Re: Southern Tier - 5378 Kilometer durch die USA

von: ro-77654

Re: Southern Tier - 5378 Kilometer durch die USA - 20.02.12 19:55

ZWEITER TEIL

Hier der Reisebericht, in einzelne Staaten unterteilt.

Kalifornien:
Auf wenigen Kilometern viel Abwechslung: Zuerst in der Großstadt San Diego an einem Fluss entlang - dort "wohnen" viele Obdachlose - geht es steil in die Berge. Und schon gibt es den ersten State Park, in dem man auf einem Campingplatz übernachten kann, dann en Indianerreservat mit Spielcasino.
Dann geht es wieder hinab, bei Jacumba ist der riesige Grenzzaun an der mexikanischen Grenze zu sehen.

Einige Male müssen auch Radler die Interstate benutzen, weil es keine anderen Straßen gibt. Unter anderem fünf Kilometer steil bergab bis zur Yuha Wüste. Ich fuhr mit 60 bis 70 km/h und war nicht wesentlich langsamer als die dicken Trucks...
Die Wüste fand ich atemberaubend, vor allem den Sonnenaufgang und den Bereich mit riesigen Sanddünen a la Sahara. In den ersten drei Tagen und 300 Kilometern war die Landschaft extrem abwechslungsreich - später in Texas allerdings oft eintönig, was auch einen gewissen Reiz hat.


Arizona:
Es geht weiter durch ein sehr trockenes Gebiet, Kakteen und andere Wüstenpflanzen sind zu sehen. Oft wird es mittags über 40 Grad warm, ich versuche möglichst früh zu starten.
Vor Wickenburg begegne ich Dan, der seit Jahrzehnten obdachlos ist und seit vielen Jahren mit seinem schwer bepackten Rad durch alle Staaten der USA fährt. Wir unterhalten uns eine Weile, er sagte, er se Nervenkrank und könne deshalb nicht arbeiten. So wirkt er auch auf mich. Ein armer, sehr netter Kerl.

Phoenix ist ein Moloch: samt Vorstädten rund 150 Kilometer Stadt, meist sind Einfamilienhäuser mit mehreren Garagen und Autos zu sehen.
Schon vorher ist mir aufgefallen, wie zersiedelt die Landschaft ist: Offenbar darf man fast überall bauen, wo man Land besitzt.
Hinter Superior muss ich bergauf durch einen langen Tunnel. Der hat keinen Standstreifen - es macht keinen Spaß. Normalerweise ist das Fahren sehr sicher, weil fast alle Straßen solch einen Standsteifen haben - allerdings muss man stets ein Auge darauf haben, weil dort häufig Glas oder die Überreste von zerfetzten Lkw-Reifen samt feinen Drähten liegen.


New Mexico:
Ein Höhepunkt der Reise sind die Gila Hot Springs: Dort gibt es eine natürliche Quelle mit kochend heiße Wasser, das in künstlich angelegte Pools geleitet wird. Dort kann man für nur 5 Dollar pro Nacht campen und so lange im Pool sitzen, wie man möchte. Nachts sitzen wir dort nackt - in den USA unüblich, weil viele Leute sehr prüde sind - und ein Musiker spielt Gitarre und singt unter anderem Bob-Dylan-Songs. Über uns doppelt so viele Sterne, wie man sie in Deutschland sieht - ein fantastischer Tag!

Die Nacht ist nicht so schön: Minus 5 Grad. Es könnte schneien - und es wird auch bald schneien, wenn ein kräftiger Wind aus Richtung Alaska kommt, der Wolken mitbringt. Wir haben Ende Oktober.
Am nächsten Tag folgt ein Ausflug zu einer verlassenen Indianerwohnsiedlung in einer Felswand, die ist sehr interessant und die Gegend sehr schön. Ich mache viele Fotos, besonders fasziniert mich der Kontrast des roten Herbstlaubes mit den grünen Nadeln der Fichten und dem blauen Himmel.


Texas (1)
beginnt mit El Paso. Eine Millionenstadt ohne Charme, die vor allem aus breiten, dichtbefahrenen Straßen besteht, an denen die scheinbar ewig gleichen Geschäfte und Schnellrestaurants zu sehen sind.
Auf dem nächsten Campingplatz auf den Land (eigentlich Fischweiher, man kann gegen Geldangeln und dort auch zelten) lerne ich einen mexikanischstämmigen Anerikaner kennen, der mir viel über den Drogenkrieg erzählt, er in der Grenzstadt Ciudad Juarez seit zehn Jahren tobt. Er ist dort Aufseher. Oft werden, so erzählt er, nicht nur eine Person umgebracht, sondern gleich alle Anwesenden, damit es keine Zeugen gibt. Das geschah kürzlich auf einer Teenager-Party.

Nun folgt eine sehr dünn besiedelte Gegend, zwischen den Orten liegen oft 50 einsame Kilometer und Ranches, bei denen man nur wegen einer Einfahrt und einer Poste weiß, dass es sie irgendwo hinter dem Horizont gibt.
Das Kunstwerk Prada Marfa beim Ort Marfa ist ein Kontast in der staubigen Einöde: In diesem "Prada-Geschäft" sind feinste Schühchen und Handtaschen zu sehen. Hat mich sehr beeindruckt.

Kurz vor Sanderson lerne ich einen Franzosen kennen, der mit dem Rad von Alaska nach Feuerland fährt. Wir übernachten im Ort auf einem Campingplatz. Am nächsten Tag ist der Gegenwind s stark, dass wir nur um die 10 km/h fahren können. Er gibt auf und trampt, ein haltender Pick-up wird seinem Namen gerecht, er wird Rad und Taschen auf die Ladefläche und weg ist er.
Ich fahre weiter. Nach 100 Kilometern bin ich in Langtry und müüüüüde. Am nächsten Tag ist der Gegenwind so stark, dass ich oft nur 5 km/h vorankomme.
Del Rio, mal wieder an der Grenze zu Mexiko, ist noch hässlicher als El Paso: Nur Fast Food, Autohäuser Werkstätten und ähnliches ist zu sehen. Schnell weiter!

Wunderschön ist es in Fort Clark bei Bracketville, der Campingbereich für Leute mit Zelt ist abseits von dem mit den dicken Trailern und Wohnmobilmonstern. Im nahen Bach soll es Wasserschlangen geben. Ich sehe keine. Dafür Rehe, die in der Nähe äsen und mich misstrauisch beäugen. Ich bleibe einen Tag länger. Und an dem kommt ein Radler: Björn, Rentner aus Schweden, der standesgemäß mit Hilleberg-Zelt unterwegs ist (das frei stehende Soulo, die zwei Kilo kosten 600 Euro, 9 Monate im Gebrauch und Zustand wie neu).
Wir fahren in die gleiche Richtung auf dem "Southern Tier", er will allerdings noch bis Miami. Und hatte auf der Fahrt unter anderem viele große Nationalparks im Grand-Canyon-Gebiet besichtigt. Wir verstehen uns gut und fahren zwei Tage zusammen die gleiche Strecke, aber getrennt. Das ist auch gut. Björn ist mit 68 kaum langsamer als ich, aber ein wenig. So kann jeder seine persönliche Geschwindigkeit fahren - und ich meine Fotostops machen, wo ich möchte.

Teil 3 folgt!