Re: Island 2010

von: Stefan Boehm

Re: Island 2010 - 06.08.10 20:23

ein paar hab ich noch: grins




























und den zweiten Teil meines Berichts:

Seit 23 Stunden knattert das Zelt im Sturm. Im weichen Untergrund lockern sich die Heringe ständig. Schwere Steine helfen nur zeitweise. Es knallt. Das halbe Zelt schlägt auf mich ein. Spannschnur gerissen, Gestängeelement gebrochen. Ich breche das Lager ab, schlage mich zu einer Hütte durch. Eine Stunde 45 Minuten für gut Zehn Kilometer. Aufwärmen, durchatmen, trocknen, reparieren. Ein Menschenfreund hat einen Rest Rum dagelassen. Abends legt sich der Sturm, Wolken lösen sich auf, geben den Blick frei auf eine grandiose Gletscherlandschaft.

Kurz vor der Hütte Nýidalur. Im Zentrum der Sprengisandur queren Gletscherflüße die Piste. 2 Grad kalt, Oberschenkeltief, reißend. Gepäck abschnallen, fünf Mal durch die eisigen Fluten waten. Pro Fluß. Deren drei. Der Hüttenwart setzt mich an den Ofen, drück mir einen heißen Kaffee in die Hand. Dankbares lächeln.
Draußen steht das Zelt, in der Küche köchelt die Tütennahrung. Seit sieben Jahren macht der Hüttenwart den Job. Er tippt mit dem Zeigefinger an die Stirn, „im April hab ich da einen Harddisk Error und muss aus der Stadt flüchten“. Er spricht von wenig Wasser, sehr wenigen Touristen und noch weniger Jobs in diesem Jahr. Nur vom Vulkan gab‘s viel. Zu viel. Selbst die Isländischen Medien haben überspitzt, dramatisiert, übertrieben. Von der Weltuntergangsstimmung in den EU Medien ganz zu schweigen. Nach der Bankenkriese: Tourismuskriese. Hoffen auf die nächste Saison, „jeder kennt jetzt Island“ – bad news are good news.

Mit dem Bike über feuchten Lavasand. Fast wie Asphalt. Das Alter der Berge wird sichtbar. Sie sind Jung, sehr Jung. Abgerutschte Hänge, vom Moos überwucherte Rinnen, Berge vom Regen zerfressen. Flach und steil, rund und eckig, glatt und zerfurcht. Die Erde lebt, atmet, pulsiert in Farben die jeder menschengemachten Farbpalette Hohn sprechen. Ein Ranger zeigt ein Foto vom letzten Jahr. Der Berg war grün. Heute ist er schwarz. Ein heftiger Regenschauer hat das Moos heruntergespült wie Wind das Herbstlaub herunterweht. Ein paar Kilometer weiter ein Berg strahlend weiß. Hagel hämmert auf den Helm. Für einige Minuten „Winterwonderland“. Auf der Piste bilden sich kleine Bäche, graben Furchen in den weichen Untergrund. Der weiße Zauber geht, die zauberhafte Landschaft bleibt.

Feiner Staub dringt durch das Tuch vor dem Mund. Gelblicher Nebel verkürzt die Sicht auf zwei, drei hundert Meter. Nach zwei Tagen ohne Regen reißt der Wind feinste Aschepartikel aus dem trockenen Boden, schiebt sie wie Wogen im Meer über das Land. Langsam fahren, die Atmung kontrollieren, die Augen zum Schlitz verengt. In jede Pore, jede Ritze, jede Öffnung dringt der Staub. Die Kette jault ihr Klagelied. Nach zwei Stunden legt sich der Spuk. Konturen werden sichtbar, die zerrissene Struktur der Landschaft kehrt zurück.

Spiegelglatt liegt der Laufavatn vor dem Zelt. 5 Uhr morgens, windstill, wolkenlos. Um 7 auf dem 1189m hohen Gipfel des Laufafell. Die Sicht ist diesig. Der leichteste Wind wirbelt feinste Aschepartikel in die Luft. Trotzdem ist die Aussicht atemberaubend. Im Süden bläst der Eyjafjallajökull eine einsame Dampfwolke in die Luft. Davor grüne Krater, schwarze Lava, gelbes Gestein, zerfurchte Berge. Östlich quellen Dampffahnen zwischen den Bergen hervor, das Geothermalgebiet rund um Landmannalaugar liegt zu Füssen. Wolken- und bewuchsfrei erhebt sich aus karger Landschaft die Hekla majestätisch im Westen. Nach Norden gleitet der Blick über ein paar niedrige, schroffe Berge und bleibt an weiß funkelnden Gletschern hängen. Ich bleibe bis aufkommender Wind die ersten Wolken vor die Sonne schiebt.

Viele Grüße, Stefan