Re: Polen (Dresden-Danzig) Juli 2013

von: Tom72

Re: Polen (Dresden-Danzig) Juli 2013 - 12.10.13 15:40

8. Tag (12.07.2013), Grudiadz (Graudenz)-Malbork (Marienburg)
Strecke: 67 km (zuzüglich Zugfahrt, ca. 36 km, ab Kwidzyn (Marienwerder))
Fahrzeit: 4 Std. 22 min
Höhenmeter: 429
Durchschnittsgeschwindigkeit: 15,3 km/h


Bisher hatte ich, abgesehen von meiner Ankunft in Bad Muskau am Abend des ersten Tages, mit dem Wetter Glück (gut, der Wind wehte immer aus der falschen Richtung…). Als ich aber an diesem Morgen vor meinem Zelt mit ein paar gestern Nacht auf dem Rückweg aus der Stadt an einer Tankstelle gekauften Sandwiches frühstücke, fängt es plötzlich leicht an zu tröpfeln. Rasch baue ich das Zelt ab und packe, um möglichst alles einigermaßen trocken verstaut zu haben, bevor der Regen richtig losgeht. Es bleibt zunächst bei einem leichten Nieselregen, und ich beschließe, erst einmal bis Graudenz zu fahren und dann weiterzusehen. Also die von gestern Abend bereits bekannte Strecke ins Stadtzentrum.

Ich mache einen kurzen Abstecher über die Weichselbrücke, um die Stadt einmal von der anderen Flußseite zu sehen. Für gelungene Fotos ist das Wetter allerdings heute zu trübe und regnerisch.






Der Regen hat nicht nachgelassen, ist sogar stärker geworden. In der Altstadt kehre ich erstmal auf einen Kaffee ein. Draußen sitzen, so wie noch gestern Abend an gleicher Stelle, ist nicht mehr. Ich könnte ein Stück mit dem Zug fahren, entlang meiner Reiseroute verläuft eine Bahnlinie. Es würde sich anbieten, bis Kwidzyn (Marienwerder) oder gleich bis Malbork (Marienburg) die Bahn zu nehmen, dann könnte ich den Rest bis Danzig mit dem Rad schaffen (wenn es nicht morgen auch regnet). Schließlich habe ich nur noch diesen und den folgenden Tag, morgen Abend muß ich in Danzig sein, und übermorgen Vormittag geht es bereits mit dem Zug zurück nach Deutschland. Das Problem ist nur, daß zwischen Graudenz und Marienwerder schon wieder zwei kleine Orte liegen, die für die Geschichte meiner Vorfahren eine Rolle spielten und die ich mir unbedingt ansehen will, wenn ich schon einmal hier bin. Das geht nur mit dem Rad, also muß ich trotz Regens zumindest bis Marienwerder fahren. Also Regenschutzklamotten an und los.

Die Straße von Graudenz Richtung Norden (Landesstraße 55) ist recht schmal, aber unangenehm verkehrsreich, auch mit viel LKW-Verkehr. Dazu der stärker werdende Nieselregen. Nicht schön zu fahren; wäre es mir nicht um die zwei an der Strecke liegenden Dörfer gegangen, wäre es tatsächlich gerade hier ideal gewesen, mit dem Zug abzukürzen. Die Regengamaschen sind unzureichend, so daß nach kurzer Zeit meine Schuhe und Socken durchnäßt sind, und der Regen wird wieder etwas stärker. In einem winzigen Ort, der nur aus ein paar Häusern an der Straße zu bestehen scheint, gibt es überraschend ein kleines Café, in dem ich erstmal Zuflucht vor dem Regen finde.



Ich bin der einzige Gast, die Wirtin spricht nur polnisch, aber wir verständigen uns irgendwie. Ich habe ein schlechtes Gewissen, daß ich matschige Spuren auf ihrem frisch gereinigten Boden hinterlasse, aber sie versichert mir, daß das in Ordnung sei und wischt klaglos hinter mir her. Sie scheint Mitleid mit mir zu haben, zur Portion Pommes bekomme ich gratis ein paar Teilchen süßes Gebäck. Ich bleibe eine gute Stunde, die Hoffnung auf Wetterbesserung erfüllt sich nicht, und als ich schließlich, ungeachtet des teuren Daten-Roamings im Ausland, auf dem Smartphone die Wetteraussichten konsultiere, stellt sich zu meiner Enttäuschung heraus, daß das Wetter nicht nur heute, sondern auch noch morgen so bleibt. Also breche ich tapfer auf; es hilft ja nichts.





Als ich schließlich Marienwerder gegen viertel nach sechs erreiche, bin ich seit Graudenz, mit den beiden Abstechern, 67 km durch den mal stärker, mal schwächer werdenden, aber nie ganz aufhörenden Regen geradelt. Ich bin aber zufrieden, unter anderem habe ich ein Forsthaus finden können, in dem Ende des 19. Jahrhunderts ein Vorfahr von mir als Königlich Preußischer Förster tätig war. Es wird auch heute noch von der Forstverwaltung genutzt.

In Marienwerder habe ich vor der Abfahrt des Regionalzugs nach Malbork (Marienburg) noch ein wenig Zeit, mich umzusehen. Hauptsehenswürdigkeit ist die imposante Burg des Deutschritterordens am Weichselufer.



Am Bahnhof gibt es weder Fahrkartenschalter noch Automaten. Gibt’s die Fahrkarten im Zug? Ich frage einen Passanten: „Bilet?“. Er verweist mich auf ein kleines Schreibwarengeschäft auf der anderen Straßenseite, wo die Bahnfahrkarten verkauft werden. Darauf muß man erstmal kommen… In der Bahnsteigunterführung steht aufgrund des Regens mehrere Zentimeter hoch Wasser. Eine Lautsprecherdurchsage, die ich mir von Mitwartenden erläutern lasse, kündigt eine einstündige Verspätung des Zuges an. Während der langen Wartezeit fange ich an zu frösteln, bin aber zu faul, mir trockne Klamotten anzuziehen. Endlich sitze ich im Zug Richtung Marienburg.





In Marienburg abgekommen, ist es bereits viertel vor neun, ich finde schnell in Innenstadtnähe ein nettes, nicht allzu teures Hotel und sehe mir kurz die Stadt an. Essen gibt es um diese Uhrzeit leider nur noch bei McDonalds. Außer der berühmten und sehr sehenswerten Ordensburg, die ich morgen besichtigen werde, hat sie Stadt nichts zu bieten.

Wie soll ich nun morgen den letzten Fahrtag gestalten? Ich hatte eigentlich vorgehabt, von hier aus weiter direkt nach Norden an die Küste zu fahren, in einem der Strandorte östlich von Danzig noch eine Nacht am Meer zu verbringen und dann Richtung Westen an der Küste entlang nach Danzig zu fahren. Dazu fehlt mir nun aber ein ganzer Tag, und wenn es tatsächlich auch morgen noch regnet… Und die Besichtigung der Marienburg wird auch einige Stunden in Anspruch nehmen… Es wird wohl darauf hinauslaufen, die restliche Strecke bis Danzig mit dem Zug zurückzulegen. Ich könnte dafür vielleicht abends noch von Danzig die Küste entlang bis Gdynia (Gdingen) radeln, dann wäre ich auch ein paar Kilometer am Meer unterwegs gewesen. Mal abwarten, wie morgen das Wetter wird.

Fortsetzung folgt…