Re: Southern Tier - 5378 Kilometer durch die USA

von: ro-77654

Re: Southern Tier - 5378 Kilometer durch die USA - 13.03.12 17:06

VIERTER und letzter Teil

Sehr gut für unterwegs ist das Buch „Conquering The Borderlands: A Southern Tier Journal: San Diego to St. Augustine by Bicycle“ von Lorraine Veisz. Sie ist die Stecke selbst gefahren, ihre Infos sind in Etappen aufgeteilt. In dem Buch geht es vor allem um die Geschichte, aber auch um Biologie und Geographie auf den einzelnen Streckenabschnitten. Tipps zur Fahrt gibt die Autorin jedoch nicht. Die stehen in meinem Buch...

Negativ aufgefallen ist mir der verschwenderische Umgang mit Energie: Im Süden gibt es fast nur dicke Autos mit V8-Motor und deutlich über 200 PS. Außerdem wird beim Kühlen extrem viel Strom verbraucht. In allen Wohnmobilen läuft ständig die Klimaanlage. Mir erzählte jemand, dass die Amis selbst in Dachzelten (Aufklappbar auf einem Dachträger eines Autos) die Klimaanlage ständig laufen lassen. Da wird wahrscheinlich in einer Nacht so viel Strom verballert wie ich in einem halben Jahr verbrauche. Umweltschutz interessiert im Süden niemanden. Die einzigen Leute, die ich getroffen habe und die das wichtig fanden, kamen aus Boston und San Francisco. Wobei ich meinen Teil zum Klimawandel mit dem Langstreckenflug beigetragen habe...

Die US-Amerikaner sind fast durchgängig sehr nett und hilfsbereit. Man kommt auch schnell mit den Menschen in Kontakt, das betrifft auch die mexikanischstämmigen Einwohner. Da gab es allerdings welche, die kein Englisch sprachen und einige, die sehr scheu reagiert haben - vielleicht waren es Illegale. Leider bin ich nur mit einem Schwarzen ins Gespräch gekommen, einem Musiker, der in Austin in einer Session auftrat. Andere in ländlichen Regionen waren sehr abweisend. Da, so mein Eindruck, ist die "Rassentrennung" noch immer stark. Das betrifft auch Wohnviertel.
Die Begegnungen mit den Menschen waren fast alle sehr angenehm sowie interessant und für mich ein Grund, wieder die USA zu besuchen. Außerdem kommt man gut zurecht, die meisten Straßen haben breite Standstreifen, auf denen man gut fahren kann.

Ist der „Southern Tier“ empfehlenswert? Wer Land und Leute kennenlernen und zwei Wintermonate hier vermeiden möchte: Unbedingt! Allerdings muss man sich darüber klar sein, dass die spektakulären Nationalparks nicht auf der Strecke liegen, Grand Canyon und Co. sind weiter nördlich! Die Landschaft ist jedoch sehr abwechslungsreich und ein tolles Erlebnis.
Wer keine 85 Tage Zeit hat, sondern nur einen sechswöchigen Jahresurlaub, sollte bis Austin oder Houston (etwas abseits der vorgegebenen Strecke) fahren. Und wer abspecken möchte, kann das gut. Ich habe acht Kilo verloren. Für Vegetarier und Leute, die sich wie ich gesund ernähren wollen, ist es manchmal schwer, gute Lebensmittel zu kaufen. Industriefraß tiefgekühlt oder in Dosen dominiert in den Geschäften (und Alkohol, Süßigkeiten und Chips). Das Obst sah manchmal merkwürdig aus, rot glänzende Äpfel wie Kunststoff...
Man sieht den meisten Leuten die ungesunde Ernährung an – auch, wenn sie kein Übergewicht wie so viele dort haben. Bananen, Avocados, Nussmischungen, Erdnussbutter und Haferflocken waren meine Grundnahrungsmittel.

In San Diego zu starten ist sinnig: Dort kann man gut Ausrüstungsteile kaufen, fast am Startpunkt in einem Hostel übernachten und der nächste State Park ist in wenigen Stunden erreichbar. Von West nach Ost und im Herbst/Winter zu fahren halte ich auch gut: Dann ist noch kein Eis auf den Pässen im Westen, keine Tornadosaison an der Küste und die Chance, wegen Überflutung in Texas an überschwemmten Straßen aufgehalten zu werden, gering.

Ich war mit leichten Gepäck unterwegs, eine Rahmentasche, zwei Backroller und ein 20-Liter-Sack hinten reichten dafür. Wobei ich fünf Bücher und ein Netbook dabei hatte. Ohne diesen Kram wäre ein Backroller leer...
Wichtig ist, mindestens 12 Liter Wasser transportieren zu können und Essen für mindestens zwei Tage. Unterwegs schwankte die Temperatur von gut 40 auf minus 6 Grad, oft um 30 Grad an einem Tag, da sollte man hart im Nehmen sein.

Fototechnik: Nikon D90 mit 16-85 und 2,8/180 mm Objektiven sowie ein Karbon-Stativ von Manfrotto und ein Funk-Fernauslöser.

Mein Rad war ein leicht umgebautes und damit leichteres VSF T 900 Rohloff (leichtere Schläuche, Sattel, Vorbau, Bremsen, Gepäckträger, kein Dynamo und nur ein Batterierücklicht, kein Hosen/Kettenschutz. Jedoch Lenkerhörnchen innen sowie drei 1,5/2-Liter-PET-Flaschenhaler und einen 0,7-Liter-Flaschenhalter am Lenker).
Bis auf Reifenpannen (sechs vorn, sechs hinten. In der Wüste gibt es tückische kleine Dornen) und abgebrochene Seitenständer-Schrauben hatte ich keine technischen Probleme. 28 Zoll und ein eher flottes Rad halte ich für sinnvoll – mir sind jedoch Leute mit allen möglichen Rädern begegnet, vom MTB über „Expeditions-Reiserad“, Klapprad bis zum Rennrad aus Karbon.

Geld: Ich habe in den knapp drei Monaten 1800 Dollar ausgegeben. Darin war eine Hotelübernachtung (100 Dollar), eine Motelübernachtung und Handschuhe/kleine Reparatur/Ersatzreifen/Ersatz-Spiegel für 100 Dollar drin. Ich war selten essen und habe ab und zu wild gecampt. Also ein billiges Reiseland!