Re: Von Wernigerode nach Nürnberg

von: Radschabe

Re: Von Wernigerode nach Nürnberg - 12.07.13 17:57

26.Mai, Tag 7
165 km nach Guignicourt

Die Nacht zeigt mir, dass ich einfach nicht wild zelten kann. Obwohl der Platz perfekt ist, lässt mich mein Gehirn nicht schlafen. Das Problem hatte ich letztes Jahr auch schon. So vergehen die Stunden und ich liege wach im Zelt. Zudem wurde es recht windig, was die Sache nicht einfacher machte. Am Morgen erwartete mich dann wieder sehr kühles Wetter. Nur schien heute nicht die Sonne. Eigentlich fehlte hier nur noch der Regen und dann hätte man gleich im Zelt bleiben können. Stattdessen packte ich sehr schnell mein Zeug zusammen und war sehr flott wieder auf dem Rad. Auf ein Frühstück verzichte ich zunächst auch und aß so nach und nach, was die Tasche hergab. Das wellige Terrain und der Gegenwind hielten den Spaßfaktor eher klein. Immerhin gab es nach 47 km in einer kleinen Stadt einen Shop, so dass nun an diesem ersten Sonntag der Nachschub sicher gestellt war. Es ist ja nicht so wie in Deutschland, dass man mal eben an die Tanke fährt und dann einen kleinen Supermarkt hat. Diese Kombination sehe ich in Frankreich sehr selten. Geht es zunächst eher schleppend voran, ändert sich am Nachmittag fast alles. Es wird deutlich flacher. Zudem kommt die Sonne heraus und es wird richtig warm. Zum ersten Mal spüre ich einen Hauch von Sommer auf meinen Oberschenkeln. Eine Weile radle ich nun am Ardennenkanal entlang. Da der Radweg hier nicht wirklich ausgeschildert ist, bleibe ich dann aber doch eher auf den schnelleren aber nicht stark befahrenen Straßen. 30 km vor dem angepeilten Zeltplatz versuche ich noch mal mein Glück mit dem Radweg, so wie es auch mein computergenerierter Track von Trier nach Paris vorsah. Doch leider hatte ich hier die Rechnung ohne das Hochwasser des Flusses Aisne gemacht. Ich holte mir nasse Füße, weil ich irgendwie versuchte, da doch irgendwie durchzukommen. Ich scheiterte gnadenlos, verlor viel Zeit, hatte nasse Schuhe und ein versifftes Rad. Etwas wütend über mich selbst, jagte ich mit hohem Tempo zum Zeltplatz. Der war wirklich schön, aber auch recht teuer. Immerhin konnte ich bei schönem Wetter mit Minztee auf über 1000 km in der ersten Woche anstoßen. Das hätte ich nach den ersten 4 Tagen so gar nicht mehr erwartet.

















27.Mai, Tag 8
162 km nach Villevaude

Der Tag begann gut ausgeruht und so, wie der vorherige aufhörte – mit viel Sonne. Das Wetter machte heute richtig Spaß. Da ich es ja nicht genau wusste, wie weit es bis Paris war, habe ich es mir zum Ziel gemacht, dort heute einzureiten. Auf meist kleinen und einsamen Straßen ging es dem Ziel entgegen. Immerhin begegnete ich ab und an auch mal Radfahrern. Am gestrigen Sonntag traf ich gerade mal 2 unserer Zunft. Das war dann eher etwas dürftig. Nicht so erfreulich war die Tatsache, dass ich erst nach 90 km den ersten Supermarkt fand. Ich fuhr wirklich schon auf dem letzten Tropfen und war doch ziemlich erleichtert, als ich mich mit allem Wichtigen eindecken konnte. Dann noch ein kurzes Gespräch mit einem Einheimischen. Es blieb kurz, da mein französisch ja doch noch sehr bescheiden ist. Obwohl ich gut voran komme breche ich am frühen Abend kurz vor Paris ab. Es wäre einfach zu spät geworden und steuere einen Zeltplatz an, der mir am nächsten Tag immer noch die Option gibt schnell in die Hauptstadt zu kommen. So richtig knorke ist der dann allerdings nicht. Fast alle Sanitäranlagen sind im Bau. Offensichtlich wohnen hier viele Bauarbeiter. Portugiesische und polnische Beflaggung sprechen dafür.












28.Mai, Tag 9
nach Paris, 66 km

Der nächste Schock kommt dann am Morgen, als ich die Zeche für die Nacht bezahle. Mit 19 Euro schiebt sich der Zeltplatz auf den Spitzenplatz. Und daran sollte sich auf dieser Tour nichts mehr ändern. Zudem werden auf der Rechnung 2 Personen ausgewiesen. Auf Nachfrage sagte man mir, dass es eben so sei. Dann ging es aber ab nach Paris. Zunächst ging es entspannt an einem Kanal in Richtung City. Später stürzte ich mich dann ins Vergnügen ’Stadtverkehr’. Ich hatte das Gefühl, dass der Verkehr etwas hektischer als in Berlin ist. Trotzdem genoss ich es hier zu radeln. Es war so ein kleines Abenteuer für sich. Nach dem Mittagessen steuerte ich den Zeltplatz an und checkte für 2 Nächte ein. Ich hatte ja schließlich für den nächsten Tag noch was Schönes geplant. Aber die Ernüchterung kam schnell. Ich fuhr zur Tennisanlage von Roland Garros, wo ich ein Ticket für den nächsten Tag ergattern wollte. Ich bekam von den netten Helfern erklärt, dass Tickets nur online verkauft werden. Also machte ich auf zur nächsten großen Fressbude mit Internet, um die Sache zu regeln. Aber außer ein 450 Euro Logenticket gab es für morgen nichts mehr. Da ich keine Mondpreise bezahle, fuhr ich traurig zurück zum Zeltplatz. Immerhin lerne ich hier 2 Radlerinnen aus Australien und den Niederlanden kennen. Wir tauschten uns noch ziemlich lange aus, bevor ich ins Zelt kroch und mir überlegte, wie ich doch noch an eine Karte kommen könnte?