Re: Montenegro im Oktober 2010

von: amarillo

Re: Montenegro im Oktober 2010 - 12.11.10 17:23

9. Tag: Montag, 18.10.

Poscenje – Zabljak: 55 km

Nach der Katzenwäsche am hölzernen Waschbecken außerhalb der Hütte, müssen wir feststellen, dass es erst um 9 Uhr Frühstück gibt. Also fahren wir ein Stück Richtung Canyon. Als uns aber eine Schäferhündin mit ihren Jungen stellt, haben wir keine Traute mehr und fahren zurück zur Konoba, wo wir auch bald Omeletts und türkischen Kaffee vor uns stehen haben. Unser Ziel für heute soll Zabljak sein, das wir aber nicht auf direktem Weg erreichen wollen.
Auch heute Morgen ziehen die Wolken die Berge entlang. Wir fahren bergauf durch eine Landschaft, die mich stark an das Schweizer Jura erinnert. Nur die hohen pyramidenförmigen Heuhaufen weisen darauf hin, dass wir uns auf dem Balkan befinden. Die Aussicht ist genial und wir haben Blick bis ins Hochgebirge. Immer höher geht es bergauf. Die Landschaft wird karg, kaum noch Bäume, bevor wir dann durch einen bunten Buchenwald abfahren. Dann geht es wieder bergauf durch eine Baustelle. Die Landschaft wird wieder karg und erinnert an Teile Irlands oder sogar Islands. Die Sonne die sich heute Morgen kurzfristig zeigte, hat auch schon wieder den grauen Wolken Platz gemacht.
Wir biegen rechts ab und machen gleich an einer überdachten Picknickstelle Pause. Unser Blick schweift über einen kleinen klaren See. Wanderer sind unterwegs.
Es beginnt wieder zu regnen. Mir reicht jedoch meine Winterjacke und so fahre ich durch einen malerischen lockeren Koniferenwald abwärts bis in ein Bergdorf, wo ein einfaches Café mit Holzofen geöffnet hat. Ich kehre ein und warte auf Gerhard, der sich oben am Pass die Regenkleidung angezogen hat. Es gibt für uns einen Tee mit Rum gegen die nasse Kälte. Danach fahren wir weiter, bis uns ein Hirtenhund stellt. Irgendwann verliert er jedoch das Interesse an uns und wir können weiterfahren. An der nächsten Kreuzung halten wir uns links nach Zabljak, vorbei an einem der seltenen Cafés geht es nun wieder beständig aufwärts durch eine hochflächenartige Landschaft, denn Zabljak liegt auf über 1400m Höhe. Schon im ersten Dorf vor Zabljak sieht es aus, als würde man sich hier auf die kommenden olympischen Winterspiele vorbereiten. Überall sind Hüttendörfer und Häuser in Bau. In Zabljak selbst werden auch neue Hotels gebaut. Vom Regen durchnässt checken wir im ersten Haus am Ort im Skihotel Zabljak ein und müssen erst mal die Heizung in unserem Zimmer reklamieren. Nach 20 Minuten wird es aber warm und wir können duschen. Fürs Abendessen ist uns das Restaurant des Hotels etwas "overstyled" und wir begeben uns mit Schirmen Richtung Ortsmitte, wo wir ein kleines Lokal finden und wie meistens für knapp 20 € gut zu Abend essen. Wir machen uns Gedanken, ob es sinnvoll ist, bei diesem Wetter am nächsten Tag über den 1900 m hoch gelegenen Sedlopass zu fahren.


10. Tag: Dienstag, 19.10.

Zabljak – Skicentar Vucje: 74 km

Heute Morgen plätschert immer noch der Regen auf das blecherne Vordach vor unserem Zimmer und schnell steht fest, dass wir statt den Sedlopass zu fahren und den Durmitor Nationalpark zu erkunden, möglichst schnell in tiefere Regionen wollen. Da scheint uns die neue Magistrale wie geschaffen, um möglichst schnell nach Savnik zurück zu fahren. Wir planen im Skicentar Vucje zu übernachten. Nach dem Frühstück lasse ich die Rezeptionistin herausfinden, ob das Skicentar Vucje geöffnet hat. Sie reserviert dort ein Zimmer für uns. Das hätten wir! Nun müssen wir nur den Dauerregen ignorieren und zügig fahren. Ich erinnere mich, dass es auf halber Strecke ein Restaurant geben muss, wo wir dann etwas essen und Pause machen könnten.
Also, noch ein paar Einkäufe tätigen, bevor wir uns Richtung Magistrale nach Savnik aufmachen. Zuerst ist die neue Straße voll ausgebaut mit Mittel- und Seitenstreifen und Leitplanken. Später fehlt jedoch beides. Wir rollen zügig abwärts und machen uns noch keine Gedanken, außer, dass vielleicht im Tunnel noch keine Lampen brennen. Aber es kommt uns nun auch kein Verkehr mehr entgegen. Am Tunnel angelangt heißt es dann: Schluss mit lustig! Im Tunnel wird noch gesprengt und wir müssen links auf einer steilen Piste abfahren und dann auf einer schmalen Asphaltstrasse – die Schneestangen sind hier schon gesteckt – wieder hoch auf die alte Verbindungsstraße nach Savnik. Letztendlich war also die vermeintliche Magistrale ein Umweg für uns. Nun fahren wir doch wieder auf der gleichen Straße wie gestern, nur in umgekehrter Richtung und mit weniger Sicht auf das Hochgebirge. Viele Autofahrer hupen freundlich und staunen wohl darüber, dass wir bei diesem Wetter auf dem Rad sitzen. Es regnet heftig und mittags gehen wir in Savnik zur Polizei, um dort den von uns versehentliche eingesteckten Hüttenschlüssel aus Poscenje abzugeben. Nun geht es wieder in Serpentinen hoch nach Gradac, durch wunderbaren herbstlichen Buchenwald. Im übernächsten Dorf nach fast 60 km kommt dann das Restoran/Café, wo wir Mittag machen können. Zwischenzeitlich trocknen unsere nassen Regensachen am Holzofen und wir stärken uns mit geräuchertem Lamm, (einer Spezialität Montenegros) Kartoffeln und Salat. Tee wärmt zusätzlich von innen. So gestärkt nehmen wir die kommenden 7 km bei 7% Steigung in Angriff, bevor wir in eine karge Karstlandschaft abfahren. Hier stehen nur vereinzelt Häuser, wir sehen Schafherden mit Hütehunden, so groß wie Kälber aber auch so alt wie die Bewohner dieses Hochlandes und somit für uns nicht gefährlich. Eine alte Frau mit Regenschirm hütet ihre 3 Kühe.
Wir zweigen zum Skicentar Vucje links ab. Es geht noch einen Kilometer bergauf. Hier im Hotel wird kräftig renoviert und man erwartet uns trotz Reservierung keineswegs. Nachdem wir unseren Durst zunächst mit einem Bier löschen, wird aber unser Zimmer mit einem Elektroradiator eingeheizt, der Elektriker verbindet 2 Drähte, so dass der Boiler für die heiße Dusche in Betrieb gehen kann und die beiden Frauen im Haus reißen die Plastikfolie von der neuen Matratze und beziehen unser Bett. Es gibt sogar ein Abendessen: Pommes, Schnitzel, Salat und Palatschinken. Wir sind satt und schauen noch bei einem Glas Wein ins Kaminfeuer.



11. Tag: Mittwoch, 20.10.

Skicentar Vucje – Danilovgrad: 65 km

Welch ein Wunder. Es regnet nicht mehr, als wir aufwachen. Nach dem Frühstück haben die Jungs schon unsere Räder aus der Garage gefahren. Das nenne ich doch Service und die Inhaberin verabschiedet uns persönlich mit dem Hinweis auf ihre Bett&Bike Plakette, die das Hotel ziert. Wir rollen den ersten Kilometer hinunter zum Pass. Hier genießen wir den weiten Blick und entdecken kleine Wolkenlücken. Das gibt Hoffnung auf besseres Wetter. Wir fahren die zahlreichen Serpentinen hinunter nach Niksic. Dort geht es zunächst ins Zentrum, da wir an einem Bankomat unsere Finanzen wieder aufstocken müssen. Am zentralen Platz fotografiere ich das Denkmal für den Prinzen Nicola I. und außerdem noch ein paar knallbunt gestrichene Häuser. Hier in Montenegro ist es sehr modern, Fassadenfarbe nicht abzutönen.
Nun geht es heraus aus der Stadt über die alte Straße nach Danilovgrad, die sich wunderbar in Serpentinen über einen Höhenrücken nach oben windet. Nur die überall existierenden wilden Mullkippen verschandeln leider das Landschaftsbild. Wir kommen an der Straße zum Kloster Ostrog heraus und wissen zunächst nicht, ob es für uns bergauf oder bergab geht. Nach genauem Kartenstudium entscheiden wir uns, bergab zu fahren. Mittlerweile hat der altbekannte Regen wieder eingesetzt. Als wir unter uns das Restaurant Koliba mit dem Hüttendorf sehen, sind wir mal wieder erstaunt, wie hoch wir geklettert waren. Wir fahren nach Bogetici, wo wir wegen des starken Regens in eine Koliba einkehren. Nach dem Essen schwingen wir uns in voller Regenbekleidung auf unsere Räder und nehmen die serpentinenreiche Straße abwärts nach Glava Zete. Im Tal geht es dann flach weiter nach Danilovgrad, wo wir zu einem Tee mit Rum einkehren – ein Getränk, das wir auf dieser Radreise neu entdeckt und schätzen gelernt haben. Wir kaufen noch ein wenig Proviant für den nächsten Tag, bevor wir im altbekannten guten Hotel Perjanik an der Hauptstraße wieder ein Zimmer beziehen. Zum Abendessen gibt es Spaghetti und schwarzen Reis. Als wir zu Bettgehen regnet es immer noch in Strömen. Die Wettergeister haben sich gegen uns verschworen.


Bilder der Tage 9 bis 11