Re: Von Potsdam nach Basel

von: Radschabe

Re: Von Potsdam nach Basel - 20.06.12 22:19

Tag, 13, Domancy - Saint Remy de Maurienne, 88 km + ca. 12 km

Die Information besagte, dass der Col du Galibier als Pass für Fahrräder noch gesperrt war. Nun war meine Route so nicht mehr fahrbar und außerdem war der Galibier das absolute Hauptziel von meiner Reise. Ich schaute auf die Karte und beschloss erstmal mich Richtung Col du Glandon aufzumachen. So änderte sich an meiner geplanten Strecke erstmal nicht viel nur würde es heute halt ein bisschen kürzer werden. Also quasi ein Ruhetag. Nach einem kleinen Pass direkt nach dem Start folge eine lange Abfahrt Richtung Albertville, wo ich noch mal fleißig Kalorien nachschob. Da es nun extrem flach war, kam ich sehr schnell in die Gegend, wo ich die Etappe beenden wollte. Doch statt wie geplant nach La Chambre zu fahren, lockte mich ein Mann zum Campingplatz Le Lac Bleu. So ja wirklich schick aus hier. Nur hatte die Sache einen Haken, ich hatte nun viel Zeit, es gab kein Internet oder Fernsehen und der Regen machte den ja wirklich schönen Ort an diesem Tag nicht so sehr lebenswert. Nach dem ich mein Zelt aufgebaut hatte, startete ich noch einen kleinen Ausflug nach La Chambre. Viel war dort jedoch auch nicht los und so kochte ich mir auf meinem Zeltplatz mein Süppchen, trank reichlich Tee und aß reichlich Kekse. Da es irgendwann am Abend nach 19 Uhr war, konnte ich mir noch eine Pizza bestellen. Zudem lernte ich noch einen Australischen Radler kennen, der hier in den Alpen und später noch in den Pyrenäen so ziemlich jeden bekannten Pass abfuhr. Verrückte Leute gibt es. Das Gespräch war der einzige Lichtblick an diesem verregneten Tag. Was auch nicht unerwähnt bleiben sollte, die Sanitären Einrichtungen hier waren in einem desaströsen Zustand. Es sah aus wie in einer Rumpelkammer. Als ich dann im Dauerregen in mein Zelt kroch, passierte mir noch ein schrecklicher Fehler. Ich musste noch mein Tagebuch aus einer Tasche holen und es im Zelt schreiben. Die Tasche vergas ich aber wieder zuzumachen und so waren einige Sachen am nächsten Tag nicht mehr zu gebrauchen.
















Tag 14, Saint Remy de Maurienne - Bourg d'Oisans, 105 km

Auch am morgen plätscherte es noch etwas auf das Zelt. Trotzdem raffte ich mich wieder auf, in der Hoffnung, dass alles besser wird. Und das sollte es auch. Ich verabschiedete mich vom Australier und machte mir beim Supermarkt die Taschen voll. Unter anderem gab es leckeren französischen Minztee her. Es war der gleiche, den ich auf dem Zeltplatz bei Bramois getrunken habe und freute mich daher schon auf den Abend. Allerdings gab es davor noch ein bisschen Arbeit. Mit dem Col du Glandon stand nun der bisher längste und steilste Anstieg auf dem Programm. Gleich untern konnte ich mich meiner Regenklamotten entledigen, denn jetzt kam die Sonne heraus und es wurde wieder wärmer. Bei etwa der Hälfte gönnte ich mir eine Essens- und Trinkpause. Die restlichen über 700 Hm gab es dann in einem Ritt. Dabei sind gerade die letzten 3 bis 4 km zu unfassbar steil, dass ich schon überrascht war, dass ich das ohne Pause durchgehalten habe. Ein Rennradfahrer vor mir musste ab und an mal ein Stück schieben. Oben auf dem Glandon lerne ich ein paar andere Deutsche Rennradler kennen, von den ich erfahre, dass man doch schon nach oben zum Galibier fahren kann, wenn auch nur vom Lautaret aus. Das waren für mich höchst erfreuliche Nachrichten. Nun ging es schnell noch Col de la Croix de Fer, der durch einen flachen 2,5 km langen Anstieg vom Glandon zu erreichen war. Eine zwei vorne bei den Passfoto sieht einfach mal besser aus als eine eins. Insgesamt fühlte ich mich gut und der Tag war ja noch lang und so liebäugelte ich damit, heute noch ein weiteres Highlight anzugehen. Allerdings war der Weg noch recht weit und die Abfahrt vom Glandon war mit saftigen Gegenanstiegen gespickt. Trotzdem gab ich gut Gas, machte nur eine kurze Pause und verlegte die Nahrungsaufnahme nun in die Fahrt. Das habe ich auch nur dieses eine Mal auf der gesamten Rundfahrt gemacht. Aber diese vielen Rennfahrer hier, die schönen Berge und die Landschaft – es kam Tour de France – Stimmung bei mir auf. So erreichte ich Bourg d'Oisans am Nachmittag bei bestem Wetter. Im Supermarkt holte ich mir noch eine Orangina und dann ging es auch schon los: ab nach Alpe d'Huez. Sofort wurde es ordentlich steil. Aber nach etwas Gewöhnung fand ich meinen Rhythmus und konnte es genießen. Letztlich gibt es hier so viel zu sehen, dass einem gar nicht erst langweilig werden kann. Ein Lieferwagen bot mir an, mich nach oben mitzunehmen. Aber bitte, ich fahre doch nicht durch halb Europa, um dann mit dem Auto nach Alpe d'Huez zu fahren. Nach mehr als der Hälfte der Strecke hatte ich auf einmal 2 andere Tourenradler im Blick. Sie waren etwas langsamer unterwegs und so konnte ich irgendwann aufschließen. Es waren Chelsey und Erik aus den USA, die einen Monat in Europa unterwegs sind. Nun war meine Spaßlevel auf dem Höhepunkt angekommen nach ein paar Kilometern brauchten sie eine Pause, ich führ aber weiter, weil ich komplett durchfahren wollte, was dann auch gelang. Nach 2 Stunden erreichte ich das Ortseingangsschild, wenn auch auf dem „falschen“ Weg. Wir waren an einer Kreuzung falsch abgebogen und kamen von hinten in den Ort. Ich schaute mich noch kurz in der Geisterstadt, und fuhr dann zurück zum Ortschild, wo die beiden schon fleißig am Fotos schießen waren. Während sie oben blieben fuhr ich zurück nach Bourg d'Oisans, quartierte mich auf dem Zeltplatz ein und genoss im Restaurant bei einer leckeren Lasagne das Ende des schönsten Tages der Tour. Es war der Höhepunkt und besser konnte es nicht mehr werden.