Re: Gotthardtrip

von: veloträumer

Re: Gotthardtrip - 11.11.11 13:06

In Antwort auf: iassu
Es wäre früher niemanden eingefallen, sich in in dem Ausmaß wie heute in den Bergen unvernünftig zu verhalten. Man fährt nicht in Flipflops auf dem Pedelec die Pässe hoch und geht nicht in Tennisschuhen zur Matterhornbesteigung und vergißt nicht, morgens auf das Thermometer und Barometer zu schauen, bevor man sich in die Bergwelt begibt. Genau das tun aber zunehmend viele Flachlandtiroler und damit wirklich niemandem einen Gefallen.

Mein volle Zustimmung zu deinem Statement.

Aber: Früher war es leider auch so. Aus meiner Kindheit (End-60er-/Anfang-70er-Jahre) ist mir geläufig: Frauen steigen aus Hochgebirgszahnradbahnen aus - mit Riemchen- und Stöckelschuhen. Die Miniröcke sind dünn und der Pullover maximal ein Seidenschal. Sie bibbern da und staunen: Es liegt Schnee und Eis!

Der Manne scheint besser besohlt, doch auch dessen Sandalen erweisen sich nach wenigen Meter als untauglich, verrutscht das Gelenk, küsst der Schnee den Fuß. Wo ist die Apotheke hier droben? Auch dessen kurze Hosen lassen ungemütlich viel Luft ans Bein - eine Heizung wäre schön, warum gibts das auf 3000m am Gletscherfirn nicht?

Die Kleinen trampeln den Großen hinterher - sind mutiger und doch ist die Zeit nur kurz, bis sie krähen und ächzen wie die Alten - zu anstrengend, zu kalt. Dann liegen sie auf dem Popo und winseln was das Zeug hält. Glatteis mitten im Sommer - eine Frechheit!
Zurück im warmen Tale sind sie dann glücklich und sprechen über unbeschreibliche Abenteuer zwischen Himmel und Hölle. Es gibt auch Fotos aus den Zeiten - wenngleich analog und oft mit gräßlichem Gegenlicht.

Ich glaube, zumindest die Europäer haben ein wenig dazugelernt - gewiss nicht alle - dafür gibt es jetzt mehr Japaner, die das Klischee von unangemessenen Straßenchic in die Höhen der Berge tragen (so mein Eindruck am Gornergrat, Zermatt, im Jahre 2005).

Was mir hier im Forum auffällt ist allerdings dieses ständige Gewimmere nach Radwegrouten durch die Alpen. Es gibt ja ein paar Routen durchaus, aber woher kommt die Sehnsucht, diese sensible Natur noch mehr in Beton und Asphalt zu gießen? Das Ordnungsprinzip der getrennten Wege ist ein (nicht immer erstrebenswerter) Luxus der Ebene - in den Bergen gelten andere Werte. Es wäre vielleicht ratsam, mal etwas über den Mythos Berg zu lesen, bevor man in die Berge fährt. Nicht die nüchterne Lektüre, sondern das Verbrämte, das Romantische, das Metaphyische von Fels und Stein, von Eis und Wasser, von Steinbock und Enzian. Wer echte Sehnsucht in die Berge hat, wird nicht nach der Wegbeschaffenheit fragen - er wird die Wege erfahren WOLLEN.