Re: Montenegro im Oktober 2010

von: amarillo

Re: Montenegro im Oktober 2010 - 11.11.10 18:01

5. Tag: Donnerstag, 14.10.

Ulcinj – Bar: 33 km

Seit gestern Abend hat es die ganze Nacht geregnet. Trotzdem sitzen wir schon um 7:15 Uhr am Frühstückstisch. Eine Bedienung weist uns einen nicht gedeckten Tisch zu, bringt von einem anderen dann Tassen und Brotkorb. Nun kommt sie mit 2 großen Kannen. Ich denke es ist Kaffe und Milch. Aber Fehlanzeige, denn in einem Erholungsheim wird der Kaffee durch Kräutertee ersetzt. Wir bestellen ein Käseomelett, was sich als gute Grundlage für einen Radtag erwiesen hat. Trotz des Regens packen wir und fahren los. Wir kommen jedoch nur einen Kilometer weit und beschließen erst mal einen Kaffee zu trinken. Es regnet nun stark und teils aus Frust, muss ein zweiter Kaffee her. Um 10 Uhr hört es auf zu regnen und wir fahren los. Zuerst einige Kilometer über die Magistrale, wo uns ein französischer Liegeradfahrer entgegenkommt. Nach 8 km biegen wir rechts auf eine schmale Straße ab. Es geht aufwärts in die Berge und plötzlich endet der Asphalt. Ich frage einen alten Mann, der bestätigt, dass es auf der Schotterpiste weitergeht. Nach kurzer Zeit verlässt die Piste den Wald und wir haben nach links schöne Ausblicke auf die Küste. Nach 7 Kilometern haben wir wieder Asfalt unter den Rädern. Hier ist die Gegend von Olivenbaumplantagen geprägt. Wir picknicken am Straßenrand, bevor es durch Dörfer oberhalb der Küste weitergeht. Bar liegt ausgedehnt unter uns. Wir fahren auf einer Nebenstraße oberhalb abwärts, zunächst bis zum ältesten Olivenbaum Montenegros. Geschätzte 2000 Jahre soll er alt sein und möglicherweise der älteste Baum Europas sein.
Unsere nächste Anlaufstelle ist Stari Bar, die Ruinenstadt oberhalb von Bar. Steil führt die Straße hoch zu den Ruinen. Davor checken wir im Hotel/Konoba Kula ein und besichtigen danach die Ruinenfelder mit der Zitadelle, den wieder aufgebauten Kirchen und dem Aquädukt, das von den Türken erbaut wurde.
Vor der Stadtmauer steht ein bepacktes Reiserad. Erstaunlich, dass wir zu dieser Jahreszeit hier täglich Reiseradler sehen oder treffen. Auf der Terrasse des Hotels machen wir bei ein paar seltenen Sonnenstrahlen den Plan für den weiteren Urlaub. Abends gibt es eine gute Pizza. Leider hat uns der Regen wieder eingeholt.




6. Tag: Freitag, 15.10.

Bar – Podgorica (per Bahn) – Danilovgrad: 30 km

Auch heute Morgen regnet es und wir lassen uns erst mal Zeit. Nach Virpazar, und somit in die Berge zu fahren, hat keinen Sinn, denn die Wolken hängen tief. Draußen rauscht das Wasser die steile Straße hinunter. Wir bleiben erst mal liegen und beschließen dann zum Bahnhof von Bar zu fahren, um den Zug nach Podgorica zu nehmen. In voller Regenmontur geht es hinunter in die Stadt Bar. Am Bahnhof hat der Schalterbeamte erst mal Pause und wir trinken einen Kaffee in der Bar gegenüber.
Die Bahnfahrt kostet 2,40 € pro Person. Der Schaffner verlangt dann noch 4 € pro Rad, wofür auch eine Quittung ausgestellt wird. Radplätze gibt es in diesem alten Zug nicht und so stehen unsere beiden Räder am Ende und versperren zur Hälfte den Ein- und Ausstieg, was aber toleriert wird.
Während der kompletten Bahnfahrt regnet es in Strömen weiter, wie auch bei der Ankunft in Podgorica. Es ist Mittagszeit und so zieht es uns zuerst in eine Konoba. Unser Plan ist jetzt, bis nach Danilovgrad zu fahren, wo es ein Hotel geben soll. Wir hoffen, dass sich das Wetter bessert, um von dort dann in die Berge zu fahren.
Durch den Verkehr der Innenstadt von Podgorica, eine Fußgängerzone und über eine Fußgängerbrücke über den Fluss Mos geht es auf die Ausfallstraße nach Danilovgrad. Es regnet ohne Unterbrechung. Die Straße ist eng und der Verkehr mittelmäßig stark. Auf halber Strecke nach Danilovgrad halten wir an einem Café gegenüber einer Fabrik und wärmen uns am Holzofen und an einem Tee mit Rum. Weiter geht es auf flacher Straße nach Danilovgrad, wo ich im Zentrum einkaufe und nach dem Hotel frage. Ein freundlicher Montenegriner fährt mit seinem Auto vor, um uns den Weg zu zeigen. Das Hotel Perjanak liegt nördlich der Stadt an der Durchgangsstraße. Wir checken ein. Das Hotel bietet einen guten Service und ein gutes Preis-Leistungsverhältnis und vor allem eine Sauna, die wir ausgiebig nutzen. Das Abendessen nehmen wir im Restaurant ein und genehmigen uns eine Flasche Wein. Wir schlafen gut.


7. Tag: Samstag, 16.10.

Danilovgrad – Bogetici: 31 km

Als wir aufwachen, regnet es immer noch in Strömen. Das kann doch nicht wahr sein! Noch nie hatten wir so schlechtes Wetter auf einer Radreise. Also bleiben wir erst mal liegen, schauen Frühstücksfernsehen, um den Wetterbericht für die kommenden Tage zu erfahren, der aber kein besseres Wetter prophezeit. Um 9 Uhr packen wir dann unsere sieben Sachen und gehen um 10 Uhr zum Frühstück. Es gibt ein sehr gutes Frühstück à la carte, aber leider regnet es nach dem Frühstück immer noch Bindfäden. Gegen 11 Uhr entschließen wir uns, loszufahren und es hört sogar für eine Stunde auf zu regnen.
Auf einer Nebenstraße fahren wir Richtung Niksic und wollen zum Kloster Ostrog, einem der wichtigsten Pilgerorte der orthodoxen Kirche auf dem Balkan. Die Straße ist kaum befahren, dafür überholen wir aber einen Mann, der auf seinem Esel reitet. Auch das ist Montenegro. Beim Abzweig zum Kloster Ostrog beginnt es wieder zu regnen. In steilen Serpentinen geht es aufwärts. Wir passieren eine Schlucht mit einem reißenden Bach und überqueren die Bahnlinie. Wieder geht es in Serpentinen aufwärts nun auf einer neuen breiteren Straße, auf der aber auch kein Verkehr herrscht. Wir fahren regelrecht in den Wolken. Die Sicht ist stellenweise nur 10 m und es regnet stark. Nachdem wir schon glauben oben zu sein, geht es noch dreimal hoch und runter. Bei diesem Wetter ist das schon deprimierend. Dann sehen wir die Klosteranlage vor uns. Eigentlich gilt unser Interesse kaum mehr den Fresken und Ikonen sondern vielmehr der Frage, wo es hier ein warmes Café zum Aufwärmen und Trocknen gibt. Am Rand der Klosteranlage werden wir fündig und würden am liebsten in den Holzofen kriechen. Nach ca. einer Stunde – es regnet immer noch in Strömen und die Sicht beträgt weiterhin nur 10 m - inspizieren wir die die einfachen Klosterunterkünfte: 4 Doppelstockbetten, also acht Personen in einem ungeheizten Raum. Dasmüssen wir bei diesem Wetter nicht haben und entschließen uns für die Weiterfahrt. Die Straße führt in Serpentinen abwärts und die Abfahrt im dichten Nebel ist nicht ohne, da diese schmale Straße wohl die Hauptzufahrt zum Kloster ist und hier reger (Bus-)Verkehr herrscht. Nach 8 kilometern taucht ein großes Restaurant mit einem kleinen neuen Hüttendorf auf. Ich frage nach einer Unterkunft und schnell ist eine der beheizbaren Hütten die Unsere. Abends lassen wir es uns in dem gemütlichen Restaurant gut gehen. Der Regen hat aufgehört, ein Stern und der zunehmende Halbmond zeigen sich. Hoffnung auf besseres Wetter !


8. Tag: Sonntag: 17.10.

Bogetici – Poscenje: 71 km

Endlich! Kein Regen heute Nacht und heute Morgen und zum ersten Mal sehen wir die Berge um uns herum. Im Tal liegt jedoch noch dicker Nebel.
Um 8 Uhr gehen wir zum Frühstück und können aus den großen Panoramafenstern zuschauen, wie die Nebel aus dem Tal aufsteigen. Um 9 Uhr sind wir startklar. So früh kamen wir noch nie los.
Wir rollen runter nach Bogetici. Dort geraten wir auf die Magistrale nach Niksic, die jedoch, da stetig ansteigend, meist 3-spurig ausgebaut ist. Wir passieren 2 kleinere und einen längeren Tunnel, hinter dem wir nach rechts abbiegen, an einem Sand- und Kieswerk vorbei und über eine alte Brücke erreichen wir bald die Vororte von Niksic, der zweitgrößten Stadt des Landes. Hier kaufen wir noch Proviant ein und fahren in die Stadt. Im Café Forest, das eine interessante Einrichtung hat, trinken wir erst mal Kaffee, bevor es dann am Stahlwerk vorbei heraus aus der Stadt in Richtung Zablajak geht. Im ersten Dorf werden wir von einer gut aufgelegten Männergesellschaft zum Raki eingeladen. Sie sind auch gerade dabei selbigen zu brennen und die rote Traubenbrühe wird in den Brennkessel gefüllt. Die Frauen bringen uns noch selbst hergestellten leckeren Käse. Danach müssen wir uns ein paar Serpentinen höher erst mal mit unseren Teilchen kräftigen. Serpentine um Serpentine klettern wir nach oben. Der Wald glüht in allen Herbstfarben. So macht Radfahren Spaß. Viele Jäger mit selbstgebauten Hundeanhängern kommen uns entgegen und hupen uns freundlich zu. Wir durchqueren einige Dolinen, bis wir endgültig über der Baumgrenze sind. Die Landschaft wird geprägt von Ziegen, kleinen Schafherden, vereinzelten Kühen und auch ab und an einem Kartoffelacker. Die alten Leute führen hier ein karges Leben. Man kann keine Dorfstrukturen mehr erkennen. Nur noch einzelne kleine Häuser, meist nicht von den Ställen zu unterscheiden, befinden sich hier oben. Es wird nicht mehr lange dauern, bis diese Selbstversorgerlandwirtschaft hier gänzlich aufgegeben wird, denn junge Leute sucht man vergeblich. Wir gönnen uns erst mal eine kurze Picknickpause. Danach muss ich in Handschuhen weiterfahren. Kurz vor der 1500m-Grenze führt die Straße durch Buchenwald abwärts in eine Schlucht. Leider beginnt es schon wieder zu regnen und wir müssen die Regensachen überziehen. Nach wenigen Kilometern kommt rechts ein einfaches Café in Sicht, in dem aber der Kamin brennt, was für uns wichtig ist, um uns aufzuwärmen. Der Holzofen glüht und der Kaffee ist für 50 Cent zu haben. Weiter geht es, meist abwärts, durch einige Dörfer, die von Buchenwäldern umgeben sind, nach Savnik. Das dortige Hotel schreckt uns aber ab, so dass wir uns entschließen abseits unserer Route nach Posenje abzuzweigen, wo es auch ein Hüttendorf geben soll. Richtung Zablajak haltend geht es erneut in Serpentinen aufwärts, wieder aus der Schlucht heraus. Leider hat man links im Tal eine neue Straße nach Zablajak angelegt, die die Landschaft ziemlich verschandelt. Gleich am Dorfeingang von Posenje in Richtung Canyon Kormajon liegt im Licht der Abendsonne das urige Hüttendorf. Im Restaurant brennt der Kamin. Die kleinen Hütten haben sogar Toilette und Dusche in einem winzigen Raum, die Betten bieten Hotelkomfort und mangels Heizung wärmt uns die heiße Dusche.
Abends im Restaurant heißen uns Einheimische herzlich willkommen und geben uns ein Bier aus. Unser deftiges Mahl (Fleischplatte mit Polenta und Käse) beenden wir mit einem Slivova Rakija. Endlich mal wieder ein gelungener Radtag und auch ein schöner Tagesabschluss.

Bilder vom 5. bis 8. Tag