Re: Donau, Karpaten und Mehr

von: Puink

Re: Donau, Karpaten und Mehr - 23.10.11 14:00

Tag 33 – Bukarest nach Curtea de Arges
155,6 km / 463 hm
Der Tag bot viele Eindrücke, die nicht im Zusammenhang mit Donau oder Schwarzen Meer standen. Nach dem Bukarest ein Stück hinter mir lag, beruhigte sich auch allmälig der Verkehr, das Rad fahren macht richtig viel Spaß. Das Quietschen vernahm ich ob der Musik fast gar nicht. Die vielen kleinen und mittleren Dörfer haben sich mit vielen unterschiedlichen Szenerien im meinem Kopf eingenistet. Da sind Wachhunde die einem nachlaufen, weil das Grundstück keinen Zaun hat. Oder der Hinweis auf Bodenschwellen, wo ich mich gefragt habe, warum installiert man auf dieser Straße zusätzlich Bodenunebenheiten. Die Pferdefuhrwerke zogen mit Baumstämmen beladene Wagen. Einmal wurden drei von ihnen durch einen Sattelschlepper überholt, der ebenfalls mit Holzstämmen beladen war. Ein sehr aussagekräftiger Moment, schade dass kein Zug an dem Lkw vorbei gefahren ist. Züge bzw. die Schienenübergänge stellen in Rumänien ein echtes Problem dar. Die Mehrzahl kann nämlich nur mit sehr geringer Geschwindigkeit passiert werden. So kam es auch vor, dass auf der Landstraße ein Stau zu bewundern war, nicht lang vllt so 3 km, ausgelöst von einer Schienenüberquerung. Die Züge sind von unterschiedlichstem Zustand. Eine Dampflok habe ich zwar nicht gesehen, aber sehr alte Dieselloks bis hin zu modernen Zügen, wie sie auch bei privaten Bahngesellschaften in Dtld fahren.


Tag 34 – Curtea de Arges nach irgendwo in den Bergen
71,2 km / 1217 hm
Ich bin in den Bergen angekommen. Das letzte Stück gestern Abend hatte schon etwas Steigung, aber nur so im Bereich bis 2 Prozent. Zunächst über leicht welliges Profil gelangte ich zu einem Anstieg an deren Ende der Stausee „Vidraru“ anfängt. Die Straße schlängelte sich entlang der Uferlinie – sodass man weitere 30 Kilometer über sanfte Hügel glitt. Wobei glitt ist hier der falsche Ausdruck. Die Straße war alles andere als in Ordnung. Vereinzelt habe ich neue, asphaltierte Abschnitte passiert, meist aber eine Straße die eher dem Wort „Tortur“ gerecht wird. Nachdem das nördliche Ende des Sees erreicht war, begann die Strecke hinauf zum Pass. Zunächst war meine Planung über den Berg bis nach Sibiu zu fahren, das verwarf ich aber recht schnell wieder – die Steigung forderte zu viel Kraft, als dass ich sie an einem Tag hätte bewältigen können. Und so war ich sehr froh, dass mitten im Nichts eine Siedlung an der DN (drum (= weg) national) 7C auftauchte. Ich überlegte noch kurz – aber die Gefahr dass auf den nächsten Kilometern keine Unterkunft mehr zu finden wäre war mir zu hoch.
Die wenigen Häuser waren alle samt Hotels oder Pensionen. Ich fand eine Gelegenheit etwas warmes zu essen, einen Laden in dem es Postkarten gab (in Rumänien muss man regelrecht nach Postkarten suchen, auf dem Pass oben hatte ich zum Beispiel keine gefunden) und ich konnte meine Vorräte an Schokolade, Keksen und Trinken erneuern.


Tag 35 – irgendwo in den Bergen nach Sibiu/Hermanstadt
94,8 km / 1086 hm

Der Tag begann für mein Empfinden sehr kalt bei 8°C. Schließlich befand ich mich heute Nacht in 1200 Metern Höhe. Erste Serpentinen begannen mir von Süden her Höhe zu verschaffen. Die Steigung liegt um die 6 Prozent mal etwas mehr mal auch etwas weniger. (Das Höhenprofil der Nordseite: http://www.salite.ch/balea.asp – welche ich für die Abfahrt wählte.) So früh am Tag war noch nicht viel Verkehr. Der Wind blies allerdings stark und ich war froh als die Straße in den Windschatten des Berges führte.


Ich blickte bergauf, konnte aber den Pass nicht erkennen. Den Tunnel kurz vor dem oberen Punkt des Passes hatte ich vergessen. Diese Stelle war etwas heikel.

Ich fuhr in den Tunnel ein, Beleuchtung gab es nicht. Die Straße war immer noch mit Steigung versehen und der Tunnel 887 m lang. Sonnenbrille abgesetzt – und trotzdem war nichts zu erkennen. So ein kleines Fahrradlicht vermag es eben nicht den Raum zu erhellen. Ich fuhr in Schlangenlinien, immer so lange bis an die rechte oder mittlere Straßenmarkierung gelangte. In der Hälfte etwas wurde es dann hinter mir hell – warum kam ausgerecht jetzt ein Auto. Ohne Probleme passiert, und ein paar Sekunden später hatte mich das Tageslicht auch wieder. In dem Moment in dem man den Tunnel verlässt, ist man auf Plateau eingetroffen. Hier reihten sich gut ein dutzend Buden und Verkaufsstände aneinander – die alles vom Trockenfleisch, über geschmacklich gewöhnungsbedürftige Souvenirs, Gartenzwerge bis hin zu riesigen Plüschtieren verkauften. Dem konnte ich nichts abgewinnen und tat ein paar Schritte zu dem See. Glasklares aber eisig kaltes Wasser.

Die Sonne funkelte auf den kleinen Wellen und sogar ein Vogel hatte sich hier her verirrt.
Die Mühen der letzten Stunden hatten sich gelohnt.

Die Landschaft bot ein kontrastreiches Bild. Im Vordergrund die schroffen, mit über 2500 m recht hohen, Berge. Anschließend kam ein dichter Nadelwald der sich nach wenigen Minuten Fahrtzeit in die Ebenen, nördlich der Karpaten ergeben hat. Nach Sibiu fuhr es sich bequem. Einzig vor dem Autobahnring um Hermannstadt musste ich einige Radfahrer-verboten-Schilder ignorieren. Die Stadt war gut auf Radler eingestellt. Ein ordentliches Radwegenetz, nur die Treppe just vor der JHB war nicht auf meiner Karte eingezeichnet. Da war ich heute so viel hochgefahren, da konnte ich die paar Stockwerke auch hochtragen. Sibiu war anders als die bisherigen rumänischen Städte. Viele Fassaden haben neuen farbigen Anstriche. Die Sehenswürdigkeiten der Stadt wurden des nachts angestrahlt. Die Architektur entspricht nahezu der in heimischen Landen.


Tag 36 – Sibiu nach Deva
120,0 km / 717 hm
Am Morgen beim Aufwachen blickte ich nochmal auf das kleine Kärtchen der Tragflächenboote, welches ich mir in Budapest mitgenommen hatte. Und was ich las, versetzte mir einen kleinen Schrecken. Die letzte Fahrt von Budapest nach Wien finden im Jahr letztmalig in zwei Tagen statt. Bis Budapest sind es aber noch 500 km – also mit dem Fahrrad keine Chance. Am Bahnhof versuchte ich dann, ein Ticket für den Zug nach Budapest zu erhalten. Züge wären auch gefahren, aber die Dame am Ticketschalter machte mir unmissverständlich klar: „Keine Fahrräder“. Ich solle doch nach Brasov fahren, da gäbe es evtl. einen Zug mit Fahrradmitnahmemöglichkeit. Auf eventuell wollte ich mich aber nicht verlassen. Und fuhr weiter nach Deva, was genau in der entgegengesetzten Richtung zu Brasov liegt. Die Strecke war nicht so schön – viel Verkehr. In Deva war ich auch beim Bahnhof, aber auch hier – keine Fahrradmitnahme möglich! So lief ich, mit dem Vorhaben einen Weg zu finden, um die Schlechten Straßen von Ungarn zu überspringen, durch die Stadt. Meine Schritte führten mich in ein BusReisebüro. Die zwei Damen waren zunächst etwas zaghaft. Ob das Rad im Bus mitgenommen werden würde, konnten sie mir nicht bestätigen. Etwas Hartnäckigkeit hatte dazu geführt, dass sie den Busfahrer fragten, ob es theoretisch funktionierte. Eine Stunde später erhielt ich die Antwort es wäre wohl machbar. Ich fuhr allerdings nach Wien, denn das Boot aus Budapest hätte ich so nicht mehr geschafft.

Tag 37 – Warten in Deva / Busfahrt nach Wien
Der nächste Tag bestand aus viel warten – der Bus sollte gegen 18 Uhr losfahren. Lenker gedreht und Sattel nach unten gestellt. Aber der Busfahrer schaute schon etwas als er mein Rad sah. Diskutierte noch mit der Reisebürodame, die freundlicher Weise auch zur Abfahrt kam. Sie sprach englisch – der Fahrer ausschließlich rumänisch. So ein Reisebus sieht von weitem sehr viel größer aus als er ist – so ein Fahrrad passt jedenfalls nicht so ohne weiters rein. Also das Vorderrad eilig abmontiert.

Aus dem Bus vernahm ich den Sonnenuntergang und blickte zurück auf die letzten drei Wochen. Die Zeit in Rumänien mit ihren Unwägbarkeiten, aber auch und vor allem dem Spaß. Rumänien ist eben nicht Deutschland, es ist anders – aber schön.

Tag 38 – Warten in Wien
Die Busfahrt war trotz der Stoßdämpfer sehr holprig. Gegen fünf Uhr morgens kam ich irgendwo in Wien an. Bei der Demontage hatte ich vergessen die Scheibenbremse zu blockieren. Folge war, dass sich der Bremszylinder zugedrückt hatte. Also die vordere Scheibenbremse demontiert, etwas in Wien umhergeirrt und nach gut einer Stunde, kurz vor sieben morgens in der JHB eingetroffen. Nach dem ich den Schlaf nachgeholt hatte – im Bus war daran nicht zu denken – begab ich mich auf die Suche nach einem Radladen. Sonntags hatten nur wenige offen und die konnten mir die Bremse nicht richten, da ich bei meinem Versuch die Bremsscheibe wieder einzufädeln eine kleine Feder verbogen hatte traurig Also den restlichen Weg nur noch eine Bremse.

Nach einem Besuch der Donauinsel und der Wiener Innenstadt (hm lecker Sachertorte und Mozarttorte) kehrte ich zur JHB zurück. Dort lernte ich Gary kennen, ein netter Kerl aus Schottland. Er fährt eine noch größerer Runde und wirbt für ein Projekt, zu Gunsten von Kindern in Aftrika.
www.cycle4africa.co.uk

Ich gab ihm mein übrig gebliebenes Kleingeld, der Länder die er demnächst bereisen würde, denn ich hatte keine Verwendung mehr dafür. Mein Zimmerkollege (Andreas) war über soviel sportlichen Ehrgeiz erstaunt.


Tag 39 – Wien nach Linz
224,6 km / 534 hm
Die Etappe würde lang werden. Am Morgen ging ich schnell noch Trinken für den Tag holen. Wieder im Zimmer angekommen, war Andreas zwar schon weg – allerdings hatte er mir Unterstützung in Form von Schokolade und Wegzehrung mit auf die Tagesetappe gegeben. Ein sehr netter Zug. Ich musste lachen – so viele Stellen kamen mir von der Hinfahrt bekannt vor. Fast so als ob ich erst gestern hier gewesen wäre, dabei liegen gut 5 Wochen und über 3500 km dazwischen. Zugegeben ich war nicht übermäßig schnell. Bei Gegenwind und Flussaufwärts betrug mein Schnitt so um die 20 km/h. In der Nähe von Melk stieß ich auf einen Radfahrer (Horst), der nur ein wenig schneller führ. Am Ehrgeiz gepackt entschloss ich, mich vor ihn zu setzen und Tempo zu machen. Die folgenden 25 km mit Geschwindigkeiten nahe der 30 km/h am Ufer entlang geradelt. Nach einer Stunde war die Energie praktisch komplett aufgebraucht. In Ybbs verabschiedete ich mich von ihm und stärkte mich mit 2 Tafeln Schokolade.
Die Sonne neigte sich allmälig zum Horizont, aber noch 60 km zu fahren. Ich wollte unbedingt nach Linz – hier mitten im österreichischen Land mochte ich nach einer bleibe Suchen. Kurz vor Linz fand sich dann zum Glück für mich ein Rennradler in dessen Windschatten ich die letzten 15 km gezogen wurde.

Tag 40 – Linz nach Passau
102,4 km / 334 hm
Das war wohl der unspektakulärste Tag überhaupt – die Strecke war bekannt und mit gut 100 km auch nicht so lang. Einzig die JHB auf dem Obernfels war kraftraubend. Im Wetterbericht war Regen angekündigt worden und das bei Werten um 10 – 15 °C. Da zuletzt vor fünf Wochen ein Regentropfen mich getroffen hatte, und es mich nicht reizte krank zu werden, beschloss ich mit dem Zug gen Freiburg zu fahren.

Tag 41 – Zugfahrt nach Hause
In der Nacht war es recht kalt und so waren den Bremsen noch nicht einsatzbereit. Das merkte ich dann bei der Abfahrt. Bei 22% Steigung bzw. Gefälle sollten die Bremsen funktionieren. Taten sie bzw. die eine noch in Takte nicht. Ich zog am Bremshebel aber wurde trotzdem langsam aber kontinuierlich schneller. Mein Glück war, am Fuss der Steigung waren noch ein paar Meter, da kam ich auch zum Stehen. Die Bremsen stanken abartig – mal schauen ob da ein neuer Satz Bremsbeläge nötig sein wird. Die Zugfahrt war mit ihren fast 10 Stunden (schließlich schafft es die Bahn nicht Fahrräder im ICE zu transportieren – im TGV geht das afaik) fast so anstrengend als ob ich die Strecke mit dem Rad gefahren wäre.

Schlussbemerkung:
Wer eine Reise macht kann viel erzählen und sicher auch so manches niederschreiben. Leider oder vielleicht auch zum Glück sind aber die besonderen Dinge nicht zu beschreiben. Das Flair der Reise sind die Menschen und ihre Kultur. Ich habe nur winzig kleine Stücke einsehen können und bin trotzdem so vereinnahmt worden.

PS: Was hat gefehlt:
Löffel, Schnur, Speicherkarte,

Was war zu viel/was habe ich nicht gebraucht:
dicke Socken, Ersatzmantel und Schlauch (keinen Platten gehabt), Regenhose - hat ja nur zwei Std. geregnet :),