Re: Von Potsdam nach Basel

von: Radschabe

Re: Von Potsdam nach Basel - 20.06.12 22:37

Tag 17, Le Bourget-du-Lac – Gex, 115 km

Die gefühlt kälteste Nacht lag hinter mir. Dadurch schlief ich schlecht und kam am Morgen nicht so recht aus dem Pott. Trotzdem musste es ja weiter gehen. Dann und wann hatte ich jetzt schon den einen oder anderen mentalen Hänger, jetzt wo die Highlights alle schon hinter mir lagen. Eigentlich hatte ich gehofft nun entspannt um den See zu radeln. Dem war aber nicht so. Auf der westlichen Seite wurde es wieder bergig. Die Beine fühlten sich gut an. So dass ich den Anstieg recht zügig angehe. Irgendwann überhole ich sogar einen älteren Rennradfahrer. Reichlich Adrenalin schießt nun durch meinen Körper. Natürlich habe ich keinen Plan, wie lange es hier bergauf geht. Ich halte zwar durch, da ich hier auch den Pass nicht bis oben fahren muss, aber trotzdem schleppe ich mich in der Folge über die Straße. Völlig sinnlos war das, denke ich mir. Spaß gemacht hat es trotzdem. In der folge blieb das Profil extrem wellig. Immerhin bin ich heute meist auf verkehrsarmen Straßen unterwegs. Am Nachmittag in einem kleinen Laden in Chancy wundere ich mich über die teuren Preise und an der Kasse wurden Schweizer Franken verlangt. Manchmal ist es schon verrückt, da merkt man gar nicht mehr, dass man in ein anderes Land fährt. Meinen Tageseinkauf erledige ich aber dann wieder in Frankreich. Da hat man einfach mehr vom Geld. Für den Zeltplatz in Gex verlasse ich meinen GPS-Track um 10 km. In der Abendsonne kann ich endlich mal mein Zelt trocknen. Ich trinke wieder reichlich Tee. Es war der erste trockene Tag seit langem. Und die Sonne schien auch reichlich.















Tag 18, Gex - Colombier, 127 km

Die Zeit des Frierens ist nun endgültig vorbei. Stattdessen ist Sonnencreme angesagt. Es wurde nun schon sehr heiß. Und ja, ich liebe so ein Wetter. Trotzdem war es noch mal schwer sich für diesen Tag aufzuraffen. Nach einer schönen Abfahrt blieb es meist recht wellig. Einmal mehr war es sehr schön über die tollen Radwege der Schweiz zu radeln. Die Ausschilderung ist schon top. Das es jetzt auf diesem Streckenabschnitt nicht mehr die ganz großen Highlights gab, lag wohl daran, dass man durch die Alpen sehr verwöhnt war. Diese tauchten immerhin den ganzen Tag im Hintergrund auf. Das Beste an diesem Tag waren aber Felder mit Zuckererbsen, über die ich hergefallen bin. Ich machte mir die Lenkertasche voll und konnte so auch noch am Abend schlemmen. Vergessen waren die Probleme mit dem Fahrrad, denn die Schaltung mochte die Kette vorne nicht mehr auf das große Kettenblatt legen. OK, da es dem Ende zuging, war es nicht so tragisch, auch wenn man bei leichten Abfahrten jetzt nur noch Rollen lassen konnte.













Tag 19, Colombier – Basel SBB, 141 km

Am letzten Tag stand noch mal eine richtige Hitzeschlacht auf dem Programm. Voll motiviert stand ich pünktlich um 8 Uhr bei der Campingplatzrezeption auf der Matte, um für 22 SFr meinen Personalausweis freizukaufen, den ich am Vortag als Tausch für eine Chipkarte, mit der ich hier die Sanitären Anlagen benutzen konnte, abgeben musste. Damit hatte ich immerhin auf diesem Gebiet noch mal einen neuen Höchstwert erreicht. Als hätte das Velo nicht schon genug Macken, sollte heute noch den ganzen Tag das linke Pedal knacken. Wenn schon, denn schon. Mit dem Col de la Vue des Alpes stand am Anfang noch ein richtiges Klotz auf dem Programm. Nie so ganz steil aber bei dem Wetter allemal fordernd saugte er mir schon die Kräfte aus dem Körper. Danach ging es über wunderschöne Radwege weiter Richtung Nordost. Die Landschaft ähnelte jetzt sehr dem, was ich in Oberösterreich gesehen habe. Quasi ritt ich oben am Bergkamm entlang, was noch mal reichlich Höhenmeter einbrachte. Ob ich Basel heute wirklich noch erreichen kann? Ich hatte da lange meine Zweifel. Zudem dauerte es 80 km, bis ich einen geöffneten Supermarkt auf dem Weg fand. Ich deckte mich noch mal mit reichlich vorwiegend Zuckerhaltigen Lebensmitteln ein. Dazu gab es noch 2 Tessinerbrote, welche ich sehr tief in mein Herz geschlossen habe. Der zweite Teil des Tages war insgesamt noch mal sehr, sehr schön – flache Strecken und tolle Radwege. Selbst auf den großen Straßen gab es oft noch Radwegemarkierungen. Mit viel Rückenwindunterstützung erreichte ich gegen 18.30 Uhr Basel Badischer Bahnhof. Ich hatte keine Probleme noch für die CNL nach Berlin zu buchen. Wegen Bauarbeiten musste ich aber zum Basel SBB. Die Rückfahrt im Zug erfolgte ohne Probleme, nur in Berlin gab es die alte Leier - „Zug nach Potsdam fällt aus“. So gab es noch eine kleine Ehrenrunde durch den Grunewald. Gegrüßt hat nun keiner mehr der unzähligen Rennradler.