Hallo,

nee, keine Angst: Es geht hier nicht den Hossa-Song von Rex Gildo, sondern um eine Tour an die Ostgrenze von Finnland, wo´s ein gleichnamiges Wandergebiet gibt. Zu Tourbeginn stellte sich zunächst die Frage des Transportmittels. Zum Langlauf war nicht genug Schnee da...



und per Zug könnte es nass werden



Blieb ich also beim Fahrrad, auch wenn ein Grundstückspreis von einem Euro zum Verweilen in Utajärvi, meinem Startpunkt, einlud



Bin allerdings nicht sicher, ob das mit dem einen Euro immer noch Geltung hat. Das Werbeschild sah ziemlich zerdeppert aus. Wie auch immer, am Freitag morgen ging´s los, die Strecke seht Ihr hier. Der versumpfte Wald im mittleren Utajärvi bot wenig Abwechslung und es nieselte



Hin und wieder tauchten verlassene Häuser am Wegrand auf, bei einem stand ein ausrangierter Bus mit Cola-Werbung auf dem Hof





Hin und wieder eine verfallene Scheune



und auf ewig verschlossene Türen



Ebenfalls am Wegesrand gab´s dicke Blaubeeren, von denen ich so einige schluckte



Auch besserte sich das Wetter zwischenzeitig und den folgenden, kleinen Bach in Nord-Utajärvi (die Schrauben gehören zur Brückenkonstruktion) überquerte ich bei sonnigem Herbstwetter



Es blieb trocken, bei mehr...



oder weniger...



starker Bewölkung. Schliesslich erreichte ich Puolanka, eine Gemeinde, die zu Kainuu gehört. Kainuu wirbt für sich als Langlaufgebiet:



Nun gut, für Langlauf war´s immer noch etwas zu grün. Hab dann erstmal Pause gemacht: Tee und ein Brot mit einem klitzekleine Käsestückchen



Im Hintergrund des Käsebrotes sieht man einen, an einer Stromschnelle gelegenen Unterstand, wo man übernachten kann (Brennholz war auch vorhanden). An der Stelle wuchsen Preiselbeeren - der Nachtisch war gesichert!



Ja, aber nur Brot und Preiselbeeren, das reicht nicht! In der Ortsmitte ging´s direkt zur Tanke zum Kaffeesaufen. Puh, war das ne Brühe, aber was soll´s. Wat der Körper braucht, dat soll er haben.



Kleidung hätte man dort auch kaufen können...



Puolanka ist bekannt als sehr hügelreiche Region, und ich musste ziemlich kämpfen, ob die Huckel zu meistern (Kasten mit Streusand hinter dem Rad)



Die kleinen Ortschaften und vereinzelten Bauernhöfe von Puolanka waren häufig auf den Gipfeln der Hügel



Hin und wieder traf ich in der Einsamkeit auf recht heruntergekommene Unterkünfte:



Dies war dann das letzte Bild des Freitags. Es setzte dann leichter Regen ein und es wurde recht fix Abend und Nacht. Die Gegend im Norden von Puolanka und der anschliessende Gemeinde Suomussalmi war fast menschenleer und ich arbeitete mich durch bis nach Hossa, dem Ziel des heutigen Tages. Bereits vor Hossa, welches eventuell bald zu einem Nationalpark (erhöhter Schutzstatus!) umgewandelt wird, gab es zunehmend alten Wald zu bewundern. Sehr viel hab ich in der Dunkelheit allerdings nicht mitbekommen. Radeln, radeln und dann, im Wandergebiet, Schieben des Rades auf einem schmalen Wanderpfad mit Steinen und Wurzeln und Holzbohlen. Als ich endlich, irgendwann um 1:30 Uhr des Folgetages in einer Schutzhütte des Wandergebiets ankam, war ich fix und fertig. Schnell Feuer gemacht und was gegessen und dann in den Schlafsack.

Fortsetzung folgt...

Am nächsten Tag, also Samstag, habe ich erstmal die Schutzhütte fotografiert, in der ich genächtigt hatte:



Wie man auf dem Bild sieht, ging es über eine Brücke zur Hütte. An der Stelle gab´s kleine Stromschnellen und einen schönen See:



Bin dann nochmal rein in die Hütte um Feuer zu machen. So sah es dort aus:




Hier geht´s mit dem Rad weiter auf dem Wanderweg (verflucht anstrengend):





Irgendwann fand ich eine Piste, auf der es weiterging, teils geschoben, teils gefahren



Ich fühlte mich bisweilen beobachtet


Die Gegend war genial: Urwald, Sümpfe, kleine Seen. Phasenweise fuhr ich, auf guter Strasse, direkt neben einem See entlang:



Auf der linken Seite umgestürzte uralte Kiefern



und auf der rechten Seite der See



An manchen Stellen waren die Baumstämme ins Wasser gefallen und lagen dort unter der WAsseroberfläche



Die ersten Menschen am heutigen Tag traf ich erst am Naturzentrum von Hossa. Dort war dann erstmal Kaffeepause für mich.



Die Wildheit von Hossa hatte mich sehr fasziniert. Muss da unbedingt nochmal zum Wandern hin! Nun gut, weiter ging´s mit dem Rad, Richtung Norden nach Kuusamo rüber und dort dann zum Schluchtsee Julma Ölkky. Es gab da einen 10 km Wanderweg, der entlang des Seeufern führte. Bin ihn einen knappen km gelatscht und habe ab und zu zum Schluchtsee runtergeguckt - nichts für Leute, denen es leicht schwindelig wird!



Weiter ging´s mit dem Rad auf steiniger Piste, die westlich von dem Schluchtsee für viele km durch eine Sumpf-Urwald-Landschaft führte. Tolle Gegend, aber die Zeit rannte mir davon. Ich wollte unbedingt noch zum Wandergebiet Kylmäluoma, um dort zu nächtigen. Leider war die Dunkelheit wieder einmal schneller als ich und es wurde ausserdem sehr kalt. Gut, dass Buff und Handschuhe dabei waren! Durch Kylmäluoma führt eine Mountainbikepiste, auf der ich in der Dunkelheit entlang eierte bis ich schliesslich den Unterstand fand, den ich gesucht hatte. Es war etwa 22 Uhr und ich habe direkt Feuer gemacht um mir Kartoffelbrei zu kochen. Hier ein paar Fotos (als Anzünder benutze ich mit Wachs gefüllten Eierkarton - brennt wunderbar! Der komische Typ auf dem dritten Foto bin ich.)





Fortsetzung folgt...

Der dritte und längste und anstrengendste Tag begann um 4 Uhr morgens. Die Temperatur lag bei 0 Grad und ich war wegen der Kälte frierend aufgewacht. Nochmal Feuer angeschmissen und für zwei Stunden in unruhigen Schlaf gefallen. Am Morgen noch ein Foto von dem Unterstand, mit nebeligem See im Hintergrund



Die Ausschilderung der Mountainbike-Wander-Motorschlitten-Strecke war sehr gut



und die Natur einfach phantastisch!!! Urwald vom Feinsten und man fuhr auf dem First eines Wallbergs entlang, der zwei Seen voneinander trennte. Ich war dort völlig alleine, stundenlang:





Am Ende des Wallbergs machte ich noch Fotos vom Endstück des Wallbergs sowie vom nebligen See




Der Radweg, den man übrigens auch mit dem Reiserad ganz gut fahren konnte (ab und an Schieben), wäre noch die letzten 27 km nach Taivalkoski weitergegangen. Von Taivalkoski wäre die Radstrecke sogar dann noch weiter bis in den Nationalpark Syöte gegangen. Sicher absolut genial, aber mir reichte es und wollte auf ne Strasse um zügig nach Taivalkoski zu kommen. Vorbei ging´s an Gehegen der Rentierzüchter zur Rentierscheidung



an Sümpfen



und auf die Strasse nach Taivalkoski



Nach einer Kaffeepause an einer Tanke bin ich aus dem Ort raus und ein Stück auf der grossen Strasse 20 gefahren, an deren Rand ein Schild vor erhöhtem Risiko von Zusammenstössen mit Rentieren warnte. Ich erinnerte mich, dass bereits im Winter genau vor dieser Strecke gewarnt wurde. Die Rentiere kommen im Winter auf die Strassen um Streusalz zu knuspern.



Ausser Rentieren rannten dort Soldaten rum



Recht bald bin ich auf eine kleine Strasse abgebogen, die dem Iijoki-Fluss folgte. Auch dort gab´s Rentiere, und die Anwohner hielten die Viecher mittels Zäunen und Flatterbändern ab





An einer Stelle spielte ich mit dem Gedanken, den Fluss per Fähre zu kreuzen. Es stellte sich dann heraus, dass die Fähre nicht mehr verkehrte. Stattdessen gab´s ein Boot, dass man per Winde zu sich ziehen konnte um den Fluss zu überqueren. Nee, kommm, lass stecken! Hier die (gelbe) Fähre und die Winde mit dem (grünen) Boot (am gegenüberliegenden Ufer zu sehen):



Bin dann schliesslich auf Hauptstrassen weitergefahren. Fahre eigentlich lieber Nebenstrecken, aber die Zeit rannte mal wieder davon... Ich war froh, noch im Hellen Utajärvi erreicht zu haben. Da machte es auch nichts, dass die Blumen im Blumentopf am Ortsschild schon verwelkt waren



Hier noch ein Foto des groben Asphalts dort in Nord-Utajärvi:




Nun gut, zu Hause war ich aber noch nicht, es waren noch gut 60 km zu bewältigen. Die letzten 35 km fuhr ich im Stockdunkeln mit tollem Sternenhimmel über mir. Allerdings hatte ich keinen Nerv auf Sternegucken. Ich war total kaputt von dem langen Tag und wollte nur noch irgendwie ankommen. Um 22:30 Uhr war ich dann endlich zu Hause und bin direkt in die Sauna marschiert. Ende gut, alles gut.


Alles Gute,
Thomas

Sehr schöne Bilder, Thomas. Werde wohl da nie vorbeikommen und muss die Nordstimmungen zwangsläufig über solche Berichte auskosten.

Tolle Gegend, aber einsam! Ein Rendevous mit so einem Rentier ist bestimmt nicht lustig.

Wie ist eigentlich die Grenze zu Russland? Gibts da auch Flüchtlinge?

Hallo,
die Russen kommen in erster Linie als Urlauber vorbei, und entsprechend sieht man immer wieder Schilder in russischer Sprache am Strassenrand, z.B.



vG
Thomas

Sieht kalt aus, anstrengend und einsam (war's ja wohl auch) - mein Reiseziel wird der hohe Norden nicht sein - aber schön, so tolle Bilder zu sehen!

Die Hochsommerzeit ist in Finnland sicher heller und wärmer (natürlich auch mückenumschwärmter) , umso beeindruckender, dass du diese Reise im September gemacht hast!

Liebe Grüße aus dem - aus deiner Sicht- Süden:

Wann wird es denn momentan dort oben dunkel? Als wir im Juli durch Hossa kamen, war es noch fast die ganze Nacht hell.........

Beeindruckende und interessante Fotos einer schönen Landschaft.
Darf ich fragen, was dich nach Finnland verschlagen hat? Immer wenn ich mir deine Fotos anschaue, denk ich mir, schön ist es da, aber soooo einsam. Klare Seen und wellige Berge, dichte Wälder und Beeren am Straßenrand. Sowas hat man hier im Pott nicht.
Ich denke mir, für einen Urlaub ja, aber auf Dauer...

Grüße
Gregor

Hallo,
Ihr wart auch in Hossa? Schöne Gegend, oder? Wart Ihr da ne Runde wandern? Ich selbst hab das mit dem Wandern ja leider nicht so recht gemacht.

Dunkel wurde es so um 20:30 Uhr, eigentlich noch ganz okay. Hatte halt etwas zu optimistische Tagesetappen. Etwas kürzere Strecken, und ich wäre im Hellen bei den Übernachtungsstellen angekommen und hätte nicht im Dunkeln mittels Fahrradlampe und Taschenlampe nach irgendwelchen Wegen und Ausschilderungen suchen müssen. Das macht so richtig nämlich keinen Spass, auch wenn´s im Nachhinein ein witziges Erlebnis war - hab zum Glück dann auch immer alles gefunden. Allerdings nicht immer im ersten Anlauf...

Noch zum Wandern: Auch die 10 km-Runde um den Julma Ölkky hab ich nur abschnittsweise erwandert. Irgendwann will ich die Runde noch mal ganz laufen. Auch bei diesem Schluchtsee hab ich also schlecht geplant - man sollte sich unbedingt immer genug Luft in der Planung lassen, wenn man durch Gebiete kommt, wo auch Wandern möglich ist. So ein paar km auf fertig markierten Pfaden lohnen sich immer!

Zur Einsamkeit: Ich fahre sehr gerne auf Strecken, wo sehr wenig los ist. Andererseits ist dann auch immer einen nette Abwechslung, wenn man dann zwischendurch durch ein Dorf kommt und sieht, wie man dort so lebt, ob es nett anzuschauende Gebäude gibt - und ob´s da ne Tankestelle gibt, wo man seinen lang ersehnten Kaffee bekommt

Alles Gute,
Thomas

Hallo Gregor,
nun gut, so richtig einsame Gegenden gibt´s im Pott nicht, aber schöne Natur gibt´s auch dort!! Ich liebe z.B. die Buchenwälder im Bottroper Norden, wo man z.B. in der Kircheller Heide fantastisch Radfahren kann!

Alles Gute,
Thomas

Ja, wir sind auf dem Iron-Curtain-Trail auch durch Hossa gekommen - ist wirklich schön dort. Aber für Wanderungen hatten wir leider keine Zeit. Uns hat eigentlich ganz Finnland gut gefallen, vor allem auf den etwas abseits gelegenen Strecken!

Nächstes Jahr werden wir ab Kesälahti auf dem Trail weiter fahren.......

Hallo Thomas,

herzlichen Dank für Deinen Reisebericht samt den tollen Bildern. Im Gegensatz zu manch anderem hier liebe ich diese Landschaft und die Einsamkeit auch sehr. Unsere Finnland-Tour ist schon viele Jahre her; Zeit um mal wieder dorthin zu fahren (und nicht immer nur auf die Åland-Inseln bzw. in den Turkuer Schärengarten )

Sprichst Du eigentlich (schon) so gut Finnisch, dass Du Dich gut unterhalten kannst?

Grüße
Uwe

Hallo Uwe,

klar kann ich Finnisch. Schliesslich will ich mich ja mit meiner Frau und meinen Schwiegereltern unterhalten können. Naja, eigentlich reicht es ja, wenn man folgende Fragen auf Finnisch auf die Reihe bekommt (und die Antworten versteht):
- Wann gibt´s Essen?
- Was gibt´s zum Essen?
- Wann gibt´s Kaffee?



Wenn Du nach Finnland kommen möchtest, wäre vielleicht die Päijänne-Tour 2013 was für Dich. Auf der geplanten Strecke ist alles drin: Seen, Einsamkeit, Nationalparks (mit kleineren Wanderungen in ihnen) und aber auch zwischendurch Bauernhöfe und Ortschaften.

Einsamkeit hat man hier eigentlich immer, wenn man auf kleinen Nebenstrecken fährt. Man muss dann nur die Tatsache in Kauf nehmen, dass man auf diesen Nebenstrecken kurviger und hügeliger fährt als auf den Hauptstrassen und ausserdem häufig ohne Asphalt fährt. Als Folge kann man nicht so viele km machen wie auf der Hauptstrasse aber ich finde, dass ist die Sache wert!

Alles Gute,
Thomas

Interessanter Bericht (viel Hintergrundinfos) und stimmungsvolle Bilder.
Die Hügel sind schön.
Dafür dass die Wege so selten benutzt werden, sind sie doch sehr gut in Schuß!
Die Hüttenbilder machen Laune. Bereitest du gerade eine Bratwurst vor?
Dass die Nächte doch schon so kalt waren.



Als Bayer vermisse ich in der Liste:
- wo ist die Halbe?
- was für Bier habt's ihr?
- Ein Weizen bitte.

Kommt man umgekehrt eigentlich über die Grenze nach Russland rein? Jenseits der Grenze müsste ja eigentlich noch Karelien sein, die Bilder und Filme, die ich davon gesehen habe, machen leicht süchtig. Aber Finnland ist natürlich auch klasse, dort war ich aber auch erst einmal und das liegt schon ein paar Jahre zurück.

Bernd

Hi Thomas,

schöne Bilder! Da kommen doch gleich wieder ganz viele Erinnerungen hoch!

Danke, dann lege ich den Finnisch Sprachführer wieder weg. Die drei Sätze reichen zum überleben.

Tolle Bilder, die Vorfreude auf die Päijänne-Tour steigt immer mehr!

Hallo Michael,
auf die Päijänne-Tour freue ich mich auch schon sehr, wird sicher wunderschön! Dort gibt es dann, besonders schön im Leivonmäki-Nationalpark, ebenfalls Wallberge, auf deren First man laufen kann. Das müssen wir dann unbedingt machen, zumal wir ja eh im Nationalpark nächtigen werden.

@BeBor: Mit Russland habe ich mich bisher nicht beschäftigt, aber interessant wäre eine Tour bis dorthin natürlich schon. Es gibt bestimmt Leute im Forum, die schon mal von Finnland nach Russland geradelt sind, die können da etwas zu sagen.

Euch einen schönen Sonntag aus dem herbstlichen Utajärvi,
Thomas

Volle Zustimmung. Supertour und Superbilder. Das Wetter scheint ja zumindest recht trocken gewesen zu sein. Aber ich genieße mal die Bilder und fahre wieder nach Italien

jomo

Hallo Thomas, wie immer toller Bericht und noch schönere Fotos.
Das ist für mich einfach Natur pur, nur eben auch nicht ganz ungefährlich in der Einsamkeit.