Re: Von Wernigerode nach Nürnberg

von: Radschabe

Re: Von Wernigerode nach Nürnberg - 12.07.13 18:41

6.Juni, Tag 18
115 km nach Esterri d´Aneu

Auch in diesem Morgen ist es reichlich schattig und ich kleide mich erstmal ein bisschen Wärmer. Da es aber sofort in den Col de Peyresourde geht und die Sonne ordentlich heizt, fliegen die Klamotten schon nach wenigen Kilometern vom Leib. Der Pass lässt sich im Prinzip sehr gut fahren, hat ein paar Steilstücke, weshalb er etwas schwerer als der Aspin ist. Aber alles im grünen Bereich. Der Verkehr ist einmal mehr sehr überschaubar und ab und zu grüßen ein paar Rennradler. Unten in Badneres-De-Luchon hätte ich mich gerne erleichtert, finde aber keinen passenden Ort. Zudem komme ich nicht mal zum Einkaufen. Sofort geht es schon in den nächsten Pass. Immerhin kann ich hier mein Geschäft erledigen. Ansonsten ist der Col du Portillon schon eine ordentliche Aufgabe in der brütenden Mittagshitze ohne Mittag im Magen. Lediglich ein paar Kekse sorgen dafür, dass auf den zahlreichen zweistelligen Rampen die Beine nicht verhungern. Auf den letzten 2 km bis zum Gipfel begleitet mich Robert auf seinem Rennrad. Er meinte zwar, er könne nicht so viel Englisch, aber wir unterhalten uns prächtig. Dadurch komme ich hier auch etwas leichter hoch und es gibt mal wieder ein paar Fotos von mir. Während er oben zurück fährt, beginnt für mich nun das Kurzabenteuer Spanien. Genau am Pass verläuft hier die Grenze. Unten angekommen, ist es inzwischen unfassbar heiß. Natürlich ist im ersten Ort beim Shop noch Mittagspause. Da ich aber noch was schaffen will, fahre ich weiter nach Vielha. Auf den gut 20 km verändert sich das Wetter rasend schnell. Erst bläst kräftiger Wind von vorne und kurze Zeit später trübt der Himmel ein. Als ich aus dem Supermarkt zurückkomme, lässt der Regen nicht lange auf sich warten. Es ist 16 Uhr und ich beschließe trotzdem noch einen weiteren Pass zu fahren. Der Port de la Bonaigua zieht sich von den Kilometern her. Dadurch ist er auch lange Zeit recht flach ansteigend. Da ich ja schon 2 Berge in den Beinen habe, passt die Aufgabe also ganz gut ins Programm. Zunächst hört der Regen auf und ich bin guter Dinger. In der Ferne begleitet mich aber immer wieder ein Donnergrollen. Auch sieht es hinter mir nicht so toll aus. Ich hoffe ja irgendwie, noch vor dem Regen über den Pass zu kommen. Das klappt leider nicht. 2 km vorher muss ich komplett auf Regenklamotten umkleiden. Oben reicht es dann im kühlen Nass nur noch für 2 schnelle Schnappschüsse und dann stürze ich mich in die extrem ungemütliche Abfahrt. Für ein paar Minuten heißt es bei 5 Grad im strömenden Regen die Zähne zusammen zu beißen. Außerdem bin ich nun mitten in der Gewitterzone. Hier heißt es nur noch, schnell weg zu kommen. Triefend nass steuere ich den ersten Campingplatz in Esterri d´Aneu an. Ich buche eine Nacht für mich und mein Zelt. Wie ich im strömenden Regen dieses aufgebaut bekommen soll, weiß ich noch nicht. Als mir Campingplatzbesitzer Luiz den Platz zeigen will, öffnet der Himmel noch mehr seine Schleusen. Luiz, der übrigens sehr gut Deutsch spricht, geht noch mal zurück und holt einen Schlüssel. Dann zeigt er mir eine Hütte, die ich nutzen kann. Einen Aufpreis verlangt er nicht. Nun habe ich eine Heizung, ein Bett und eine Badewanne. Vom Herd für meinen Tee ganz zu schweigen. Im Gegenzug gehe ich in sein Restaurant Abendessen und gebe auch gutes Trinkgeld. Und so endet für mich die Königsetappe mit einem echten Happy End. 3 Pyrenäenpasse an einem Tag – ein richtig geiles Gefühl.














































7.Juni, Tag 19
102 km nach Andorra la Vella

Ganz so prächtig schlafe ich auch im Bett nicht, denn auch in der Hütte wurde es nachts recht frisch und ich brauchte den zweiten Schlafsack. Nachdem ich mit Tee gefrühstückt und die Bude wieder sauber gemacht hatte, ging es heute schon ins nächste Land. Zunächst konnte ich noch 30 km leicht abfallend durch ein schönes Tal genießen, bis der Port del Cantó auf dem Programm stand. Auf rund 20 km steigt die Straße meist nur gemütlich vor sich hin an. Da die Sonne heute auch mal vormittags von ein paar Wolken ausgebremst wurde, war der Pass wirklich kein Problem. Ich hatte Zeit und genoss die tolle Landschaft. Oben am Pass traf ich schon wieder jemanden, der Deutsch sprach. Die Frau bot mir auch Wasser an, da ich nicht mehr so viel zu trinken hatte, aber ich verzichtete. Es folgte eine lange Abfahrt mit ein paar gemeinen Gegenanstiegen. Dann kam ich nach Adrall. Der Ort wurde auf Verkehrsschildern seit 40 km angekündigt, ist aber nur ein winziger Ort. Ich hole mir an einem Gemüsestand eine Cola. Wenige Kilometer weiter finde ich auch einen guten Supermarkt – auch hier wird durchaus Deutsch gesprochen. Schon verrückt! So mache ich mich gut gestärkt auf den Weg nach Andorra. Ich staune nicht schlecht, als ich hier noch einen richtigen Grenzübergang passieren darf. Gleich im ersten Ort will ich an meinem geliebten Schnellrestaurant mal die Lage im Internet checken. Als ich durch das Fenster einen Fernseher erblicke, staune ich nicht schlecht. Nadal gegen Djorkovic (Halbfinale in Roland Garos) wird gezeigt und die Akteure sind bereits im 5.Satz. Da lasse ich mich nicht zweimal Bitten und schaue mir bei ein paar Waffeleis noch das Ende an. Den Sieg von Rafa hier gesehen zu haben, entschädigt für den entgangenen Besuch bei den French Open. Nach der langen Pause radle ich weiter in Richtung Hauptstadt. Viele Rennradler sind unterwegs und grüßen fast ausnahmslos. Die Stimmung ist prächtig, denn die Kulisse in diesem engen Tal ist ziemlich beeindruckend und durch Fotos gar nicht vermittelbar. Der viele Verkehr stört mich kaum, zu schön ist einfach das Gefühl, es hier bis nach Andorra über so einen langen Weg geschafft zu haben. Mein Zelt baue ich heute bei gutem Wetter nahe eines Fußballstadions auf. Es war sicher nicht der zweckmäßigste Ort auf dem Campingplatz, aber dafür einer der Schönsten. Danach bummle ich noch ein bisschen durch die Stadt, gehe etwas Essen und verzichte heute mal auf meinen Feierabendtee. Den hatte ich schon im Restaurant getrunken.