristinfo rückversichert. Für ein Reiserad ist der Kernbereich aber nicht fahrbar. Mir kamen aufwärts Reiter entgegen – auch für die eine ziemlich herbe und nicht ganz ungefährliche Angelegenheit. Auch MTBer kamen hochgefahren – allerdings sind alle irgendwo abgestiegen. Selbst zum Runterschieben braucht man eine ganze Menge Bremsgummi – aber als gewollte Abkürzung durchaus so machbar, aufwärts schieben wäre mir aber zu anstrengend. Einige schlichte Wanderer (ganz ohne großes Gepäck), die mir entgegen kamen, waren im Mittelteil bereits fix und fertig. grins

Ein gescheitertes Offroadprojekt war die Verbindung zwischen Montaillu und dem Col du Teil unweit der Gorges de la Frau/Belcaire. Diese als fahrbare route forestière eingezeichnete Strecke wird zu einem Pferde- oder Trampelweg mit tiefem, morastigem Waldboden. Im Gegensatz dazu ist eine als MTB-Strecke ausgezeichnete Piste gut fahrbar in die andere Richtung vorhanden. Dieser Weg ist wiederum in der Michelin-Straßenkarte nur als Wanderweg gekennzeichnet. Ich bin dann den Col du Teil auch nicht mehr als Stichstraße von Camurac aus gefahren, denn diese gut ausgebaute Straße zu einer Skistation ist nur als schnelle Abfahrt und Nebenprodukt interessant – zumal ich mich in der windig-kalten Hochebene nicht mehr länger aufhalten wollte.


Pleiten, Pech und Pannen

Abgesehen von dem tierischen Schuheklau hatte ich noch zwei bemerkenswerte Pechmomente. Da war dieser gelangweilte, kurz vor der Siesta-Pause dahindösende Jungpolizist am östlichen Schluchteingang der Congost de Collegats unweit von La Pobla de Segur. Während die Autos im Tunnel wenig von der Schlucht sehen, existiert für Radfahrer und Fußgänger ein Weg mit unmittelbarem Schluchterlebnis. Obwohl offensichtlich auf zu schnelle Autos lauernd, nimmt der Polizist die „Verfolgung“ meinerseits auf dem Nebenweg auf. Grund: Ich trage keinen Helm.

In Spanien herrscht offiziell Helmpflicht – bis auf innerorts oder bei heißem Wetter bergauf. Es war zwar heiß genug, aber leider ging es nicht bergauf. Zudem hatte ich ja auch gar keinen Helm dabei – besser gesagt, habe ich noch nie einen verwendet. Nach ungefähr einem halben Jahrhundert Lebenszeit, verbrieften 140.000 Radkilometern seit meine Radreisekarriere (die erst im Alter von 37 Jahren begann) sowie weiteren unbekannten Tausenden von Kilometern auf Rennrädern, Mountainbikes und Alltagsrädern seit Kinderzeiten kann ich mit gewisser Erfahrung sagen, dass ich die Sinnhaftigkeit vom Helmtragen stark in Zweifel ziehe. Nur einmal im Leben hätte mir der Helm geringfügig geholfen – wobei die entscheidende Unfallursache die Radwegnutzung gewesen war. Die offensichtliche Unsicherheit mit dem Thema Helmpflicht spiegelt sich ja auch in den seltsamen Ausnahmen der spanischen Vorschrift wider. Gerade im Innerortsverkehr bestände der größte Sicherheitsnutzen des Radhelmtragens – und gerade dort ist man freigebig? Warum?

Nun, der Polizist drohte mein Rad zu konfiszieren (rechtmäßig? – bereits hier im Forum diskutiert) schockiert böse – nach einer kleinen Diskussion machte er mir zur Auflage im nächsten Ort (La Pobla) einen Helm zu kaufen – ansonsten würde er mein Rad definitiv beschlagnahmen. böse böse böse Abgesehen davon, dass der Polizist ebenso wenig wie ich etwas über einen Radladen in La Pobla wusste, eine ziemliche Frechheit. Immerhin lag auf meiner weiterführenden Strecke noch Tremp – ein doch bereits ziemlich großer Ort, wo man einen Radladen erwarten könnte. Unvorsichtigerweise gab ich dem Polizisten auch noch diese Stadt als weiteren Tourverlauf bekannt.

Nun, weder in La Pobla noch in Tremp suchte ich nach einem Radladen, weil ich ernsthaft mich nicht auf eine solch ungastliche Verpflichtung einlassen möchte. Tausende von Kilometern habe ich bereits über verschiedene Jahre gestreut und in unterschiedlichsten Regionen in Spanien hinter mir – ich bin auf Autobahnen gefahren und zahllose Polizeiautos sind an mir vorbei – sogar in Standard-Polizeikontrollen bin ich geraten (auf dieser Tour wenige Tage zuvor südlich des Bielsa-Tunnels) – und nie gab es eine Beanstandung. Nach allen Erfahrungen anderer Spanien-Reisender wie auch Einheimischer sind solcherart Vorschriften nicht allzu ernst zu nehmen. Doch jetzt soll dieser Naseweis-Sheriff – ein Velo-Spätfrancist wohl – meine Radreise einfach so im bürokratischen Wohlstandssumpf zu Tortilla-Teig einstampfen???

Da ich die vermutete Siesta-Zeit ausnutzen wollte, beeilte ich mich auf der Strecke nach Tremp bei großer Hitze, verzichtete auf ein Bad an den Ufern des Stausees, um möglichst schnell auf meine dann dem Polizisten nicht mehr bekannte östliche Nebenroute zu gelangen (er dürfte eher vermuten, dass ich berglos nach Lleida weiterfahren wollte). Doch gleich drei Polizeiautos begegneten mir auf der auch sonst selbst zur Siesta-Zeit relativ stark befahrenen Strecke nach Tremp – allerdings keines hielt an. Der La-Pobla-Sheriff hatte sich offenbar doch zur Siesta auf die faule Haut gelegt. Allerdings vermute ich, dass er sich an mir rächen wollte und in einem geheimen Bündnis mit einem Fuchs mir die Radtour vermiesen wollte. :böse grins zwinker Der Fuchs hat sich aber im letzten Moment noch von seiner humanen lach Seite gezeigt und den Polizeiauftrag nicht konsequent ausgeführt. :zufrieden:

Der zweite ernsthafte Zwischenfall war ein Felgenriss. Leider zeigen Mavic-Felgen ihren Verschleiß nur unzureichend frühzeitig an. Sobald die Felge ruckelt, sind nur noch wenige Bremskilometer möglich. DT Swiss ist da mit der Kerbenabnutzungskennzeichnung transparenter für den Laien. Beim Radcheck bzw. Neubau meines Rades (neuer Rahmen, neue Gabel, neuer Lenker) kurz vorher befanden die Radfachwerkler einschließlich velotraum-Mechaniker selber den Zustand noch für ausreichend. Offensichtlich muss das aber eher ich selbst entscheiden, weil sich die Radmonteure offenbar nicht ganz meine Tourverläufe vorstellen können. Allerdings hatte auch ich selbst die Steilheit bzw. Bremshäufigkeit für diese Tour unterschätzt. Ich bin sicherlich schon Bergtouren gleicher Dauer gefahren, wo die Felge ganz durchgehalten hätte. Abwärts war diesmal insgesamt sehr heftig.

Nun, am Col de Menté abwärts merkte ich erstmals das Ruckeln. In St-Beat musste ich die Entscheidung treffen, wohin für einen Radmechaniker. Nach Rücksprache mit der Restaurantwirt und meiner eigenen Einschätzung nach war es übereinstimmend besser, nach Bagnères-de-Luchon zu fahren als noch Montréjeau, da Bagnères an der wichtigsten Pyrenäenpassroute liegt und ein kleines Radsportbasiszentrum darstellt. Es gibt nicht nur mehrere Radverleiher, sondern auch mindestens zwei Werkstätten. Die Reparatur ist dann eiliger als erwartet, denn schon ca. 30 Kilometer nach dem ersten Schadenshinweis fängt die Felge an aufzuplatzen – obwohl ich eher aufwärts als abwärts fahre. Selbst in der Ebene darf ich nur noch vorne anbremsen.



Ich stoße am südwestlichen Ortseingang als erstes auf den Radmechaniker Miguel – ein echtes Original und offenbar die beste Wahl im Ort. Zwischen einem kaum entwirrbaren Wust an gebrauchten wie neuen Rädern und zahllosen Schrottteilen läuft der kleine, schrullige, wuselige, oft mit sich selbst sprechende Miguel herum. Schrauben und andere Teile sind auf dem Kiesgrund im Hof zu Hauf zu finden. In einem Mischmasch aus Französisch und schlechtem Englisch glaubt er mir zunächst ein platten Reifen reparieren zu müssen – den Felgenriss sieht er dann erst auf meinen dringlichen Hinweis hin. Er ist als Radmechaniker sehr begehrt und jeder Radtourist, der ein Problem hat, lernt ihn kennen – so auch eine deutsches Radlerpaar, das ich anderntags beim Abendessen in Arreau treffe. Verschiedene Bilder in einem Ordner zeugen von Miguels Vergangenheit als Radrennfahrer – aber auch mit aktuellen Rennprofis scheint er noch im Kontakt zu stehen. Er arbeitet mit kantigen Bewegungen und ich zittere um den Lack an meinem Rad. Doch hat alles Hand und Fuß, was er tut. Er schickt mich zum Bäcker für ein Schoko-Croissant, möchte mir auch eines spendieren – aber ich drehe den Spieß um, und spendiere es ihm.

Immer wieder unterbricht er seine Arbeit, wenn andere Kunden kommen – sorgt sich väterlich bis ins Detail etwa um einen jungen Kerl, der sich ein Rennrad samt Helm und veralteten Klickpedalen ausleiht – selbst die Wasserflasche füllt er ihm noch. Es gibt viel zu schmunzeln für mich, aber es dauert auch eine gehörig lange Zeit auf diese Art. Nahezu drei Stunden sind vorbei mit Ein- und Ausspeichen und neuer, aber schwererer Felge. Dazu kommt noch der Umweg, den ich gefahren bin – denn ich beschließe, meinen Kurs weiter nördlich fortzusetzen mit der geplanten Überfahrt des Col de Balés – immerhin für mich ein besonders ersehnter Pass. Schließlich beunruhigt mich Miguel auch noch mit schlechten Wetterprognosen, die tatsächlich in der zweiten Tageshälfte eintreffen. Der Tag endete schließlich in einer unbewirteten Wanderhütte mitten in den Wolken im letzen Drittel der Passauffahrt. Zu den Opfern dieser Panne gehörten die geplanten Stichfahrten zum Cascade de Madelaine und Lac d’Oô sowie eine weitere kleine Schleife bei Arreau.

Eine relativ unerklärliche, kleine Reifenpanne ereignete sich auf dem Gelände von „La Clapère“ am eigentlichen Ruhetag. Ein kleines Opfer fordert auch diese Panne, denn die Zeit ist nebst meiner Radexkursion zum Col d l’Quillat dann doch zu knapp, um auch noch das Musée de la Liège (Korkmuseum) in Maureillas zu besuchen. Da ich Korkprodukte liebe, wäre der Besuch des Museumsshops für mich sehr interessant gewesen. Das Loch im Schlauch müsste auf Materialermüdung zurückzuführen sein. Der reparierte Schlauch hielt zwar eine Weile, verlor aber alsbald immer ein wenig Luft. Das versuchte ich zunächst über ein paar Tage mit morgendlichem Aufpumpen auszugleichen, was zunächst auch ausreichte. Erst nach über drei Wochen allerdings gab der Schlauch seinen Geist ganz auf.

Fortsetzung folgt

von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 02.12.11 20:24

Auf die Gefahr hin, ein verregnetes Adventswochenende vor dem PC absitzen zu müssen, möchte ich euch nicht ganz ohen Urlaubsträume lassen. Es geht also zunächst mal sommerlich weiter. schmunzel

TEIL 1 Aufbruch ins Pays du Cathare zwischen Burgen, Weinbergen und Farnen: Das Department Aude mit dem Corbières und etwas mehr

Sa 18.6. Stuttgart 16:59 || via Regionalzüge || 19:35 Strasbourg 20:19 || via NZ Lunéa || 7:38 Narbonne - Port-la-Nouvelle - Sigean - Col de Souil (267m) - Col de Pereille (245m) - Fraissé-des-Corbières - Col de Canteloup (243m) - Cascastel-de-Corbière - Col d'Amiel (378m) - Col de la Ginestre (416m) - Palairac - Col de Ferréol (428m) - Col de Couisse (507m) - Félines Termenès - Col de la Tranchée (360m) - Villerouge-Termenes – Col de Villerouge (404m) - Talairan – Coustouge
109 km | 13,6 km/h | 8:07 h | 1.450 Hm
W: sehr windig, teils sonnig, teils bewölkt, gemäßigt warm
E (Talairan): Sandwich, Rw 10 €
Ü: C wild 0 €

So 19.6. Coustouge - Col de Rouire (304m) - Col de l'Escassié (287m) - Albas - Col du Prat (366m) - Villerouge-Termenes - Col de la Tranchée (360m) - Col de Bedos (485m) - Col de Termes (520m) - Col Caroun (472m) - Château Termes - Col de la Louviéro (599m) - Villardebelle - Col de l'Homme Mort (800m) – Auriac
84 km | 11,7 km/h | 7:05 h | 1.550 Hm
W: starke Winde, sonnig, auch heiß
B: Château Termes 4 €
E: SV
Ü: C wild 0 €

Mo 20.6. Auriac - Col de Redoulade (685m) - Soulatgé - Col de Grés (406m) - Rouffiac-des-Corbières - Col de la Croix Dessus (403m) - Château de Peyrepertuse (~800m) - Col du Triby (344m) - Grau de Maury (432m) - Château de Quéribus (Parkplatz, ~600m) - Maury - Estagel - Col de la Bataille (265m) - Col del Bou (300m) - Forca Real (507m) - Corneilla-s-Rivière
80 km | 13,6 km/h | 5:48 h | 1.410 Hm
W: sonnig, heiß, wenig Wind
B: Château Peyrepertuse 5 €
E (priv./Rainer): Salat, Kart., Grillsteak/-wurst, Rw 0 €
Ü: priv./Rainer 0 €

Die ersten drei Tage lassen sich landschaftlich recht gut zusammenfassen. Am Beginn der Radtour stand die Fahrt entlang des Canal de la Robine. Das ist eine meist unasphaltierte Piste, die recht gut fahrbar ist. Das erste Drittel könnte man auch alternativ auf der Straße fahren, die aber irgendwann nach Gruissan abzweigt. Teils hat man zu beiden Seiten Lagunen, die aber nicht immer im Blick liegen, weil durch Dämme oder Inseln abgetrennt. Auch die Bahnlinie an die Côte Vermeille fährt östlich über die niederen Uferzonen und einen Damm, der teils quasi mitten durch den Brackwassersee führt. Die Bäume hier sind vom Wind gezeichnet, haben sich in der Hauptwindrichtung zu eigenartigen Gebilden entwickelt, die jeder durchdachten Statik zu widerstreben scheinen. Durch die Salzluft des Meeres und der Salinen atmet es sich leicht, und die Luft strömt angenehm über die Haut – als würde man den Urlaub über alle Poren spüren. Wind und Wolken trüben das Erlebnis etwas und machen Fotografieren von Schmetterlingen auf wippenden Grashalmen zum Glücksspiel. Eine sehr lohnende Route, zu deren Abschluss ein Marktbesuch in Port-la-Nouvelle endgültig mir sagte: „Ich bin angekommen – Stuttgart ist weit, weit weg.“

Der zweite, beherrschende Teil der ersten Tage ist die typische Landschaft des Corbières, Weinreben auf manchmal sanft ansteigenden Hängen, zuweilen auch steil, umrankt von Kalkfelsen. Je näher am Meer, desto mehr dominieren Weinreben, weiter östlich werden die Anbauflächen kleiner, sind manchmal nur gartengroß. Neben dem AOC-geschützten Corbière steht der Fitou für die höherwertigen Weine. Einst eher ein gängiger Tafelwein, steht heute der Qualitätsaspekt im Vordergrund. Auch waschen hier Wasserläufe den Boden zu Lehmwänden aus, an denen feuchte und vogelreiche Biotope einen kühlen Kontrast bilden. Vormals entdeckte ich dort mal einen Eisvogel, doch diesmal sah ich keinen einzigen, obwohl wesentlich länger in diesem Terrain unterwegs. Andere Nutzer der Lehmwände für ihre Brut sind natürlich Schwalben und Mauersegler. Windfeste Gräser und bodennahe Blumen bestimmen die Flora, die weiter nach Osten buschiger wird, insbesondere färben Ginster viele Hänge in leuchtendes Gelb.

Der dritte Landschaftstyp beginnt östlich der Weinanbaugebiete und ist deutlich grüner bis hin zu schattig wuchernden Farnwäldern. Die Weiden auf den Passhöhen sind sattgrün und sofern es freie Blicke nach Süden gibt wie am Col de l’Homme Mort, dann reicht das Panoroma bis zum Canigou. An der Grenze zum Corbières haben sich vielfach eindrucksvolle Schluchten gebildet, die Gorges du Terminet beim Château de Termes und eine Seitenschlucht der Gorges l’Orbieu lagen auf meiner Route. Wer in der Region erstmals unterwegs ist, sollte natürlich unbedingt noch die Gorges de Galamus bei St-Paul mit einplanen. Das Department Aude ist noch weiter darüber hinaus ein hochkarätige Schluchtenregion.

Nicht zuletzt sind auch die Katharerburgen Teil dieser Landschaft. Gerade in trockeneren, östlichen Regionen ragen diese hoch auf den Felsen thronend aus der Ebene empor und mahnen an die Verfolgung und Vernichtung von Menschen, die ihrer Überzeugung treu bleiben wollten. So stand die Themensetzung der Tour auch gleich im ersten Teil auf dem Besichtigungsprogramm. Die Château Termes kann man fast bis oben hin mit dem Rad befahren (letzte Meter schieben), zahlen muss man aber bereits unten, wo auch eine Ausstellung und ein (französischsprachiges) Video zu sehen sind. Zur Burgbesichtung erhält man englischsprachige Beschreibungen über die einzelnen Burgteile und deren Funktion. Die Ruine ist insgesamt nicht sehr gut erhalten, was allerdings dem Ort auch eine gewisse Besinnlichkeit gibt, die etwa der riesigen Burganlage der Château de Peyrepertuse fehlt. Da ist es schwer vorstellbar, dass in dieser von zahllosen bunt schimmernden Schmetterlingen umflatterten Idylle sich Menschen mit Katapulten sowohl auf Seiten der Kreuzritter als auch der der Katharer sich die Köpfe einschlugen. Auch der kleine Ort Termes ist eine Idylle, wo man im einzigen Bistro sich bei ökologischen Produkten aus eigener Produktion entspannen kann.

Wie schon angesprochen, ist die Château de Peyrepertuse deutlich größer und auch besser erhalten. Man kann sich einzelne Burgräume anhand der Ruinen sehr gut in vollständigem Zustand vorstellen. Der Andrang auf die Burg ist groß, Schulklassen, Busse usw., was aber nicht wirklich ein Problem ist. Zur noch besseren Info müsste man eine zusätzlich kostenden Audioguide beim Eintritt mitverlangen, detailliertes Infomaterial in Papierform wie beim Château Termes gibt es hier nicht. Wie ein Adlerhorst steht diese Burg weit über der Ebene und der Blick geht weit hinüber nach Südwesten gleich zur nächsten Katharerburg, der Château de Quéribus. Nicht umsonst werden die Bewohner des Landes auch spitz „Sauta-Roc“ (Felsspringer) genannt.

Da man mit dem Velo aber nicht springen kann, muss man hinauffahren, was einer selbstkasteienden Tortur gleichkommt. Ist die Auffahrt nach Peyrepertuse mit ca. 3 km eine sehr lange und gleichzeitig sehr schwere, so ist der eine Kilometer zur Quéribus eine Kletterwand zur Hölle. Manches Auto traut sich hier kaum den Berg runter. Mit den Auffahrten ist es auch nicht allein getan, denn wie eingangs schon beschrieben folgen anstrengende Fußwege zwischen Zahlpforte und Burganlage. In Peyrepertuse ist das noch recht kompakt vom Parkplatz aus, Treppen laufen muss man insbesondere innerhalb der Anlage – bei Quéribus aber ist es schon eine kleine Bergwanderung. Nach dem bereits schweißtreibenden Vorprogramm und der ausstehenden Zeitachse habe ich dann auch auf die Besichtung von Quéribus verzichtet.

Nicht nur der Hitze war es geschuldet, dass ich aus der Quelle in Duilhac trank, denn – so steht es geschrieben – „Auf dass wer immer von ihr trinkt verliebt werde“. schmunzel Die Qualität des Wassers soll so gut gewesen sein, dass das Olivenöl aus Duilhac beliebter war als dass anderer Orte in der Umgebung. Heißes Wasser diente als Transport- und Trennmittel für das schonend gepresste Öl. Das so ausgewaschene Öl konnte in speziellen Becken vom Wasser abgeschöpft werden. So von edlem Wasser gestärkt, ergänzte ich meine Kraft durch Kekse aus dem Mehl aus der 2003 renovierten Mühle in Cucugnan. Ein Ortsbesuch dieses Kleinods zwischen den beiden Katharerburgen ist jedoch nicht nur wegen der Mühle empfehlenswert – es ist auch sonst ein pittoreskes Idyll mit einigen ansässigen Künstlern, in dem sich gern verweilen lässt.

In Maury nahm ich mir noch Zeit für eine Weinprobe bei einem Händler mit mehreren Sorten (zum Vergleichen besser als ein einziges Weingut zu besuchen). Die nette Dame war sprachgewandt auch in Deutsch ausgebildet und erklärte mir ausgiebig die Traubensorten und Herstellungsweisen. Doch muss ich zugeben, dass ich nicht jedes Wort verstand, denn solche schöne Weinverkäuferin sorgte in mir für unruhiges Pochen. So im Anflug eines leicht beschwingten Flirts und mit süßem Wein bewaffnet und mit einem Abstecher zu Forca Real (Kapelle, Sendemast und weite Aussicht in die Ebene von Perpignan) erreichte ich dann - ebenso schon eingangs beschrieben – Rainers Domizil bei einem mediterranen Sommerabend.

Ein interessanter Meinungsstreit zwischen Rainer und mir war die Funktion des Weines. Ist ein Maury (ähnlich süß und schwer wie der mir bereits bekannte Banyuls) nur ein Aperitif oder ist er auch als essensbegleitender Wein geeignet. Nun, solch süßer Wein, so meine These eignet sich nicht jederzeit und auch nicht für jederlei Gericht als Essenswein – aber für Ente oder süß-saure oder süß-scharfe Küche aus Asien, da passt er doch recht gut. Rainer meint allerdings – nur als Aperitif. Eigentlich liebe ich ja meistens auch herbere Weine, aber hin und wieder finde ich auch einen guten Süßen schmackhaft (da gibt es wohl ein paar Jugenderinnerungen an Opas Moselweine). Nun ja, geleert haben wir die Flasche ja trotzdem. Weinflasche leeren stand übrigens auch ganz am Anfang der Reise, denn im Nachtzug stiegen in Mulhouse zwei Schweizerinnen zu, die mit Umstieg in Narbonne weiter nach Bordeaux reisten, um dort im Mündungsgebiet der Garonne eine Flachlandradeltour zu machen. Nach dem Motto „Vin – c’est la vie de France“ haben wir uns dann zu dritt auf das Reiseland eingestimmt. Und schlafen konnte man damit auch gut. schmunzel

Zur Bildergalerie TEIL 1 (folgendes Bild anklicken):



Fortsetzung folgt
von: HelmutHB

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 03.12.11 15:59

Hallo Matthias,

danke für diesen informativen Bericht. Das ist eine Gegend, in die ich auch unbedíngt noch einmal fahren möchte. Ich habe die Pyrenäen schon mal mit dem Rennrad von Atlantiknähe bis zum Mittelmeer durchquert und habe diese Tour in sehr guter Erinnerung.
Hast du vielleicht auch eine Darstellung der gefahrenen Route?

Gruß
Helmut
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 03.12.11 16:32

In Antwort auf: helmut_g
Hast du vielleicht auch eine Darstellung der gefahrenen Route?

Eigentlich nein, dafür habe ich meine Etappen mit Zwischenorten ziemlich genau angegeben. Zudem sind einzelene Bereiche durch die regionalen Blöcke geografisch ziemlich kompakt eingegrenzt. Ich hatte es mal bei GPSies versucht, dann habe ich das nicht verstanden, wie man das speichern muss und alles war verschwunden. peinlich Ist mir zu aufwändig, das nochmal zu wiederholen. Aus "taktischen" Gründen hätte ich auch sowas nur am Ende des Berichtes eingestellt (Bilderrätsel zwinker). Es macht aber Sinn, bei eigener Planung sich das genau auf Landkarten anzuschauen, weil exakt so wird das niemand wirklich nachfahren wollen. Es ist ja nicht meine erste Tour in der Gegend und so gesehen ist es für andere evtl. besser, Teile dieser Route mit anderen Wegen zu kombinieren. Sofern du nicht über entsprechende Papierkarten verfügst, kannst du auch parallel zum Bericht vielleicht Google Maps aufklappen, wo aber nicht alle Offroad-Routen verzeichnet sind (auch nicht bei GPSies).
von: Tom72

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 03.12.11 19:10

Hallo Matthias,

toller Bericht! Ich lese schon deswegen begeistert mit, weil ich auf meiner letzten Radreise im September (Paris-Barcelona) selbst durch die Region gefahren bin. Die Strecke entlang des Canal de la Robine durch die Lagunenlandschaft vor Port-la-Nouvelle ist wirklich traumhaft, die bin ich dieses Jahr schon zum zweiten Mal gefahren. Ein Abstecher nach Gruissan lohnt übrigens auf alle Fälle. In den Corbieren bzw. im Fenouillèdes war ich wenige Kilometer westlich von Deiner Route (Ille-sûr-Têt, Caramany, St.-Paul-de-Fenouillet, und dann über Axat und entlang der Aude hoch in die Cerdagne). Die Landschaft hat mir sehr gut gefallen. Ich bin gespannt auf die Fortsetzungen und Deine weitere Route!
von: bep

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 03.12.11 23:13

Nein,
nur Begeisterung und eine Flasche Rotwein schmunzel
Und jetzt hab' ich endlich Zeit weiter zu lesen
von: Oktoberkind

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 04.12.11 17:00

Wow! Was für ein Bericht – nur den Anfang! Und welch wunderbare Bilder! „Vielleicht kommen die am Rande stehenden Kulturgüter etwas bescheiden weg …“ hattest Du voriges Jahr den Bericht über mein Bordeaux-Freiburg kommentiert. Jetzt weiß ich, was Du gemeint hast. grins

„Wir harren sabbernd der Fortsetzung!“ Dem schließe ich mich an. Und Dank auch für die deutlichen blauen Worte. Bei den Bildern kommt nach meinem Geschmack das Reiserad etwas zu kurz, von dem Velotraum hätte ich gerne mehr gesehen.

In den 80ern war ich mehrfach in den Pyrenäen, damals noch ohne Rad und seither nicht mehr. Dein Bericht macht mir Lust, es in den kommenden Jahren mit eine Reise beidseits der Grenze und nicht nur zu den großen Pässen der TdF zu versuchen.

Einen schönen Winter wünsche ich
Thomas
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 04.12.11 18:00

In Antwort auf: Oktoberkind
„Wir harren sabbernd der Fortsetzung!“ Dem schließe ich mich an.

Zum zweiten Advent dann:

TEIL 2 Riesige Weinfässer, Malerwinkel und Flüchtlingswege: Das Roussillon mit dem spanischem Grenzland rund um die Monts Albères und Côte Vermeille

Di 21.6. Corneilla-la-Rivière - Thuir - Col de Llauro (380m) - Céret - Col de Boussells (286m) - Col de Pla Boulet (640m) - Col de Llausse/de'en Llemosl (692m) - Col de la Brousse/Brossa (860m) - Coll de Mirailles (710m) - Las Illas - Coll del Figuer (704m) - Coll de Manrella (710m) - Agullana – Espolla
98 km | 14,2 km/h | 6:52 h | 1.550 Hm
W: anfangs sonnig, dann stark bewölkt, heiß, schwül
B: Cave Byrrh 2 €
E: Steak, PF, Salat, Eis, Rw 10 €
Ü: C wild 0 €

Dieser Tag ist landschaftlich ziemlich vielgestaltig, obwohl ich nicht wie geplant das Meer erreichte. Zwischen Corneilla und Thuir gibt es jede Menge Obstplantagen – vornehmlich Nektarinen und Pfirsiche. Danach folgt eine recht ruhige Hügellandschaft über den Col de Llauro. Um Céret herum tobt ein heftiger Verkehr, den man aber schnell auf den innerstädtischen Platanenplätzen hinter sich lässt. Erst recht die Fahrt nach Spanien über den Coll de Manrella (das ist der eigentliche Grenzpass) ist geradezu einsam. Die Auffahrt auf der französischen Seite enthält nur eine Zwischenabfahrt (die anderen Pässe sind nur Quer- oder Tangentialpässe) und ist insgesamt anspruchsvoll. Vielfach bietet ein Mischwald mit viel Kastanie Schatten – was aber bei der schwülwarmen Luft nicht viel Abkühlung brachte. Von Norden drohten sogar schwere Gewitterwolken, denen ich aber offenbar mit dem Weg über den Pyrenäenkamm entkam.

Während auf der französischen Seite eine enge, ruppige Straße existiert, die zum Ende hin oberhalb von Super Las Illas nur noch unasphaltierte Piste ist, beginnt exakt mit dem spanischen Territorium eine aalglatte, der Bevölkerungsdichte unangemessen breite Straße, auf der ich dann schneller als erwartet die Talsohle an der Nord-Süd-Verkehrsachse südlich von La Jonquera erreiche. Oberhalb von Las Illas gibt es auch noch einen Übergang über den Col de Lli, der aber offenbar ein reiner Wanderpass ist. Dieser wird gelegentlich mit dem Coll de Manrella verwechselt, weil er in der Michelin-Straßenkarte bezeichnet ist, der Straßenpass hingegen nicht. Über die Qualität dieses Übergangs kann ich leider nichts sagen. Vom Col de la Brousse führt laut Karte auch noch eine wohl unasphaltierte Piste hinüber wahlweise nach Macanet oder La Vajol in Spanien – auch diese Strecke habe ich nicht angetestet.

Der Anstieg zum Col de Banyuls folgt erst ab Espolla, der letzte Ort überhaupt vor der Grenze und immerhin noch mit einer Kneipe mit allerdings etwas rustikaler Küche. Wer etwas besser essen will, sollte zuvor in Sant Climent bleiben oder in Capmany, wo es auch einen Camping gibt. Zwischen der Talsohle mit der Autobahn/N 2 und Espolla gibt es ein paar leichtere Hügel, geprägt von Felswürfeln, von leicht geschwungenen Weinanbaugebieten, von mediterranen Pinien und Korkeichen, von Megalithen als Zeichen einer frühen Besiedlung und vom Blick auf das Albères-Massiv im Norden.

Zu den Städten: Thuir ist eine Stadt, die trotz ihrer Geschäftigkeit einen angenehmen Charme verströmt. Da ich für die Besichtigung der Cave Byrrh länger warten musste, kam ich unerwartet in den Genuss offener französischer Schularbeit. An diesem Tag rückten die Schulklassen aus, um in der Stadt Kostproben ihres musikalischen Könnens zu geben. Das war sehr anrührend, wie eine Musiklehrerin samt engagierter Akkordeonspielerin ein einstudiertes Chorsingen von kleinen Mädchen und Jungen mit leidenschaftlicher Profession dirigierte und damit die Kleinen in ihren Bann zog. Anfangs machten die meisten noch ein undisziplinierten, nicht ganz gewillten Eindruck, doch mit zunehmender Dauer und anwachsendem Publikum bekamen sie alle leuchtende Augen und gaben sichtlich ihr Bestes. Später sah ich eine Blockflötenklasse etwas älterer Schüler, die ich aber nicht mehr anhören konnte.

Die Cave Byrrh ist kein öffentliches Museum, sondern ein weltbekannter Hersteller von Aperitifs. Wieder eine Weinprobe? – Ja und nein, denn die Hauptattraktion liegt in einem Weinfass – dem größten (im Gebrauch befindlichen) Eichenholzfass der Welt mit über einer Million Liter Fassungsvermögen. Zwar gibt es größere Holzfässer, die sind aber nie zur Weinlagerung benutzt worden wie z. B. das in Bad Dürkheim, das als Restaurant dient. Die Führung ist zwar französischsprachig, jedoch bekommt man den Inhalt auch als deutschen Text. Neben den eindrucksvollen Fässern erfährt man auch etwas über das Herstellungsverfahren einschließlich der aufwändigen Aromatisierung des Traubensaftes. Am Schluss steht natürlich die Kostprobe der verschiedenen Produkte, verbunden mit der Hoffnung, dass die Gäste auch ein paar Flaschen kaufen. Zum Glück für den Betrieb sind nicht alle Besucher lastenscheue Radler. schmunzel Lieferungen sind aber weltweit möglich.

Es ist sicherlich bedauerlich, dass ich für die andere Stadt, für Céret, weniger Zeit aufwenden kann, um nicht ganz aus dem Takt zu geraten. Bedauerlich deswegen, weil es einer der bedeutendsten Künstlerorte der Malereigeschichte ist. Picasso arbeite hier in eine seiner wichtigsten Phasen und begründete zusammen mit anderen von hier aus den Kubismus. Obwohl ich das Museum für Moderne Kunst nicht besuche, bekomme ich doch noch einen Hauch Kunstgeschichte mit, denn an vielen Stellen in der Stadt finden sich ausführliche Tafeln zu berühmten Künstlern der Moderne. Keine Frage, dass das Künstlerische und die Muße das gesamte Flair der Stadt mit seinen zahlreichen Restaurants und Cafés prägen.

Mi 22.6. Espolla - Col de Banyuls (357m) - Banyuls-s-Mer - Col de Llagastera (255m) - Col de Cascons (387m) - Tour Madeloc (652m) - Coll de Tallferro (322m) - Coll de Mollo (231m) - Coll de la Serra (406m) - Coll d'en Calvo (162m) - Collioure - Argeles-s-Mer - St-Genis-des-Fontaines - Maureillas-las-Illas - La Clapère
79 km | 12,7 km/h | 6:03 h | 1.205 Hm
W: sonnig, drückend-heiß, abends bewölkt, kühler, etwas Regen
B: Chemin W. Benjamin 0 €
E: SV
Ü: C La Clapère (FKK) 25 €

Der Col de Banyuls ist von Südwesten leichter zu befahren als von der Meerseite. Noch vor dem offenen Passanstieg liegt ein Feuchtbiotop unterhalb der Straße, dass offenbar sehr vogelreich ist. Seltsame, aber markante „U“-Rufe vernahm ich im Ohr und wenig später konnte ich meine ersten Wiedehopfe im Leben beobachten. schmunzel Leider blieben sie selbst für mein Teleobjektiv etwas außerhalb brauchbarer Reichweite, zur Dokumentation reicht die Auflösung aber schon. Offenbar hatte sich ein Pärchen gerade sehr viel zu sagen, das um einen Hof ständig herum flog, leider mit hohen Zäunen unüberwindbar abgetrennt.

Die Meerseite des Banyuls-Passes ist ein enges, rumpeliges Sträßchen – aber um so hübscher in die eher steilen, in Mauerstufen gestaffelten Rebenhänge eingebunden. Auf dem Pass haben die Spanier Gedenk- und Infotafeln zu den vor Franco geflüchteten Republikanern aufgestellt, die allerdings bereits von neofaschistischen Knallköpfen stark verkratzt wurden. In dem Bürgerkrieg verloren insgesamt 700.000-800.000 Menschen das Leben und etwa 480.000 flüchteten ins Exil. Es gehört zu den verblüffenden Erscheinungen der Weltgeschichte, dass das faschistische Spanien hingegen Fluchtland für die von den Hitler-Faschisten Vertriebenen war – wenn auch überwiegend nur als Durchgangsland, meist auf dem Weg nach Amerika. Das lässt sich mitunter dadurch begründen, dass Franco gegenüber Hitler eine persönliche Abneigung hegte und anders als etwa der italienische Duce trotz diverser Kooperationen nicht zu einem Gefolgsmann des deutschen Rassenwahns wurde (wenngleich er davon wusste und ihn nicht bekämpft hat).

Wie schon eingangs erwähnt, folgt so z.B. das Mahnmal an den Flüchtlingsstrom der Nazi-Verfolgten und der Resistance als „Chemin Walter Benjamin“ weit unterhalb in Puig-del-Mas (nicht an der Strecke, Abzweig in den Ort notwendig und dann bereits ortsausgangs Richtung Süden, später Wanderweg über den Rumpissa-Pass). Etwas früher findet man einen weiteren chemin de liberté, der über Col del Tourn führt (anfangs Piste, später wohl nur Wanderweg).

Was die Tortur der Flüchtlinge als Fußgeher am Rumpissa-Pass bedeutet haben mag, kann der Radfahrer am besten mit der Auffahrt zum Tour Madeloc nachempfinden. Diese verkehrsarme Panoramastrecke bietet traumhafte Blick auf das Meer, windet sich weitgehend durch Weinberge, zu denen es Info-Tafeln am Straßenrand gibt. Ist die Straße als solche schon anstrengend, so ist der asphaltierte, aber für Autos gesperrte Stichstraßenabzweig zum Tour Madeloc eine Rampe, an der mehrere Teufel gleichzeitig gebaut haben müssen, wenngleich man dem Himmel deutlich näher kommt. teuflisch Oder anders ausgedrückt: Die Rampe zur Château de Quéribus ist die Trainingsstrecke für dieses Filetstück. Mancher Rennradler fährt lieber unten weiter. Mir begegnete ein deutsches, junges Ehepaar, das mich – bereits auf dem Weg nach Collioure abwärts – nach Abzweig und Straßenzustand fragte, um mit den auf dem Auto montierten Rennrädern einen kurzen Turmausflug zu starten. Sie kamen kurze Zeit später unverrichteter Dinge zurück. grins

Wie die Weite des Meeres die Gedanken auf dem Tour Madeloc beflügelt, so eindringlich froh stimmen die Perspektiven in dem Künstlerstädtchen Collioure mit einer einmaligen Meereskulisse. Man mag zur Reisezeit die Mengen an Touristen beklagen, den charmanten Reiz verliert dieser Ort trotzdem nicht – auch nicht, wenn man wie ich zum zweiten Male dahinkommt. Dieses Hafenstädtchen ist ein großes Mosaik aus lauter kleinen Blickwinkeln, ein ewiger Regenbogen aus betörenden Pastellfarben, ein verträumtes Atmen poesieschäumender Meeresluft. Es gibt nur wenige Orte, die ich spontan als Wohnort bei einer Wahl ohne Rücksicht auf Beruf und Finanzen sofort wählen würde – Collioure gehört dazu. Auch wenn nur kurz – ein Bad im Meer musste ich hier nehmen, wenn auch das einzige auf dieser Reise.

Die Vorstellung, dass hier nur Kopisten das immergleiche Motiv der Wehrkirche am pittoresken Hafen abmalen, kennt die menschliche Kreativität nicht. Schaut man sich in einigen der vielen Verkaufsgalerien um, so stößt man auf eine Schwindel erregende stilistische Vielfalt. Es gibt wohl kaum ein Bauwerk, das in so vielen Facetten künstlerisch variiert wurde wie diese Wehrkirche von Collioure – vom Eiffelturm vielleicht mal abgesehen. Der Inspiration der großen Maler kann man auf dem „Chemin de Fauvisme“ folgen, auf dem die Blickwinkel der Kunstmotive durch einen offenen Rahmen betrachtet werden können. Dazu gibt es ein Abbild der daraus entstandenen Kunstwerke. Es gibt offenbar einen solchen kostenpflichtigen Weg, dessen Eingang ich aber nicht gesehen habe. Andererseits gibt es aber auch solche frei zugänglichen Rahmen. Was wie zusammenhängt, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Vielleicht mal genauer beim nächsten Mal schauen. Die malerischen Ergebnisse der 20 Blickwinkel von Henri Matisse und André Derain findet ihr auf dem Video Chemin de Fauvisme (knapp 2 Min.).

Do 23.6. La Clapère - Maureillas-las-Illas - Col du Perthus (271m) - Fort de Bellegarde (420m) - Col de l'Quillat (936m) - St-Jean-des-Albères - Maureillas-las-Illas - La Clapère (ohne Gepäck)
55 km | 13,9 km/h | 3:50 h | 1.330 Hm
W: bewölkt, sehr kühl, auch teils sehr windig bis stürmisch
B: Fort de Bellegarde (außen) 0 €
AE (La Clapère): Salat Ziegenkäse/Schinken, Gambas flamb., Eis, Rw 27 €
Ü: C La Clapère (FKK) 25 €

Was am Vortag innerhalb der Etappe liegen sollte, holte ich an diesem vermeintlichen Ruhetag nach. Die trübe, kühle Witterung war ein herber Kontrast zum Vortag, kündigte sich aber bereits am Abend vorher an. Und der Folgetag war dann auch wieder einen Sonnentag, sodass ein solcher ganzer Tag in nackter Lebensweise so ziemlich daneben ging.

Nach dem noch etwas aufgeheiterten und trödeligen Vormittag und der kleinen Reifenpanne beherzigte ich dann das eher Sportliche, in dem ich ohne Gepäck den Col de l’Quillat in Angriff nahm. Für ein noch weitere Fahrt zum Pic Neulos oder gar der gut fahrbaren Piste, die bis zum Col des 3 Hetres führt, reichte es aber nicht mehr. Auch die Forststraße nach Norden, die ich eigentlich vortags aufwärts fahren wollte, nahm ich nicht zur Abfahrt, weil ich mit Blick auf das Abendessen schneller den Berg herunter musste. Die Forststraße machte aber trotzdem einen passablen Eindruck von oben aus gesehen. Nur einen Teil muss ich als Stichstraße fahren. Gegenüber der südlicheren Route aufwärts gibt es für den Rückweg eine nördlichere, welligere Variante über St-Jean. Das Albères-Massiv bietet viel Schatten, die unteren Passagen sind teils stark von Korkeichen geprägt und geben ein uriges Bild ab. Nicht umsonst gibt es in Maureillas ein Korkmuseum, dass ich aber auch verpasste zu besuchen.

Nur von außen hatte ich vor dieser Passfahrt noch das Fort de Bellegarde besucht. Die mächtige Festung wurde im 17. Jahrhundert von Vauban errichtet und diente u.a. der Gestapo im 2. Weltkrieg als Gefängnis für Kriegsgefangene. Die steile Rampe zum Fort ist nur kurz, der Col du Perthus an sich ist ein extrem harmloser Pass, allerdings dicht befahren trotz paralleler Autobahn.

Spätestens nach der doch überraschend flotten Auffahrt zum Col de l’Quillat und dem Sieg über den Tour Madeloc am Vortag schöpfte ich wieder neues Selbstvertrauen. Bei Rainer (Axurit) hatte ich noch Zweifel geäußert, überhaupt so einen Berg mit rauer Piste wie den Collade des Roques-Blanches (TEIL 3) anzugehen. Zu schlecht schien meine Form, zuviel Zeit hatte ich fast jeden Tag verloren gegenüber geplanten Strecken, zu schwierig schien das alles zu werden. Doch trügte der Eindruck auch unter den Umständen, war dem vielen Wind und den steilen Burgrampen geschuldet, den unerwartet langen Besichtungen und vielen Fotos geopfert. Ich wusste, dass ich insgesamt langsamer als in den Vorjahren war, aber ich wusste nun auch wieder, dass die Bergziege in mir noch lebte. schmunzel Der schließlich erste gelungene Restaurant-Abend der Reise stimmte mich optimistisch auf neue große Taten ein.

Zur Bildergalerie TEIL 2 (folgendes Bild anklicken):



Fortsetzung folgt
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 04.12.11 18:19

In Antwort auf: Oktoberkind
Wow! Was für ein Bericht – nur den Anfang! Und welch wunderbare Bilder! „Vielleicht kommen die am Rande stehenden Kulturgüter etwas bescheiden weg …“ hattest Du voriges Jahr den Bericht über mein Bordeaux-Freiburg kommentiert. Jetzt weiß ich, was Du gemeint hast. grins

„Wir harren sabbernd der Fortsetzung!“ Dem schließe ich mich an. Und Dank auch für die deutlichen blauen Worte. Bei den Bildern kommt nach meinem Geschmack das Reiserad etwas zu kurz, von dem Velotraum hätte ich gerne mehr gesehen.

An dieser Stelle danke ich dir und auch allen anderen hier, die mir teils haarstreubend hochtrabende Belobigungen zukommen ließen. Es freut mich, dass gegen alle Regeln der modernen Kommunikationsneurose des digitalen Klick-hin-klick-weg-Bürgers offenbar sich so viele Forumsleser Zeit für Text und Bilder nehmen. Es freut mich auch, dass es eine deutlich bekennende Front gegen den braunen Schmutz gibt. Ich habe das mal zu meinen Schulzeiten etwas anders erlebt. Insofern nochmals: DANKE!

Zum Velotraum-Rad: Es gibt zwar zahllose Bilder davon - das sind aber meist die dokumentarisch notwendigen, aber motivisch reizarmen Bilder. Ich versichere dir aber, das noch ein paar Bilder folgen werden, wo das Rad sozusagen ideale Farbkompositionen mit der Umgebung abwirft. Es gibt tatsächlich in der Serra de Cadí (Teil 5) einen Pass (Col de Pradell), dessen Schriftzug offenbar mit meinen Rad- und Taschenfarben abgestimmt wurde. unschuldig Typischerweise schlägt dieser Pass mit bis zu 21 % Steigung zu Buche. Wahrscheinlich will jemand mir damit sagen, dass das "MEIN" Pass sein soll. grins - Naja, etwas harmloser stelle ich mir die idealen Berge schon vor.
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 07.12.11 20:21

Es geht weiter, die Berge werden höher...

TEIL 3 Felsorgeln, Apollofalter und ein mythischer Berg: Rund um den Canigou

Kein Berg der Pyrenäen lebt so sehr von seiner Magie wie der Canigou. Er ist mit 2784 m weder der höchste Berg der Pyrenäen noch der Kataloniens und doch stand er bei den Katalanen lange Zeit im Rang eines heiligen Berges. Schon äußerlich prägt er weite Teile der östlichen Pyrenäen – insbesondere von umliegenden Höhenzügen ist er weithin sichtbar – sogar schon teils auf Strecken, die ich im ersten Teil zurücklegte. Mythen und Legenden ranken sich um den Berg und gefeiert wird der Mythos heute noch in der Johannisnacht auf den 24. Juni, wenn auf dem Berg und in den Orten drum rum weit leuchtende Feuer gezündet werden – um einen Tag verschoben hätte ich gar dieses genauer erleben können. Zu den Rätseln des Berges gehört auch, das einige Flugzeuge abstürzten, weil die Navigationsgeräte nicht mehr funktionierten. Dafür gibt es durchaus irdische Erklärungsversuche, denn der Berg enthält Eisenerz und Mangan, das derlei Spuck durchaus verursachen kann.

Auf den folgenden Routen liegt der Canigou natürlich nicht immer im Blick, aber doch sehr häufig. Der nördliche Teil führt auch noch mal ins Feunouillèdes, das auch am Ende des ersten Teils stand, wobei hier die Strecken zwischen der D 117 und dem Têt-Tal sehr einsam ausfallen. Die Landschaft ist gleichmäßiger hügelig, hat weniger die schroff aufsteigenden Felsen. Trotzdem steht unmittelbar am Rande des Têt-Tals eines der größten Felswunder Frankreichs.

Mit der Fahrt nach Spanien am letzten Tag dieses Teils beginnt bereits genau genommen der vierte Teil, denn spätestens irgendwo vor dem Grenzpass Col d’Ares enden die letzten Blicke, die man auf den Canigou werfen kann. Im Osten des Canigou gibt es natürlich noch weitere Routen, die sogar näher am Canigou vorbei führen – teils von mir schon in Vorjahren gefahren, wie etwa den weitgehend, aber nicht durchgehend asphaltierten Weg über den Col Palomère/Col de la Descargue von Vinca über Valmanya nach Arles-s-Tech oder wie der Weg durch das Boulès-Tal über den Col Foutou/Col Xatard von Bouleternère nach Amélie-les-Bains. Rainer aus Corneilla wird sicherlich entsetzt sein, dass ich keinen seiner Geheimtipps anfahren konnte, weil ich die ursprünglich beabsichtigte Variante durch das Boulès-Tal gänzlich fallen ließ, um nicht den großen Faden der Tour zu verlieren.

Fr 24.6. La Clapère - Maureillas-las-Illas - Le Boulou - Passa – Trouillas – Thuir - Castelnou - Collade des Planes (415m) - Col de Font Roug (?m) - Col de la Croix Falibe (?m) - Ille-s-Têt - Montalba - Col des Auzines (605m) – Sournia
81 km | 12,2 km/h | 6:36 h | 1.460 Hm
W: heiter, aber dunstig, sehr windig
B: Château Castelnou 4,50 €, Les Orgues 2,70 € (b. erm.)
E: Rw, Wurst/Schinken d. Region, Grillfleisch, Crème Catalán, Cafe 26,20 €
Ü: C La Source 8 €

Anfangs führt die Tour durch eine Feld- und Wiesenlandschaft mit Weinbergen, Hohlwegen, kleinen Wasserläufen mit Schilfwuchs und Furten. Das charmante Örtchen Passa hat sich sogar mit einem kleinen Jazzfestival einen Namen gemacht, das am nur einen Tag später stattfinden sollte – als Hauptakteure treten Julien Lourau und Bojan Z auf (die Namen muss jetzt nicht jeder kennen). Bei der nochmaligen Durchfahrt durch Thuir stoße ich auch hier auf ein Mahnmal für die Deportierten aus der Nazi-Zeit. Für die Verpflegung habe ich schon quasi einen „Stammetzger“ am großen Platz in Thuir – er hat auch ausgezeichnete Salate.

Castelnou hat nur wenige Einwohner und ist doch ein entdeckungswürdiges Dorf mit anthroposophisch angehauchten Künstlergassen und kleinen Restaurants. Wohl auch ein wenig geschäftstüchtig, aber sicherlich originell sind Produkte nach angeblich mittelalterlichen Rezepten, die man in kleinen Läden zu kaufen bekommt – etwa mittelalterliches Bier. Bestimmend ist aber von Weitem eine mittelalterliche Burganlage – keine Katharerburg, aber auch ein wenig umkämpft gewesen. Sie ist sehr gut erhalten und im Innern kann man sich ein gutes Bild vom Burgleben machen, das anhand von nachgestellten Figuren und Abbildungen plastisch vor Augen geführt wird. Es gibt auch noch einen Galerieraum, in der moderne Künstler ihre Werke ausstellen und ein Bistro mit lauschig-idyllischer Atmosphäre.

Die Route nach Ille-s-Têt ist recht offen und daher in der Hitze des Tages kräftezehrend. Da sind mir ein paar schattige Plätzchen in Ill-s-Têt willkommen. Doch der Höhepunkt liegt nördlich der Têt außerhalb der Stadt: Site des Orgues – die Orgelpfeifen. Es ist eine einmalige Felsarena, dessen Besuch per Eintritt unbedingt zu empfehlen ist, auch wenn man einen flüchtigen Eindruck von der Straße oberhalb (nach Bélesta bzw. Montalba) erhält.

Durch Erosion, von Oberflächenwasser abgetragen, blieben die Säulen aus Sandstein stehen, die Feenkamine heißen – oder auch: „behütete Mädchen“. schmunzel Behütet deswegen, weil die Kappen auf den Kaminen die Erosion vorerst verhindern, langfristig werden sie aber alle einstürzen. Das wird zwar nicht morgen sein, aber je früher man diesen Ort besucht, desto besser. Die Feenkamine verändern sich langsamer als die gefurchten Flanken: Wassertröpfchen tragen in der Vertikalbewegung nur einzelne Sandkörnchen oder Tonplättchen nach unten. Dieser ständig wiederholte Vorgang erzeugt fein ziselierte Gebilde – die sog. Orgelpfeifen. Der Wechsel zwischen Hitze und Feuchtigkeit sorgt dafür, dass der Ton im Gestein stark aufquillt und sich wieder zusammenzieht. Das verursacht Risse und Spalten. Dazu kommt es zu Farbvariationen, indem das weiße Tongestein teils durch Eisenoxidation zu Ockerfarben mutiert. Graue und braune Flecken rühren von Flechten und Moosen her, die sich bei Regen grün färben. Im großen Überblick wirkt diese Felsenwelt wie eine afrikanische Savannenlandschaft. Die Perspektiven wechseln in immerzu neue fantastische Kompositionen. Einfach großes Kino!

Sa 25.6. Sournia - Le Vivier - Col del Mas (551m) - Fenouillet - Château de Sabarda - Caudies - Lapradelle - Col Camperie (534m) - Lapradelle - Col d'Houmeau (~1040m) - Col d'Aussières (1020m) - Sournia - Col de Roque Jalères (975m) - Prades - Col d'Eusèbe (795m) - Vernet-les-Bains
115 km | 13,2 km/h | 8:38 h | 1.990 Hm
W: sonnig, heiß
B: Château de Sabarda 0 €
E (Pizzeria La Fontaine): Salade Nicoise, Tagliatelle Bolognese, Eis, Rw, Cafe 25,50 €
Ü: C Les Cerisieres ~ 8 €

Der erste Teil von dem Bergörtchen Sournia aus ist eine große Panoramafahrt. Der Canigou nach Süden, das Meer im Osten – ein leuchtendes und spiegelndes Erlebnis in der Morgensonne. Lässt man dieses Panorama hinter sich und gelangt man auf die nördliche Seite des Bergzuges, liegt etwas oberhalb einer Talmulde das kleine Dorf Fenouillet (hat auch einen Camping). Überraschend ist dann, dass hier sogar drei Katharerburgen den Kessel umgeben. Weit gegenüber, nur schwer auszumachen, liegt die Château de Castel-Fizel. Direkt oberhalb das Dorfes wacht die größte Burganlage, die Château de Sabarda, auf die man in einen originellen Fensterblick von der kleinen Ruine der Château Saint-Pierre betrachten kann.

Nachdem ich noch eine kleine Extrarunde als Stichtour zum Col Camperie gefahren bin (hier gibt es einen Touristenzug, der ins Aude-Tal nach Axat fährt), zweigt von der verkehrsreicheren D 117 die sehr ruhige und empfehlenswerte Route über den Col d’Aussières ab. Die Château de Puilaurens belasse mit einem Blick von unten, die Auffahrt ist wohl ähnlich lang und steil wie die zu Peyrepertuse. Offenbar wird sie gerne besucht, weil es eine ausgewiesen Gastronomiebetrieb gibt. Während die Nordwestanfahrt des Aussière-Passes durch viel schattige Vegatation mit einem Fluss verläuft, tritt auf der Ostseite die Hochebene um Sournia offen zutage. Ganz ohne Schatten ist auch der Col de Roque Jalères, der für einen anderen Landschaftstypus der Region Pate steht: wild herumgewürfelte Granitblöcke. Eindrucksvoll rückt der Canigou über dem Têt-Tal näher ins Auge. Auf der Strecke komme ich auch noch mit einem holländischen Reiseradler ins Gespräch.

Prades bildet ein wirtschaftliches Zentrum am Übergang zwischen dem flacheren, fruchtbaren Têt-Tal und der meistbesuchten Hochgebirgsregion von Pyrénées-Orientales. Diesmal finde ich keinen Markt in dem Exilort des einst politisch engagierten Cellisten Pablo Casals vor, dadurch ist alles etwas geruhsamer als in meiner Erinnerung. Auf dem Weg zum geschäftigen Kurort Vernet-les-Bains, der bereits Bergatmosphäre ausstrahlt, liegt noch ein recht opulentes Kloster, das Abbaye St-Michel, dem ich aber keinen ausführlichen Besuch abstatte.

So 26.6. Vernet-les-Bains - Casteil - Col de Jou (1125m) - Py - Col de Mantet (1761m) - Les Clots/Coulibet (1926m) - Collade des Roques Blanches (2252m) - Coll des Molles (2101m) - Pla des Basses (1708m) - La Preste - Prats-de-Mollo
67 km | 8,3 km/h | 7:54 h | 2.075 Hm
W: sonnig, heiß, später bewölkt
E: Pizza Catalán, Crêpes Mandel/Honig, Rw, Cafe 18,80 €
Ü: C Municipal 0 €

Der Col de Jou ist bereits eine Härteprüfung am frühen Morgen. Die Straßen windet sich eng nach oben. Auf der Passhöhe finden sich diverse Verzweigungen von Pisten. Die Orientierung ist etwas schwierig anhand der Wegweiser. Offenbar führt die zumindest hier relativ flache und mit Auto befahrbare Piste auf einem Umweg zur bewirteten Hütte Mariailles, während der Wanderer einen direkteren, steilen, ausgewaschenen Weg einschlagen kann. Im Anschluss daran kann man zum Canigou aufsteigen oder über Pla Guillem weiter nach Süden. Nach meinen Recherchen ist ggf. auch hier eine Überfahrt ins Tech-Tal möglich, entweder über eine Höhenroute quer zum Collade des Roques Blanches rüber oder direkt zum Col de la Regina (vermutlich zu schwierig). Inwiefern diese Varianten nur für Hardcore-MTBer oder doch auch für gewöhnliche, bergerfahrene Reiseradler machbar sind, muss hier weiter unbeantwortet bleiben. Wie ich später mir selbst am Collade des Roques Blanches ein – allerdings nur kurzgreifendes – Bild machte, müsste zumindest die Höhenroute von oder nach Pla Guillem durchaus fahrbar sein, wenngleich Glattbereifte wie ich da nicht so richtig hingehören.

Von dem gut besuchten, weil von campenden Wanderern bevölkerten Col de Jou führt eine passable Piste (etwas zu sandig) ins Tal zur asphaltierten Straße von Sahorre nach Py bzw. zum Col de Mantet. Am Col de Jou angekündigt, ist diese Region ein Flatterrevier von Apollofaltern. Anfangs hatte ich am Col de Jou kein Glück, am Col de Mantet zeigten sie sich dann aber massenhaft. Überhaupt entwickelte sich der Col de Mantet zu einer eindrucksvollen Fahrt – auch in sportiver Hinsicht. Dieser Pass erfordert extreme Berghärte – es war letzlich der schwierigste Teil des ganzen Tages.

Am Col de Mantet parken viele Wanderer, um etwa die zunächst recht einfache Piste (fester Untergrund, geringe Steigung) in Richtung des Collade des Roques Blanches zu begehen. Die Landschaft hier ist überwältigend – mit den Bergpanoramen immer wieder auf den Canigou, den Blumen und Schmetterlingen, den Steinblöcken umher. Je näher zur unbewirteten Hütte les Clot/Coulibet hin, desto mehr breiten sich große Flächen gelben Ginsters an den Hängen aus. An der Hütte (1926 m) – insgesamt im Innern nicht sehr einladend – befinden sich Grillstelle und Brunnen – sicherlich auch ein geeigneter Platz zum Übernachten. Auf der Wiese vor der Hütte lassen sich auch mehrere Zelte aufstellen. Auch der Bergfluss, in Kaskaden herabfallend, bietet einige ausgeformte Wannen, die man ggf. zum Baden nutzen könnte.

Noch eine weiteres Stück ist einfach zu fahren, mit Höhenmeterverlust. Der Weg wird zunehmend grasiger. An einer nächsten scharfen Biegung steigt nunmehr die Piste endgültig steiler an. Soweit ich im grasigen oder erdigen Teil noch gut Halt finde, auch wenn die Furchen immer tiefer werden, bekomme ich weiter oben immer mehr Probleme mit lockerem Gestein. Ich muss häufig die Fahrspur wechseln, um geeigneten Untergrund zu haben, und auch hin und wieder absteigen. Noch kann ich aber nach kurzem Schieben über einen Steinblock wieder Anfahren, noch weiter oben – jenseits von Felswänden und in offener Berglandschaft mit Enzian und Alpenrosen nebst samtweichen Grasteppichen – werden dann längere Schiebepassagen notwendig. Hier ist aber das Ende langsam absehbar, der Pass liegt – wie namentlich zu erwarten – in einem ungeordneten Meer von hellem Gestein – eine Mondlandschaft.

Internetrecherchen zufolge sollte die Südseite ins Tech-Tal einfacher sein – die Nordseite hingegen wurde nahe der Unfahrbarkeit beschrieben. Doch trat unerwartet eher das Gegenteil ein, denn die Abfahrt war alles andere als einfach. Nach scheinbar kurzer, stabiler Piste folgen Auswaschungen und lockeres Gestein von solch üblem Charakter, dass ich etliche Stellen runterschieben musste. Das scheinbar nah unten liegende Tal entfernte sich zeitlich immer mehr in die Dämmerung. Sind auf der Nordseite etwa 150-200 Hm kritisches Geläuf, aber doch noch akzeptabel, so sind auf der Südseite mindestens 350 Hm so miserabel, dass ich mir eine Auffahrt mit Reisegepäck nicht vorstellen kann. Trotz der problematischen Abfahrt würde ich daher nur die Nord-Süd-Querung weiterempfehlen – auch ist der Erlebnisfaktor so größer. Die hier im Forum geäußerte Ansicht, dass der Pass auf der Nordseite nicht mit Hänger befahrbar ist, kann ich allerdings nachempfinden, weil ein solches Gefährt nicht wendig genug ist. Der Asphalt beginnt auf der Südseite etwa bei 1650 m, die Straße ist dann breiter als die zum Col de Mantet auf der anderen Seite. Landschaftlich ist die Südseite weniger reizvoll, insbesondere die Hochgebirgsvegetation ist deutlich schwächer ausgeprägt. Der untere Bereich taucht in vogelreiche, feuchte Wälder ein.

Die Zeiteinteilung ist insgesamt schwierig. Wer aber eine andere Etappeneinteilung plant – Wildcamping an der Hütte oder morgendliche Abfahrt in Sahorre (Camping) und somit ohne den bereits schwierigen Col de Jou als Vorprogramm, der dürfte diesen Pass auch zeitlich „angenehm“ in Griff bekommen. Zusätzliche Wanderungen etwa ab der Hütte sind durchaus eine lohnenswerte Überlegung wert. Ich selber erreiche Prats-de-Mollo zwar im Dunkeln, aber immerhin noch rechtzeitig für eine späte Pizza.

Mo 27.6. Prats-de-Mollo - Col de Saous (998m) - Le Tech - Prats-de-Mollo - Col de la Seille (1185m) - Col de la Guille (1194m) - Col d'Ares (1513m) - Camprodon - Coll de Capsacosta (870m) - Castellfollit de la Roca - Sadernes - Montagut (Camping)
100 km | 14,4 km/h | 7:03 h | 1.225 Hm
W: sonnig, heiß
E: Salat, Maccharoni (take away Sonderservice), 7 €, Roséwein geschenkt
Ü: C Montagut 9,65 €

Wem das Tech-Tal zu verkehrsreich ist, der wird um Alternativen suchen. Die Strecke über den Col de Saous ist eine sehr ruhige, auch bei großer Hitze geeignete, weil schattige Route. Man kann diese verästelte Nebenroute auch noch weiterführen bis Arles-s-Tech. Sekbstvertändlich bietet sich das am besten für jene an, die das Tech-Tal aufwärts fahren wollen, um nach Spanien zu gelangen. Die Route über den Col d’Ares dürfte in Reiseradlerkreisen recht bekannt sein – es ist in jedem Fall eine sehr gepfelgte Route, mit geordneten Birkenalleen z.B. und oben mit viel Panorama und Blumenwiesen.

Landschaftlich lässt sich sich der erste spanische Abschnitt irgendwie schwer einordnen, der eigentliche Bruch in eine neue, charakteristische Region beginnt in Sant Pau de Segúries mit dem flachen Anstieg zum Coll de Capsacosta und einer sanften Hügellandschaft aus vielen bewaldeten Kuppenbergen, die eben die mittlerweile befriedeten Vulkankegel bemänteln.

Sowohl dies- als auch jenseits der Grenze finden sich mit Prats-de-Mollo und Camprodon je eine Stadt, die einen ausgiebigen Stadtrundgang rechtfertigt. Prats-de-Mollo machte sich einen Namen als Schmugglernest und sorgte im 17. Jahrhundert für Aufsehen, als die rebellischen Einwohner die königlichen Steuereintreiber lynchten. Heute kommen harmlose Rentner gerne ins Tal, weil das Klima günstig ist. Der Baumeister Vauban verlieh dem Ort mit den Stadtmauern das äußere Gesicht, aus der selben Sonnenkönig-Epoche stammt auch das Fort Lagarde, das über der Stadt thront.

Das auffälligste Bauwerk in Camprodon ist die Bogenbrücke Pont Nou, an der bei meiner Ankunft gerade Fernseh- oder Filmaufnahmen gedreht wurden. Ein kleines Museum ehrt einen der bedeutendsten Komponisten Spaniens – Isaac Albéniz – in dessen Geburtshaus. Bereits exemplarisch für das Vulkanland, erhebt sich Castellfollit de la Roca über mächtigen Basaltfelsen und ist damit ein begehrtes Ausflugsziel. Trotzdem ist die Region touristisch nicht so gut erschlossen – auffällig sind zahlreiche Restaurantschließungen, die auch ein Zeichen der schwierigen spanischen Wirtschaftslage sind. Diese Beobachtung setzte sich im Verlauf der Reise noch weiter fort. Weit und breit ohne Essgelegenheit, erbarmte sich immerhin der Campingbetreiber, noch etwas Fastfood für mich anzurichten, obwohl schon alles geschlossen war. Eigentlich ungewöhnlich für Spanien, zumal der Camping doch recht gut besucht war und auch einigermaßen komfortabel wirkte.

Zur Bildergalerie TEIL 3 (folgendes Bild anklicken):



Fortsetzung folgt
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 07.12.11 20:41

Technischer Fehler behoben
von: Juergen

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 08.12.11 07:23

Hallo Matthias,
ich habe mir erlaubt deinen Bericht zu kopieren und als ein Dokument zusammenzufassen. Wenns dann fertig ist, lese ich es gemütlich auf dem Sofa bei einem leckeren Roten. wein
von: kettenraucher

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 09.12.11 07:56

Hi Veloträumer,

Du bist eine echte Nervensäge, Deine Erzählung ist so liebe- und ausdrucksvoll, dass mir jedenfalls Deine Fahrt in den Pyrenäen nicht mehr aus dem Kopf will. Ich glaube auch, die Ursache dafür gefunden zu haben: diese Geschichte inspiriert, sie löst ständig neue Impulse und Gedanken aus, man schließt nichts ab, sondern steigt ständig wieder ein und knüpft die vielen gelegten Fäden weiter.

Ich finde Deine Art zu reisen und darüber zu berichten sehr eindrucksvoll, anregend und bereichernd.

Herzlichen Dank dafür.
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 10.12.11 20:17

Nachdem ich das Problem der Bilddarstellung unverstanden gelöst habe, geht es nun hoffentlich wieder mit gewohntem "Layout" weiter.

TEIL 4 Vulkanland, Grüne Wege, Kohle und Eisen, steile Nischenpässe: Garrotxa und Ripolles

Die beiden Regionen Garrotxa und Ripolles unterscheiden sich zwar in ihrem typischen Landschaftsbild deutlich, trotzdem sind die Übergänge ziemlich fließend und schwer abzugrenzen. Da mein Tourverlauf auch hin und her wechselte, bot sich diese Zusammenlegung an. Die Vulkanlandschaft Garrotxa ist sanft behügelt und insgesamt auf niedrigem Niveau alles andere als eine typische Hochgebirgslandschaft und insofern mehr ein „echtes“ VORgebirge der Pyrenäen. Anders als z.B. beim Corbières fehlt hier das Raue und Felsige, das dem Corbières als nordöstliches VorGEBIRGE eher ein „gebirgiges“ Aussehen verleiht. Aus der Radperspektive erlebt man diese Landschaft zuweilen nur beiläufig, die Fauna und Flora müsste man zusätzlich per pedes erkunden. Diese Wanderwege sind offenbar meist einfach und breit auch mit Rädern befahrbar, vermutlich auch mit einem bepacktem Reiserad (aber nicht immer erlaubt). Für die attraktivsten Wege zu den Vulkanen Santa Margarida und Croscat fehlte mir aber abends die (geeignete Tages-)Zeit. Der beste Blick auf die Krater eröffnet sich eigentlich erst aus der Vogelperspektive – man müsste also fliegen – kann mein Rad allerdings noch nicht. traurig

Ripolles hingegen ist schon stark durch felsige, vielfach offen gelegte, empor gedrückte Erdschichten geprägt. Zwar bleiben die Höhen der Pässe eher auf Mittelgebirgsniveau, im Gegensatz zu den leichten Garrotxa-Pässen stehen hier aber dem Radler zahlreiche Anstiege vor Augen, die zu den härtesten in den Pyrenäen zählen. Es ist gewissermaßen logisch, dass sich diese Pässe abseits der bekannten „Vies Verdes“ – stillgelegter, heute für den Radverkehr geöffneter Bahntrassen – befinden. Man kann die Region also auch deutlich einfacher durchqueren, doch lohnen sich die schwierigen Abwege landschaftlich durchaus.

Di 28.6. Montagut - Ponte Romano Montagut/Sadernes - La Comet - Besalú - Banyoles - Collet de Colitzà (?m) - Santa Pau - Coll de Casselles (?m) - Olot – Joanetes
84 km | 13,3 km/h | 6:08 h | 965 Hm
W: sonnig, sehr heiß
E (Olot): Roséw, Pilze m. Kart./Wurst/Käse, Schweinefilet m. Sherry flamb., Kart., Spargel, Rw, weiße Schoki m. Eis 31,30 €
Ü: C wild 0 €

Vom Campingplatz lohnt sich noch ein Abstecher 1-2 km in Richtung Sadernes zur Pont de Llierca – einer Bogenbrücke aus dem 14. Jahrhundert mit Badestelle. Die weiteren, in spezielleren Reiseliteratur empfohlenen Wandermöglichkeiten am Ende des Tales in Sadernes habe ich allerdings nicht mehr ausgelotet.

Zwischen dem Abzweig für Montagut/Sadernes und dem Abzweig zum See von Banyoles (bereits vor Banyoles!) fährt man neben, bzw. ab Besalú auf verkehrsreicher Straße. Ab Besalú ist es absolut flach und daher die Strecke ggf. bei flottem Tempo schnell abzuhaken. Allerdings sollte man eine Besichtigung des denkmalgeschützten Städtchens Besalú nicht auslassen. Zum mittelalterlichen Stadtkern gehören zahlreiche Arkadenhäuser, Zeichen eines frühen Wohlstandes als Sitz von Grafschaft und Bischof. Auf der großen Placa de la Llibertat werden gerade bei meinem Eintreffen Marktstände aufgebaut. Gelegenheit sich mit Wurst-, Schinken-, Käse- und eingelegten Spezialitäten zu versorgen. Großes Amüsement verursache ich bei mehreren alten Herren, als ich ausgerechnet ein altes Moped mit Einkaufskorb am Lenker fotografiere – gibt es doch soviel „hochkarätigere“ Sehenswürdigkeiten umher. Der Besitzer des Mopeds bekommt leicht spöttischen Applaus. grins Jenseits der romanischen Bogenbrücke aus dem 11. Jh. befinden sich die Busparkplätze mit Sightseeing-Bähnle und Brimborium, womit ich anmerken möchte, dass man in dem malerischen Städtchen vor allem tagsüber nicht gerade einsam dahinträumen kann.

Der See von Banyoles ist heute ein gepflegtes Erholungsrefugium mit zahlreichen Freizeitmöglichkeiten. Dabei kann man zwischen idyllischen naturgeschützten Plätzen, gepflegten Parkanlagen oder stärker bevölkerten Aktivzonen wählen. Dazu gehört auch eine Regattastrecke, auf der die Ruderwettbewerbe der Olympischen Spiele 1992 (Barcelona) ausgetragen wurden. Auf der westlichen, weitgehend naturgeschützte Uferzone gibt es zahlreiche Quellen, die hier aus ebenem Boden hervorquellen und eine besondere, farnreiche Vegetationszone schaffen. Das Quellgebiet steht im Zusammenhang mit den Vulkanen, die unmittelbar mit zahlreichen kleinen Kuppenbergen zwischen bewirtschaften Feldern die Landschaft westlich des Sees prägen.

Gewissermaßen in den gehobenen Regionen der Vulkanlandschaft befindet sich das beschauliche Zentrum für Vulkanwanderer und Low-Life-Touristen – Santa Pau. Das ansässige Lava-Museum hat leider schon geschlossen, sowie ich auch später in Olot auf den Besuch des dortigen Vulkanmuseums verzichten muss. Man möchte eigentlich hier am Fira dels Bous (Ochsenmarkt) sich unter den schweren alten Balken an den einladend gedeckten Tischen der Restaurants niederlassen, diese Luft der entspannten Historie des Ortes einatmen und dazu ein Fesols-Gericht verspeisen. Das sind Variationen rund um die Weißen Bohnen, eine über die Grenzen des Ortes hinaus berühmte lokale Spezialität. Die besten Bohnen soll es aber im Januar geben, wenn auch eine entsprechende Fesolada-Fiesta für stimmungsvolle Entgasung sorgt. lach Noch aber neige ich zum ungeduldigen Radreisenden, der seine nicht gehaltenen Streckenvorgaben weiter dahinschwimmen sieht und zwinge mich zur Weiterfahrt ohne Abstecher zu oben beschriebenen Vulkanen in die wesentlich lebhaftere Vulkanmetropole Olot.

In Olot gibt es dann auch weniger ein historisch relevante Architektur zu sehen als vielmehr eine moderne, lebendige Einkaufsstadt mit Fußgängerzonen, verzierten Bürgerhäusern, geruhsamen Parkanlagen und vornehmen Villen. Auch ist Olot traditionell ein Zentrum der Malerei. Die Oloter Schule steht für Landschaftsmalerei im 19. Jh., die zu dem Bedeutendsten der katalanischen Kunst gehört. Ihre Inspiration bezogen die Maler vor allem aus der blumen- und schmetterlingsreichen Farbenwelt der Vulkanlandschaft umher. Hier und da sitzt die Schickeria aus Alt und Jung in den zahlreichen Bars und Restaurants. (Ich esse nach dem Rundgang gleich statusgemäß dort, wo ein gelbes stilisiertes Metallfahrrad mit jubelnder Figur auf dem Sattel neben der Speisekarte mich wohl anlocken sollte. schmunzel ) Gleich daneben oder eine Ecke weiter lümmeln Ärmere um Brunnen herum, andere verfolgen von mit Lumpen abgehängten Schlafzimmern auf den Dachterrassen das Treiben weiter unten auf den Plätzen und in den Gassen.

Ein Farbiger spricht mich an „Where do you come from?“ – Meine Antwort “Germany” lässt ihn ins Schwärmen geraten. „Bring me to Germany, please!“ ist sein Wunsch und nicht wirklich ein Witz. Er frägt mich nach den Jobchancen in Deutschland bzw. Stuttgart – „It must be better!“ Natürlich hat er auch schon was von der Daimler-Stadt am Neckar gehört. Ich kann nicht umhin, ihm die Illusion aus den Segeln zu nehmen und ihn mit meiner pessimistischen Weltsicht zu konfrontieren. Er möchte aber nicht glauben, dass ich die Realsituation in Deutschland nicht wirklich wesentlich besser ansehe, Statistiken hin oder her. Er beklagt die massive Arbeitslosigkeit in Spanien. Die anderen Bekannten um ihn rum sind offenbar vom gleichen Schicksal getroffen, auch den Kindern merkt man trotz der Fröhlichkeit und bunten Kleidchen die Armut an. Erstaunlich, dass hier – eigentlich ja in der Bergwelt – die sozialen Probleme so dringlich in das Straßenbild einer Nur-20.000-Einwohner-Stadt rücken.

Sichtbar ist auch das Problem der Fremdarbeiter aus Nicht-Europa, die im spanischen Wirtschaftsboom ohne Bildungsintegration und mit Lohndumping nach Spanien geholt wurden und nun zur spanischen Jobkrise merklich beitragen – abgesehen von den sogar gut ausgebildeten Spaniern selbst – weit hinein in die Akademikerwelt, die auf der Straße bleiben oder mittlerweile die Jobs ausführen, die früher jene Fremdarbeiter verrichtet haben. Ein Beleg dafür, das Booms und Hypes der Feind von Nachhaltigkeit sind – geeignet für Showtreppchen, aber nicht für Wirtschaft und Politik. Es wird noch dauern, bis das wirklich verstanden sein wird. Daran krankt noch der gesamte Globus. traurig

Mi 29.6. Joanetes - Coll de Bracons (1148m) - Sant Pere - Sant Quirze - Coll de Vidra (1010m) - Vidra - Collada de Collfred (1326m) - Olot (+)
96 km | 11,8 km/h | 8:09 h | 1.790 Hm
W: warm, leicht windig, später bewölkt, kühler
B: Pont/Salt del Moli 0 €
E: Kroketten m. Hähnchenpaste, Entrecôte, Kart., Spargel, Roséw, Schokotorte, Cafe 25 €
Ü: C wild 0 €

An diesem Tag gibt es keine ausgesprochenen Ortsbesichtigungen, auch abends fahre ich nur an den Stadtrand von Olot zum Essen. Wie schon am Anfang dieses Kapitels geschrieben, merken die Pässe Coll de Bracons und Collada de Collfred durch ihre Steigung auf. Von spanischen Rennradlern werden die jeweiligen Ostanfahrten als „fast unüberwindbare Wand“ beschrieben. Tatsächlich muss man sich anstrengen lach und die Westseiten sind weniger steil. Der Coll de Bracons windet sich so z.B. auf sehr verwinkelte Weise in gewissen Wellen durch eine Felslandschaft nach unten, während die Ostauffahrt solche Umwege nicht macht. Die Strecke ist wenig befahren, zumal es nahebei eine neue Schnellstraße mit Tunnel gibt, die auf meiner Karten noch nicht verzeichnet ist. Auf der Passhöhe stehen trotz des frühen Morgens bereits einige Autos – von hier aus führen bei Insidern beliebte Wanderwege weg. Der Grund liegt auch in einem Tier: Der Isabellaspinner, ein sehr seltener Schmetterling, der nur in Kiefernwäldern lebt, soll hier zu finden sein. Ob ich mit einer Fußexpedition Erfolg gehabt hätte – ich werde die Götter befragen müssen.

Der Coll de Vidra bildet eine Art Zwischenpass, die offene Westseite hat mich in großer Sonnenhitze sehr gefordert. Kurz nach dem Pass liegt der gleichnamige Ort mit ein paar kleinen touristischen Einrichtungen, die es ermöglichen, von diesem Ort aus diverse Wanderungen zu machen. Ich bin per pedes zu dem Wasserfall Salt del Moli gelaufen – es braucht schon eine gewisse Zeit (exakte Dauer weiß ich aber nicht mehr), lohnt aber nicht nur als Fotomotiv, denn es ist auch ein romantischer Badeplatz. Nahebei gibt es noch eine alte Bogenbrücke.

Der Collada de Collfred ist dann nicht wirklich mehr die ganz große Herausforderung, wenngleich nicht leicht. Mit seinen überwuchernden Bewuchs im unteren Bereich ist es eine traumhafte Strecke, die mehr Schutz vor Sonne bieten würde. Aber just ist sie natürlich mal wieder verschwunden. Im Bereich der Passhöhe (Achtung, zwei ähnlich hohe Kuppen mit Zwischenabfahrt – nicht zu früh freuen! grins) ist das offene Weideland zunächst nur Durchschnitt, aber die Westseite ist dann nach ein paar Kühen als Zuschauer wieder eine sensationelle Strecke mit schnell wechselnder Flora bei enger Straße, mit Felsen, an denen die Beine zentimeternah vorbeifliegen, wenn sie nicht gar Klumpen auf der Straße liegen und ein weites Bergpanorama nach Süden, dass hier wieder ganz anders wirkt als bei der Auffahrt am gegenseitigen Coll de Bracons. Das Gefälle dürfte hier noch höherprozentiger sein als an der Westseite des Bracons-Passes – harte Kerle sollten als umgekehrt zu meiner Richtung fahren – landschaftlich wohl auch die bessere Wahl.

Do 30.6. Olot (+) - Coll de Coubet (1010m) - Coll de Canes (1120m) - Coll de Coubet - Coll di Santigosa (1064m) - Sant Joan de les Abadesses - Ogassa - Collada de San Camps (1252m) - Coll de la Torre (~1295m) - Coll de Jou (1697m) - La Portella/Coll Pan (1329m) - Bruguera - Ribes de Fréser - Planoles – Toses

79 km | 10,2 km/h | 7:44 h | 2.100 Hm
W: meist bewölkt, eher kühl
E: SV
Ü: C wild 0 €

Die ersten Pässe des Morgens sind unspektakulär und einfach zu fahren. Den Col de Canes fahre ich als Stichstraße, ohne nach Ripoll durchzuradeln und kehre wieder zum Coll de Coubet zurück. Am Coll di Santigosa stoße ich erstmals auf Hinweise zu den Vies Verdes. Unten im Tal fahre ich dann von Sant Joan de les Abadesses nach Ogassa auf der sogenannten Eisenroute (Ruta del Fer) eine solche Strecke nach. In diesem Bereich gibt es eine vorbildliche Dokumentation des ehemaligen Bergbaus und den angeschlossenen Produktionsbetrieben. Viele Relikte aus dem damaligen Bahnbetrieb sind renoviert worden, Brunnen, Picknick- und Rastplätzen machen die Route zu einer touristischen Einrichtung, bei der man trotzdem keine Massenanstürme befürchten muss. Zwar sind nicht alle Streckenabschnitte asphaltiert, dafür ist aber die Schotterauflagen gut gewalzt. Entgegen der Erwartung findet sich auch eine steile Rampe – diese veranschaulicht, wie die Kohle aus den höher gelegene Abraumschichten auf die unten stehenden Wagen befördert wurde. Alternativ kann man selbstverständlich auch auf der unterhalb verlaufenden Straße nach Ogassa fahren – in diesem Fall lohnt aber die Via Verde schon wegen ihrer lehrreichen Stationen .

In Ogassa endet die touristische Route. Man kann noch mal Einkehren und Zurückfahren. Wer weiter fährt, dem sollten steile Rampen ein Begriff sein. Zwar gibt es auf der über mehrere Hochpunkte führenden Strecke über den Coll de Jou (nicht mit den gleichnamigen Franzosen verwechseln, der Passname wird geradezu inflationär verwendet) immer wieder erholsame Flach- oder mäßige Abwärtspassagen, dafür muss man aber hin und wieder 15%-Steigungswerte überschreiten. Die Landschaft finde ich auf weiter Strecke eher etwas mittelmäßig, nicht mehr weit vom Coll de Jou entfaltet sich aber eine sehenswerte Hochgebirgsaura. Leider verschwimmt das Panorama etwas unter dem trüben Himmel des Tages.

Zu den vielen Streichungen auf meinem Plan gehört auch ein Abstecher ins Vall Núria, das von Ribes de Freser überhaupt nicht einsehbar ist. Getrieben vom Ehrgeiz versuche ich noch möglichst viele Kilometer auf der sanft ansteigenden N 152 in Richtung Toses-Pass zu machen. Der Verkehr ist zumindest in der Abendzeit hier nicht so stark wie man vielleicht für eine zentrale Verkehrsachse in die Cerdagne befürchten könnte. Etwas ignorant schlage ich den letzten denkbaren Camping (Planoles) aus und hoffe wider dem Kartenwissen auf eine Art Nahrungsquelle an der Strecke. Doch hier ist außer Straße nichts. Schließlich nutze ich den letzen Abzweig ins Tal (Fornells) und verschieße somit etliche Höhenmeter.

In den kleinen Orten unten gibt es zwar da und dort so etwas wie Restaurants – doch keines hat geöffnet. Für immer geschlossen oder einfach, weil keine Konjunktur usw. In Toses ist Ende mit einfachem Anstieg und es ist dunkel. Weiter möchte ich nicht in den Berganstieg gehen, zumal auch auf der Passhöhe keine Einkehrmöglichkeit zu erwarten ist. Andererseits wäre ich jetzt schon auf der Passhöhe, wenn ich das Gesuche und diese Talzwischenfahrt ausgelassen hätte. Nun ja, mal wieder müssen Restvorräte aus den Taschen für eine unbefriedigendes Kaltmenü herhalten. Ob der vielen geschlossenen Restaurants (gleich am Bahnhof von Toses ist ein solches) war ich ein wenig angesäuert. Auch ist die steile Umgebung (Toses selbst hat Dorfstraßen von annähernd 20 %) nicht zum Wildcampen geeignet. Letztlich habe ich irgendwo im auslaufenden Bahnschotter mit dürftigem Krautwuchs das Zelt gerade so eben festmachen können. War alles eine bisschen trostlos – aber das muss man ertragen können, wenn man jedes kleine Tageslicht für ein wenig mehr Tagesstrecke nutzen will, weil mal wieder die Berge mehr Tribut gefordert haben als mein altersschwacher grins Körper hergeben möchte.

Nachzutragen sei, dass sich ein Rundgang durch Sant Joan des Abadesses lohnt. Gebaut wurde das Städtchen um ein Kloster herum. Die gotische Brücke über den Ter ist mit 33 m die längste mittelalterliche Brücke in Spanien. Gewissermaßen habe ich mir die Belohnungen des Tages schon vor den großen Taten geholt – wie bereits eingangs beschrieben in der empfehlenswerten Konditorei Salvat. schmunzel

Zur Bildergalerie TEIL 4 (folgendes Bild anklicken):



Fortsetzung folgt
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 13.12.11 19:12

Es geht weiter mit Sommerlichem in der Adventszeit...

TEIL 5 Riesencroissants, Modernisme, Felsenwunder und Mountain Banking: Von der Serra del Cadí-Moixeró nach Andorra

Im Folgenden handelt es sich eigentlich um zwei unterschiedliche Landschaftstypen, die sich durch die Talenge auf dem Weg nach Andorra sogar gut abgrenzen lassen. Aus pragmatischen Gründen fasse ich aber beide Teile zu einem Kapitel zusammen. Die Serra del Cadí-Moixeró ist von Felsschichten geprägt, die zu Bergen empor gedrückt wurden. Ein bedeutender Teil besteht dabei aus rotem Gestein. Der markanteste Berg ist der Pedraforca mit seinem Doppelgipfel, der gewissermaßen mitten in dem Naturpark steht, der wesentliche Teile des Gebirges umfasst. Senkrecht aufsteigende Felswände sind ebenfalls typisch. Es gibt zahlreiche Pässe, die relativ einfach zu fahren sind, aber auch ein paar sehr schwierige Nischenpässe – u.a. weil die Spanier zunehmend entlegene Pisten zu Straßen ausbauen, um sie für neue Skigebiete zu erschließen. Dazu kommen noch zahlreiche Pisten, deren Zustand wohl auch teils reiseradgeeignet sind – ich konnte jedoch keine solcher Pisten richtig testen. Trotz eines zaghaften Sommertourismus in der Region ist der Verkehr äußerst gering.

Andorra ist bekannt für sehr schmale, tief, eingeschnittene Täler, an deren Hängen bis in geradezu „artistische“ Steillagen gebaut wird. Trotzdem sind aufregende Felslandschaften selten und die Landschaft weit weniger spektakulär, die Vegetation bescheidener als in den Nachbarregionen. Für den durchreisenden Radler ist Andorra oft nur ein notwendiges Übel, ein kommerzielles Verkehrsmoloch mitten in den Bergen. Dass dieses exotisch anmutende Steuerparadies und Bankenrefugium durchaus auch seine schönen Seiten im Landesinnern hat, soll meine Route belegen.

Fr 1.7. Toses - Collada de Toses (1800m) - (La Molina) - Coll de la Creueta (1900m) - Castellar de N'Hug - La Pobla de Lillet - La Consolacio - Figols - Coll de Fumanya (1647m) - Coll de Pradell (1728m) - Coll Ginebrer (1740m) - Coll de la Trapa (1321m) - Saldes - Camping Repos del Pedraforca
91 km | 11,6 km/h | 7:43 h | 1.980 Hm
W: sonnig, eher heiß, abends kühl
B: Fonts des Llobregat 0 €, Jardins Artigas 4 €
E: Kart.kroketten m. Sauce, Rw, Hähnchenbrust, PF, Salat, Eis, Cafe 17,30 €
Ü: C Repos del P. 19,90 €

Es sei darauf hingewiesen, dass der Collada de Toses eine gestreckte Passhöhe ist, die man einerseits über die gleichmäßig leicht ansteigende, am Hang verlaufende N 152 erreichen kann, aber auch über die Regionalstraße GIV-4016, die zunächst unterhalb in der Talsohle neben der Eisenbahn verläuft und ab Toses (Bahn durch Tunnel) stärker ansteigt und dabei eine halboffene Berglandschaft empor führt, um oben auf die Querverbindung von der N 152 nach La Molina zu treffen. Hier steht auch ein Passschild, vermutlich steht wenig weiter an der N 152 auch eines.

Ohne Höhenmeterverlust gelangt man über eine Höhenstraße zum Abzweig zum Coll de la Creueta in Richtung Süden, La Molina bleibt dabei zur Rechten mit seiner wohlgeordneten Chalet-Bauweise im Zeichen eines Skiortes unten im Tal liegen. Der Creueta-Pass ist ein sehr mäßig ansteigender Pass, an dem man sich durch die offenen, grünen Grasteppiche der Bergwelt panoramareich bewegt. Anfangs stören noch ein paar Liftanlagen, die aber schnell aus dem Blickfeld verschwinden. Bei den Liftanlagen erhalte ich in einem Bistro Kaffee und Sandwich, anbei gibt es geräumige Toilettenanlagen. Das ist auf meiner Route auf ca. 50 Kilometer die einzige Verpflegungsinsel!

Noch bei der Auffahrt sehe ich meine ersten Pyrenäen-Murmeltiere. In den Alpen sind sie auf meinen Touren in den Höhenlagen immer präsent gewesen – auf meinen bisherigen Pyrenäen-Touren hingegen blieben sie immer versteckt, um nicht zu sagen, dass ich sie nicht mal gehört habe. Das ist doch etwas verwunderlich, gelten die Pyrenäen doch als wilder und unberührter als die Alpen. Sind Murmeltiere in den Pyrenäen seltener als in den Alpen? – Oder liegt es ggf. daran, dass es weit weniger Pässe gibt, die in Murmeltierhöhe vorstoßen?

Mit der Passhöhe am Creueta beginnt der Naturpark Cadí-Moixeró (Symbol: Schwarzspecht, leider nie gesehen). Die Landschaft ist nun felsiger wie schon oben beschrieben, erste Eindrücke nach dem Pass erinnern sogar an das Campo Imperatore im Apennin. Schon weithin sichtbar gelangt man über weitläufige Kehren nach Castellar N’Hug. Das schmucke Örtchen fällt mit seinen kulinarischen Spezialitäten auf. Neben Wurst, Honig, Marmelade, Käse u.a. gibt es sog. Croissants gigantes, von denen eines einer ganzen Familien ausreichend Frühstück liefern würde. Sie sollen bis ca. 1 kg wiegen – also nichts für den Reiseproviant. grins Etwas abseits des Ortes steht eine riesiges Monument moderner Kunst – ein stilisierter katalanischer Schäferhund. Er spielt auf den alljährlich Ende Juli dort stattfindenden Schäferhundewettbewerb an.

Etwas weiter unterhalb von Castellar N’Hug bei einem Hotel befinden sich die Quellen des Llobregat, die sich über mächtige Wasserfälle ins Tal ergießen. Dazu muss man einen kurzen Stichweg einfahren, der bis zu den Wasserfällen führt, die man per kleinem Fußweg bewandern kann. Noch im Gemeindebereich von Castellar, aber bereits näher am nächsten Ort, liegt rechter Hand ein riesiger, scheinbar verfallener Bau am Berg. Es ist das ehemalige Zementwerk Asland, ein Industriebauwerk des Modernisme und heute Zementmuseum. Außer über den oben gelegenen Abzweig kann man auch von La Pobla de Lillet mit einem Touristenbähnchen zu ausgewählten Zeiten dort hingelangen. Dieses Bähnchen fährt auch am Jardins Artigas vorbei, ein sehenswerter Fantasiegarten des Modernisme, von Antoni Gaudí und seinen Schülern gebaut. Jüngst für den Tourismus wieder instand gesetzt, bietet dieser Platz eine anregenden Umgebung am Llobregat und zwischen Bergen. Man kann auch auf dem asphaltierten Weg entlang der Schienen des Touristenbähnchens bis zum Garten mit dem Rad fahren (aber nicht weiter zum Zementmuseum). Der Garten und das Bähnlein war bereits Gegenstand des Bilderrätsels 225.

Wer zum Pedraforca auf eher leichte Weise gelangen möchte, muss kurz unterhalb von Guardiola de Berguedà von der C 16 nach Saldes abzweigen. Meine Route zweigt weiter unten (etwa 1 km nach einer alten Bogenbrücke) , aber noch vor dem Stausee Baells in La Consolacio nach Figols ab. Der Berg ist hier von Bauten der ehemaligen Kohleminen geprägt. Wie auch weiter oben zu beobachten, bemüht man sich um eine Restrukturierung, etwa für touristische Zwecke (Bergbaumuseum in Cercs). Alte Bergarbeiterhäuschen werden renoviert und auch neue Bauplätze sind zu sehen. Die Straße zum Fumanya-Pass ist heftig steil, verläuft weitgehend offen. Besonders im ersten Teil imponiert der Mehrseenblick auf den Stausee des Llobregat-Flusses nach Süden hin. An der Passhöhe entsteht offenbar ein neues paläontologisches Besucherzentrum, wie eine Bautafel und ein übergroßes Dinosauriermodell aus Roststahl verraten. Hier finden sich an offen gelegten Felshängen zahlreiche Relikte aus den Erdfrühzeiten. Auch wenig weiter bereits am Coll de Pradell (nach kurzer Zwischenabfahrt) findet sich ein See, der mitten in einer paläontologischen Fundgrube liegt.

Man sollte am Fumanya-Pass noch nicht alle Körner verbraucht haben, denn am Pradell-Pass warten noch schlappe 20 % Steigung. Mitten in dieser Steigung befindet sich ein Bahnübergang (!) lach wirr - es handelt sich um die Schienen zu einem Kohlebähnchen, das auf der einen Seite quasi in der Luft endet, auf der anderen irgendwo wohl in den Berg führt. Es ist offensichtlich Bestandteil des vorgenannten Bergbaumuseums. Die heftigen Hauptsteigungen muss man in zwei Stufen bewältigen. Oben angekommen, wartet ein Passschild, dass exakt die Farbkomposition meines Fahrrades und der Radtaschen wiedergibt! – Das ist offensichtlich der Pass, der extra für mich gebaut wurde. verwirrtgrins

Landschaftlich beginnt jedoch erst mit der Abfahrt der Höhepunkt. Zunächst durchfährt man eine Art Feenwald mit herumgewürfelten Steinblöcken und zahlreichen Picknickplätzen, dann öffnet sich der Blick auf eine riesige Arena aus Gestein in verschiedenen Farben und Formen – da helle Gesteinsblöcke, dort eine pastellrote Wand, wilde Geröllhänge dazwischen, unwirklich gekrümmte Urbäume und dann der im Abenddunst leicht vernebelte Pedraforca als Kulisse nach Norden. Die gesamte irrwitzige Modellierung der Gesteinslandschaft sieht man dann am besten vom Col de la Trapa, der nur kurz oberhalb der Einmündung von der Pradell-Straße liegt.

Zum Zwecke des Campings und um den Pedraforca am nächsten Tag in voller Pracht zu sehen, muss ich über den Trapa-Pass ein kleines Stück zurück nach Osten (Saldes) radeln, denn Gósol liegt jetzt zu weit weg. Allerdings entpuppt sich der Camping in Saldes (unten) als „Privatcamping“. Genau verstehe ich das nicht, denn laut Reiseführer und Wanderkarte soll auch hier ein offizieller Camping sein. Ein paar der „Privatgäste“ sagt mir, ich müsse weiter fahren – eben zum Camping Repos del Pedraforca. Dieser Platz liegt knapp 2 km jenseits von Saldes (über Brücke und östlich der Tankstelle) mitten auf der Strecke – ohne Ort. Allerdings ist der Camping extrem kommerziell, sehr dicht belegt, hat aber zu meinem Vorteil ein noch geöffnetes Restaurant. Meinen kritischen Kommentar zum Platz habe ich ja bereits eingangs dieses Berichtes abgegeben.

Sa 2.7. Camping Repos del Pedraforca - Saldes - Coll de la Trapa (1321m) - Col del Cap de la Creu (~1420m) - Gósol - Col de Josa (1620m) - Josa - Tuixen - Cornellana - Coll de Bancs (1404m) - Adraén - Coll de Creus (1520m) - Coll de Laguén (~1500m) - La Collada (1125m?) - La Seu d'Urgell - Andorra La Vella – Anyos
103 km | 12,8 km/h | 7:56 h | 1.675 Hm
W: sonnig, anfangs sehr kühl, danach heiß
E: Champignons, Entrecôte, PF, Crème Catalan, Rw 35,60 €
Ü: C wild 0 €

Vieler Worte bedarf es für die Strecke mitten durch die Cadí-Landschaft bis La Seu nicht, denn die Bilder sprechen für sich – zumal das Panorama-Wetter heute mitspielt. Die Fahrt sollte man nicht unterschätzen, denn es gibt zahlreiche Anstiege – keiner von denen ist wirklich schwer, aber wegen der offenen Landschaft muss man unter der Mittagshitze schon mal etwas ächzen. Die längste Zwischenabfahrt hat man vom Col de Josa an Josa vorbei nach Tuixen. Tuixen und Josa liegen auf kleinen Hügeln, die man separat erklettern müsste, was ich aber nicht gemacht habe. Gósol hingegen liegt direkt an der Strecke und ist wohl auch der logistisch bedeutendste Ort, was aber noch weit jenseits von irgendeiner Art von Trubel ist. Es gibt letztlich nur kleine Dörfer hier. 1906 verbrachte Picasso gemeinsam mit dem Bildhauer Enric Casanovas in Gósol einen Sommer lang und schuf dabei einige bedeutende Kunstwerke, weil ihn die Landschaft sehr inspirierte. In einem kleinen Museum gibt es zwar u.a. Reproduktionen von Picasso-Werken zu sehen, aber die Öffnungszeiten sind für Durchreisende ziemlich exotisch (nur Hochsommer + Wochenende + Mittagszeit) – hieß für mich falsche Uhrzeit.

An dieser Stelle sei noch mal an die Grundidee meiner Tour erinnert: Auch hier bewege ich mich auf den Spuren der Katharer. Auf einem weithin sichtbaren Hügel mit einer teils noch erhaltenen Burg befinden sich die Überreste des mittelalterlichen Gósol (11. Jh.). Die Katharer fanden hier bei den Baronen von Pinós Unterschlupf auf ihrer Flucht aus dem französischen Ariège. Es gibt sogar explizit einen Fernwanderwanderweg (GR-107), der diese Fluchtroute nachgezeichnet – von Foix aus zum Heiligtum Queralt bei Berga. Teile davon entsprechen den heutigen Straßenwegen, andere Abschnitte sind nur per Fuß, Pferd oder ggf. Mountainbike passierbar. Die Route führt quer durch L’Alt Urgell und den Naturpark Cadí-Moixeró. Auch in Saldes findet sich die Ruine einer solchen Fluchtburg. Konkret orientiert habe ich mich an dieser Fernwander- und Pilgerroute nicht, aber logischerweise gibt es zahlreiche Überschneidungen.

Mit La Seu d’Urgell an den Ufern der Segre erreiche ich mir bereits bekanntes Gebiet, habe ich doch 2004 nach der Durchfahrt Andorras (über den Port d’Envalira) im nahe gelegenen Montferrer campiert und mir in La Seu ein gutes Abendessen schmecken lassen. Das empfehlenswerte Restaurant Cal Pacho gibt es immer noch – diesmal mache ich aber nur ein Erinnerungsfoto von außen. In La Seu lässt sich wunderbar in den von Arkaden gesäumten Gassen bummeln oder auf Plätzen unter Platanen nachdenken über Dinge wie: Warum Andorra ein Fürstentum ist, aber keinen eigenen Adel in die Staatsämter schickt – der Bischof von La Seu gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten Staatsoberhaupt von Andorra ist, und dabei das religiöse Oberhaupt aus Spanien ebenso wie der demokratisch legitimierte Vertreter aus Frankreich nicht von Adel sind, aber doch die monarchische Amtsbezeichnung Fürst von Andorra tragen dürfen – warum die geteilte französisch-spanische Herrschaft nur eine offizielle Amtssprache (Katalanisch) zulässt – warum man zwar mit Euro bezahlt, aber nicht zur EU gehört usw. verwirrt

Die folgende Strecke steht unter dem Motto „Augen zu und durch“. Kaum Steigung, enge Schlucht und dazwischen ab der Grenze ein Sammelsurium von riesigen, scheußlichen Einkaufstempeln, Tankstellen, Riesenplakate für Banken und Immobilien und dichter Autoverkehr. Jeder steuerersparte Euro wird in noch mehr Benzinduft für die Einkaufstour umgelegt – so könnte man das Bild etwas sarkastisch beschreiben. Nun, ich versuche in einem geräumigen, mit Nobelmarken nur so überquellenden Radladen eine neue Radbrille zu erwerben, weil der Bügel an der alten gebrochen war und die improvisierte Reparatur doch störanfällig ist. Ich finde nichts Passendes, aber beobachte, dass zahlreiche Markenprodukte doch deutlich günstiger als bei uns angeboten werden (geringe Mehrwertsteuer). Jedes Geschäft auf dieser Einfallstraße ist Gigantismus pur. Ich komme an einem Käseladen vorbei, mehr ein Einkaustempel dem Charakter einer exklusiven Hotelempfangshalle nachempfunden, unzählige Geschenkarrangements in Auslagekörben, zig nach Käsetypen sortierte Theken, soweit das Auge blickt mit nur einer Ware: Alles Käse! schmunzel Ich verzichte etwas wehmütig auf einen Einkauf, denn in meinen Taschen warten bereits ausreichend Vorräte und bald kommt der nächste Berg.

Glücklicherweise empfinde ich La Vella diesmal etwas entspannter als vormals, es ist allerdings bereits Feierabend, die zahllosen Restaurants füllen sich, das Flanierleben der Wochenendnacht beginnt und Baustellen gibt es diesmal auch keine zu beklagen. Es lohnt sich, ein paar Seitenblicke jenseits der Hauptstraße zu wagen. Gleich finden sich kaum besuchte Refugien. Selbst am Parlamentsgebäude verläuft sich kaum ein Tourist. Die Mixtur aus traditioneller Bauweise, moderner Zweckmäßigkeit, protziger Avantgarde und künstlerischen Miniaturen löst eine Kakophonie der Sinne aus. Ist das jetzt ein bunter Strauß der städtischer Ästhetik? Ist das Leben pur? Oder ist das flüchtiger Modehype, affektierte Trubelkultur, konsumsüchtige Dekadenz, Jetset-Life in einer Glasglocke? Und: Wie passt das in diese Bergwelt hinein? – Nun die Fragen bleiben offen – Faszination und Musegefühl kämpft in mir mit der Befremdlichkeit des Ortes.

Aber: Wohin in der Nacht? Ich beschließe die Stadt zu verlassen und hoffe auf ein auswärtiges Restaurant abseits des Trubels. Doch die Ausfahrt ist heftig steil – bereits im Stadtgebiet. Ohne Tunnel geht es offenbar auch nicht, wenngleich ich weiter oben so etwas wie einen Rad-/Fußweg glaube zu sehen. Doch Umwege bringen mich jetzt nicht mehr voran. Der Verkehr ist auch hier in die Sackgasse des Binnenlandes hinein dicht, die Schlucht aber sonst unbebaubar. Nach der Enge öffnet sich das Tal etwas, an den Hängen wachsen die Lichter der Häuser und Straßen steil in die Höhe. Die Verschnaufpause ist nur kurz und es steigt weiter steil an.

Das ersehnte Restaurant lässt erstaunlich lange auf sich warten. Erst nach einigen schweißtreibenden Kehren erreiche ich das auf dieser Passstrecke einzig verbleibende Restaurant (alternativ hätte ich meine Route verlassen müssen, um das geschäftigere La Massana zu erreichen). Immerhin gibt es hier eine angenehme Außenterrasse und selbst nach Mitternacht feiert das jugendliche Volk am Nachbartisch noch weiter, obwohl mir der Wirt schon übermüdet scheint. Zum Campen gibt es kaum eine schwierigere Gegend, denn alles ist bebaut und die Steillage des Hanges bemerkenswert. Am Ortsausgang gäbe es noch eine Art Hotel, aber das dürfte nicht billig sein. Dann finde ich doch noch einen Nobelplatz: direkt an der Kirche von Anyos, unter heiligem Schutz, mit Panoramablick, die Premium-Klasse sozusagen. schmunzel

So 3.7. Anyos - Collada de Beixalis (1795m) - Encamp - Canillo - Coll d'Ordino (1981m) - Ordino - La Massana - Pal - Coll la Botella (2069m) - Port de Cabús (2301m) – Tor
71 km | 8,9 km/h | 7:54 h | 2.020 Hm
W: teils sonnig, meist aber bewölkt, auch mehrfach Regen/Gewitter, nur mittags warm
E: SV
Ü: C wild 0 €

Der Beixalis-Pass gehört sicherlich noch zu den Geheimtipps im andorranischen Bergland. Die Westanfahrt ist voll asphaltiert, noch etwas über die Passhöhe hinaus, im Osten folgt ein Pistenabschnitt, der sowohl von der Vegetation als auch vom Panorama her attraktiver ist als die Westseite. Die Fahrbarkeit der Piste ist immerhin so brauchbar, dass ich mir auch eine Auffahrt mit Reiserad zutrauen würde. Nach stärkeren Regenfällen kann es aber zu ungünstigen Auswaschungen kommen, weil der Untergrund relativ „erdig“ ist. Leider kam ich auch etwas in Regen hinein, die aufkeimende Gewitterneigung verzog sich aber wieder.

Encamp ist anders als La Vella bereits recht beschaulich – zumindest abseits der Hauptverkehrsachse und am Sonntag. Viele Häuser sind im andorranischen Baustil gehalten. Ich suche ein paar Hintergrundinformationen im Tourismusbüro. Mit der Dame komme ich gut ins Gespräch, zunächst in Englisch – als sie erfährt, dass ich Deutscher bin, möchte sie lieber auf Deutsch sprechen. Es ist eines der interessantesten Gespräche auf der Reise. Wir reden über den Straßenanbindung Andorras. Andorra möchte zwei weitere Anbindungen über den Port de Cabús nach Spanien und über den Port de Rat nach Frankreich. Doch weder die Franzosen noch die Spanier haben ein zwingendes Interesse, zeigen sich auffällig reserviert. Dabei geht es auch um die mysteriösen Hintergründe im spanischen Grenzdorf Tor. Wir sprechen aber auch über die Arbeitslosigkeit der Jugend, über die Banken- und Immobilienkrise – und inwieweit sich das auf Andorra auswirkt. Trotz des immer noch augenfälligen Baubooms seien die Zeichen der Krise auch in Andorra deutlich spürbar, meint sie. Nach dem Gespräch ist sie dankbar für das Gespräch, da es mal nicht um rein touristisches Allerlei ging. Ich war auch froh, denn mittlerweile zeigte sich die Sonne – zumindest für eine Passauffahrt. schmunzel

Mein persönlicher Favorit in Sachen Andorra-Pässe ist der Coll d’Ordino geworden. Anders als die anderen gefahrenen Pässe (Envalira, Beixalis, Cabús) bietet der Ordino-Pass eine vielfältige Bergblumenwelt. Dabei werden die beeindruckenden, offenen Kehren auf der Ostseite von traumhaften Panoramablicken begleitet. Auf der Passhöhe liegt eine Wiese mit archaischen Bäumen. Weil die Westseite wesentlich spröder ist (bewaldet, wenig Panorama, blumenarm), sei unbedingt die Ost-West-Querung empfohlen. Mir kommen zahlreiche Rennradler entgegen – Grund: Eine Rennradler-RTF, ein echtes Rennen ist es wohl nicht. Auf der Vorhöhe zum Pass steht ein Verpflegungsauto – man fordert mich gleich auf, zuzugreifen, soviel Ballast auf dem Rad, das sorgt doch für Stirnrunzeln bei der Luff-Fraktion.

Unter den Orten macht insbesondere Ordino einen sympathischen Eindruck, La Massana ist schon ein kleiner Vorhof von La Vella. Die andern Orte sind nur nur kleine Dörfer, bei Xixerella gibt es einen schönen Camping mit einladendem Restaurant, der kleine Laden hat aber keine wirkliche Auswahl. Hier wollte ich eigentlich übernachten, aber mein Plan ist ja mal wieder weit aus dem Takt und ich hinke hinterher. Tor zu erreichen, das schien machbar. Doch aus dunkelsten Wolken fallen Regenschauern, zweimal stehe ich unter, Blitze in der Ferne lassen nichts Gutes ahnen. Ich riskiere aber den Anstieg zum Port de Cabús. Das Wetter hält dann erstaunlicherweise bei nur kleineren Regenphasen doch für die gesamte Auffahrt. Nur ist eine Übernachtung auf der Passhöhe so gut wie ausgeschlossen. Stürmische Böen bei sehr kühler Temperatur, ohne jeden Schutz in einer völlig offen Berghöhe und mit der Gefahr eines schweren Gewitter, das ist mir zu ungemütlich und riskant.

Abwärts bedeutet Dämmerungs- und Dunkelfahrt, denn nun wartet ja noch Schotter. Archaische Baumruinen prägen die Abfahrt. Der Pistenzustand ist insgesamt recht passabel, manchmal blockieren Pferde oder Kühe den Weg, bei Regen kann die Piste stark auswaschen und wohl auch teils verschlammen. Irgendwo an einer flacheren Stelle kommt eine Verzweigung, beide Pisten schauen ähnlich gut oder schlecht aus. Die Wanderkarte gibt keinen Aufschluss über eine Priorität, auf der Straßenkarte kann man bei genauem Hinsehen erkennen, dass nur die linke Variante eingezeichnet ist. Ich entscheide mich also für die linke Variante. Mittlerweile regnet es sich ein, noch dazu soll ich im Dunkeln ein Flussbett durchqueren. Flach genug, um ggf. durchzuradeln, werde ich übermütig. Prompt muss ich mich doch zwischendrin mit dem Fuß abstützen – nasser Schuh, puh – wie soll der bis morgen trocknen?!

Trostlos verlassen wirkt Tor, die meisten Häuser sehen verfallen aus, auch die Kirche zeigt Zeichen von Baufälligkeit. Lediglich ein Haus macht einen bewohnten Eindruck – das könnte auch Bewirtung haben, doch so dunkel jetzt, da vermeide ich doch zu klingeln. Ich esse schließlich meine Vorräte unter einem leicht tropfenden, baufälligen Dach an der Kirche, schiebe meinen Schlafsack in die Ecke, um ohne Zeltaufbau endlich Schlaf zu finden. Okay, das Tropfen geht weiter, auch nicht immer neben den Schlafsack und ruhig Schlafen kann man an einem solchen Ort wohl kaum. Warum genau? – Das erzähle ich im nächsten Kapitel.

Zur Bildergalerie TEIL 5 (folgendes Bild anklicken):



Fortsetzung folgt
von: Bremerin

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 13.12.11 22:21

Moin Moin,
um Deinen Bericht noch besser geniessen zu können werde ich Jürgens Idee aufgreifen und ihn ebenfalls kopieren und ausdrucken, anstatt einem Roten gibts dazu vielleicht einen Port schmunzel (ok falsches Erzeugerland zu diesem Bericht aber trotzdem lecker lach )
Vielen Dank daß Du uns an Deiner Tour teilhaben läßt, ich hab mich schon mehrmals "festgelesen"..

Herzliche Grüße aus Bremen
Nicole
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 14.12.11 22:20

In Antwort auf: Bremerin
anstatt einem Roten gibts dazu vielleicht einen Port schmunzel (ok falsches Erzeugerland zu diesem Bericht aber trotzdem lecker lach )

Hallo Nicole,
ich fürchte, für das nächste Kapitel musst du dir was Stärkeres einschenken - es wird jetzt kriminilogisch.
teuflisch wein

Dank einiger Resturlaubstage jetzt schon ...

TEIL 6 Ein unheimliches Dorf und der Felgenriss: Über das Vall d’Aneu und Vall d’Aran ins Luchon

Die Geschichte von Tor

Das auf 1790 m Meereshöhe gelegene Dorf mit 13 Häusern, einer Kirche und Pfarrhaus lebt heute noch mit einer offenen Kriminalgeschichte. Im Jahre 1995 wurde einer der beiden Platzhirsche – namentlich Sansa – ermordet. Der Mörder konnte bis heute nicht überführt werden. Verdächtige gibt es genügend, etwa eine Gruppe von Hippies, die zeitweise in Diensten des Hofherren lebten, oder Sansas Gegenspieler Palanca im Kampf um das Eigentumsrecht des Berges an dem Ort, oder ein obskures Schmuggelpaar oder oder… Damit ist die blutige Geschichte Tors noch nicht zu Ende erzählt, denn bereits 1980 kamen bei einer Schießerei zwischen Leibwächtern zwei von Palancas Leuten ums Leben. Beim Kampf zwischen Maquisarden und Guardia Civil brannten1944 vier Häuser ab und führte zur Flucht der meisten Familien des Dorfes. Auf mysteriöse Weise ereigneten sich die blutigen Vorfälle alle immer im Juli. Nun war ich ja auch im Juli dort… teuflisch

Der Jounalist Carles Porta hat für das katalanische Fernsehen eine Reportage über diesen Mordfall gemacht. Die wurde mehr zu einer einfühlsamen Studie über Menschen mit verschlossenen Charakteren, die in einer rauen, ziemlich unberührten Bergwelt leben. Nicht zufrieden mit dem Extrakt, den eine Fernsehreportage zulässt, vertiefte Porta seine Recherchen in einem Buch. Ich wusste zwar um die Geschichte und das Buch schon vor der Reise (steht bei quaeldich.de, ein klein wenig fehlerhaft zusammengefasst), habe die Lektüre aber erst im Nachhinein mir in diesem Spätsommer zu Gemüte geführt. Das Buch wirkte auf mich im ersten Moment in der Sprache etwas spröde, doch schätze ich es mittlerweile sehr, weil es ein Beispiel für sehr minuziöse Recherchearbeit ohne einen Anflug von Sensationsgeheiche ist.

Porta versucht sich den abweisenden Dorfbewohnern und den skurrilen Personen, die andernorts mit dem Fall beschäftigt sind, sehr geduldig zu nähern. Am Ende bleiben die Menschen ein Stück weit unnahbar – so wie das Dorf das Geheimnis weiter mit sich herum trägt. Dabei bleibt er immer auf der Ebene der vorhandenen Tatsachen, greift nie zu weit in verführerisch naheliegende Verdächtigungen und Vorverurteilungen. Es ist also auch ein Buch, die die Sorgfalt der journalistischen Arbeit hochhält – ein Buch, das zeigt, wieviel Geduld und Zeit ein gute Arbeit in den Medien braucht, ohne ein „echtes“ Ergebnis – etwas, was im heutigen Fernsehen kaum noch möglich scheint, schaut man mal auf den mittlerweile in alle journalistischen Genres eindringenden Quotenhype – auch in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Die stigmatisierenden Pauschalierungen von Radfahrern als Verkehrsrüpel in einigen Medienbeiträgen der letzten Zeit sind nur Beleg für diese unreflektierte Art des modernen Fastfood-Journalismus. böse

Die Hauptursachen für die Probleme in dem Dorf liegen einerseits in dem Schmuggel, der über die bestehende Piste von/nach Andorra blüht und an dem sich offenbar auch einige Personen in der Justiz und bei der Polizei ein einträgliches, korruptes Nebengeschäft erlauben. Schon der Bau dieser Piste (von Sansa 1967 veranlasst) führte zu Streit im Dorf – und die meisten sagen noch heute, dass das der Beginn des Unfriedens gewesen wäre. So gesehen nimmt es nicht Wunder, dass der Ausbau zu einer durchgehend asphaltierten Straße nach Andorra auch heute noch blockiert wird. Erst 2008 wurde ein erneuter Versuch von Bauarbeiten blockiert. Palanca soll ein totes Pferd vor die Baumaschinen gelegt und damit Ängste wiederbelebt haben, die das Projekt der Asphaltstraße auf ungewisse Zeit verschoben hat.

Der zweite Hauptgrund für die Streitigkeiten liegt in den Eigentumsrechten des Berges. Dieses wurde zeitweilig allen Bürgern des Dorfes zugesprochen, aber auch immer wieder von Einzelnen beansprucht. Kurz vor Sansas Tod hatte dieser das Alleineigentumsrecht erwirkt. Mittlerweile hat ein Gericht dies Urteil wieder rückgängig gemacht. Ungeachtet dessen nahmen sich aber auch die Platzhirsche des Dorfes exklusive Nutzungsrechte heraus, die juristisch nicht gegeben waren. Diese Machtspiel äußerte sich häufig in Blockaden der Piste (Räumgeräte lahm gelegt, Baumstämme quergelegt). Eine Folge des Streites sind auch die beiden Pisten, die ich bei der Verzweigung gesehen habe. Der eine Weg ist „Palancas Weg“ (auch mein Weg gewesen) und der andere „Sansas Weg“.

Die Eigentumsrechte sind aber kein Selbstzweck, sondern wiederum Hintergrund für die Nutzungsrechte in der Zukunft. Und da sind in der Region, wie bereits auf andorranischer Seite des Port de Cabús kräftig gebaut, Skianlagen geplant. Die Spieler im Hintergrund sind weniger echte Andorraner, sondern mehr Spanier und Engländer, die in Andorra leben – also eine durchaus internationale Verflechtung, bei der Natur- und Heimatschutz nicht gerade die größte Rolle spielt. Man könnte geradezu das Verschrobene und Störrische der Bewohner Tors belobigen, wenn es dem weiteren kommerziellen Ausverkauf in diesem Teil der Pyrenäen Einhalt gebietet. Anderseits würde ich als Radler ja eine durchgehende Straße sehr wohl begrüßen.

Wer mehr lesen möchte: Carles Porta (vollst.: Carles Porta i Gaset) „Tor. Das Verfluchte Dorf“, Berliner Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-8333-0574-0 (9,90 €, ggf. nicht mehr lieferbar, dann gebraucht über Internet versuchen).

Mo 4.7. Tor - Alins - Llavorsi - Esterri d'Aneu - Alòs d'Isil - Puerto de Beret (1860m) - Baqueira – Salardú
100 km | 12,1 km/h | 8:10 h | 1.215 Hm
W: morgens & abends sonnig, sonst bewölkt, mehrfach leichter Regen, abends kalt
E: Kartoffelauflauf, Rw, gebr. Apfel, Cafe 18,30 €
Ü: H Rifugio C.E.C. 15 € (ähnlich JH, inkl. Cafe)

Hätte ich das Buch vorher gelesen, hätte ich wohl bei Sisquetas Haus geklingelt, denn es heißt da, dass sie jedem ein gutes Mahl bereitet, der bei ihr klingelt. Einem nass tropfenden Radler, der sich im Juli in dunkler Nacht in diesen Ort wagt, hätte sie es wohl erst recht nicht versagt – vielleicht auch ein Bett angeboten. Doch der Morgen lässt hoffen, denn nach dem Abdampfen der Regenfeuchte glitzert und leuchtet der nunmehr asphaltierte Teil nach Alins in vielen Farben. Die Schlucht ist allerdings sehr eng und deswegen auch noch teils lange schattig. Müsste ich den Port de Cabús zwischen Erts und Tor bewerten, so fiele das Urteil nicht so umwerfend aus. Es ist überwiegend grasgrüne, typische offen Pyrenäenbergwelt, aber eher blumenarm – keine felsigen Highlights oder Wasserfälle. Ganz anders dieser untere Teil nach Alins mit kleinem Zwischenanstieg nach einer Brücke – es ist eine berauschend abwechslungsreiche Fahrt durch hautnah voll sprühende Natur – purer Genuss!

Bescheidener ist das Vall Ferrera ab Alins, kleines Dorf mit grundlegenden touristischen Einrichtungen mit 2 (?) Hotels und einem Camping, allerdings für Selbstversorger nur dürftiges Angebot. Die Strecke zwische Llavorsi und Esterri d’Aneu überschneidet sich mit meiner 2004er-Tour und ist unter Reiseradlern als Teil der Route über den recht beliebten Port de la Bonaigua ebenso vertraut wie Pyrenäen-Wanderern, die hier über Espot eine der bekanntesten Wanderstützpunkte in die Pyrenäen finden mit dem Nationalpark Aigüestortes.

Eine recht selten vermerkte Alternative zum Bonaigua bietet der Puerto de Beret, sofern man mit einer weitgehend gut fahrbaren Piste auch ohne Asphalt auskommt. Diese Route ist keine typische Passroute. Es ist eine sehr langer Weg um ein Bergmassiv herum, davon ist ein Gutteil ziemlich flach. Noch über Alós d’Isil hinaus reicht der Aspahlt, immer auf Höhe des Bergflusses. Bei einem Parkplatz mit (geschlossener) Hütte und einem Wasserfall endet der Asphalt und die allgemeine Verkehrserlaubnis. Mit Fahrrad darf man aber weiter. Auch nun dauert es noch eine Weile bis man zum ersten steilen Anstieg gelangt. Kurz vor dem Anstieg findet sich auch wieder eine Mahntafel für die Flüchtenden der Resistance aus Spanien wie Frankreich. Mit einem steilen Anstieg ist aber dieser Pass nicht abgeschlossen. Es folgt ein unerwartetes, extrem kräftezehrendes wie langwieriges Auf und Ab, ohne dass man eine Vorstellung hat, wann der Pass erreicht ist. So von mir deutlich in der Länge unterschätzt, wird es schon bei der Auffahrt dunkel. Die Passhöhe kann ich nur erahnen, weil es eine vollkommen offene Fläche mit Skiareal ist und der Hochpunkt auf der nunmehr wieder asphaltierten Straße liegt. Unmerklich neigt sich die Straße nach unten, bis sie dann alsbald flott in Kehren zu Tal stürzt. Finger fast tot, Nacken wie ein Eisblock. traurig

Di 5.7. Salardú - Arties - Vielha - Bossòst - Melles - Col d'Artigascou (1351m) - Ger de Boutx – Col de la Clin (1245m) - Col de Menté (1349m) - St-Beat
80 km | 12,5 km/h | 6:18 h | 1.425 Hm
W: sonnig, aber nicht so heiß
E: Rw, Entenfilet, Salat, Käseomelett, Crêpes, Cafe 22 €
Ü: C Municipal 0 €

Gab es am Vortag nur eine kurze Sonnenphase mit Dunst, so herrscht heute Kaiserwetter. Damit entfaltet das Vall d’Aran seine ganze Schönheit samt den schneebedeckten Berge am Horizont. Im Vall d’Aran finden sich malerische Orte mit regionaler Bauweise und die Küche genießt eine guten Ruf. Der Touristische Andrang ist daher auch recht groß, zumal auch Aktivurlauber hier gerne ihre Zelte aufstellen (Wandern, Mountainbiken, Rafting, Paragliding usw.).

Noch kommerziell umkämpft ist das grenznahe Städtchen Bossòst auf spanischer Seite, mit dem Abzweig zum Col d’Artigascou taucht man aber in idyllische Abgeschiedenheit ein. Bereits die ersten Kilometer nach Melles sind harte Pedalarbeit. „Wäre ein wunderbarer Ort, um einen Roman zu schreiben“, denke ich. Sagenhaftes Panorama, ein paar Hühner, ein plätschernder Brunnen, ein paar schmucke Häuschen, ein Restaurant, Gîte und Hotel, Blumen, auch ein botanischer Garten und danach wieder Natur pur. Es beginnt eine Fahrt durch ein Meer aus grünem Farn. Immer wieder Bergpanorama, weiße Gipfel irgendwo fern. Der heftige Anstieg geht auch im oberen Teil weiter, wo die Asphaltdecke sehr brüchig und lückenhaft wird. Für Rennradler schon etwas kritisch. Nach der Passhöhe (Farne, Farne) folgt alsbald eine Verzweigung. Linke Hand geht es etwas bergauf, die Piste scheint akzeptabel – sie führt direkt als Höhenstraße zum Col de Menté. Rechte Hand hinunter, zunächst ähnlich. Dann aber taucht man in dunklen Nadelwald, irgendwie Schwarzwald, und die Piste (route forestière) entwickelt sich äußerst miserabel – entgegen der Kartenmarkierung nicht asphaltiert! Irgendwo gibt es dann erste Blicke in ein tatsächlich auch durch die Häuser anmutendes Schwarzwaldtal und die Straße hat endlich wieder ersehnten Asphalt.

Der mit aalglatten, mustergültigen Kehren ausstaffierte Col de Menté (Restaurant auf Passhöhe) wäre kaum der Erwähnung wert, wenn mich dort nicht auf der Abfahrt ein ungutes Gefühl beschleicht. Ich verspüre beim Bremsen ein deutliches Ruckeln – das kann nur die Warnstufe der Hinterradfelge sein. Der eingangs beschriebene Defekt wird dann noch den folgenden Tag prägen und zu einem Umweg führen, den ich durch weitere Streckenstreichungen wieder kompensieren muss.

Mi 6.7. St-Beat - Marignac - Bagnères-de-Luchon - Cascade Montauban-de-Luchon - Cierp-Gaud - Siradan - Mauléon-Barousse - Refuge de Saubette
69 km | 11,7 km/h | 5:49 h | 965 Hm
W: morgens sonnig, danach bewölkt, Berg in Wolke, leichter Regen, kühl
E: SV
Ü: C wild 0 €

Die ungeplante Route nach Bagnères-de-Luchon ist doch erfreulich schön zu fahren. Man hat eine teils dichte Talbewaldung, und später lange die hohen Berge im Süden von Luchon im Blick. Für die Einfahrt nach Luchon wechselt man am besten bei Salles-et-Pratvie auf die Nebenstraße, weil weniger Verkehr. Das Radoriginal Miguel liegt dann auch gleich noch vor der Einkaufszone in Einfahrtsbereich von Bagnères. Wenn schon mal dort ist, nehme ich bei der Ausfahrt auf der Ostseite den Wasserfall in Montauban-de-Luchon mit. Ist praktisch direkt anfahrbar per kurzer Stichstraße.

In Esténos befinde ich mich wieder auf meiner geplanten Strecke, aber es ist nicht nur spät geworden, sondern auch kalt und nieselig. Dazu quält mich noch Müdigkeit. Schlechte Voraussetzungen, um den nächsten Pass noch zu bezwingen. Zunächst kommt ein Zwischenhügel, der mir scheinbar die letzten Körner raubt (nicht so steil, aber meine Physis ist im Keller). Mauléon-Barousse ist ein romantisches Dorf mit einem Schlösschen aus dem 11. Jahrhundert. Irgendwie weigere ich mich, die Aussichten des Tages realistisch einzuschätzen. Der Berg liegt in dichten Wolken – das wird nass werden. Und dann: Wo übernachten? Die Vorräte würden immerhin reichen für ein Essen in der Wildnis. So quäle ich mich über den teils gut bewaldeten, recht anspruchsvollen Aufstieg zum Col de Balès. Irgendwann meine ich, ich müsste jetzt vom Rad absteigen und das Zelt gleich neben die Straße im Regen aufstellen. Oder mich hinlegen und sterben. traurig

Doch manchmal kommt es unerwartet. Ich sehe nach der nächsten Kehre durch die Wolke hindurch eine unbewirtete Wanderhütte, großer Tisch, ein paar Stühle, Schlafebene auch im oberen Gebälk. Eine etwas seltsame Außentoilette ohne Wasser, die man nur sehr umständlich erreicht. Das Fahrrad muss ich ohne Taschen über eine Absperrung heben. Nicht sehr einladend, aber gut genug, um das Essen aufzutischen. Den Schlafsack lege ich mit Unterlage auf den Boden. Es ist kalt und ungemütlich, kein Licht außer Stirnlampe, kein Regung von Leben, nur Stille, notdürftig satt, aber kein Wein traurig – und doch: immerhin trocken. Also doch glücklich, ich werde bescheiden. schmunzel

Zur Bildergalerie TEIL 6 (folgendes Bild anklicken):



Fortsetzung folgt
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 15.12.11 23:36

Jeder Schritt ist ein Fortschritt, auch ...

TEIL 7 Wetterkontraste in Wolken, Sonne und Sturm: Hautes-Pyrénées auf Nebenrouten mit Tunnelausgang

Do 7.7. Refuge de Saubette - Port de Balès (1755m) - St-Aventin - Portet-de-Luchon - Col de Peyresourde (1569m) - Loudienvielle - Col d'Azet (1578m) - Camparan - Col de Lancon (1120m) - Bordères-Louron – Arreau
W: wolkig, kühl, teils in Wolke mit leichtem Regen
85 km | 11,7 km/h | 7:10 h | 2.155 Hm
E: Rw, Salat m. Entenleber, Kalbschnitzel m. Sauce, Kart.torte, Gem., Crêpes Chocolat, Cafe 27,60 €
Ü: C Municipal 0 €

Am Morgen ist die Wolke immer noch da. Viel zu sehen habe ich also nicht am Col de Balès. Als Ausgleich suche ich die Motive im Nahbereich und ich sehe, auch die Welt der Tropfen hat ihren Reiz und ist ein Kosmos für sich. Während die Nordseite des Col de Balès sehr vegetationsreich ist mit Bäumen, Farnen und Blumen, so zeigt die Südseite das typische grüngrasige Pyrenäengesicht. Die Wolken sind zwar leicht emporgestiegen, doch ist das nur ein Intermezzo an diesem Tag, der immerhin den Col de Peyresourde in freier Sich lässt. Das habe ich auch bereits in anderer Erinnerung. Für die klassischen Grands-Cols-Fahrer: Man kann den Peyresourde teils auch in einer Variante zur Hauptstrecke D 618 fahren. Dazu im Ort Garin rechte Hand abzweigen. Diese Route ist abwechslungsreicher und natürlich auch verkehrsärmer – allerdings etwas ungleichmäßiger in den Steigungen. Für die großen imposanten Kehren mündet man ohnehin wieder auf die D 618.

Auf der völlig offenen Passstraße gelangt man schnell nach Arreau – es gibt jedoch auch auf der Nordwestseite Umwege, die sich lohnen. Unten im Louron-Tal liegt ein kleiner See, heute Erholungszentrum samt modernem Badetempel. Es gibt einen Seeuferweg, aber auch eine Straße etwas oberhalb, die nach Loudienville führt. Am Fuße des Col d’Azet liegt etwas erhoben ein Burgruine aus dem 13. Jh. und bei der Passauffahrt hat man noch mehrfach den Blick hinunter auf See und Burg. Aber auch hier sorgt das atlantische Wolkengeflecht im oberen Bereich des Passes für trübe Aussichten – besser gesagt für ein Nirwana aus maximal 50 Meter Sichtweite. traurig

Die Abfahrt über Azet nach Sailhan ist schon fast die gesamte Fahrt ins Tal, nur wenige Höhenmeter rettet man für den nächsten Anstieg. Die Route nach Lancon ist aber mehr eine Mischung aus Anstiegen und Halbhöhenstraße, teils im Wald, teils mit netten Dörfchen wie Camparan. Der letzte Hochpunkt liegt etwas nach Lancon, dann folgen Weidewiesen und auch Nadelwald. Im Louron-Tal ist es zunächst noch trocken, in Arreau aber dann doch deutlich regnerisch. Bevor ich mir die Wahl zwischen Camping oder Hotel überlege, erst mal essen. Das Menü war sehr lecker und gleich dort waren auch ein deutsches Radlerpaar, ein zwei Motorradkumpel (gar aus der Stuttgarter Gegend).

Fr 8.7. Arreau - Beyrède - via RF - Col de Beyrède (1417m) - Espiadet - Hourquette d'Ancizan (1538m) - Guchen - Vielle-Aure – Soulan
62 km | 9,6 km/h | 6:24 h | 1.920 Hm
W: weitgehend sonnig, aber eher kühl
E: SV
Ü: C wild 0 €

Dem trostlosen Vortag sollte etwas Besseres folgen können: Sonne satt für herrliche Pässe heute. Der Col de Beyrede stellt sich auf der Karte als wildes Geflechten von mehreren Zufahrten dar. Probieren geht also über Studieren. Bereits nach Beyrede-Jumet gibt es zwei Zufahrten, von denen nur eine auf der Michelin-Karte zu sehen ist. Also fahre ich sicherheitshalber die zweite Abfahrt hoch. Nördlich vom Ort befindet sich eine verschlungen Auffahrt durch ein dicht wuchernderndes Tal, in das man zunächst wieder ein wenig runterfährt. Danach kräftiger Anstieg. Es folgt eine Kreuzung, und eine Straße führt weiter nach oben, ist etwas breiter als zuvor – aber die Straße ist laut Schild nach einigen hundert Metern gesperrt. In den Bergen muss man so was auch als Radler ernst nehmen.

Ich nehme also die Route, die leicht nach unten führt, sehr breit und gut gebaut. Es geht schließlich fast bis Beyrede-Jumet zurück. Dies ist also der zweite – oder eigentlich der Hauptzugang zum Pass. Es gibt aber hier leicht oberhalb des Ortes nebst tollem Ausblick eine weitere Verzweigung. Dies ist eine route forestière – ebenfalls asphaltiert ausgewiesen. Ich fahre also hier hoch. Doch die Route entwickelt sich zur Piste – immer wieder zwar aufgelöste Asphaltreste, aber auch richtiger Schotter- und Waldboden. Zwar kann man das auch fahren, aber es kostet doch einige Energie und Zeit – zumal ich das nicht einkalkuliert hatte. Einige Passagen sind flacher, andere wieder sehr steil. Die Natur entschädigt aber für die kleine Quälerei: Sprießendes Wasser aus allen Felsen, Schmetterlinge in Hülle und Fülle, liebliche Blume ranken bis fast in die Nase, wild entwurzelte Bäume geben den Anstrich eines Urwalds und durch die Taunässe ist jedes Kleeblatt ein Juwel aus der Brillantenschatulle.

So ärgert es mich auch nicht, als ich auf der Passhöhe sehen muss, wie zwei Autos über die angeblich gesperrte Straße nach oben kommen – also doch frei. Ein hübscher Gasthof steht hier auch für Übernachtungen, die Passhöhe ist teils sumpfig, eine Art Hochmoor, wo sich Libellen und Schmetterlinge wohl fühlen. Rasante Abfahrt durch enges Waldtal, eher unspektakulär nach Espiadet. Dort gibt es eine Art Markt in der offenen Berglandschaft des Aspin-Passes – diverse mobile Stände mit Käse, Wurst, Konservenspezialitäten, Schokokuchen, feinste Nougatvariationen etwa mit Heidelbeeren usw. In einer festen Baracke mit Souvenirs finde ich die kunstvollen Karten mit der Quilling-Technik (vgl. Prolog).

Nur wenig weiter in Richtung Hourquette d’Ancizan liegt ein See mit Ferienanlage, es herrscht aber Badeverbot – irgendwie widersinnig. Hingegen sammeln sich zwischen dem lockerem Baumbewuchs auf weichen Grasböden zahlreiche Picknickfreunde am Bergfluss. Eigentlich dachte ich, dass es sich um einen Nischenpass handelt, aber hier ist mindestens soviel Betrieb wie am Aspin. Auch zahlreiche Rennradler sind unterwegs. Weiter oben nur offene grüne Bergwiesen, die wunderbar in der Sonne leuchten. Es gibt eine kleine Zwischenabfahrt. Am Pass ist das Panorama noch mal verstärkt mit dem mächtigen L’Arbizon im Hintergrund. Das Talpanorama auf der Abfahrtsseite ist eingeschränkt durch viel Waldbewuchs.

Der weitere Verlauf war etwas ungewiss. Auf jeden Fall wollte ich eine Stichstraße auf die Berghöhen fahren – entweder Lac d’Aumar oder den Col de Portet. Insgeheim spekulierte ich auf eine passable Durchfahrt vom Portet zum Lac del’Oule und letztlich damit auch zum Lac d’Aumar. Da ich kein Restaurant mehr aufwärts erwarte, kaufe ich ein. Die Straße ist steil und in Soulan finde ich einen Brunnen, der sich zum Diner eignet. Ein Rennradler, der hier wieder umkehrt, um noch vor Dunkelheit wieder im Tal zurück zu sein, bestärkt mein Vorhaben der Durchfahrt über den Lac de l’Oule. Der Schlafplatz ist in dem steilen Gelände mal wieder ungewöhnlich – überdachter Abstellplatz für Trecker und Baugeräte.

Sa 9.7. Soulan - Col de Portet (2215m) - Barrage de Lac d'Oule/Cascade de Couplan - Fabian - Port de Bielsa (1821m, Tunnel) - Bielsa - Salinas de Sin – Plan
76 km | 9,7 km/h | 7:50 h | 1.810 Hm
W: teils sonnig, teils bewölkt, windig, Sturmböen auf dem Col de Portet, wam in Spanien
E: Spaghetti m. Calamares, Venusmuscheln, Hirschgulasch, Kart., Rw, Himbeercrème, Cafe 13,70 €
Ü: C wild 0 €

Entgegen von Vorinformationen ist der Col de Portet doch zu einem Teil Piste – aber eine sehr gut festgewalzte. Unerwartet sind auch ein paar Gasthäuser, die sich noch oberhalb von Soulan und kurz nach dem Abzweig zu der hässlichen Skicity auf der Strecke finden. Die Landschaft ist ganz offen, das Auge gleitet heute über die tief im Tal gefangenen Wolken. Bei den Sturmböen auf dem Col de Portet muss man alles gut verpacken, was irgendwie wegfliegen kann – also auch die Mütze. Der Wanderweg, der halbhoch in einem weiten Bogen zum See führt, erweist sich als ungeeignet – teils zu steil, teils zu eng gespurt. Es gibt aber noch eine Schotterpiste, die zunehmen übler wird und direkt zum Lac de l’Oule führt (direkt zur Staumauer). Möglicherweise ist es nur eine gut ausgebaute Skipiste. Jedenfalls muss ich weitgehend runterschieben – allerdings ist der Weg nicht sehr lang. Die seltsam geformten Bäume, das See- und Bergpanorama, Bergblumen auf von Wasser getränkten Wiesen erinnern und das leicht düstere Blau des Sees erinnern an eine Art Urlandschaft. Auch die Murmeltiere zeigen Lebensfreude.

Direkt bei der Staumauer und der bewirteten Hütte gibt es einen imposanten Wasserfall. Der Rest bis zur D 929 ist eine Piste, die man relativ gut runterfahren kann – immerhin wird sie als Zubringer von dem Hüttenbetreiber genutzt. In dem mediterran anmutenden Kiefernwald finden sich viele Eidechsen. Auf der Straße ist das Tal noch enger, der rauschende Bergfluss und mehrere Wasserfälle begleiten die Talfahrt, in einigen Felsnischen verstecken sich Wasserlilien auf kleinsten, gewässerten Wiesen. Mit dem Erreichen der D 118 in Fabian nimmt der Verkehr zu, das Tal weitet sich etwas, Bergweiden wölben sich empor. Die Auffahrt zum Tunel de Bielsa ist ziemlich anspruchsvoll und nach den Kehren hat man an einer eher ungemütlichen Geraden zu knappern. Die Bergwelt ist von alpinen Geröllhängen geprägt, ich fühle mit an die Nordseiten von Gotthard oder Umbrail-Pass erinnert.

Ob die Tunnelfahrt mit dem Velo erlaubt ist, geht aus den Beiträgen im Internet nicht klar hervor. Es gibt zumindest kein Verbotsschild. Durch eine Baustelle wurde der Verkehr mittels Ampel blockweise abgefertigt. Da es leicht bergab geht, ist es kein Problem, in der Grünphase in der Nord-Süd-Richtung den Tunnelausgang zu erreichen. Bergauf wäre es wohl nicht möglich. Von den wartenden Autos auf der anderen Seite erhebt sich Applaus. Ich weiß jetzt nicht, ob es für die Tunneldurchfahrt sein sollte oder für den Berg vorher aufwärts.

Mit der spanischen Seite beginnt ein wärmeres Klima, es ist trockener und die Berge wirken protziger mit stumpfen Gipfel und teils senkrechten Felswänden. In Bielsa stößt man auf das Valle de Pineta – eine beliebtes Stichtal, dem angemessen hier der Ort ein kleines touristisches Zentrum bildet. Ich fahre aber weiter, um den Basispunkt für den nächsten Pass noch zu erreichen. Auf der Strecke nach Plan werden die Berge eigenwilliger, es gibt einige Tunnelfelsen. Überraschend folgt noch Landschaftswechsel mit einem Feuchtbiotop an einem Stausee kurz vor Plan. Für die Nacht schlage bereits auf die Piste zum Puerto de Sahún ein (nicht ausgeschildert, lässt sich aber erahnen), nachdem ich vorher ordentlich in Plan gespeist hatte.

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Fortsetzung folgt
von: trike-biker

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 16.12.11 11:11

Hallo Matthias,

Klasse Bericht wie immer von dir, ebenso die Bilder.


Klaus
von: kettenraucher

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 16.12.11 13:30

Zitat:
Klasse Bericht wie immer von dir, ebenso die Bilder.


Stimmt.

cool

Aber der Text ist viel mehr als nur ein Bericht, er ist zumindest ein ganz toller Radreiseführer, routiniert geschrieben und mit viel Kompetenz und Erfahrung.

Ich find` s hinreißend … macht ganz schön Appetit … ojeh traurig
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 16.12.11 21:02

Nun denn der kritischste Teil meiner Reise...

TEIL 8 Ist meine Radtour beendet? Wer klaut meine Schuhe? – Die gemein(sam)e Verschwörung der spanischen Polizei und Füchse: Von Aragonien zurück in die Serra del Cadí

So 10.7. Plan - Collado Cozairon (1797m) - Cerro Marradetas (2018m) - Puerto de Sahún (1989m) - Chia - Castejón de Sos - Collada de Fadas (1470m) - Collado de Espina (1407m) - Pont de Suert - Viu de Llevata (1230m) - Coll de Creu de Perves (1335m) – Senterada
100 km | 11,7 km/h | 8:26 h | 1.850 Hm
W: sonnig,recht warm, aber nicht zu heiß
E (Camping-R.): Hähnchen, PF, Salat, Schokotorte, Rw, Cafe 21,10 €
Ü: C Senterada 10 €

Der Puerto de Sahún bildet eine (etwas kürzere) Pistenalternative zur Asphaltroute, die von Bielsa über Ainsa und den Collada de Foradada nach Castejón de Sos führt. Die Strecke wird auch von wenigen Autos befahren und bildet mit einer Abzweigung etwa auf halber Höhe der Auffahrt eine weitere Verbindung zum Rio Ésera (nach Seira, über Barbaruéns). Der Pass liegt zwar knapp unter 2000 m, aber der höchste Punkt liegt in Sichtweite kurz vorher auf über 2000 m. Überraschend ist dieser eher flache Bereich mit Betonplatten befestigt. Die oberen Pistenbereich sind auf beiden Seiten angenehmer zu fahren, in den mittleren oder unteren Bereichen ist der Pistenzustand schlechter. Zwar hat die Piste ausreichend Härte, aber es gibt doch viel Schotter, auf dem ich immer wieder herumgerutscht bin. Insbesondere die Abfahrt war dabei langwieriger als geplant (wechselndes Gefälle). Es gibt auch Rennradler, die hoch fahren, die meisten haben aber Crossreifen aufgezogen – alles andere ist Leichtsinn.

Landschaftlich sind beide Seiten grundverschieden. Die Westseite ist relativ schattig und bietet vergleichsweise wenig Panorama. Zwischendrin gibt es Wiesen mit Steinblöcken und mit Wasserlilien sowie einen Brunnen, bei dem man eine weiten Ausblick nach Süden hat. Ab dem höchsten Punkt überwiegt offene Berglandschaft, Weideland für Kühe, Ziegen und Schafe. An der Passhöhe gibt es informative Tafel zu den Bergen, die man hier im Blick hat. Nach Nordost schaut man ins Valle de Benasque mit dem vergletscherten Maladeta-Massiv, das der höchste Gipfel der gesamten Pyrenäen krönt, der Aneto (3408 m). Das Panorama bleibt auf der Abfahrt erhalten. Dazu kommen sensationelle Bergteppiche aus niedrigen Ginsterbüschen, die weite Teile des Osthanges in nicht nur leuchtendes, sondern auch duftendes Gelb tauchen. Von weitem betrachtet wie etwa von der folgenden Auffahrt zum Collada de Fadas glaubt man einen Schwefelberg zu sehen. Damit übertrifft der Puerto de Sahún mein bisher imposantestes Ginstererlebnis vom Coll de Canto (La Seu – Sort) noch mal deutlich – einfach sensationell!

Ich hatte abends ein paar Italiener im Restaurant kennengelernt, die auch mit Reiserädern über den Pass fahren wollten (leichteres Gepäck). Zwei von ihnen holten mich irgendwo bei der Auffahrt ein und meinten, ich wäre wohl sehr früh losgefahren. Eigentlich hatte ich sie weiter unten erwartet, aber ein Italiener ist halt kein Frühaufsteher. lach Ich war sehr langsam unterwegs, wegen des Schotter, aber auch wegen der Fotos. Zunächst dachte ich, sie fahren mir davon, dann konnte ich aber doch wegen der besser werdenden Piste bis zur Passhöhe mithalten. Ein weiterer Kumpel lag noch zurück, auf den die beiden dann oben warteten. Auf der Abfahrt haben sie mich auch noch mal eingeholt – die sind da ziemlich brutal runter gebrettert. Irgendwo machten sie dann aber doch eine wohl längere Pause, sodass ich sie dann jenseits von Chia nicht mehr gesehen habe. Sie hatten auch noch einen Hund dabei – das war aber nicht ihrer, sondern ein Hund des Dorfes, der ausdauernd bis zur Passhöhe mitgelaufen ist.

Castejón de Sos bietet bessere Versorgungsmöglichkeit als das Bergdorf Chia. Castjeón war 1997 Austragungsort einer WM für Paraglider und nicht nur deswegen ist die Region ein Hochburg für diesen Fliegersport. Der Collada de Fadas hat ein paar Ähnlichkeiten zum Sahún-Pass, kann aber mit dessen Üppigkeit nicht annähernd mithalten. Das Maladeta-Massiv wirkt von hier aus aber noch imposanter. Den Espina-Pass erreicht man über eine eher trockene Weidehochebene. Einige ungewöhnliche Felsen sieht man in Richtung Vall del Noguera. Hier führt meine Route kurz über die sehr stark befahrene N 230 – die Verbindung aus dem Vall d’Aran durch den Vielha-Tunnel nach Lleida im Süden. Die Attraktion von El Pont de Suert ist ein Ei grins genauer gesagt ein Ei, das eine Kirche ist. Es handelt sich um eine kurioses Bauwerk aus dem Jahre 1955 der Baumeister Torroja und Rodriguez Mijares.

Schöne Blicke auf den Stausee Escale erhascht man auch noch von der Straße zum Coll de Creu de Perves. Mit seiner teils Espen-gesäumten Schlucht auf der Westseite, den Kehren und Tunnelfelsen und der mittelalterlichen Burgruine in dem malerischen, auf einer Zwischenhöhe gelegenen Dorf Viu de Llevata ist auch dieser Pass eine Empfehlung. Der Camping mit Pool liegt sehr erholsam ruhig ortsausgangs von Senterada ins Vall Fossa hinein.


Mo 11.7. Senterada - Alt de Montcortès (1112m) - Gerri de la Sal - Congost de Collegats - La Pobla de Segur - Tremp - Isona - Coll de Faidella (1250m)
87 km | 12,1 km/h | 7:08 h | 1.210 Hm
W: sonnig, heiß, auch windig
E: SV
Ü: C wild 0 €

Das untere Vall Fossa kann man mit seinen Pferdewiesen, Feldern und Hainen als verträumt hübsch beschreiben. Schlicht spektakulär sind aber die roten Felsen auf der Auffahrt nach Montcortès, in denen man Figuren zu erkennen glaubt oder die schlicht durch das Farbspiel am Morgen imponieren. Auf der Passhöhe bietet ein See eine stille Oase zum Verweilen.

Schon auf der Abfahrt nach Gerri de la Sal prägen riesige Felswände das Tal, das nach Süden geradezu verschlossen scheint. Gerri de la Sal war einst eine bedeutende Salzstadt. Aus dieser Zeit stammen Wachtürme, die damals dem Schutz des weißen Goldes dienten, als das schlichte Natriumchlorid noch wertvoll war. Die Salzquelle und ein paar symbolische Salinen bestehen auch heute noch. Reichtum ist heute nicht mehr zu finden – das bescheidene Angebot in den Lebensmittelgeschäftchen zeugt eher vom Absterben des Ortes.

Es wäre zu schön, dass nun ungebrochen weitere Naturwunder folgen. Doch stand ich wenig weiter am frühen Mittag kurz vor dem Abbruch der Reise. Und das wäre einem gelangweilten Polizisten zu verdanken gewesen, böse dessen Zugriff auf mein Rad ich zum Glück letztlich unter Vorspiegelung falscher Absichten entkommen konnte. Diese Lappalie um die ebenso unsinnige wie widersprüchliche spanischen Helmpflicht habe ich ja eingangs schon besprochen. Nicht ahnen konnte ich noch, dass bereits in der kommenden Nacht die katalanischen Füchse gemeinsame Sache mit Polizei machen wollten, um mich an der Weiterreise zu hindern. böse grins verärgert weinend Wie aus dem Prolog bekannt, überstand ich aber beide Krisen. schmunzel

Die Congost de Collegats ist eine bizarre Felsschlucht aus Kalkgestein, die in aufregenden Farbmustern aus dunkeln und hellen Grau- sowie Rost- und Ockertönen gepinselt ist. Unweigerlich wirken einige Plateaus mit den senkrechten Abbruchkanten wie eine Wildwest-Landschaft. Die Felsen sollen Gaudí zum Bau der Sagrada Familia in Barcelona inspiriert haben. Die Straße führt durch einen Tunnel, dessen Durchfahrt per Velo offiziell verboten ist. Bei solcher Traumkulisse auf dem Umgehungsweg (asphaltiert) verzichtet man allerdings gerne auf eine Dunkelfahrt.

Von der dicht befahrenen Straße zwischen den beiden geschäftigen Städten La Pobla und Tremp kann man immer wieder mal de Stausee Sant Antoni sehen – allerdings liegt meistens die Bahnlinie dazwischen und der See ist nur an wenigen Stellen zugänglich. Weiter im offenen Feld- und Wiesenland setzt mir die große Hitze zu, ein spärlicher Flusslauf bietet kaum Abkühlung. Erst am frühen Abend liefert der Brunnen von Isona die dringend ersehnte Erfrischung. Nach Isona führen mittlerweile zwei Straßen, ausgeschildert ist die neue Umgehungsstrecke, die ich leider nahm – besser wäre die Route über Conques gewesen weil abwechslungsreicher.

Mir bestätigen zwei entgegen kommende Reiseradler (Niederländer), dass die nächste Verpflegung erst in Coll de Nargó möglich ist (sie haben dort in einem Hotel übernachtet) – also 40 km Einsamkeit. So lege ich mir eine Notration zu und plane die Irgendwo-in-den-Bergen-Übernachtung. Ich wäre sicherlich noch ein Stück weitergekommen als bis zum Coll de Faidella, wenn ich mich nicht einer längeren Beobachtung der Geier bei der Passauffahrt gewidmet hätte. Zu beiden Talseiten krächzte je eine gesellige Geierkolonie und immer wieder wechselten einzelne Vögel offenbar in freundlicher Absicht die Seiten. Leider kam ich nicht nah genug heran, um vernünftige Fotos schießen zu können, zumal die Dämmerung bald einsetzte. Trotzdem war es ein eindrückliches Naturerlebnis.

Di 12.7. Coll de Faidella - Boixols - Coll de Bóixols (1380m) - Coll de Nargó - Alinya - Collet de Bas (?m) - Col de Boix (1320m) - Oden - Cambrils - Coll de Jou (1480m) - Sant Llorenç de Morunys - Coll de la Mina/Coll de Jouet (1240m) – Berga
119 km | 13,7 km/h | 8:26 h | 1.875 Hm
W: schwül heiß, mehr Wolken als Sonne, starkes Gewitter abends und in der Nacht
E (ind. Rest.): Überbackene Vorspeisen m. Saucen, Lammcurry, Reis, Früchte m. Eis, Cafe 28 €
Ü: C wild 0 €

Der Tag begann mit einem tiefen Aufatmen, nachdem ich den zweiten Radschuh wiederfand. Wie schon der Faidella ist auch der folgende Bóixols-Pass keine große Herausforderung. Das kleine Dorf Bóixols liegt in einer kleinen Mulde zwischen den Bergen, hat aber keinerlei Infrastruktur. Auf der Ostseite des Coll de Bóixols gelangt man unten in eine nicht allzu stark ausgeprägte Schlucht.

Nach dem beschaulichen Coll de Nargó beginnt wieder lange Einsamkeit – bis zum nächsten Verpflegungsort Sant Llorenç de Morunys sind es immerhin über 50 km. Direkt auf der Strecke gibt es noch in Alinyá ein Restaurant, das ist aber noch im flachen Teil und nicht weit von Coll de Nargó. Bis zum Coll de Jou (schon wieder dieser Name, aber wieder ein anderer Pass!) gibt es mehrere Auf und Abs, allerdings geht es nie tief in ein Tal, mit dem Anstieg nach Alinya erreicht man eine gewisse Grundhöhe. Trotzdem gibt es auch an folgenden Anstiegen noch schwierige Passagen, ohne aber dass ich die Strecke als wirklich schwer bezeichnen würde. Etwas östlich von Oden findet sich ein Brunnen, der offenbar sehr begehrt ist – einige Spanier füllen dort Berge von Kanistern und Plastikflaschen ab. Die Landschaft ist nicht immer aufregend, aber es gibt Teile mit kuriosen Felsformationen, man könnte auch von „katalanischen Nockbergen“ sprechen – riesige Felsblöcke mit stumpfen Kuppen, die sich zu ganzen Felslandschaften zusammenfinden. Die Abfahrt ist ziemlich rasant, man hat ein Panorama auf den Stausee Llosa del Cavall, der vor den Toren von Sant Llorenç liegt.

Obwohl die folgende Strecke nach Berga auch für LKWs ideal ausgebaut ist, bleibt auch hier größerer Verkehr aus. Es gibt wiederum mehrere eher leichte Anstiege. Durch die Südrandlage zur Serra del Cadí dringt auch hier noch teilweise rotes Gestein vor. Doch bewegt man sich weitgehend durch bewaldetes Mittelgebirgsformat ohne jede Art von Panorama – also ziemlich unauffällig, aber trotzdem ganz nett zu fahren. Der Coll de la Mina führt durch einen kleinen Tunnel.

Danach beginnt eine langgezogene, berauschende Abfahrt, die ich leider nicht genießen konnte, denn es zog heftiges Gewitter auf. Als ich die Tore Bergas bei Dunkelheit erreichte, waren mir bereits Schwimmflossen gewachsen. böse grins Mit dem Gewitter waren heftige Sturmböen verbunden, die alles wegrissen, was in der Stadt nicht angebunden war. Mancher Sonnenschirm wurde zum wilden Geschoss – ganz ohne Kriegerklärung. Eine große Wahl für ein Restaurant hatte ich so nicht, denn die Altstadt liegt steil am Berg und ist von zahlreichen Treppengassen durchzogen. Der eher etwas schmuddelige Inder liegt am westlichen Ortseingang, wo ich zunächst vorbeigeradelt war.

Nach dem Essen schleiche ich mich von Unterstand zu Unterstand – immer wieder scheint der Regen abzureißen, doch nicht wirklich. Ein markantes Mosaik am Polizeigebäude weißt auf die größte Attraktion Bergas hin: La Patum, das Fronleichnamsfest. Allerhand Großköpfe und mythische Figuren (Riesen, Zwerge, Maultiere, Keulen usw.) tanzen zu dem Rhythmus einer großen Trommel (El Tabal), Feuerwerk verstärkt das farbenfrohe und laute Volkfest, dass das größte in ganz Katalonien ist und zum UN-Weltkulturerbe erkoren wurde. Die szenischen Darstellungen gehen auf das 14. Jahrhundert zurück, bei denen die Guten (Christen) gegen die Bösen (Mauren) kämpften. Anthropologen sehen im La Patum den Vorläufer des modernen Theaters.

Selbst die Hotelsuche ist unter den gewitterhaften Umständen schwierig. Ein kurzes Trockenintermezzo bewegt mich, doch aus der Stadt zu fahren. Der Camping im Süden macht wenig Sinn, denn dazu geht es runter und ich möchte ja aufwärts weiter nach Norden fortfahren. Und wenn aus Kübeln gießen sollte, kann ich eh kein Zelt aufstellen. Doch schaffe ich nicht mal den Weg aus der Stadt raus, am Stadtrand muss ich bei einer Tankstelle wieder unterstehen. Es scheint nun ein nicht endender Wolkenbruch zu werden – Blitze und Donner inklusive. Irgendwann bin ich so müde, dass mir nichts anderes bleibt, als den Schlafsack irgendwie unter dem Tankstellendach auszubreiten – möglichst so, dass ich nicht die ganze Suppe mit dem Wind abbekomme. Am nächsten Morgen werde ich vom Tankstellenwart geweckt, weil ich so ziemlich genau vor dem Ladeneingang liege. Er bleibt aber freundlich, und trotz des frühen Erwachens muss ich immer noch warten, bis der Regen endlich in leichten Niesel übergeht. Aber das ist ein neuer Tag und auch wieder ein neues Kapitel.

Zur Bildergalerie TEIL 8 (folgendes Bild anklicken):



Fortsetzung folgt
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 19.12.11 01:14

auch wenn es draußen schneit, hier geht es (noch) mit Sommer weiter...

TEIL 9 Eine alte Apotheke, ein Sonnenofen ohne Sonne und eine gelbe Pyrenäenmetro: Geschäftige Cerdagne, romantisches Têt-Tal und das ruhige Capcir

Mi 13.7. Berga - Cercs - Baga - Pas de la Devesa (1550m) - Coll de Forn (1691m?) - Coll de Pal (2110m) - Estació d'esqui de la Molina - Estació Masella (~1740m) - Alp - Puigcerda – Osseja
84 km | 10,2 km/h | 7:59 h | 1.825 Hm
W: stark abgekühlt, Nebel, teils sonnig, teils bewölkt, windig, Sturmstärke am Coll de Pal
E: Salade Paysanne, Ente, PF, Rw, Crêpes Chocolat, Cafe 29,70 €
Ü: C El Paises 0 €

Die Hälfte des Tages gehört eigentlich noch zur Region des Vortages, sprich zur Serra del Cadí-Moixéro. Bagà verfügt sogar über ein Informationszentrum zu dem Naturpark. Das mittelalterliche Städtchen mit engen Gassen und Arkaden erlebe ich mit Markt, aber auch in den Geschäften gibt es leckeres Gebäck und sonstige Spezialitäten. Mit Bagà befinde ich mich auch wieder auf den Spuren der Katharer, die hier einst beim damaligen Adel Unterschlupf fanden. Es gibt auch dazu ein Informationszentrum, das ich aber nicht besucht habe.

Die Straße zum Coll de Pal beginnt oberhalb des Ortes und ist dort ausgeschildert. Keineswegs weiter unten auf der E 9/C 16 am Ort vorbei fahren – es gibt danach keine Abzweigung mehr! Diese Verkehrsachse führt zum Túnel de Cadí, der nicht für Fahrräder zugelassen ist. Die Straße zum Coll de Pal verläuft weiter oben unterhalb einer hohen Brücke dieser Transitstraße. Da der Pass eigentlich ein Sackgasse ist und nur wenige Häuser an ihm liegen, ist hier sehr wenig Verkehr. Im Winter dürfte wegen der Skifahrmöglichkeiten mehr los sein. Als ich aufgefahren bin, kamen mir häufiger Kipplader entgegen bzw. überholten mich, weil oben auf der Passhöhe gebaut wurde. Ob es Straßenbaumaßnahmen waren, um die Asphaltstrecke weiterzuführen oder neue skitouristische Einrichtungen gebaut werden, konnte ich nicht genuau erkennen. Meine Vorinformation war, dass eine Piste nach Super La Molina ausgebaut werden soll, damit die Pistenraupen dort besser arbeiten können.

Insgesamt bietet der Pass weniger Landschaftserlebnis als die Höhe vermuten ließe. Trotzdem kann man sich häufiger an tollem Panorama erfreuen – die tief hängenden Wolken nach Süden schränkten das an meinem Fahrtag etwas ein. Im oberen Teil radelt man durch Pyrenäen-bekannte, offene, grüne Bergwiesen. Der Pass windet sich grob gesehen in einer großen Schleife um einen Berg – entsprechend spät kann man die Passhöhe erst erahnen. Ich empfand den Pass weniger schwer als er teils in Rennradkreisen beschrieben wird, jedoch bin ich das letzt Stück kaum noch hochgekommen, weil extrem stürmischer Wind mich fast zum Stehen brachte böse – dabei war es ungemütlich kalt, dass ich meine verdientes Mittagspicknick weit in den späten Nachmittag bei Masella verlegte. Neben einem Brunnen noch im westlichen, schattigen Teil des Aufstiegs gibt es im oberen Teil nach dem Coll de Forn zwei bewirtete Hütten – Rebost ist von der Straße nicht einsehbar, das Refugi de Coll de Pal später sieht man sehr gut unterhalb der Straße als eine Art Bergbauernhof. Leider kann ich nichts über die Angebote und Öffnungszeiten sagen.

Auf der äußersten Südkehre mit dem entsprechenden Panorama ins Llobregat-Tal steht aus planem Stahl eine seltsame Figur – Symbol für die Mythen und Sagen, die sich um Bagà ranken. Leider konnte ich über diese Sagenwelt bisher nichts herausfinden. Vielleicht hat jemand einen Tipp, wo man darüber etwas erfahren kann. :fragend: Auf der Metallfläche gab es zwar allerhand Informationen, doch ist das so kontrastarm eingraviert, dass das Lesen sehr mühsam ist – mal davon abgesehen, dass mir mangels Sprachkenntnisse ohnehin alles spanisch vorkommt. schmunzel Ich gebe also der Sagenfigur unbefangen meine Hand und – Oh ha! – Schwups klaut der katalanische Troll meine Kleider und lässt mich nackt in der Sonne stehen. Ich fasse ihm an die Nase und – schwups rückt er die Kleider wieder raus. Soweit aus dem Buch der unglaublichen Geschichten des veloträumers, Kapitel IX, Vers Bagà, Absatz catalunya nudensis. grins lach Genaueres seht ihr ja in der Bildergalerie schmunzel zwinker

Die nächste Begegnung habe ich auf der Passhöhe mit mehreren Mountainbikern, die mir entgegen kommen. Sie sind irgendeine Höhenroute gefahren, können sich aber nicht vorstellen, dass es einen Weg runter nach La Molina gibt. Nun denn, ich habe nebst Wanderkarte noch diverse dubiose Informationen, dass hier ein – wenn auch schlechter – Weg nach unten führt. Der Asphalt endet erst etwas nach der Passhöhe, Super La Molina scheint greifbar nah unten mit einem klein hellblau leuchtenden Speichersee. Danach führt eine akzeptable Piste auf annähernd gleich bleibenden Höhenniveau weiter an Kühen vorbei und unter einer Kabinenbahn durch. Kurz danach liegt der Abzweig einer arg geschotterten Piste nach unten. Es gibt eine Kettensperre mit Fahrverbotshinweis. In gerader bzw. nun ansteigender Richtung zeigt ein MTB-Wegweiser – die Strecke, die die MTBer zuvor gefahren sind. Ein kleines Stück hier weiter gibt es einen weiteren Abzweig nach unten mit einer gespurten Erdpiste, die offiziell als MTB-Route mit Richtung „La Molina“ ausgewiesen ist. Ich nehme aber die breitere Schotterpiste (erstere), da ich auf der anderen Route mit den Lowridern stecken bleiben würde. Die Schotterpiste entpuppt sich mehr als die „Streif“ von La Molina – eine steile Skipiste, auf der ich nur mühsam und mit viel Bremsgummi das Rad herunterschieben kann. Die ganze Sache ist aber recht kurzweilig und mit meiner Routenidee durchaus so auch sinnvoll. Vom Versuch rauf zu fahren oder schieben zu wollen kann ich aber dringend nur abraten. MTB-Reisende ohne Lowrider sollten ggf. besser die andere Erdpiste mal runter ausprobieren.

Ohne überhaupt Häuser von dem verwirrenden Konglomerat La Super Molina/La Molina zu erreichen, zweige ich gleich in Richtung Masella ab. Dies ist wohl etwas kürzer als via La Molina über die N 152 in die Cerdagne einzufahren, zudem verkehrsarm. Allerdings muss man eine kleine Zwischenhöhe bei einer Gondelstation erklimmen (kein Pass), die im Sommer auch nicht im Betrieb ist.

Obwohl bereits La Molina zur Cerdanya gehört, entfaltet sich der typische Landschaftscharakter erst auf der kleinen Abfahrt nach Alp. Hier überblickt man einen großen Teil des Hochtals – eine weite Ebene. Sie wird landwirtschaftlich vor allem für Weizenanbau genutzt, ist aber auch ein relativ dichter Siedlungsraum und ein Verkehrsknoten. Alternativ zu La Molina liegt der andere Schwerpunkt des Skitourismus weiter im Osten im französischen Teil bei Saillagouse und Font-Romeu. Der spanische Teil ist ländlicher geprägt, kleine Dörfer wie z.B. Alp sind in traditioneller Bauweise gestaltet und fügen sich so besser ins Landschaftsbild als die zusammengewürfelten Baustile der Franzosen. Ein recht beliebtes Einkaufs- und Flanierzentrum bildet das auf einem Hügel gelegene Puigcerda, das im Spanischen Bürgerkrieg starke Schäden nahm. Hier erwerbe ich neue Sandalen, der Fuchs vom Coll de Faidella hat also einen Beitrag zur spanischen Konjunktur geleistet. Offenbar wurde das von den amerikanischen Rating-Agenturen nicht ausreichend berücksichtigt. grins

Do 14.7. Osseja - Col de Pradeilles (1986m) - Osseja - Llívia - Coll de l'Egat (1615m) - C.N.R.S. Four Solaire Odeillo - Col du Calvaire de Font-Romeu (1836m) - Col del Pam (2005m) - Mont-Louis
73 km | 10,3 km/h | 7:00 h | 1.720 Hm
W: erst sonnig, dann stark bewölkt, sehr kühl
B: Four Solaire 7 €
E (Dagobert): Rw, Salade Catalane, Entrecôte, Ofenkart., Aubergine überb., Schokotorte m. Eis ~ 25 €
Ü: C wild 0 €

Der Camping in Ossjea liegt bereits ortsausgangs an der route forestière, die einen Rundkurs auf knapp 2000 m auf einer eher schlechten Asphaltstraße erlaubt. Man kann nahe der Passhöhe auf einer Stichstraße sogar noch höher zum Cime de Courne Mourère (ca. 2200 m) fahren, was ich aber nicht gemacht habe. Für Wildcamper sei der Hinweis angebracht, dass sich auf ca. 1800 m eine unbewirtete Hütte mit Picknickplätzen befindet. Landschaftlich gesehen fällt dieser Rundkurs eher bescheiden aus – überwiegend eher mittelgebirgig anmutende Waldstrecke, das beste Panorama gibt es im unteren Teil.

Mit dem Städtchen Llívia erreiche ich einen weiteren Kernort dieser Tour – im Besonderen bezogen auf das Wörtchen „Catalán“. Llívia ist eine Exklave Spaniens, die von französischem Territorium umgeben ist. Die Besonderheit ist auf eine spezielle Klausel des Pyrenäenfriedens aus dem Jahre 1659 zurückzuführen. Demnach wurde alle Dörfer der Cerdanya Frankreich zugeschlagen. In den Urkunden des Ortes fand man jedoch ein verbrieftes Stadtrecht, und so blieb Llívia bis heute Bestandteil Spaniens.

Der vermutlich zu Zeiten Cäsars gegründete Ort ist historisch aber noch in anderer Hinsicht bedeutsam. Er wird von einigen Historikern als die Wiege Kataloniens angesehen. Die Forschungen zur Geschichte Kataloniens sind aber offenbar nicht ganz frei von Widersprüchen. Gemeinhin als Gründer von Katalonien gilt Wilfried der Haarige, der 878 die Grafschaften Urgell, Cerdanya, (Besalú), Girona und Barcelona unter eine gemeinsame Herrschaft von Barcelona aus stellte. Mit Wilfrieds Bau der Klöster in Ripoll (880) und Sant Joan de les Abadesses (885) werden gemeinhin die geografischen Geburtsorte Kataloniens verbunden. Allerdings soll Wilfrieds Vater Sunifred I. in Llívia gelebt und geherrscht haben und mit einer Schlacht 839 die arabische Invasion gestoppt haben – eine Vorbedingung für die neue Zeit. Deswegen beansprucht auch Llívia den Status der Wiege Kataloniens. Zu allem Überdruss soll Wilfried in der Umgebung von Prades geboren sein – also im französischen Teil Kataloniens – oder anders gesagt: Katalonien ist gar keine spanische Idee sondern eine französische!? :fragend:: wirr

Damit ist die historische Bedeutung Llívias aber immer noch nicht vollständig abgehandelt. Zum Ort gehört auch eine der ältesten Apotheken der Welt, die aus dem 15. Jahrhundert stammt und ihre Bedeutung den zahlreichen Heilpflanzen der Umgebung verdankt. Heute ist das schön renovierte Gebäude ein entsprechendes Museum mit Apotheker-Geräten, Arneimitteln und verzierten Dosen aus dem Mittelalter.

Es bedarf einer weiteren Passüberquerung, um die nicht unbedingt ästhetisch gelungen Bauten des Ski- uns Sommersportortes Font-Romeu zu erblicken. Danach geht es noch mal etwas hinunter und gelangt so zu einem Vorort namens Odeillo. Dieser Ort ist weltbekannt wegen seines Sonnenofens – der größte seiner Art überhaupt. Ein Besuch des Four Solaire lohnt sich jedenfalls, denn neben den Austellungsräumen und der Spiegelarchitektur, die man außen auch ohne Eintritt sich ansehen kann, demonstriert die Präsentationsdame auch aufregende Experimente mit den Parabolspiegeln, die von Feuer und Rauch begleitet sind. teuflisch Nun ist das eine besonders sonnenreiche Gegend – so liest man zumindest offiziell – doch wie so häufig, scheint die Sonne bei meiner Anwesenheit nicht (erinnert mich auch an den angeblich so sonnenverwöhnten Gardasee :fragend: ) – nein, es ist sogar herbstlich kühl. böse traurig So scheitert das Außenexperiment, einen Holzstock mit Hilfe von Parabolspiegel und Sonne anzuzünden. Über dieses „firework“ habe ich ja auch schon das Bilderrätsel 727 hier durchgespielt, da sind dann noch ein paar spezielle Daten zum Four Solaire enthalten.

Aus dem sehr touristischen Font-Romeu heraus ist es zwar nicht weit bis zur Passhöhe, nach der es recht harmlos und glatt nach Mont Louis runtergeht (wenig Gefälle). Doch ich nehme noch eine Exkurs – die Stichstraße zum 2000er Col del Pam. Auch hier ist die Steigung gering – allerdings bietet die halboffene Berglandschaft nicht allzu viel Abwechslung. Bei Sonne wäre das ein bisschen wie ein Hochgebirgsgarten mit einigen urigen Baumleichen – auch ein Zelt könnte man hier gut aufstellen.

Mont-Louis prägt eine mächtige Festung, die den Ideen Ludwig XIV. und den archtitektonischen Künsten seines großen Militärbaumeisters Vauban entsprungen ist. Sie ahnten nicht, dass sie mir dabei auch gleich meine Nachtunterkunft des Tages gebaut hatten. grins Jedenfalls habe ich mich unter dem romantischen Vollmondlicht in die geheimen Burggänge der Wehrmauer zurückgezogen. schmunzel Einen Campingplatz gibt es direkt vor Ort nicht – man müsste entweder weiter runter ins Têt-Tal (Fontpédrouse), oder zu einem Waldcamping nach Nordwesten aufwärts (Stichstraße zum Lac des Bouillouses) oder gleich in Font-Romeu bleiben. Ich kann aber ausdrücklich das Restaurant Dagobert vor Ort in Mont-Louis empfehlen. Im Jahre 2004 habe ich Mont-Louis auch schon mal übernachtet, damals in einem Hotel außerhalb der Wehrmauern (Zimmer mit toller Aussicht, existiert noch).

Fr 15.7. Mont-Louis - Fontpedrouse - Gorges de la Caranca - Olette - Ayguatebia-Talau - Col de Jouel (1501m) - Caudiès-de-Conflent - Col de Llose (1866m) - Les Cortals - Col de la Quillane (1713m) - Formiguères - Quérigut - La Pla
84 km | 13,1 km/h | 6:05 h | 1.395 Hm
W: weitgehend sonnig, später eingetrübt, teils warm, teils kühl, windig
B: Gorges de la Caranca 0 €
E (Querigut: Auberge du Donezan): Rw, Suppe, Kalbschnitzel m. Pilzrahmsauce, Kart.gratin, Crème-torte, Cafe 19,10 €
Ü: C wild 0 €

Das Têt-Tal ist zumindest abwärts eine Empfehlung, denn die Kehren oben sind sehr eindrucksvoll, weiter unten herrscht Schluchcharakter vor. Wegen des Verkehrs ist eine Auffahrt sicherlich etwas ungemütlicher. An der Teilstrecke finden sich zwei Attraktionen. Die eine ist eine Eisenbahn – genauer gesagt ein heute übrig gebliebene Touristenbahn (Schmalspur) unter dem Namen Petit Train Jaune – seines Zeichen ein gelbes Züglein, bei gutem Wetter auch mit „Cabrio“-Wagen – gerne als „Pyrenäenmetro“ bezeichnet. Die Pont Gisclard überspannt das Tal mit einer eindrucksvollen Stahlkonstruktion, das mächtige Viadukt Pont Sejourne folgt etwas weiter unten. Zu sehen bekomme ich das Bähnlein erst in Olette – gerade noch rechtzeitig, bevor ich das Têt-Tal verlasse. Mit dem Petit Train Jaune kann man von Villefranche-de-Conflent nicht nur das obere Têt-Tal erkunden, sondern auch gewichtige Teile der Cerdagne – hält auch am Four Solaire.

Die zweite Attraktionen ist eine Schlucht, die etwas versteckt liegt. Man erreicht die Gorges de la Caranca über einen Abzweig in Thues zu einem Parkplatz mit Tagesbistro, wo man das Rad abstellen muss. Die Schlucht selbst kostet keinen Eintritt. Man kann zwischen zwei Wanderwegen wählen – ich beschränke mich auf die kürzere Variante. Neben dem unteren engen Schluchtweg passiert man auf dem Rückweg halbhoch einen Weg quasi zwischen dem Fels – der Fels hängt gerademal mannshoch über dem Kopf. Zaungäste sind Eidechsen und viele Schmetterlinge.

Die folgende Route von Olette aus führt durch sehr einsames Gebiet. Eine weiträumige Schluchtenlandschaft wechselt mit verschiedenen, lieblichen Bergartenlandschaften mit Blumen, Birken, einigen Weilern und zwei kleinen romantisch gelegenen Dörfern. Im Bereich des Col de la Llose gibt es sumpfige Hochweiden und etwas mehr Infrastruktur etwa für Wanderer (Gîtes, Bistro auf dem Pass). Man kann auch andere Varianten fahren als ich – insbesondere wäre noch ein Runde über den nördlich gelegen, nicht ganz asphaltierten Col de Sansa einen Versuch wert. Auf der D 118 befinde ich mich wieder auf einer bereits mir bekannten Strecke. Die diversen Stauseen und weiten Weiden und Wiesen verströmen eine einsame Ruhe im Vergleich zur Cerdagne, obwohl auch hier Wander- und Skitourismus beliebt ist. Den letzten Abschnitt nach Querigut prägt eine Art Feenwald – u.a. mit viel Birke.

Leider muss ich das Restaurant des Abends etwas abwerten. Das Essen war zwar gute Landküche, aber dass ich um halb zehn quasi unfreundlich aufgefordert wurde, das Haus zu verlassen und ich nicht mal meine nötigsten Notizen zu Ende schreiben konnte, gehört einfach nicht zu den Prinzipien grundlegender Gastfreundschaft. Schließlich hat der Wirt den im Vorraum befindlichen Pizza-Ofen weiter betrieben – in der wohl vergeblichen Hoffnung, dass noch ein verlorener Hungriger vorbeischaut. Ich war darüber so verärgert, dass ich das Trinkgeld wieder vom Teller genommen habe. verärgert Das Zelt konnte ich ganz gut an einem Rastplatz am Abzweig zum Col de Pailhères (2008 gefahren) platzieren.

Zur Bildergalerie TEIL 9 (folgendes Bild anklicken):



Fortsetzung folgt
von: Bremerin

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 19.12.11 13:24

party bravo

Hilfeeee, Du schreibst inzwischen schneller als ich Zeit zum lesen finde lach
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 19.12.11 13:38

Sorry, ich hatte Urlaub und habe mittlerweile die parallel geführte Bearbeitung der "vorausgewählten" 2900 Bilder abgeschlossen (2150 habe ich letztlich fürs Forum auserkoren) - muss also nur noch schreiben. Jetzt wird es wieder etwas stressiger, aber vielleicht schaffe ich das Ende noch vor Weihnachten - aber in jedem Fall noch in diesem Jahr. schmunzel
von: Juergen

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 19.12.11 17:47

Ob zwischen Bild 22 und 23 wohl die fehlenden 750 auf deiner Festplatte liegen und Du daraus ein Daumenkino für den eifrigen Cop aus La Pobla bastelst? teuflisch

Lieben Gruß
Jürgen
ps: scharfe Technik in 22. Welche Maske hast Du benutzt?
von: StefanS

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 19.12.11 20:54

Ist in der Gegend eigentlich noch was übrig, nachdem Du sie so gründlich durchpflügt hast? Schöner Bericht, oder besser gesagt Großes und Allumfassendes Kompendium der Östlichen Pyrenäen schmunzel Bin gerade selber für mich am Planen, was ich nächstes Jahr in den Pyrenäen besuchen will, da kommt der Bericht gerade recht.

Viele Grüße,
Stefan
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 20.12.11 13:40

In Antwort auf: Juergen
ps: scharfe Technik in 22. Welche Maske hast Du benutzt?

Ich arbeite mit dem Bildbearbeitungsprogramm Gimp. Dort erst eingefärbt, dann im Menü "Filter" -> Render -> Linienexplosion. Dort kann man unterschiedlich viele Linie wählen (die Strahlen werden dann dicker oder dünner) und auch den Linienradius variieren (z.B. damit die Hand des Pyrenäen-Trolls frei bleibt). Hab etwas länger herumgesucht, was den Effekt eines "Blitzerlebnisses" gut zum Ausdruck bringen könnte.

@Stefan: Ich habe aber (fast) alles stehen lassen, auch wenn ich schon da war. schmunzel Die Wolken und den Wind allerdings auch. zwinker Beim Essen und Trinken musst du mal schauen, da habe ziemlich viel abgegrast - vielleicht solltest du eine Dauerwurst mitnehmen. grins
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 21.12.11 19:53

Auch der Bericht nähert sich nun wettertechnisch der aktuellen Lage in Deutschland an und doch ist Musik drin...

TEIL 10 Schluchten, Hochebenen und Trobadore: Das Katharerland zwischen Aude- und Ariège-Tal mit dem Pays de Sault und dem Pays d’Olmes

Sa 16.7. La Pla - Usson-les-Bains - Col des Clausels (977m) - Col des Aychides (1007m) - Aunat - Col Notre-Dame (950m) - Bessède-de-Sault - Col du Castel (658m) - Axat - Joucou - Col des Rives (907m) - Espezel - Col de Coudons (883m) - Col du Portel (601m) – Puivert
96 km | 15,0 km/h | 6:22 h | 900 Hm
W: heiter, sonnig, warm, aber nicht heiß, windig
E (Afghan. R.): Auberginen m. afgh. Sauce, Fleischbällchen m. Pflaumen, Reis, Linsen, Bananasplit, Rw, Cafe 32,50
Ü: C Municipal 9,20 €

Mit dem de Pays du Donezan habe ich wieder gestrenges Katharerland erreicht. Während Quérigut über die frei zugängliche, bescheidene Burgruine Château de Donezan mitten im Ort verfügt, liegt die Chateau d’Usson separat schon im Wald tief in der Aude-Schlucht, nur unweit vom alten, verfallenen Badetempel Usson-les-Bains, und kann gegen Eintritt besucht werden. Diesmal bin ich mal wieder zu früh am Morgen vor Ort um die Besichtigung zu realisieren. Neben den Katharerspuren gäbe es ein Museum zum Lebenstil zwischen dem 13.-18. Jh. zu sehen. Besondere Bedeutung hatte Usson für die Katharer insbesondere dadurch, dass ein Vassal aus Barcelona, Bernard d’Alion, hier residierte und sich für die katharische Lehre engagierte, die Burg von Montaillou (vgl. nächste Etappe) errichtete und sich für die Verteidigung der Burg von Montségur opferte. Zunächst verlor er 1244 bei bei der Erstürmung der Burg von Montségur alle Güter samt Burg und Dorf Montaillu an den Grafen von Foix, 1258 schließlich wurde er in Perpignan ebenso bei lebendigen Leibe verbrannt wie die 255 Katharer in Montségur zuvor, die ihrem Glauben nicht abschwören wollten. Vier Albigenser konnten sich angeblich nach Usson retten und sollen dort ein Schatz vergraben haben. Die Forschung ist sich nicht einig, ob dieser Schatz der von Rennes-le-Château (bei Couiza, an der Aude weiter unten) ist oder ob er gar nicht exisitiert oder ob er gar noch vergraben bei Usson auf einen glücklichen Finder wartet. Ich habe jedenfalls nicht gegraben. schmunzel

Eine kleine Korrektur zur Einleitung dieses Berichtes: Dank der leider nicht immer korrekt gedruckten Touristeninformationen habe ich dort fehlerhaft angegeben, das Montségur 1299 als letzte Katharerburg gefallen ist. Es handelt sich tatsächlich aber um das Jahr 1244 (Belagerung erfolgte bereits 1243). Die Château de Quéribus konnte schlussendlich noch elf Jahre länger bis 1255 verteidigt werden – allerdings gilt das Massaker von Montségur symbolisch als der endgültige Untergang der Katharer. Deswegen neigt die Literatur auch oft dazu, Montségur als letzte Katharerburg zu bezeichnen. Bélibaste, der letzter Anhänger dieser Glaubensrichtung überhaupt, wurde schließlich nach abenteuerlicher Flucht auf der Château de Villerouge-Termenès (vgl. 1. Teil) erst im Jahre 1321 ebenfalls verbrannt.

Mich holt auf der Auffahrt zum Col de Claussels die normale Radlerwirklichkeit mit bereits beschriebener Reifenpanne ein. Dieser unscheinbare Abzweig von der Aude-Schlucht ist eine sehr empfehlenswerte Strecke, die enge Straßenführung mit Tunnelfelsen macht launig. Weiter oben ändert sich das Bild zu einer leicht hügeligen, weiten Wiesen- und Weidelandschaft. Infrastruktur gibt es hier nicht, so komme ich zum ersten Stück Brot erst am Mittag in Axat.

Ich suche bei Bessède-de-Sault noch den Col de Triby, über den man mit einer weiteren Passfolge einsam in das Rebenty-Tal gelangt, ohne durch Axat zu fahren. Doch verpasse ich wohl die rechte Abfahrt, die nicht ausgeschildert und wohl nur Piste ist (nicht in den Straßenkarten zu finden, ich hatte das nur zu Hause angelesen und kein genaue Karte für die Region mit). So begebe ich mich ins Aude Tal und fahre nach 2004 nochmal durch die beeindruckende Enge der Gorges de St-Georges. Kanu- und Kajakfreunde werden diesen Ort mit einem großen Viadukt als Ausgangsort schätzen – entsprechend bevölkert ist der Campingplatz.

Weniger bekannt und somit auch nur sparsam befahren sind die Schluchten der Rebenty – man erlebt sie in verschiedenen Phasen. Ich habe die Strecke zum Col du Pradel gewissermaßen aufgeteilt – den ersten Teil fahre ich an diesem Tag, um einen Zwischenrunde durch die Hochebene des Payas de Sault zu drehen, und den zweiten Teil, die eigentliche Bergstrecke, absolviere ich am Folgetag – unter allerdings sehr unterschiedlichen Witterungsbedingungen. Nimmt man beide Teile zusammen, so steht der Col du Pradel ganz oben in meiner Favoritenpässe in den Pyrenäen.

Von der feucht-schattigen Flussfahrt kommt man aufgefahren nach Espezel in eine ganze andere Landschaft – Felder breiten sich auf der um die 1000 m hohen Ebene vor dem Auge aus und werden von sanften bewaldeten Kuppen am Horizont begrenzt – erinnert ein wenig an die Vulkanregion La Garrotxa. Das Pays de Sault bezeichnet namentlich nach dem lateinischen saltus eine Waldlandschaft (nicht mit dem gleichnamigen Pays de Sault in der Provence zu verwechseln) und bildet mit dem Dreieck Montaillou, Puivert und Montségur den kulturellen Kern der Katharer östlich der Aude. Da es nicht zur Aude runtergeht, gleitet die Strecke zwischen dem Col du Portel und Puivert nahezu flach dahin. Der Bergcharakter weicht nun völlig, die Burg wird weithin sichtbar, Alleencharakter und Sonnenblumenfelder geben hier ein liebliches Bild des Pays de Sault ab.

So 17.7. Puivert - Col de la Babourade (655m) - Col de Teil (576m) - Bélesta - Col de la Croix des Morts (898m) - Belcaire - Col des Sept Frères (1253m) - Mérial - Col du Pradel (1679m) - Camping Ascou/La Forge
68 km | 10,9 km/h | 6:11 h | 1.645 Hm
W: starker Regen bis Mittag (nicht fahrbar), danach leichter Regen, tiefe Wolken, kalt & windig
B: Musée de Quercorb 4 €
E: Salat m. Entenleber/Walnüssen, Suppe, Schweinebraten, PF, Nudeln, Gem., bask. Torte 26 €
Ü: C Ascou/La Forge 10,20 €

Es gibt Tage, die man sich niemals für eine Radtour wünschen würde und sind sie gekommen, werden sie bejammert und beklagt. Doch gehören diese Tage auch zu jeder Tour – und noch mehr: solche Tage sind im Nachhinein manchmal mehr wert als es der Zorn des Augenblickes den Gefühlen erlaubt. Ein solcher Tag war dieser. Der Morgen hat kaum begonnen, da fängt es schon über dem Badesee beim Camping an zu regnen und die Burg auf dem gegenüberliegenden Hügel verschwindet fast ganz im Grauschleier. Der Regen wird etwas schwächer und ich schöpfe Hoffnung – vielleicht doch nur halbfeuchte Wolke? Kaum im Ort beim Bäcker, schüttet es dann aber die berühmten angelsächsischen Hunde und Katzen. Es gibt eine dreivierteloffene Arkadenhalle, in der man zwar geräumig unterstehen kann, aber selbst hier treibt der giftige Wind einen Rest von Wassernebel in fast alle Ecken und reizt die Rheumaknochen.

Die Zeit rinnt dahin und bald trifft ein Reiesradlerpaar mit fast identischen Liegerädern ein, die mit rückwärtigen grünen, abschließbaren Boxen ausgestattet sind. Die beiden reisen auch durch die Pyrenäen, wollen ggf. mit dem Zug von Foix weiter hinüber nach Spanien, in der Hoffnung dort besseres Wetter zu finden und schwere Berge auszusparen. Ich warne: „Cerdagne ist nicht nur flach.“ Ganz bergscheu sind sie aber auch nicht wirklich. Sie ist Amerikanerin und lebt mit ihm (Franzose) zusammen in Frankreich. Der Franzose kann schlecht englisch und die Amerikanerin (sehr gut zweisprachig) freut sich, dass ihr Freund mangels meiner Französischkenntnisse gezwungen ist Englisch zu sprechen. Schließlich werde ich dann genötigt, eine Proberunde mit dem Liegerad zu drehen. Das kann ich doch nicht! weinend Nun ja, mit vielen stützenden Händen habe ich eine halbe Runde geschafft! grins peinlich Also ich werde mit diesen zweirädrigen Schlafzimmern nicht gut Freund. Auffallend auch, das die scheinbar gemütlichen Sitzpolsterlehnen vom Regen vollgesaugt sind und so auch gleich die Klamotten von hinten durchnässen. Schlecht auch zum schnellen Abtrocknen.

Es ist mittlerweile 10 Uhr und Gelegenheit in das hiesige Museum zu gehen. Die beiden kriechen unter die Schlafsäcke und wollen in der kalten Halle weiter warten. So gehe ich allein hinein. Das Musée du Quercorb informiert über die Handwerkstraditionen der Region Quercorb (um Puivert herum) und die Katharerburg vor Ort. Doch der Schwerpunkt liegt in der Dokumentation von Leben, Werk und Instrumenten der Trobadore (Minnesänger) aus dem 12.-14. Jh. Damit es nicht ganz so trocken ist, könnt ihr nebenbei auch ein bisschen mittelalterliche Musik (6:06 min.) anhören. Da die Katharerburg recht gut erhalten blieb, wurde sie im Mittelalter auch über die Katharerzeit hinaus weiter genutzt und diente sodann als eine Hochburg der Sangeskunst. In Dichterwettstreiten, den „cours d’amour“, wurde um die beste Poesie gerungen – wenn man so will, ein Mischung aus Grand Prix d’Eurovision und Dieter Bohlens DSDS-Zirkus, grins aber damals noch mit Stil und Niveau. schmunzel

Neben den Räumen mit der Regionalgeschichte und einer Modellrekonstruktion der Burg von Puivert sind einzelne erhaltene Steinskulpturen von der Burg ausgestellt. Im Gegensatz zu anderen Mittelalterburgen mit kriegerischen Motiven dominierten in Puivert Darstellungen der Sänger und Musikinstrumente. So gelang es dem Museum in wissenschaftlicher Arbeit, einige Instrumente in Originalform zu rekonstruieren – einzigartige – und sogar spielbare – Dokumente – Prädikat: besonders wertvoll. Über die Arbeiten informiert ein kleiner Film (frz.). Besondere Freude macht es, sich dann der Musik hinzugeben. An mehreren Audiostationen kann man originale Lieder hören und gleichzeitig die Texte in der nachgezeichneten Kaligraphie der Zeit, mit Noten und authentischen Illustrationen nachverfolgen. Auch wenn ich der französische Sprache nicht ausreichend mächtig bin, so wird doch deutlich, dass die Erotik in der Poesie ein wichtige Rolle spielte. In einem weiteren Raum kann man zahlreiche Tafeln zur Geschichte der Trobadore und zu den Stars in allen Teilen Europas (Frankreich, Spanien, Portugal, England, Deutschland) studieren (engl. Übersetzungen). Auch hier wird deutlich: ausschweifendes Leben ist kein Privileg heutiger Popstars – egal ob männliche oder weibliche Trobadore. schmunzel

Im Shop kaufe ich nebst Postkarten auch noch drei CDs und bekunde mein Lob für das Museum. Die Frau kommt mir dann noch im Regen nachgelaufen und schenkt mir eine Übersichtskarte der rekonstruierten Instrumente – das da sind: la cornemuse – eine mit Hundekopf verzierter kleiner Dudelsack, le psalterium – selbsredend Psalter, l’orgue portatif – eine kleine, tragbare Orgel mit blau bemalten Pfeifen, la vièle à archet – eine Art Kniegeige mit rundem Kopf (vielleicht ein Vorläufer des Cellos?), la guiterne – eine Art mittelalterliche Ukulele mit länglich-rundem Korpus und Tierkopf, le rebec – ähnlich gebaut wie die guiterne aber kleiner und als Violine konzipiert, la flûte – Flöte (verschiedene Formen und Größen), le tambourin - selbstredend das Tamborin (Trommel), le luth – selbstredend die Laute (mit Knickhals).

Das Museum bietet auch Workshops an, unterrichtet Schulklassen und veranstaltet Konzerte mit mittelalterlicher Musik. Forschung, Handwerkskunst, aufwändige Gestaltung und Recherche, Pädogogik, Vergnügen und Muse gehen hier eine besonders gelungene Symbiose ein – und das in einem entlegenen Landstrich fernab von Metropolen. Dieses Museum ist nicht nur eine liebevolle Perle in der Museumslandschaft, sondern sicherlich eines hochwertigsten, die ich je besucht habe. Chapeau! bravo

Das Liegeradlerpaar kauert immer noch auf den kalten Steinen. Es dauert nicht lange, da kommen die nächsten Regenopfer auf zwei Rädern. Es ist ein holländisches Paar, ein Altersklasse höher als die Liegeradler. Aber auch die Niederländer lassen sich vom Wetter nicht die Laune verderben. Endlich gegen 12:30 h können wir starten – es regnet nur noch leicht. Der nächste Pass ist zwar nur ein weicher Hügel, doch das „Feld“ von fünf Pyrenäenradlern ist schnell weit auseinadergezogen. In Bélesta steht ein verwunschenes Schloss mit einem überwucherten Garten. Es wirkt irgendwie verfallen. Tatsächlich handelt es sich um eine Burg aus dem 13. Jh., die erst im Jahre 2007 renoviert wurde und heute als Galerie u.a. für moderne Kunst dient. Der Vorhof wurde als idyllischer Teegarten eingerichtet. Im Regen wirkt das märchenhaft traurig-schön – ob hier irgendwo Dornröschen wartet um wach geküsst zu werden?

Die Liegeradler sehe ich dann nochmal als ich Fotos mache und wir verabschieden uns, da ich das Riskio eingehe, in die Berge zu fahren, obwohl dort nur Wolke zu sehen ist. Immerhin bleibt die Wolke relativ „trocken“, auch als ich wieder die ca. 1000 m hohe Ebene des Pays de Sault erreiche. Es bleibt allerdings sehr kalt und windig. Einige geplante Pistenfahrten durch die Wälder hier beim Pas de l’Ours sind natürlich ersatzlos gestrichen.

Nach der Abfahrt über eine enge Straße nach Niort-de-Sault setze ich die Fahrt durch die Rebenty-Schluchten vom Vortag fort. Die Ortsperle im Tal ist Mérial – hier hat man sich mit Blumentöpfen und vielen Details ein wunderbares Dorfbild gegeben. Es beginnt der steile Abschnitt des Col du Pradel, zur Straße gäbe es sogar in einem Abschnitt noch eine Pistenalternative. Auf der Passhöhe wartet dann wieder die vollständig blickdichte Wolke. traurig Das Passbild hier oben gleicht dem am Col de Pailhères (Luftlinie nahe bei) aus dem Jahre 2008 so gut, dass man kaum glauben kann, dass es sich um zwei verschiedene Pässe handelt. Kann man soviel Wetterpech haben – oder sind da wieder höhere Mächte im Spiel? – Beim Camping im Tal sind die Finger eigentlich abgestorben und der Nacken bewegt sich auch nicht mehr nach meinen gedanklichen Vorgaben. Doch das recht gute Essen – insbesondere die warme Suppe – bringen mich wieder auf irdische Körpertemperatur. schmunzel

Mo 18.7. Ascou/La Forge - Sorgeat - Col de Chioula (1437m) - Col d'En Ferret (1420m) - Col de Marmare (1361m) – Montaillou (1280m) - exc. RF (~1460m) - Camurac - Gorges de la Frau - Fougax-et-Barrineuf - Montségur - Col de Montségur (1059m) - Montferrier - Lavelanet - Roquefort-les-Cascade - Col de Py (525m) - Foix – Montgaillard
103 km | 12,5 km/h | 8:18 h | 1.500 Hm
W: teils heiter, meist Wolken, sehr kühl bis kalt, sehr windig
B: Casc. de la Turasse 0 €
E (Foix): Meeresfrüchtesalat, Entenbrust, PF, Gem. Honig-Nuss-Sauce, Apfelk., Cafe 24,20 €
Ü: C Montgaillard 14 €

Bei Sonne ist der Col de Chioula ein traumhafter Pass, er bietet gerade im unteren Teil ein tolles Panorama nach Ax-les-Thermes und auch die Straßenrandflora ist ansprechend. Ein wenig Sonne kommt, aber der Tag bleibt ein Eisschrank. Und die Sonne geht auch wieder, als ich einen zwingend aufwärmenden Kaffee in Prades trinke. Die Bedeutung Montaillous zu Zeiten der Katharer mag man heute in dem abgelenen Dorf kaum ermessen, doch die Lage in den blumenreichen Bergwiesen umher ist durchaus bemerkenswert schön.

Ich hatte hier eine Fahrt über den Col du Teil geplant, nach Straßenkarte per Piste befahrbar und dann von einer Skistation aalglatt leicht nach Camurac abzufahren. Doch die Piste als solche ist verwildert, morastig und kaum mehr als ein Waldpfad für Pferde. Möglicherweise wurde die Pflege aufgegeben zugunsten der nunmehr gut ausgeschotterten Piste, die aber geradewegs zurück nach Westen zu einem anderen Pass führt. Diese ist auch offiziell als MTB-Strecke ausgeschildert, die alte route forestière in Richtung Col du Teil allerdings wurde sogar explizit mit einem durchgestrichenen MTB-Signet versehen. So habe ich diesen Exkurs abgebrochen, zumal mir bei dem kalten Wind die Lust an Experimenten vergangen war.

Picknick im Freien ist hier in Wind und Kälte nicht möglich, aber in Comus stoße ich auf eine Gîte, die auch Essen an Tagesgäste ausgibt (auch Brotdepot). Es sind Niederländer, die diese gemütliche Gîte führen – immer häufiger in Frankreich anzutreffen und sie vermieten nicht nur Zimmer im Haus, sondern bieten auch den Urlaub in einem Mongolenzelt an. Die Gorges de la Frau entpuppte sich wie schon eingangs erwähnt als weitgehend nicht fahrbar, das Runterschieben war aber möglich. Die Schlucht ist von moosüberwucherten Bäumen und Farnböden geprägt, dazu schießen die Felswände steil auf. Zu beiden Seiten finden sich Parkplätze, sodass der Andrang an Wanderern recht groß ist.

Lavelanet ist keiner besonderen Erwähnung wert – hektischer Verkehr und ein wenig Industrie bereits. Umso geruhsamer ist wiederum die Strecke zum Col de Py – eine leichtes Auf und Ab, schon eher als flach zu bezeichnen. Eine Besonderheit steht auch hier noch am Wegesrand. Die Cascades de la Turasse bei Roquefort-les-Cascades bilden ein Ensemble an Wasserfällen, die über stark bemooste und von Farnen umwucherten Felsen sich ergießen und über sandfarbene Gumpentreppen ein gartenähnliches Biotop gestalten. Der Platz ist offenbar ein Anziehungspunkt für Mystiker – zwei hippiehaft gekleidete Frauen meditieren an verschiedenen Stelle dieses romantischen Ortes. Sie sind nicht ansprechbar und wollen mir nicht weiterhelfen bei der Frage „Wo ist das Wasser?“ Denn bis auf ein paar Rinnsale, die durch die Felsen hindurchsickern, ist kaum Wasser vorhanden. Trockenzeit? Das kann ja nicht sein. – Oder gibt es Zyklen, in denen das Wasser im Tuffstein verschwindet, um zu anderen Zeiten wieder aufzutauchen? Die Fragen bleiben ungeklärt mysteriös.

Der Col de Py ist nochmal ein Ort der Resistance. Hier organisierte sich ein wichtiger Truppenteil des spanischen Widerstandes gegen den Faschismus Francos. Als 1944 in Frankreich die deutsche Armee einbrach und die Nazis geschwächt waren, lieferten die Spanier maßgebliche Hilfe an die französische Resistance, um den südlichen Teil Frankreichs zu befreien. Am Col de Py gibt es dazu ein informative Tafel.

Die Besichtigung von Foix musste dem Fortschreiten der Tour Tribut zollend kurz ausfallen, sodass ich die Burg über der Stadt nicht mehr begehen konnte. Die Nahrungsaufnahme war nach diesem „unterkühlten“ Tag von höherer Bedeutung. Wer sich mehr Zeit mitbringt sollte auch mal ein Restaurant aufsuchen, dass mittelalterliche Speisen anbietet (begrenzte Öffnungszeiten, vermutlich nur mit Reservierung). Da in Foix nur ein Camping stadtauswärts 2 km nördlich liegt, fahre ich lieber in meiner Stoßrichtung bis Montgaillard, wo es einen angenehmen Camping gibt und kaum weiter von Foix entfernt.

Sollte euch die Musik zur Begleitung der Bilderschau ausgegangen sein, dann gibt es hier (8:30 min) Nachschub. schmunzel Zur Bildergalerie TEIL 10 (folgendes Bild anklicken):



Fortsetzung folgt

von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 24.12.11 22:51

Sofern jemand heute die falschen Bücher geschenkt bekommen hat, kann er sich ja zur Not auch mit der weiteren feuchten Fortsetzung begnügen...

Nachtrag zum letzten Teil: Bei den Cascades de la Turasse handelt es ich offenbar um eine intermittierende Quelle. Das Wasser sprudelt in bestimmten, regelmäßigen Schüben und nicht kontinuierlich, was durch unterirdische Hohlräume verursacht wird und je nach Jahreszeit unterschiedlich ausgeprägt ist. Die bekannteste Quelle dieser Art in der Gegend, die Fontaine de Fontestorbes, befindet sich bei Bélesta, die ich knapp auf der Tour verfehlte. Man sagt legendenhaft, dass die Quelle pausieren müsse, weil sie ihr Wasser erst aus einer von Feen bewohnten Grotte schöpfen müsse. Das würde auch die seltsamen, spiritistisch veranlagten Gestalten an den Wasserfällen erklären. Eine Bestätigung für die besagten Cascades de la Turasse habe ich im WWW nicht gefunden, deswegen der Hinweis nur als Vermutung.

TEIL 11 Höhlen, liebliche Landschaften in Wolken und Schnecken: Feuchte Pedalwege durch das Pays de Foix und Couserans

Di 19.7. Montgaillard- Le Pont du Diable - Bompas - Pas de Souloumbrie (911m) - Verdun - Sinsat - Tarascon-s-Ariège - Vicdessos - Port de Lers (1517m) - Col d'Agnes (1570m) - Aulus-les-Bains
87 km | 11,2 km/h | 7:44 h | 1.765 Hm
W: regnerisch, nur kurz heiter, sehr kühl bis kalt, sehr windig, am Port de Lers Sturmböen
E: Tomatensalat, Ente, PF, Rw, Crêpes Chocolat, Cafe 20,70 €
Ü C Municipal 0 €

Etwas abseits unterhalb der Straße stößt man wenige Kilometer nach Montgaillard auf die Pont du Diable. Wie der Name nahe legt, hatte mal wieder der Teufel seine Hand im Spiel. Demnach wurde die Brücke im 13. Jh. zehnmal neu aufgebaut, weil Monsieur Diable in der Nacht sie immer wieder zerschmetterte. Nomen est omen begleite mich fortan wohl ein Nachkomme – im Besonderen ein Wasserteufel – durch diesen Tourabschnitt. böse Statt Panorama wabert eine geschlossene Sprühwasserschicht vor meinen Augen – es wird spontan November im Sommer.

Der Weg über den Pas de Souloumbrie eröffnet eine Panoramastraße, die Route des Corniches, die man komplett gefahren mit dem Col deMarmare bzw. Col de Chioula verbinden kann. Ich nehme sie nur als Teilroute, weil ich ja die anderen Pässe bereits gefahren bin. Der bessere Aussichtsteil dürfte im nichtgefahrenen Bereich liegen, trotzdem lohnt auch dieses Teilstück. Dank eines kurzen Sonnenintermezzos kann ich sogar die Abfahrt genießen, an deren Fuße ich bei einer mächtig aufsteigenden, zum Klettern beliebten Felswand mein Mittagspicknick einnehme und ich mit einem Paar aus Solothurn ins Gespräch komme, die gerade bei ihrer in Foix lebenden Tochter zu Besuch sind. Bei Gesprächen über die Schweiz geht es natürlich immer ums Geld und sie weisen mich darauf hin, dass nicht jeder Schweizer Krösus heißt. Als Beweis soll das durchaus bescheidene Auto dienen und ihr Selbstversorgerpicknick. Ich hoffe, dass sie nicht zu stark in Frankreich darben mussten. unsicher

Nur kurz mache ich einen Abstecher nach Tarascon zwecks Foto vom stadtprägenden Uhrenturm – vor drei Jahren musste ich hier Tabletten gegen eine kritische Erkältung kaufen. Irgendwie feiert auch das Wetter ein Wiedersehen mit mir. böse Im Tal von Vicdessos unterlasse ich diesmal jeden Versuch, die Grotte de Niaux zu besichtigen. Das ist quasi nur per Voranmeldung möglich und schon 2008 scheiterte ich an einem Spontanbesuch der weltbekannten Höhlenmalereien. Passt nicht wirklich in eine Radtour rein. traurig

Das recht liebliche Tal war mal eine wichigte Eisenregion, die jedoch zu starker Abholzung führte (Holzkohle). Heute wieder aufgeforstet, finden sich aus der Minenzeit noch etliche Relikte, so auch typische Bergarbeiterhäuschen an der Route zum Port de Lers. Ein Spezialladen für Honigprodukte in Vicdessos liefert nochmal süße Verführung, danach grollt am anspruchsvollen Passanstieg der Hiummel bitter und öffnet kleine Brauseköpfe. Schönes Wasser hingegen lässt einer großer Wasserfall an der Strecke den Fels herunter. Auf den offenen Bergwiesen am Port de Lers peitscht ein stürmischer Wind durch alle Glieder. Auf der Passhöhe muss ich aufpassen, dass es mir die Kamera nicht aus der Hand reißt. Vorwärts fahren ist selbst abwärts nur noch schwer möglich, der Wind frisst das Gefälle auf. Mir kommen drei Rennradler entgegen – in sommerlichen Trikots, zwei müssen ihren offenbar völlig entkräfteten Kumpel anschieben. Dabei können sie ja noch auf Rückenwind bauen.

Im Tal liegt ein See, an dem es urplötzlich völlig windstill wird. Aber nicht nur diese Mulde ist windgeschützt, auch am nächten Pass, dem Col d’Agnes, bleibt es windarm. Dafür sinkt die Sichtweite, Wolke ist überall. Die Passhöhe ist mit ein paar schmalen Felspitzen ein Stück weit schöner als die vom völlig kahlen Port de Lers. Es folgt Bibberabfahrt. Auf der Straße sind noch frische Schriftzüge für die Tour-de-France-Helden (?) aufgemalt – die Tour war wenige Tage zuvor hier hinauf gefahren. Obwohl Kurort, ist das gastronomische Angebot in Aulus-les-Bains bescheiden. Die Thermen sind heute mehr medizinische Spezialabteilung als ein allgemeines Spaßbad mit Wellnessangeboten. Entsprechend ist hier weniger typischer Kurtrubel zu beobachten als vielmehr ein Basisort für bescheidenere Wandertouristen.

Mi 20.7. Aulus-les-Bains - Col de Latrape (1111m) - Ustou - Seix - Ost - Col de Sareille (942m) - Massat - Biert - Col de la Crouzette (1241m) - Col de Portel (1485m) - Col de Péguère (1375m) - Col de Jouels (1247m) - Col de Marrous (990m) - La Mouline - St-Martin-de-Caralp - Col del Bouich (599m) - La Bastide-de-Sérou
108 km | 13,2 km/h | 8:01 h | 1.855 Hm
W: teils heiter, meist Wolken, kühl
E: Entenlebersalat m. Melone, Fleischspieß, Kart., Gem. Rw, Crème brulée, Cafe 20 €
Ü: C l’Arize 11,50 €

Der Col de Latrape ist ein bemerkenswert schöner Pass, vor allem durch das Vallée d’Ustou auf der Nordwestseite mit artenreichen Blumenwiesen. Auf den waldreichen Kehren der Südflanke finden sich mehrere Wasserfälle – einer der schönsten der Pyrenäen, der Cascade d’Ars, ist aber leider nur per langem Fußmarsch zu erwandern, den ich mit Blick auf die andauernden Wetterkapriolen aber nicht in den Zeitplan einbinden kann – gleiches gilt für die angedachte Stichstraße zum Port d’Aula – ein Über-2000er, der über eine schlechte, aber landschaftlich sehr beeindruckende Straße erreichbar sein soll.

In Seix gibt es nicht nur die im Prolog bereits erwähnte herausragende Käserei, auch sonst platziert sich dieser Ort ganz vorne unter den kleinen Perlen in abgelegenen Landstrichen. Neben dem guten Angebot an weiteren Spezialitäten, denen man nur schwer widerstehen kann, hat sich hier auch ein kleines Zentrum an Künstlern und Kunsthandwerkern etabliert.

Der Col de Saraillé gehört sicherlich zu den echten Nischenpässen – ist aber auch landschaftlich ein Hochkaräter. Manche Passagen muten an Urwald an, insbsondere auf der Ostseite. Im Westen schälen sich aus eigentümlichen Busch- und Baumensembles Bergbauernhäuser mit Steinstufengiebeln vor einer eindrücklichen Bergkulisse heraus. Dann wieder Blumenwiesen, gartenähnlich, Wald, Abwechslung. Die Ostseite sollte man in der Länge nicht unterschätzen, mit kleinen Zwischenanstiegen ist sie extrem verschlungen.

Nahe Massat, ein Ort zum Verpflegen, aber ohne eine Besonderheit, fahre ich erneut an [url= http://www.lesdeuxvelos.com/]Les Deux Velos[/url] vorbei. Vor drei Jahren prosteten mir dort im Garten sitzende Radler mit Rotwein zu als ich an den blau bemalten Rennradeingangstor vorbei fuhr – in Radlerkreisen mittlerweile zu einem Kultfotomotiv geworden. Diesmal ist weniger los, nur ein Mann säubert gerade Armaturen an einem Außenwaschbecken. Ich halte an, um nochmals ein Foto zu machen und unterhalte mich mit dem Niederländer, der diese Pension seit drei Jahren leitet, die sich explizit an Radfahrer richtet. Geboten wird nicht nur eine Unterkunft, sondern auch ein Abendessen mit Gemüsen aus eigenem Anbau sowie ein ordentliches Radlerfrühstück, wie es in Frankreich wohl selten sein dürfte. Ich frage ihn nach den wirtschaftlichen Perpektiven und warum er in Frankreich sich selbstständig gemacht hat. Seine Antwort ist, dass es in Frankreich wesentlich unbürokratischer sei, eine solche Einrichtung zu führen und selbstständig zu werden. Und mit fremden Sprachen haben die Oranjes ja bekanntermaßen ohnehin keine Berührungsängste. Wer in der Gegend Radurlaub mit Festunterkunft plant, sollte hier mal anklopfen.

Die nächste Passage bedeutet harte Pedalarbeit – allerdings nur bis zum Col de la Crouzette. Ein halbwegs lichter Wald mit viel Kastanie begleitet hinauf, nahezu ohne Panorama. Es folgt ein eher weicher Anstieg bis zum höchsten Punkt- Sodann rollt man durch eine unauffällige, ziemlich unberührte Waldlandschaft bei meist niedrigem Gefälle hinab – nicht zufällig als Route Verte bezeichnet. Oben ist das vielfach eine fast flache Höhenstraße, die wechselweise Panoramablicke nach Süden oder Norden zulässt – allerdings zu meiner Beradlung gerade etwas eingetrübt. So mag auch meine Bewertung für diese Route etwas schwächer ausfallen als es vielleicht bei guter Fernsicht der Fall wäre – eine schöne, ruhige Route aber allemal.

Irgendwo auf Halbhöhenlage gibt es sogar ein Restaurant – allerdings folgt auf den nächsten 25 Kilometern nichts mehr – nicht gerade eine touristische Hochburg. In La Mouline gibt es zwar einen Camping – allerdings ohne sonstige Versorgung. Ein alter Mann dort meinte, dass es in St-Martin-de-Caralp ein Restaurant gäbe – was aber nicht zutrifft. Die einfachste Möglichkeit wäre natürlich, nach Foix abzufahren, was mich aber im Zeitplan noch weiter zurückgeworfen hätte – zumal ich schon eine schlechter werdende Wetterlage ahnte. Ohne die Hoffnung auf ein Essen in St-Martin wäre es von La Mouline natürlich klüger gewesen, gleich über die D 21 nach La Bastide zu fahren – aber ich hatte ja keine Glaskugel dabei.

Die sehr kleine und kurvige Straße mit mehreren leichten Auf und Abs zwischen La Mouline und St-Martin ist aber sehr schön zu fahren – eine bäuerliche Landschaft mit Weilern, Weiden, Streuobstbäumen und Panorama nach Osten. Die Strecke zwischen dem Col del Bouich und La Bastide auf der D 117 hingegen ist vergleichsweise langweilig, ein gerader, flacher Strich – ein Eldorado für Kilometerfresser. Der recht komfortable Camping in La Bastide befindet sich etwas abseits des Ortes – Straße am östlichen Ortseingang nach Süden abzweigen und ca. 2 Kilometer weiter. Obwohl ich recht spät nach dem Essen dort eintraf, lief noch musikalische Kinderanimation in den Räumen bei der Rezeption. Der gute Platz konnte aber nicht vermeiden, dass ich am nächsten Morgen nahezu im Schlamm steckte. verärgert

Do 21.7. La Bastide-de-Serou - Allières - Le Mas-d'Azil - Le Saret - Col de la Rouge (485m) - Rimont - Col des Vignes (636m) - Col de Rille (938m) - Rivèrenert - St-Girons - St-Lizier
73 km | 11,8 km/h | 6:18 h | 1.075 Hm
W: mehrfach Regen, sonst nieselig, sehr kühl
E: Salat m. Lachs/Avocado/ Grapefruit, Entrecôte Sauce Roquefort, PF, Cafe Gourmand 27,50 €
Ü: C wild 0 €

Bei kräftigem Landregen ein Zelt einpacken gehört nicht zu meinen Genusstaten – immerhin konnte ich unter einem Vordach der Sanitäranlagen die Sachen in die Taschen stopfen und ein wenig die Nässe abreiben – eine Trockenphase konnte ich an diesem Tag kaum erwarten. Das mittelalterliche La Bastide zeigt sich trotz des Regenschleiers in charmant liebenswürdiger Weise, die Bewohner haben Sinn für Details und Humor, wie manches Accessoire am Haus belegt. Von den einst vier Toren ist nur noch eines gut erhalten. Auf dem Markt pflegt man die nachbarschaftlichen Kontakte recht unbeeindruckt vom kühlen Nass umher.

In einer Hügellandschaft gelangt man über Allières zu der berühmten Grotte in Mas-d’Azil. Sie ist eine Besonderheit, weil sie nicht nur zu Fuß oder per Boot, sondern sogar per Auto zu durchqueren ist, denn die D 119 führt hier mitten durch. Die Höhle ist über 400 m lang und bietet ein imposantes Gewölbe über dem Kopf. Mitten in der Höhle kann man per Eintritt die Höhle samt Führung besichtigen, bekommt so einen Eindruck der prähistorischen Funde (nicht gemacht). Die Höhle diente zu unterschiedlichsten Zeiten als Schutzraum, nicht nur den Frühmenschen, sondern auch wiederum den Katharern. Bemerkenswert gutes Kunsthandwerk bietet ein Keramikerin kurz nach der Durchfahrt, noch bevor man den Ort nördlich der Grotte erreicht. Auch der Ort besticht mit lieblichem Charme und würde sich als Übernachtungsort empfehlen.

Für die nächste versteckte Route fahre ich zunächst von der D 119 ab und folge weiter der Arize. Kurz vor dem Talknick zweige ich über ein kleines Sträßchen zum Col de la Rouge ab (ein Schild zu dem Pass gibt es nur im Tal auf der anderen Seite). Bei der Auffahrt (kleiner Teil ist steil) kann man kurz einen Blick auf das Château von Durban-s-Arize werfen, die eigentliche Zufahrt wäre unten von Durban aus erst nach dem Talknick möglich. Auch hier haben sich zeitweise Katharer niedergelassen. Nach der Abfahrt ab La Grausse folgt eine nur leicht ansteigende Route nach Rimont. In dem Ort gibt es eine kleines „Musée pyrénées de la Résistance et de la Libération“ – doch hat es aus mir nicht erschließbaren Gründen keine öffentlichen Besuchszeiten mehr.

Mich selbst überfällt nach den erschöpfenden Wetterkapriolen große Müdigkeit – ich hätte auf einer Bank einschlafen können und traute mich schon gar nicht in eine Bar hinein für einen Kaffee – im Warmen wäre ich erst recht eingeschlafen. Wieder musste ich entscheiden, in die gehobene Bergwelt auf knapp 1000 m samt Wolke hineinzufahren, oder lieber hier bei leichter Abfahrt einen einfachen Weg nach St-Girons zu suchen. Ich reiße mich schließlich zur Bergfahrt zusammen, habe Glück, dass die Wolke trocken bleibt bis zur Passhöhe am Col de la Rille. (Hier kann man die Route an die des Vortages über den Col de la Crouzette anschließen). Die Müdigkeit verfliegt wieder bei der Talansicht. Ein dichtes Geflecht an Büschen und Bäumen, mit viel Springkraut erinnert an entlegene Schwarzwaldtäler. Weiter unten steht ein Märchenhäuschen mit verspieltem Garten aus Teichen, Naturholzbrückchen und einem ganzen Universum aus pastellfarbenen Hortensien. Nur wenig weiter folgt ein Dorf, in dem man der Blumenbracht nicht nachstehen möchte und in alle freien Ritzen Orangegelb gepflanzt.

Fr 22.7. St-Lizier - Montjoie - Lara - Les Baudis - Barjac - Col du Cap Blanc (519m) - Mercenac - Prat Bonrepaux - Saleich - Rouede - Lannes - Col des Pérès (438m) - Barat - Col de Larrieu (704m) - Col de Lauzet (~680m) - Aspet - Izaut-de-l'Hotel - Col du Bech (715m) - Col des Ares (797m) - Antichan/St-Pé-d'Ardet
99 km | 12,0 km/h | 8:10 h | 1.755 Hm
W: nebelig, wolkig, teils Niesel, auch Regen, kühl
B: L'Escargotière Barjac 0 €
E (La Palombière): Rw, Schnecken, Forelle m. Mandeln, Reis, Gem., Lammkotelett, PF, Cafe 30 €
Ü: C wild 0 €

Ich hatte des Abends in St-Girons gut gespeist, aber der durch die Papierindustrie recht ausgedehnte Ort hat direkt anbei keinen Camping, ich hätte wieder 5 Kilometer zurückfahren müssen. Die geplante Bergroute über 1000 m mit dem Col de la Core und dem Vallée de Bethmale musste ich aber spätestens mit dem Blick des Morgens ausfallen lassen, weil die Berge tief, nahezu undurchdringlich in den Wolken hingen. So gesehen war die Entscheidung richtig, mich in Richtung flacheres Land zu bewegen, wenngleich der Tag auch dort noch genügend Nässe brachte. Nur gibt es in St-Lizier – etwas über dem Goldfluss Salat (geringste Mengen Gold, Schatzsucher bleiben lieber daheim zwinker ) gelegen – ebenso wenig einen Camping und der historische Ort ist ziemlich vermauert im Hang gelegen. Der furchtlose und übermüdete Radler aber stellt sein Zelt auch auf dem örtlichen Picknickplatz auf – direkt bei der historischen Kirche und bewacht oben womöglich vom Schlossfräulein. schmunzel Das Bäumchen bietet sogar ein Trockenzone im Nebelland, wobei es aber nachts und morgens nicht regnet.

Saint-Lizier mag verschlafen wirken, war aber ca. 1300 Jahre Bischofssitz (bis 1801). Das vermeintliche Burgfräulein – sollte es das geben – würde im ehemaligen Bischofspalast, dem Palais de Evêques, residieren und wäre eine wohl reiche Dame der Neuzeit, denn das erst kürzlich renovierte Gebäude ist nunmehr Hotel- und Appartmentanlage, Seminarkomplex und Nobelrestaurant. Seit April diesen Jahres gibt es auch ein Museum, das vielseitig von der gallo-römischen Archäologie über Religionskunst, Heimatgeschichte, Textilwesen bis zu anfassbarer Naturwissenschaft informiert. Nicht anders zu erwarten, dass ich auch hier zu früh war um auf eine Besichtigung zu warten.

Die folgende Route wäre sicherlich sehr reizvoll bei guter Sicht, denn die Petites Pyrénées sind eine typische Pyrenäenlandschaft mit grünen Wiesenhügeln – nur auf niderigem Niveau gelegen – also ein Empfehlung, die es nicht so mit hohen Bergen mögen. Mehrere Auf und Abs sind unterschiedlich von einfach bis zu kurzen Steilrampen. Die Wegführung ist unübersichtlich mangels ausreichender Ausschilderung. Den Hunden sollte man hier nicht trauen: Als ich in Lara in einer immerhin sauberen öffentlichen Toilette saß, hörte ich das Knacken, das wie ein Gebiss auf hartem Gegenstand klang. Die Tür aufgestoßen, musste ich sehen, dass sich einer der rumlungernden Hunde an die Tasche mit den vermeintlichen Leckereien heran gemacht hatte. Dazu hatte er angefangen die Plastikschnalle samt Textilriemen durchzubeißen. Da musste der veloträumer ähnlich wie einst Archimedes aus der Badewanne heraus alles Vergessen und eiligst mit wildem Flüchen das vierbeinige Gesindel vertreiben, der aber keinerlei Schuldbewusstsein zeigte. verärgert böse Erst gewichtige Steinwürfe ließen den Dorfstreuner den Rückzug antreten.

Es mag kaum besseres Wetter geben als die Attraktion von Barjac zu besichtigen: Die Schneckenfarm. Leider ist das Museum mit einer Sammlung von Schneckengehäusen aus aller Welt und eine Besichtigung mit Vorführungen (Schneckenrennen) an schmale Öffnungszeiten oder Voranmeldungen gekoppelt. Marc Mage, ausgezeichneter Schneckenzüchter und Präsident der Schneckenverbandes Midi-Pyrénées, gibt mir eine Blitzführung durch das Zuchtgelände. Es gibt zwei Schneckenarten, die verwendet werden. Diese tummeln sich zu Hunderttausenden unter feuchten Brettern, aber auch Schnecken aus der Umgebung werden gesammelt. Im Laden gibt es natürlich auch Schnecken zu kaufen, auf der nett gemachten Homepage gibt es auch ein paar Rezepte und auch Links zu einigen ausgewählten Kunsthandwerkern der Region, darunter auch Jean Marie Mathon („pyrenoust“ anklicken) aus Moulis, den ich vor drei Jahren in seinem Atelier besucht hatte und der tolle (Klein-)Figuren kreiert, darunter Tätige ausgestorbener Berufe aus den Pyrenäen oder so eine Kuriosität wie ein Schachspiel mit Pilzen, bei denen die guten (Esspilze) gegen die bösen (Giftpilze) antreten. Nebenbei modelliert er auch einige der Tour-de-France-Helden. (Ich erwähne das hier gerne nochmal, steht aber auch bereits im Bericht zur „Vuelta Verde“ hier im Forum).

Zur Salat zurück komme ich nur durch eine dicke Wasserschicht, das Panorama hier bleibt eine Fiktion. Immerhin wird es nachmittags trocken, die Wolken steigen ewas nach oben und so kann man die leichte Hügellandschaft hier etwas genießen. Es gibt unterschiedliche Steigungsgrade, aber keine längeren Anstiege bis zum Col de Larriau von Barat hinüber nach Aspet. Während bis dato offene Landschaften dominierten, so ist die von Izaut-de-l’Hôtel zum Col des Ares dichter bewaldet. Die Nebenstrecke zunächst hat auch eine steile Passage, von Cazaunous aus fährt sich der Ares-Pass aber sehr flott bei sehr mäßiger Steigung und glatter Straße. Auf der Passhöhe gäbe es Gelegenheit zum Camping mit einem einfachen Restaurant/Hotel, aber hier sind die Köche schon gegangen. So fahre ich ins Tal und verbleibe mit Duldung des Hotel/Restaurants auf dessen Parkplatzgelände zur Nacht, nachdem ich zuvor statusgemäß für diesen Tag natürlich u.a. eine Portion Schnecken verzehre. schmunzel

Zur Bildergalerie TEIL 11 (folgendes Bild anklicken):



Fortsetzung folgt
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 26.12.11 18:24

Es ist soweit - endlich das Finale. schmunzel Ich hatte geglaubt, ich könne diesen Bericht bis zum 1. Advent oder Nikolaus fertigstellen, aber das war irgendwie illusorisch bei der zeitfressenden Bildbearbeitung. Nun ja, es ist immerhin noch im alten Jahr. Vielleicht versuche ich demnächst mit dem Anfang etwas länger zu warten, damit sich das nicht so lange hinzieht.

TEIL 12 Römerspuren, Pilgerorte, Erlebniswelt Mittelalter und Bäderarchitektur: Die historischen Provinzen Comminges und Bigorre

Wenngleich der Sommer nicht wirklich zurückkehrte, so stimmten die beiden letzten Tage ohne tief hängende Wolken doch versöhnlich. Landschaftlich hatte ich keine zu großen Erwartungen mehr, ging es doch nur noch durch vergleichsweise niedrige Regionen. Umso mehr begeisterte mich ein weiterer und ganz unerwarteter Höhepunkt der Reise – ein Festival der Genüsse, der Farben und der Musik nochmal und entsprechend hoffe ich über die Bilder das auch eine wenig transportieren zu können.

Sa 23.7. Antichan/St-Pé-d'Ardet - Col Bouchet (608m) - Sauveterre-de-Comminges - Barbazan - Col de Hountérède (475m) - Burs - Valcabrère - Eglise St-Just - St-Bertrand-de-Commingues - Nestier - Col de Mazouau (631m) - Hèches - Col de Luquet (659m) - Col de Coupé (720m) - Bulan - Col d'Asque (620m) - Banios - Col des Palomières (810m) - Bagnères-de-Bigorre – Gerde
88 km | 12,3 km/h | 7:10 h | 1.505 Hm
W: zunächst sonnig, später bewölkt, kühl, teils windig
B: Basilique St-Just de Valcabrère 2,50 €, Mittelaltermarkt St-Bertrand 0 €
E: Salade Chevre Chaud, Lammkot., PF, bask. Torte, Rw, Cafe 26,20 €
Ü: C Palomières ~8 €

Im Tauglitzer weckt hier eine recht schöne Landschaft – unweit vom Nachtlager ein verträumter See mit Seerosen, eine kleine Talenge und dann weite Felder, wo die Greifvögel wohl intensive Brautwerbung betreiben. Die kleinen Auf und Abs enden an der Aussichtsplattform mit Panorama ins Tal der Garonne, gegenüber mit der noch entfernt wirkenden, aber bereits das Tal prägenden Kathedrale von St-Bertrand-de-Comminges.

Es war eigentlich nicht meine Absicht, aber unten im Tal schlich ich etwas nachsinnend um eine hübsche, fast verflossene Kirche und sah eine sich aufdrängende Ausschilderung für eine weitere. Ich folgte sodenn der Straße zur Basilika St-Just, die gar nicht groß, aber wunderbar in Friedhof und Klostergarten eingbunden ist. Ebenso wie die Kathedrale von St-Bertrand ist auch diese Kirche UNESCO-Weltkulturerbe und Pilgerstätte für Jakobsweggänger, wenngleich nicht auf der getrengen Route liegend. Und da ich irgendwie ein Bedürfnis nach Besinnlichkeit verspürte nach dieser Reizflut der vergangenen Wochen, nahm ich Eintritt mit Audioguide und ließ mich mal in diese christliche Welt hinab. Die Kirche hat aber eine weltliche Besonderheit, was sie mir wohl auf Anhieb sympathisch machte: Sie wurde aus den römischen Steinen erbaut, die hier seit 72 v. Chr. umher lagen und immer noch großteils verschüttet rumliegen. (Es gibt bereits Ausgrabungsfundorte, die zwischen Valcabrère und St-Bertrand offen liegen – vor allem die römischen Thermenkomplexe.) So sind sogar die Skulpturen am Eingang römischen Ursprungs, die nur mit ein paar christlichen Reliquien ergänzt wurden (Kreuz, Bibel etc.). Das Kircheninnere ist keineswegs von barocker Fülle und gerade deswegen ein wohltuender Ort der Nachdenklichkeit, zumal gerade der Orgelspieler eine unverbindliche Kostprobe gibt.

St-Bertrand verdient das Prädikat „schönste Dörfer Frankreichs“ nicht nur wegen der weithin sichtbaren Kathedrale. Zu meiner Überraschung findet just an diesem Wochenende ein Mittelaltermarkt statt. Viel Volk in alten Gewändern, bunt und farbenprächtig, traditionelle Handwerkskunst, Stände mit allen Leckereien wie Käse, Wurst und Gebäck verwöhnen den Gaumen und lassen die Düfte des prallen Lebens aufsteigen. Alsbald marschieren zwei Orientalen mit Teppich auf, legen das Knüpfgewebe aus und entpuppen sich als Musiker. Die erste Gruppe mit indischer Raga-Musik spielt auf hohem Niveau. Nebst Instrumentals sich zwei gelenke Tänzerinnen amutig und szenisch, die Geschichte der Lieder erzählend. Danach folgt eine Gruppe mit originalen Mittelalterinstrumenten, bis hin zum Spitzschuh auch authentisch gekleidet. Ich hätte hier natürlich den ganzen Tag verbringen können, aber mit Blick auf die Rückreise musste ich die letzten Planziele schon einhalten und viel zu früh von dem Treiben Abschied nehmen.

Eher unauffällig ist der nächste Abschnitt, die prähistorische Grotte Gargas muss ich schon wegen des langen Aufenthaltes in St-Bertrand liegen lassen. Die Route über Bulan nach Bagnères-de Bigorre ist durch mehrere Auf und Abs in der Summe recht anspruchsvoll – zumal ich über forciertes Tempo noch rechtzeitig vor Dunkelhet das Etappenziel zu erreichen. Neben Hügelland gibt es auch Schlucht- und Waldpassagen sowie reizvolle Dörfer und Weiler mit allerdings wenig Infrastruktur. Auch die wohl sehenswerte und erst seit 1997 öffentlich zugängliche Tropfsteinhöhle Gouffre d’Esparros muss ich ignorieren. Auf dem Col des Palomières gibt es ein größeres Ausflugsrestaurant, das wohl gut besucht wird. Wegen der aufkeimenden Kälte ziehe ich aber in der Dämmerung doch noch die Talfahrt vor. Unter mehreren Campings in Bagnères liegt der meinige knapp außerhalb der Stadtgrenze (Süd).

So 24.7. Gerde - Bagnères-de-Bigorre - la Croix de Manse (750m) - Plan Baudéan/Esquiou (1034m) - Col du Couret (1199m) - Beaudéan - Bagnères-de-Bigorre - Labassère (820m) - Fontaine Sulfureuse de Labassère/Cascade de Pan (794m) - Neuilh - Col de Lingous (575m) – Lourdes* 21:34 || via TGV || 5:58 Paris Gare Montparnasse - Paris Gare de l'Est 7:24 || via TGV || 11:04 Stuttgart
76 km | 11,6 km/h | 6:29 h | 1.330 Hm
* Etappenstrecke bis Lourdes, die Fahrstrecken in Paris und Stuttgart am Folgetag sind nicht berücksichtigt (~ 7,5 km + 3,5 km = 11 km)
W: bewölkt, etwas heiter, sehr windig, kühl, bei Abreise Gewitter
B: Fontaine Sulfureuse de Labassère 0 €
E (La Belle Epoque): Rw, Meeresfrüchtesalat, Schweinefilet, Kart.püree, Gem., Crème Caramel ~20 €

Morgens mache ich einen kleinen Rundgang im Kurgebiet mit Therme und Casino, fahre anschließend in den teils naturbelassenen Parc Thermal de Salut, der hinter dem Hotel Tivoli liegt, und eine wunderbare grüne Oase bildet. Beim Hotel Tivoli ist auch der Abzweig zum Chemin du Bédat. Diese ansteigende Wohnstraße geht irgendwann in die Route Forestière d’Esquiou über (asphaltiert, aber sehr schmal und steil). Beim Croix de Manse hat man dann die Aussicht auf die Ebene bei Tarbes und das auf einem Hügel gelegene Labassère, das ich später am Nachmittag noch passiere. Irgendwann wird aus der Straße Piste, die gut fahrbar ist. Dabei geht es etwas bergab und wieder leichter bergauf. Bei einem Waldparkplatz mit einer Lichtungsebene (Esquiou) führt eine Abzweigung ins Tal Oussouet nach Soulatgnets (hier könnte man etwa die Route abkürzen). Ich fahre aber noch eine unauffällige Schleife über den Col de Couret (meist Nadelwald), um dann nach Beaudéan durch ein wieder etwas reizvolleres Bergwiesental nach Beaudéan abzufahren. Eine weitere Runde über de Col de la Courade lasse ich ausfallen, weil ich mich ziemlich müde und energielos fühle – die Tage des dicken Wassers und der damit oft verbundene geringe Schlaf fordern ihren Tribut.

Ich finde in Beaudéan den Händler wieder, der direkt an der Straße gute Regionalprodukte verkauft, darunter auch ein leckerer gateau de myrtille – gerade geeignet, um noch die kulinarischen Souvenirs aufzustocken. schmunzel Den eigentlichen Stadtrundgang in Bagnères mache ich nun in der Mittagszeit bei Zweitdurchlauf. Bagnères hat es geschafft neben dem Kurbetrieb sich ein belebtes, abwechslungsreiches Bild zu geben, den Charme der Bäderarchitektur mit den filigranen Gardinengiebeln mit moderner Geschäftigkeit zu verbinden – dazu zählt auch die Bedeutung des Ortes für die Tour de France mit dem nahegelegen Tourmalet als legendhafter Mythos der Tour.

Ich selbst habe diesmal bewusst auf die Querung des Tourmalet nach zwei Überfahrten bisher (Ost-West und West-Ost) verzichtet, um einmal die Alternativroute im Norden auszuloten. Zweifellos ist diese Route weit weniger anspruchsvoll, wenngleich noch hügeliger als die weiteren Alternativen noch nördlicher. Über den Hochpunkt bei Labassère gelangt man zu einem scharfen Straßenknick, an dem eine enge Stichstraße (ziemlich steil) zu einem Parkplatz führt, von dem aus man den Cascade de Pan auf einem verwunschenen, überwucherten Moospfad erreichen kann. Ist viel Wasser in Bergbach, muss man auch schon mal die Schuhe ausziehen, um dem Weg folgen zu können.

Nach der flotten Fahrt durch das Oussouet-Tal folgt wieder ein scharfer Knick als Abzweig auf die D 26, die gut ausgebaut ist. Es folgt nunmehr eigentlich nur noch ein leichter Anstieg, oben teils mit weitem Panorama in die Ebene bei Tarbes, das weit am Horizont zu erkennen ist. Im Tal der Neez entwickelt sich das Hochgebirgspanorama nach Süden und in Fahrtrichtung, eine letzte Engstelle an einem bröseligen Schieferberg vorbei und die mir bekannten Bergkuppen bei Lourdes fallen in mein Auge. Ich hatte glücklicherweise im letzten Teil noch Tempo machen können, was mir Gelegenheit zu einem wohlschmeckenden Komplettmenü vor der Zugabfahrt gab. Kaum stand ich unter der Bahnsteighalle, schüttete ein Gewitter nieder, dass es im Zelt heute Abend einem Bange werden müsste. Vielleicht war es sogar heiliges Wasser. grins Aber die Zeit des Zeltens war jetzt vorbei – im Zug sollte es ja trocken genug bleiben. schmunzel

Empfohlene Musiken zur Bilduntertützung:

Musik 1 für Landschaft und Kirche: Rabih Abou-Khalil (3:50 min.)

Musik 2 für St-Bertrand mit Marktständen: Arany Zoltán (3:15 min.)

Musik 3 für Konzert und Tanz Indien/Pakistan: Najma Ahktar (6:45 min.)

Musik 4 für Konzert Mittelaltergruppe: Untitled Dance 13th century (1:51 min.)

Musik 5 für den Rest: Richard Galliano (4:52 min.)

Zur Bildergalerie TEIL 12 (folgendes Bild anklicken):



Nachtrag 1

Die einzige für mich akzeptable Reisemöglichkeit war dieser TGV, der die Nacht über nach Paris fährt. Nachteil: Die Sitze lassen sich kaum verstellen und auch die Lichter nicht abdimmen. So ist es sehr schwierig trotz geringer Belegung, wirklich beide Augen geruhsam zuzudrücken. In Paris hatte ich für den Bahnhofswechsel 1 ½ Stunden Zeit. Das ist weit genug ausreichend, obwohl ich immerhin gut eine Stunde gebraucht habe. Allerdings hatte ich Orientierungsprobleme im Dunkeln am Gare Montparnasse – es war schwierig überhaupt Straßenschilder zu finden. Fragen ist in den frühen Morgenstunden schwierig. Die meisten, die zu der Zeit arbeiten, sind keine echten Pariser – meist Einwanderer aus Afrika – und die kennen sich nicht wirklich aus.

Die von mir ausgedruckte Route von Google Maps war absolut unbrauchbar, weil man sich mit einem solchen Stückwerk nicht wirklich orientieren kann, insbesondere wenn man nicht an jeder Kreuzung sich von den Straßennamen überzeugen kann. Ein vernünftiger Stadtplan wäre sinnvoller. GPS-Anwender sind hier natürlich klar im Vorteil. Auch ist Paris wider manchem Klischee alles andere als eine Stadt mit lauter markanten Gebäuden, an denen man sich orientieren kann. Im Gegenteil: Durch die flache Lage und die einheitliche, stiltreue Bauweise verschwimmen alle Straßenfluchten zu einem Einerlei. Für Fußgänger gibt es aber viele kleine Hinweisschilder zu versteckten Sehenswürdigkeiten. Die kann man als Standortbestätigung gut verwenden, sofern man über einen ordentlichen Stadtplan verfügt. Ich habe mich schließlich nicht auf kürzestem, aber sichersten Wege über die Bahnhöfe vorgetastet – es ist immer nur der jeweils nächste ausgewiesen. Beim Gare de Lyon (von hier aus kannte ich den Weg ja einigermaßen) gab es unterschiedliche Richtungswegweiser für Autos und Räder. Ich bin dem Velohinweis gefolgt – bitte nicht tun! Man macht einen größeren Umweg und verliert sogar ggf. die Orientierung. Gefühlsmäßig wollte ich eigentlich dem Autowegweiser folgen. Mal wieder also „typische“ Radwegplanung. verärgert

Nachtrag 2

Die Nachbearbeitung der Tour war wohl schweißtreibender als die 170 Pässe, die ich bewältigt habe – aber es gab nun mal sehr viel dazwischen zu sehen. Natürlich möchte ich auch von kompetenter Seite hören, ob ich die Route gut gewählt habe sowie Land und Leute halbwegs treffend beschrieben habe. Da gibt es niemand bessere als die Möwe von Cerbère, die ich zu Ende meiner Reise 2008 im Hafen von Cerbère traf und der ich hier im Forum versichert habe wiederzukehren.



Diese Möwe hat die gesamte Côte Vermeille im Blick und ist zudem Botschafterin für das gesamte Hinterland, dass ich beradelt habe. schmunzel Nun habe ich ja Wort gehalten, allerdings die Möwe nicht wiedergetroffen. traurig Somit habe ich Trasgu beauftragt, Kontakt mit der Möwe aufzunehmen. Die Möwe hat nun mitteilen lassen, dass sie auf mich in Banyuls am Meer gewartet habe, aber ich sei ja – wie zu lesen sei – dort nicht ans Meer gekommen. Abends habe sie dann nochmal in Collioure vorbei geschaut, wäre aber wegen Gezänk mit anderen Möwen spät eingetroffen und da sei ich dann auch schon wieder auf dem Inlandsweg gewesen statt mal entspannt dort zu speisen. Der Bericht sei soweit okay, aber ich häbe doch gewaltige Lücken gerissen und sei manchmal doch arg ungeduldig unterwegs gewesen. Es wäre schade, wenn ich da nicht nochmal vorbeischauen würde – mit einer Spur mehr Muße unterm Pedal. Ich solle auch mal eine neues Foto von ihr machen, denn sie habe mittlerweile alle Federn quasi runderneuert und wäre noch viel schöner geworden. Und ihre Kinder solle ich auch mal begrüßen, die wären schon alle verheiratet und hätten ihr jede Menge Enkel beschert.

Nun, liebe Möwe von Cerbère, ich werde wieder mal ein paar Jahre brauchen, um das anzugehen – aber ich verspreche dir hier erneut: Ich werde nochmal wiederkommen!
verliebt

Wohl auf keiner Reise bisher habe ich mich so reingefressen, so die Hintergründe beleuchtet, so das Wesen der Regionen nachgefühlt und die Geschichte mitgelitten. Umso mehr bricht der Widersinn hervor: Auf der einen Seite diese überbordende, blendend schöne Natur, die majestätischen Berge, die Felsen in allen Form, ein Stück blaues Meer, die Farbenfülle der Blumen, das satte Grün der Bergweiden, die vermoosten Urwälder, die Fauna vom Murmeltier über den Apollofalter, den Wiedehopf bis zu den Geiern, Landschaft gewordene Architektur wie die Burgruinen, die malerischen Dörfer, die Künste, die Menschen und ihre Traditionen bis hinein ins Mittelalter, die Kultur des Essens und des Weines oder einfach die hörbare Stille der Bergwelt – ja sogar in Regenschleiern traten die Schönheiten hervor – besänftigten, heilten die Wunden des Leidens in Kälte, Wind und Wolken. Auf der anderen Seite gemahnten die Spuren der Vertreibung, der Flucht, der Resistance gegen die Franco-Faschisten und gegen die Hitler-Nazis, der sinnlosen Vernichtung des Lebens, dem Verbrennen von Menschen im Mittelalter und in der jungen Geschichte nicht minder. Eine Route des Grauens und doch noch mehr der einnehmenden Schönheit.

Nirgendwo deutlicher wurde der Gegensatz als in den Blicken am Tour de Madeloc weit über die Weinberge hinweg über das Meer in den nicht abgrenzbaren Horizont, vorgelagert der Bucht bei Banyuls-sur-Mer, der im doppelten Sinne malerischen Côte Vermeille auf der einen Seite und der Vorstellung an die Holocaust-Flüchtenden in diesen Meerbergen, an den vielen die Freiheit schenkenden Mut Lisa Fittkos, aber auch an die vielen Gescheiterten wie etwa Walter Benjamin. Dieses Bild der unschuldigen Schönheit der Natur mit den Tränen der Geschichte – das ging mir nicht mehr aus dem Kopf und suchte nach etwas, was dieser kleine Bericht nicht leisten kann. So arbeitete ich im Nachhinein – mit Trasgus Unterstützung selbstverständlich zwinker – am konzentrierten Wort, welches schließlich in einem Gedicht mündete, das abschließend gesagt sein will – wie auch die Möwe von Cerbère es wünscht:

Das Meer weint (Banyuls)

Der Weg durch Reben hinauf
mit Schweiß – ich schnauf’
von Sonne verführt
zu Tränen gerührt
der Sinn im Gedicht
vom Licht, das bricht
ein Gemälde im Dunst
fürwahr ist Kunst
spiegelt die Bucht
doch erinnert an Flucht
das Gedächtnis der Schande
der Mensch geraubt dem Lande
das Meer schluckt schwer
mit Rauschen einher.



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FIN – ENDE schmunzel
von: natash

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 27.12.11 20:11

Hai Matthias,

in diese Ecke muss ich auch noch einmal, wenn ich auch wohl nie eine Route dermaßen akribisch planen werde, wie Du das tust. Man darf da bestimmt auch getrost einfach per Zufall durch Landschaft und Sehenswürdigkeiten radeln, ein paar Eckpunkte langen mir ja in der Regel.
Zum Thema Katharrer empfehle ich dieses Buch (ich habe eine ältere Taschenbuchausgabe, es ist aber auch in vielen Stadtüchereien vorrätig) , das mich bereits vor vielen Jahren sehr beeindruckt hat.
Gruß Nat
von: StefanS

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 27.12.11 21:22

Hallo Matthias,

Jetzt muss ich ganz zum Schluss Deines wunderbaren und geradezu poetischen Berichts doch noch was meckern:

In Antwort auf: veloträumer
In Paris [...] hatte ich Orientierungsprobleme im Dunkeln am Gare Montparnasse [...] Ich habe mich schließlich nicht auf kürzestem, aber sichersten Wege über die Bahnhöfe vorgetastet – es ist immer nur der jeweils nächste ausgewiesen.

Der einfachste Weg wäre hier der kürzeste, und Du müsstest nur zweimal abbiegen. Gibt's sogar als Text. Da brauchst Du nicht mal einen unleserlichen Stadtplan schmunzel

Viele Grüße,
Stefan
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 27.12.11 22:20

peinlich Ich weiß, daran habe ich dann auch gedacht und sagte mir: "Der Stefan hat das doch alles ins Radwiki reingestellt - du hättest das vorher dir wenigstens mal anlesen können." Die Tage vor der Abreise waren aber zeitlich sehr eng, Route musste noch kurz vorher umgeschrieben werden - und ich dachte, ich könne auf diese Lektüre verzichten. Meistens komme ich ja auch ohne alles aus - die Negativbeispiele fehlender Orientierung häufen sich allerdings nunmehr - Montpellier, Strasbourg, Rottweil (sic!) - nun also auch Paris... Aber aus Fehlern lernt man ja bekanntlich.
von: chema

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 28.12.11 14:46

hallo matthias
schöne Zusammenfassung
wertvollen Fotos
viele Grüße chema
von: k_auf_reisen

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 29.12.11 08:34

Hallo Matthias!

Ich kann mich dem Lob nur anschließen. Eine ganz andere Art des Radreisens als meine, aber Dein Bericht und Deine Photos bringen einem diese Gegend sehr schön näher. (Etwas gewöhnungsbedürftig war für mich beim Lesen die eigenwillige Verwendung der Artikel bei französischen Bezeichnungen.) Nett auch die Idee mit der Musikuntermalung.

Danke vielmals,
K.
von: SuseAnne

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 29.12.11 16:21

Lieber Matthias,

erinnerst Du Dich? Kaum hast Du Dich aus dem Urlaub zurück im Forum gemeldet, habe ich nach einem Reisebericht gedrängelt und gequengelt. Du hast mich auf die Tugend der Geduld verpflichtet und ich wurde tugendhaft. Die Tugend des Wartens hat sich gelohnt. Obwohl meine Erwartungen an Reiseberichte von Dir in Sprache, Reflexion, Abenteuer und Bildhaftigkeit sowieso schon hoch sind, hast Du mir diesmal noch mehr Vergnügen bereitet. Danke, dass ich diese Reise so lebhaft nacherleben durfte.

Suse
von: kettenraucher

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 29.12.11 16:51

Feedback?
OK, ich schließe mich an!

Also ich finde diese im positivsten Sinne akribische Reportage wunderbar. Sie schildert prächtig und umfassend den Anmut der Landschaft, den Reichtum ihrer Kultur und die Bedingungen des – in jeder Hinsicht anspruchsvollen – Radreisens in dieser Gegend.
Für alle Zukunft ist für mich eine Fahrt in den Pyrenäen undenkbar, ohne Deinen Radreiseführer mit mir zu führen, und zwar selbstverständlich in gedruckter Form (Neudeutsch: Hardcopy).
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 29.12.11 17:15

In Antwort auf: SuseAnne
erinnerst Du Dich?

Ja, ja. Und dann bin ich im Herbst immer wieder rumgeradelt und habe die Arbeit bis zu den langen Winterabenden schmoren lassen. Freud mich, dich doch noch glücklich gemacht zu haben. schmunzel

Ihr seht mich erbleicht oder auch errötet der wohligen Worte des Lobes, so möchte ich eigentlich den Smilie des Großen Kotaus setzen, den es aber nicht in der Forumssofware gibt. Deswegen auch an kettenraucher und alle anderen - auch die stillen Leserinnen und Leser, die Genuss an dem Bericht fanden, schlicht: Vielen Dank!

Übrigens: Ihr dürft auch meckern, z.B. dass der Uhrenturm in Tarascon-s-Ariège nicht ganz gerade steht oder ich nicht mal ein Glas Heiliges Wasser aus Lourdes zum Abschluss eingestellt habe... grins
von: Tom72

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 01.01.12 22:22

Hallo Matthias,

ich hoffe, Du verträgst noch ein Lob grins ... Da auch ich die Region Roussillon und Katalonien und die Pyrenäen dieses und letztes Jahr als wunderbares Radreiserevier kennengelernt habe, hat Dein toller Bericht bei mir viele Erinnungen aufgefrischt. Auf zwei verschiedenen Radreisen 2010 und 2011 habe ich Deine Route mehrfach gekreuzt (allerdings in völlig anderer Reihenfolge): Den wunderschönen Abschnitt des Canal de la Robine vor Port-la-Nouvelle, Espolla, den Col de Banyuls, die Panoramastraße am Tour de Madeloc (allerdings ohne den Abstecher zum Turm selbst), Collioure, die Côte Vermeille, den Col de Creueta (den Tipp zu diesem Paß hatte ich von Dir ), Castellar da n'Hug, L'Ill-sur-Têt (wo ich mir, entgegen Deinem Rat, die Felsorgeln leider nur aus der Ferne angesehen habe; mir ist inzwischen klar, daß ich was verpaßt habe), durchs Fennouillèdes, die Cerdagne mit Puigcerdá, in Sichtweite des Sonnenofens von Font-Romeu vorbei, ohne ihn allerdings bewußt wahrgenommen zu haben, weshalb ich bei Deinem letzten Bilderrätsel nicht punkten konnte, Mont-Louis, Formiguères, das Aude-Tal mit Usson-les-Bains, den Gorges de St.-Georges und Axat...

Ich wünschte, ich hätte auch die Energie, meine Radreisen so aufwendig nachzubereiten... aber ich plane, demnächst hier auch mal einen Reisebericht zu präsentieren.
von: bep

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 01.01.12 23:48

Hallo Matthias,
tolle Reise(-bilder) - geniale Recherche.
Macht Spaß auf Europa.
Danke!
von: veloträumer

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 20.03.19 21:27

Eigentlich wollte ich es mit einem Bilderrätsel verknüpfen, aber dazu fehlt mir die Zeit. Auch eigentlich wäre es keine große Kunst, einen Track in einem der gängigen Programme nachzubauen, doch ist es hier doch eine etwas skurrile Geschichte, die zur Fundsache WWW wurde. Aufgrund eines ungewöhnlichen Zufalls kann ich an dieser Stelle einen GPSies-Track nachreichen: 7 Jahre nach der Reise, in 2018, fand ich per Zufall und etwas mysteriös einen Track im Web, der ohne Benutzername gespeichert war und irgendeinen unzureichenden Titel trug. Es stellte sich heraus, dass es sich um meine 2011er-Tour in den Pyrenäen handelte – zu unglaublich, dass jemand anderes solche Route exakt so fahren oder planen würde. Erst glaubte ich, ein Leser dieses Berichts hätte den Track anhand der Ortsdaten nachgebaut. Längst hatte ich aber vergessen, dass ich mal in grauer Vorzeit einen Versuch gemacht hatte, einen Track bei GPSies zu erstellen. Ich fand damals keine Möglichkeit, den Track zu speichern und hatte ihn daher verzweifelt als verloren geglaubt.

GPSies rührte ich für Jahre nicht mehr an, ein weiterer Versuch vergällten mir 2013 fehlende Wegstrecken auf der Digitalkarte (im Gegensatz zur Papierkarte), die ich nicht anderweitig einzuzeichnen wusste, sodass ich erst Ende 2015 mich ausreichend einarbeitete, um gelegentlich Tracks nachzubauen, was ja nur ein Sonderservice für die Leserschaft ist, da ich selber GPS und digitale Navigation ja sonst im bestens bekannten Europa aus recht guten Gründen nicht nutze. Offenbar blieb der 2011er-Track aber erhalten, wenn auch herrenlos. Klaus Bechtold von GPSies war so freundlich, mir den Track schließlich in mein mittlerweile existierendes Benutzerkonto bei GPSies zu transferieren.

Ganz genau geprüft habe ich den Track nicht mehr, wohl sind auch kleinere Fehler enthalten, aber doch weitgehend korrekt. Sodann jetzt nochmals weiter verspätet der „lost track“ hier als lange verschollenes Fundstück, im Zweifel auch dem mittlerweile aus der Folgegeschichte namentlich bekannten, aber nur verschwommen archaisch vermuteten Pirineosaurus zuzuschreiben (auch am Anfang des Berichts nachgetragen):

Track auf GPSies (am PC nachgebaut): Pyrenees Cathares-Catalan
von: indomex

Re: Pyrénées Cathares-Catalán - 21.03.19 04:58

Mir gefällt deine Art zu berichten... deine detailreiche Bebilderung (bis hin zu nahezu leuchtgelben Schnecken)... und deine Art zu schreiben, mit viel Hintergrundkenntnissen und einem Herz für Möven... Danke für deinen Bericht.