Re: Polen (Dresden-Danzig) Juli 2013

von: Tom72

Re: Polen (Dresden-Danzig) Juli 2013 - 13.10.13 00:12

9. Tag (13.07.2013), Gdynia (Gdingen)-Gdansk (Danzig) (Zugfahrt von Malbork (Marienburg) nach Danzig)
Strecke: ca. 30 km


Am nächsten Morgen regnet es tatsächlich noch. Somit macht es heute nicht nur aus Zeitgründen, sondern auch wegen des Wetters wenig Sinn, noch eine lange Strecke zu fahren. Ich fasse daher folgenden Plan für den heutigen, letzten Tag: Ausführliche Besichtigung der Marienburg, Nachmittags Zugfahrt nach Danzig, dort Einquartierung im bereits von zu Hause aus gebuchten Hotel, abends mit dem Rad entlang der Küste bis Gdynia (Gdingen), um heute wenigstens noch ein bißchen zu fahren und wenigstens etwas von der Ostsee gesehen zu haben, und dann mit einem der hoffentlich auch spätabends in dichtem Takt verkehrenden Vorortzüge zurück nach Danzig.

Ich frühstücke im Hotel, lasse mein Gepäck an der Rezeption und fahre erst einmal zum Bahnhof, um mich nach dem Fahrplan zu erkundigen. Der Zug um 16 Uhr paßt am besten in meinen Zeitplan. Dann fahre ich in die Stadt und über eine Fußgängerbrücke ans andere Weichselufer, um von hier aus die gewaltige Burganlage in der Gesamtansicht zu betrachten.







Ich hatte mir eigentlich vorgestellt, diesen Anblick bei sonnigem Wetter genießen zu können, mit ausreichend verbleibender Zeit, um mit dem Rad weiterfahren zu können. Die Zeitplanung gerade für die letzten zwei oder drei Tage war zu optimistisch… Aber immerhin nehme ich mir nun die Zeit für eine ausführliche Besichtigung. Es bleibt während meines gesamten Aufenthalts in Marienburg regnerisch, auch, wenn der Regen zwischendurch immer mal wieder kurz aufhört.

Zurück am anderen Ufer, reihe ich mich in die Warteschlange vor dem Kassenhäuschen ein. Es ist ziemlich viel los, immerhin ist die Marienburg wohl eine der wichtigsten Touristenattraktionen Polens. Im Eintrittspreis ist eine Führung enthalten, und die nächste deutschsprachige beginnt um 12 Uhr, in einer Viertelstunde. Sie soll bis zu drei Stunden dauern, das paßt also prima zu meinem geplanten Zug um 16 Uhr.

Über dem Eingangstor ein Bildnis der Jungfrau Maria, der Schutzpatronin der Burg.



Die Führung ist sehr interessant und hat, als ich kurz vor Schluß meine Gruppe verliere, tatsächlich fast drei Stunden gedauert. Der gewaltige Backsteinkomplex besteht aus unzähligen Einzelgebäuden, Türmen, Innenhöfen und Befestigungsanlagen. Erbaut als Hauptsitz des Deutschritterordens und einst Regierungszentrale des Deutschordensstaates, wurde sie im Zweiten Weltkrieg zu großen Teilen zerstört und wurde seitdem weitgehend wieder rekonstruiert; die Wiederaufbauarbeiten sind aber immer noch nicht abgeschlossen. Derzeit wird das Innere der Schloßkirche wiederhergestellt, was noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen soll.

Was uns diese Kunstinstallation in einem der Burghöfe sagen will, weiß ich nicht.



Bei der Belagerung durch ein polnisches Heer im Jahr 1410 soll versucht worden sein, diese schlanke Säule, auf der das gesamte Gewölbe dieses Saals ruht, wegzuschießen. Die Kanonenkugel findet sich eingemauert in der Wand über dem Kamin.



Die Führung beinhaltet auch kurze Besichtigungen der zahlreichen Ausstellungen, die in den umfangreichen Räumlichkeiten gezeigt werden, unter anderem zu mittelalterlicher Waffentechnik, zu Bernsteinkunst und zur Baugeschichte der Burg. Die dreistündige Führung wird zu keinem Zeitpunkt langweilig, der junge Mann macht seine Sache gut und würzt seine Erläuterungen zu den zahlreichen Speise- und Schlafsälen, Küchen, Kapellen und Abortanlagen mit interessanten Anekdoten.











Ich bin froh, mir für die Besichtigung ausreichend Zeit genommen zu haben. Gegen halb vier hole ich im Hotel mein Gepäck ab und fahre zum Bahnhof. Es sieht so aus, als würde das Wetter sich langsam bessern. Das Bahnhofsgebäude bezieht sich architektonisch auf die Backsteingotik der Marienburg.



Im Zug um 16 Uhr sind die Fahrradplätze ausgebucht. Komisch, ich hatte gedacht, das sei ein Regionalzug ohne Fahrradreservierungspflicht. Der nächste Zug geht um kurz nach 17 Uhr. Nun wird es mit meinem Zeitplan ein wenig eng. Jetzt sehe ich aber auch, daß alle Züge über Danzig hinaus nach Gdynia (Gdingen) und teilweise noch weiter fahren. Also beschließe ich, gar nicht erst in Danzig auszusteigen und gleich bis Gdingen durchzufahren, um die Tour an der Küste entlang andersherum zu fahren, als ich es ursprünglich geplant hatte, von Gdingen zurück nach Danzig. Dann erspare ich mir auch am Schluß die Zugfahrt Gdingen-Danzig.

Vom Zug aus hat man noch einen Blick auf die Marienburg.



Als ich in Gdingen aussteige, ist das Wetter richtig sonnig geworden.



Vom Bahnhof ist es nicht weit an die Küste, und schließlich stehe ich im Hafen von Gdingen endlich an der Ostsee, die ich nun leider nicht mit dem Fahrrad erreicht habe.







Es ist nun schon 19 Uhr, und ich muß mich nun beeilen, da ich noch gut 30 km entlang der Küste der Trójmiasto, der „Dreistadt“, des Ballungsgebiets bestehend aus Danzig, Sopot und Gdingen, bis zu meinem vorgebuchten Hotel in Danzig radeln muß. Ich mache mir Sorgen, daß die Rezeption nicht lange genug geöffnet sein könnte oder daß gebuchte Zimmer ab einer bestimmten Uhrzeit anderweitig vergeben werden. Die Zeit, in Gdingen auf den ca. 50 Meter hohen Steinberg (Kamienna Góra), von dem aus mein Reiseführer eine herrliche Aussicht verspricht, zu fahren, habe ich daher auch nicht mehr.

Bei nun herrlichem Sonnenwetter radle ich die Uferpromenade von Gdingen entlang und ärgere mich, daß ich nicht die Zeit habe, mich hier länger aufzuhalten. Ich bedauere sehr, nicht früher die Küste erreicht zu haben.





Der Radweg an entlang der Uferpromenade verläuft fast durchgehend von Gdingen bis Danzig, nur kurz vor Sopot muß ich einige Kilometer auf einer verkehrsreichen innerstädtischen Straße fahren. Im vornehmen Badeort Sopot komme ich wieder an die Küste.





Der Zutritt zur Mole kostet Eintritt, den ich zähneknirschend zahle, da ich dort nur ein paar Schritte gehen will.



Ich fahre weiter die Uferpromenade entlang. Es dämmert nun langsam. Kurz, bevor es von der Küste weg in die Innenstadt von Danzig geht, ziehe ich die Schuhe aus und gehe barfuß ein wenig im Wasser auf und ab. Beim Blick nach Osten sieht man am Horizont die Kräne im Hafen von Danzig, beim Blick nach Westen die untergehende Sonne.





Beim Blick auf die Uhr erschrecke ich, es ist bereits fast 21 Uhr. Das Stadtzentrum von Danzig ist mehrere Kilometer von der Küste entfernt, und obwohl ich mir vorhin an einer Tankstelle einen Stadtplan gekauft habe, verfahre ich mich mehrmals. Kurz vor 22 Uhr erreiche ich mein Hotel, meine Sorgen waren unbegründet und die Rezeption hat die ganze Nacht geöffnet; ich kann problemlos mein Zimmer beziehen. Um kurz vor 23 Uhr bin ich mit dem Rad in der Altstadt. Ich steuere direkt das touristische Zentrum am Krantor an, die Restaurants dort haben noch geöffnet, und ich kann den Tag mit einem leckeren Fischgericht ausklingen lassen. Da mein Zug morgen erst um kurz vor elf abfährt, werde ich morgen noch ein wenig Zeit haben, um mir die Stadt anzusehen.

Von meinem Hotelzimmer aus sehe ich das Denkmal für die gefallenen Werftarbeiter.



Ich ärgere mich ein wenig, daß ich von Marienwerder bis Danzig nur mit dem Zug gefahren bin und auch kaum Zeit an der Ostsee verbracht habe. Die Zeitplanung war, rückblickend betrachtet, wirklich zu knapp. Immerhin bin ich heute ein Stück an der Ostseeküste geradelt, wenn auch entgegen der Richtung meiner eigentlichen Reiseroute.

Fortsetzung folgt…