Re: Jakobsweg mal wieder

von: Fricka

Re: Jakobsweg mal wieder - 16.07.12 13:33

9. Tag

Etwas gerädert brechen wir auf. So eine Dusche hat doch irgendwie was. Als wir den Ort verlassen, finden wir sowohl Campingschilder zu unserem „Platz“ als auch einen Supermarkt, wo wir uns erst einmal eindecken und ein üppiges Frühstück auf einer Bank in der Grünanlage abhalten. Danach sind wir wieder fit.

Es geht nach wie vor auf und ab durch die Hügel. Die sind jetzt nicht mehr kurz- sondern eher langwellig. Trotzdem kommt man sich vor wie auf hoher See. Das bringt zwar immer mal tolle Fernblicke und rasante Abfahrten. Aber es ist sehr anstrengend. Weswegen wir heute weniger Kilometer fahren wollen. Die Champagne wollen wir in Richtung Burgund verlassen. Burgund hat uns schon immer gut gefallen. Da freuen wir uns schon.

Durch die langwelligeren Hügel sind die Steigungen hier länger. Je weiter der Tag voranschreitet, desto häufiger schiebe ich, weil es mir zuviel wird. Jetzt folgen wir auch nicht mehr sklavisch dem Jakobsweg, sondern gucken öfter mal, ob man nicht irgendwie abkürzen oder eine Steigung vermeiden kann. Unverhofft kommt dabei oft. Der nächste größere Ort ist Tonnerre (hoffentlich ist da nomen nicht omen) am Canal de Bourgogne. Also im Tal. Wir beschließen, schon vorab zum Kanal abzufahren. Dabei nutzen wir „zufällig“ eine wunderschöne Strecke bergab durch die Hügel an einem verfallenen Zisterzienserkloster vorbei.

Im Tal treffen wir auf den Kanal, der wie erhofft, einen begleitenden Schotterweg hat, auf dem wir bequem nach Tonnerre radeln. Na gut, der Schotter ist ziemlich schlecht zu befahren. Aber es ist idyllisch. Und es gibt keine Steigungen. Dort, wo die Brücke in Richtung Stadt liegt, sehen wir den Campingplatz. Wir beschließen, weiter nach Auxerre zu fahren. Es ist noch recht früh.

In der Stadt besuchen wir zunächst die Quelle, die dort seit römischer Zeit gefasst ist. Ein sehr hübscher Ort. Wir sitzen eine Weile auf einer Bank und kochen uns aus dem Quellwasser einen Kaffee. Anschließend schieben wir unsere Räder hoch zur Kathedrale. Die Straße ist extrem steil. Der Bürgersteig ist eine Treppe. Von oben hat man einen schönen Ausblick über die Dächer der Stadt auf die umliegende Landschaft. Wir sehen uns die Kathedrale an und fragen nach einem Pilgerstempel. Wieder heißt es, wir sollten uns an die Touri-Info wenden. Da die definitiv ganz unten liegt, unterlassen wir das.

Bisher haben wir Nebenstraßen benutzt, die mit dem Jakobsweg teils identisch waren, bzw. ihm nahe, während der unbefestigte Fußweg mal mehr mal weniger entfernt parallel lief. Der Weg, soweit er nicht die Straße entlang führte, sah eher nicht so aus, als sei er mit unseren Trekkingrädern befahrbar. Speziell nicht bei Dauer-Regenwetter. Hier in Tonnerre führt er zunächst an der Quelle entlang, dann hoch über Treppen zur Kathedrale und von dort aus weiter hoch in die Hügel, zunächst mal asphaltiert. Wir beschließen, ihm mal versuchsweise direkt zu folgen. Ausgeschildert ist er mit rot-weißem Balken. Ein GR halt. Wir haben den gelben Outdoorführer Jakobsweg, Trier-Vezelay dabei und folgen jetzt seiner Beschreibung.

Zunächst einmal geht es heftig aufwärts. Auf Asphalt. Später unbefestigt aber befahrbar weiter. Natürlich ist es jetzt noch einsamer als vorher auf den Nebenstraßen. Die rot-weißen Markierungen sind manchmal schlecht zu finden und Anweisungen wie „am nächsten Haus rechts abbiegen“ meist nicht so ganz eindeutig. Aber es klappt. Wir kommen an der angekündigten Wildschwein-Koppel (die werden hier gezüchtet) vorbei und folgen weiter dem Weg bis wir eine Straße erreichen, der wir dann Richtung Auxerre folgen. Ein netter Exkurs, aber doch sehr zeitaufwändig. Wir beschließen, das öfter mal zu machen, wenn es sich anbietet.

Jetzt fahren wir eine TGV-Strecke entlang, auf der ununterbrochen die schnellen Züge entlangrauschen. Die Steigungen sind heftig und reihen sich quasi ununterbrochen aneinander. Auxerre liegt an der Yonne. Bis dahin gibt es diverse Hügel zu überqueren. Die Hügelkämme liegen sehr dicht. Wir sammeln kräftig Höhenmeter. So kommen wir nach Chablis. Hier treffen wir auf eine sehr stark befahrene Durchgangsstraße. Ein Seitenstreifen ist selten oder nur sehr schmal vorhanden. Die Steigungen werden zum Himmelfahrtskommando. Im niedrigen Gang aufwärts auf Tuchfühlung mit den LKWs.

Nach kurzer Zeit beschließen wir, lieber seitwärts auszubiegen und einen Haken zu schlagen. Das ist natürlich nicht nur weiter. Die Durchgangsstraße benutzt das Tal. Seitwärts geht es steil bergauf durch die Weinberge. Die Leute am Wegesrand, die wir fragen, ob wir oben über den Hügel auch Richtung Auxerre weiterkämen, bezweifeln das. Tatsächlich landen wir in einem Gewirr von Wirtschaftswegen, die nicht wirklich schachbrettmäßig verlaufen und von denen etliche einfach irgendwo enden. Wir sehen zwar einen Weg, der uns geeignet erscheint, aber der verläuft auf der anderen Seite eines tief eingeschnittenen Tals. Sowas fällt bei uns unter „überflüssige Steigungen“ und muss vermieden werden. Es gibt genug unvermeidliche.

Jedenfalls schaffen wir es, einen Ort auf einem antennengeschmückten Hügel zu erreichen, der laut Karte direkt vor der Autobahn um Auxerre liegt. Wir gehen davon aus, dass es danach runter in den Ort geht. Pustekuchen. Dahinter liegen noch mehrere Hügel. Es ist schon spät genug. Etwas lustlos mühen wir uns über die Anhöhen. Schließlich sehen wir das Yonne-Tal und Auxerre dort liegen. Ein großer Ort. Und überhaupt nicht eben. Jedenfalls geht es erst einmal bergab und über die Yonne. Von der Brücke aus haben wir einen tollen Ausblick auf die Altstadt und den Sonnenuntergang. Und finden hier Wegweiser in Richtung Campingplatz. Der liegt ordentlich außerhalb in einem Sport- und Freizeitgebiet, hat aber erfreulicherweise offen. Wir werden freundlich empfangen und können unser Zelt aufbauen und duschen gehen. Feierabend. Wie schön. Das Duschwasser ist zwar eiskalt. Und die Außentemperaturen auch. Aber kaltes Wasser ist schon mal deutlich besser als gar keins.