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#1250072 - 21.11.16 17:21 Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa
joeyyy
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Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 999
Dauer:26 Tage
Zeitraum:23.9.2016 bis 18.10.2016
Entfernung:2000 Kilometer
Bereiste Länder:itItalien
vaVatikan (Vatikanstadt)

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23.-25. September 2016: Beginn der Radreise von Venedig nach Syracus - Abfahrt, Ankunft, die Lagune, der Po und ein Exhibitionist

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Im Jahr 2014 fuhr ich mit dem Rad die Via Claudia, von Landsberg bis Venedig. Jetzt will ich die Reise bis Syracus auf Sizilien fortsetzen.

Auf dieser Reise habe ich mein Telefon, ein Apple iPhone 6s und meine Leica mit dem 28er Elmarit dabei. Beide Fotografier-Optionen bieten also den gleichen Blickwinkel auf die Welt. Ich möchte das vergleichen und am Ende entscheiden, ob ich die Kamera überhaupt noch benötige.

Ich habe dieses Mal auch Eindrücke, Gedanken und Beschreibungen als Audio-Dateien aufgezeichnet. Diese Dateien gebe ich in meinem Blog einfach so - eins zu eins - wieder. Keine Diplomatie, kein Filtern von Hintergrundgeräuschen, pures Quatschen. Oder aber Klangbilder. Als Ergänzung zu den visuellen Bildern.

Am Abend des zweiten Tages sitze ich am Po vor dem Zelt auf einer Sanddüne und reflektiere die letzten beiden Tage. Manchmal kann das Leben ziemlich schräg sein.

Um fünf Uhr gestern klingelte der Wecker. Viel zu früh für meinen Bio Rhythmus. Um sechs Uhr fuhr der Zug ab Hannover Hauptbahnhof. Ich hoffte, auf der Fahrt nach Hamburg noch etwas Schlaf finden zu können. Diese Hoffnung starb in Celle.

Irgendwelche Dorf-Trullas stiegen zu, belegten sämtliche Tischplätze und packten als erstes Sekt und Schokolade aus. Sowohl der bisherige Frequenz- als auch Lautstärkepegel stiegen abrupt um ein Vielfaches an.

Ich glaube, dass ich zum ersten Mal ein Smartphone als Segen empfand. Ohrstöpsel ins Ohr, die brandenburgischen Konzerte von Bach eingeschaltet und… Es reichte nicht. Die Red Hot Chili Peppers schoben dann das Hühner-Gackern in den unhörbaren Hintergrund.

In Hamburg am Hauptbahnhof schob ich dann das Fahrrad zur S-Bahn, um feststellen zu müssen, dass ich zwischen sechs und neun Uhr nicht mit dem Fahrrad in der S-Bahn fahren darf. Es war acht und der Flieger flog um elf. Ich sah mich schon in irgendwelche Diskussionen mit diesen Security Türstehertypen, die mich aus der S-Bahn rauswerfen würden. Dem zum Trotze schob ich mein Fahrrad in die S-Bahn und fuhr mit in Richtung Flughafen. Ich verstehe nicht, wie mir die deutsche Bahn ein Fahrrad Ticket mit Zugbindung von Hannover nach Hamburg Flughafen verkauft, mit dem ich dann aber überhaupt nicht mit dem Fahrrad fahren darf.

Ich merkte, dass es immer noch zu früh war für mich und dass ich einfach nur genervt war.

Am Flughafen lief alles reibungslos, an dieser Stelle möchte ich den Leuten in den Schalterhallen wirklich auch mal ein Kompliment machen. Mein Fahrrad war eingewickelt in eine Radversand-Plastikfolie von Hermes, die ich dann während der Reise auch als Zeltunterlage nutzen will. Weder am Check-In noch am Sperrgepäck Schalter gab es irgendwelche großen Fragen oder Probleme. Ich war positiv überrascht und meine Laune hob sich merkbar an.

Im Flugzeug selbst wollte ich dann wieder Ruhe und Schlaf. Ging wieder nicht. Wieder Frauen. Ungefähr zehn, ungefähr mein Alter, alle einheitliche Ringelshirts über ihren Blusen und Pullis, alle Strohhut auf. Alle Aperol Spritz oder Prosecco oder beides in den Händen. Kegelclub auf Jahresausflug nach Venedig. Das hieß: Ausgelassene Stimmung im Flieger mit Helene-Fischer-Fangesang und Abschied von Einschlummern mit den brandenburgischen Konzerten im Ohr. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wieder die Chili Peppers auf laut gestellt, dann ging's. Ich wundere mich, dass ich dennoch einschlafen konnte.

Am Flughafen Venedig ging alles recht einfach und schnell. Keine zwei Stunden nach der Landung saß ich in Radfahrklamotten auf meinem Fahrrad und fuhr in Richtung Lagune. Es ist für mich ein herrliches Gefühl, mit kurzen Ärmeln und kurzen Hosen auf dem Reiserad zu sitzen und die Sonne über mir zu haben.

Ich fuhr durch Jesolo, den Ort der für mich als Kind immer ein Traumziel war. Meine Eltern, mein Bruder und ich fuhren oft genug in den Sommerferien mit dem Opel Kadett über den Plöckenpass bis hier her. Ich war erstaunt, wie lebendig Erinnerungen an die Kindheit auch jetzt noch sein können. Nicht nur Erinnerungen, sondern auch Gefühle, Hoffnungen, Erwartungen. Ich spürte die Schmerzen der Hitze unter den Sohlen meiner Füße, die der in der Sonne aufgeheizte Strandsand damals verursachte. Ich roch das damals verwendete Nussöl als Sonnenschutz, ich spürte den Sand auf meiner Haut, festgeklebt am Nussöl.

Am Abend fand ich einen Campingplatz, bereits auf der Lagune gegenüber von Venedig. Was ich überhaupt nicht mag an Campingplätzen, ist, wenn mir die Beleuchtung aufs Zeit scheint. Dann ist die ganze Nacht Tag. Gegen Lärm kann ich meine Wachsstöpsel in die Ohren stecken, gegen helle Laternen hilft nichts. Die Laternen hier waren zum Glück nicht so hoch und so stülpte ich eine IKEA Tüte über die Laterne, die direkt an meinem Zelt stand. Nun war es dunkel und ich konnte wunderbar schlafen.

Am nächsten Tag fuhr ich dann durch die Naturschutzgebiete der Lagune bis zur Pomündung in die Adria. Am Po entlang führte ein wunderbarer Radweg bis zu dem Platz, kurz vor Ferrara, wo ich jetzt vorm Zelt sitze.

Als es vorhin Abend wurde und ich begann, nach einem geeigneten Zeltplatz zu suchen, entdeckte ich eine recht große Düne direkt im Po. Auf dieser Düne habe ich nun mein Zelt aufgeschlagen. Auf dem Weg dorthin begegnete mir die Polizei. Ich war etwas überrascht, dass die Polizei hier in den verwinkelten Wegen Streife fuhr. Innerlich ärgerte ich mich, da ich ja auf der Suche nach einem Zeltplatz war und die Polizei und wildes Zelten nicht so recht zusammenpassen.

Ich fuhr weiter und begegnete einem Mann mittleren Alters. Nun war ich schon im Dickicht, was zwischen Radweg und Düne stand. Ich fragte den Mann aus Verlegenheit ob man denn im Po noch baden könne. Der Mann fing an, auf Italienisch mit mir zu reden. Ich schaute ihm in die Augen und achtete nicht darauf, was er mit seinen Händen tat. Während wir redeten, holte er seinen Penis aus der Hose und fing an zu onanieren. Als ich das sah, drehte ich mich um und suchte einen anderen Weg zur Düne. Jetzt wusste ich, warum die Polizei dort Streife fuhr.

Als ich dann meinen Zeltplatz gefunden hatte und mein Zelt aufbaute, sah ich am Ende der Düne, am Rande des Dickichts den gleichen Mann wieder mir zugewendet, diesmal aber mit komplett heruntergelassener Hose. Zum Glück war er weit genug entfernt, dass ich keine Details erkennen konnte.

Ich selbst war ziemlich locker, lachte in mich hinein, dachte aber dann darüber nach, dass ich das erste Mal ein Objekt sexueller Begierde für einen anderen Mann war. Zumindest bewusst. Und sichtbar. Und vor allem: Ohne mein Einverständnis. Ich fühlte ansatzweise das, was andere meinen könnten, wenn sie von Opferrolle im Zusammenhang mit Sexualität sprechen.

Ich habe kein Problem damit, wenn Menschen sexuell oder emotional anders orientiert sind, als ich. Ich habe auch kein Problem damit, wenn ein Exhibitionist sich hinstellt und die Hosen runter lässt, ja sich von mir aus sogar einen runter holt. Das haben wir damals bei der Bundeswehr auch getan, ohne Exhibitionisten zu sein. Einfach so. Schwanzgrößenvergleich. Krude, archaisch, naiv, frustrierend oder erhöhend.

Es wird dann zum Problem, wenn nicht ich, sondern kleine Jungs oder Mädchen zum Objekt werden. Oder Menschen, die damit nicht so locker umgehen können, wie ich. Da ist meine Toleranz bei absolut Null. Dann wird es allerdings schwierig, denn diese anders disponierten Menschen sind ja nicht krank. Sie haben eine andere Disposition. Eine Disposition, die schädlich sein kann für andere Menschen. Ich denke an den Film "Der freie Wille" mit Jürgen Vogel. Dieser Film hat mich nachhaltig beeindruckt.

Spätestens seit dem Film beschäftige ich mich immer wieder mal mit der Frage, wie frei unser Wille wirklich ist. Und was das überhaupt ist, freier Wille.

Ob der Mann, der sich vorhin vor mir präsentierte, das aus freiem Willen tat? Was, wenn die Antwort "ja" lautet? Dann passt in dem Fall der individuelle freie Wille nicht zu den Regeln der Gesellschaft. Dann fangen wir als Gesellschaft an, daran zu zweifeln, dass der Wille des Exhibitionisten frei sei. Das ist eine weitere, spannende Diskussion: Gibt es einen guten freien Willen und einen schädlichen freien Willen? Ist der schädliche freie Wille dann eine Disposition, die es zu kontrollieren gilt? Und die den schädlichen freien Willen zu einem Trieb macht, ihn mithin seiner Freiheit beraubt? Das kann ja nicht sein, dass eine gesellschaftliche Sicht einen individuellen Willen als frei oder unfrei klassiert.

Da brauche ich ein anderes Kriterium.

Vielleicht weiß der Exhibitionist ja auch, dass sein Verhalten verboten ist und schädlich sein kann. Vielleicht will er ja auch gar nicht, dass er sich zeigen will. Dann würde ich von Trieb reden. Von Disposition. So wie bei dem Raucher, der zwar jetzt eine Zigarette rauchen will, aber gar nicht will, dass er das will, da er weiß, dass es für ihn besser wäre, nicht zu rauchen.

Dann wäre der erste Wille, also sich zu zeigen oder zu rauchen, nicht frei, wenn der zweite Wille, das nämlich nicht tun zu wollen, dem ersten Willen entgegenspricht.

Ich denke, das reicht mir für heute erstmal. Ich ahne schon die Stolperfallen dieser Gedanken: Wenn es einen zweiten Willen gibt, gibt es dann auch einen dritten, vierten, und so weiter? Will ich, dass ich nicht will, dass ich rauchen will? So was in der Art... Nicht jetzt.

Es ist schon dunkel und ich genieße lieber noch die Ruhe des Ortes. Und nachher im Zelt endlich noch ein wenig die brandenburgischen Konzerte.

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Mehr Bilder, Erzähltes und Klänge gibt es hier (klick)

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Fortsetzung folgt.

Gruß

Jörg.

Geändert von joeyyy (21.11.16 17:31)
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#1250161 - 21.11.16 23:08 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: joeyyy]
iassu
Mitglied
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Beiträge: 24.797
In Antwort auf: joeyyy
Auf dieser Reise habe ich mein Telefon, ein Apple iPhone 6s und meine Leica mit dem 28er Elmarit dabei. Beide Fotografier-Optionen bieten also den gleichen Blickwinkel auf die Welt. Ich möchte das vergleichen und am Ende entscheiden, ob ich die Kamera überhaupt noch benötige......

......Das ist eine weitere, spannende Diskussion: Gibt es einen guten freien Willen und einen schädlichen freien Willen?

Hallo Jörg, zu den Kameras: einige deiner Bilder haben eine wirklich krasse Vignettierung. Mich persönlich würde das doch zu sehr stören. Nutzt du an der Leica vielleicht gerne die Offenblende? Aber selbst da fände ich das für ein gemäßigtes WW immerhin aus bestem Hause befremdlich. Aber vielleicht sind daran ja die beiden anderen Spezialbildgenerierungsmaschinen schuld.... grins

Zur philosophischen Frage nach dem freien Willen haben sich vor dir schon sehr berufene Geister seit einigen 100 Jahren den Kopf zerbrochen. Man sollte da zunächst mal klarstellen, was Willen eigentlich bedeutet. Ist beispielsweise die Freiheit zu wollen oder die Freiheit zu handeln gemeint? Ich denke, nur das erstere kommt in Frage.

Und dann wird man ehrlicherweise feststellen müssen, daß es im normalen Leben immer ein mehr oder weniger verstecktes Vorfeld für einen Willensentschluß gibt, das diesen irgendwie bestimmt. Trieb ist da nur ein extremer Fall. Wir sind voll von unbewußten Erfahrungen, Überlegungen, auch Ängsten, Wünschen udgl, die die Entstehung unserer Willensinhalte beeinflussen.

Wenn man genau hinsieht, ist nicht nur der Wille aus dem Trieb heraus natürlich unfrei, sondern evtl auch die ihn besiegende oder gegen ihn unterliegende Überzeugung, das besser nicht zur Auführung kommen zu lassen. Denn auch das kann aus unfreien Elementen entstehen, gelernte Moral, erzogene Verhaltensweisen udgl mehr. Die Frage ob gute oder schlecht bringt hier nicht weiter.

Das hat einen Großteil der Philosophen dazu veranlaßt, das Kind mit dem Bade auszuschütten und die prinzipielle Unmöglichkeit des freien Wollens zu proklamieren. Das scheint mir zu einfach, auch wenn es sich in seiner Perspektivlosigkeit gut als Schlagzeile macht.

Ich denke aber, daß eine weitrerführende Auseinandersetzung zu diesem Thema ganz sicher weder radreiseforumskompatibel noch reiseberichtskompatibel ist. zwinker schmunzel
...in diesem Sinne. Andreas

Geändert von iassu (21.11.16 23:11)
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#1250167 - 21.11.16 23:59 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: iassu]
joeyyy
Mitglied Übernachtungsnetzwerk
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Beiträge: 999
Hallo Andreas, ich fotografiere die Leica nahezu ausschließlich mit Offenblende. Dafür sind die Linsen doch da und das macht für mich das Besondere der Leica-Fotos aus.

Nachträglich vignettiere ich sehr selten. Und wenn, dann, um das zentrale Motiv zu betonen. Das 50er Summilux wird dann bei Fokus bis 10 Meter zum Rasiermesser. Manchmal ist ein wenig Glück dabei, das wirklich scharf zu haben, was ich scharf haben will. Dagegen war das Elmarit in Italien eine reinrassige Komfort-Linse.

Die Fotos, die ich zeige, sind so wie sie sind gewollt. Manchmal nicht nach dem Fotografieren, spätestens aber nach Abschluss der Entwicklung. Die Fotos, die ich nicht zeige, sind auch nicht gewollt. Weder nach dem Fotografieren noch nach dem Entwickeln.

Womit wir beim Willen wären.

Meine Gedanken sind mit mir sehr kompatibel. Das reicht mir zunächst erstmal. Ich muss zum Glück kein Geld mit Schreiben verdienen. Und will auch nicht.

Das Thema "Freier Wille" (und das darauf folgende Handeln) ist in der Tat ein weites Feld, das seit mindestens zweieinhalbtausend Jahren diskutiert wird. Und immer noch nicht beantwortet ist. Und wahrscheinlich auch nie beantwortet werden kann.

Dennoch finde ich es spannend, die Argumente zu verstehen, zu hinterfragen und vielleicht sogar eigene zu entwickeln. Das gehört zu meinen Radreisen definitiv dazu.

Und natürlich sind solche Gedankengänge komplex und anstrengend. Und das schränkt den Leserkreis meiner Berichte sicherlich ein. Aber wenn sich jemand wie du mit dem Text auseinander setzt, dann bin ich sehr zufrieden.

Nichts geht über einen guten Diskurs eines komplexen Themas :-) Wir stapfen gerade durch die alten athener Schulen. Zu denen komme ich später noch...
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#1250168 - 22.11.16 00:03 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: joeyyy]
iassu
Mitglied
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Beiträge: 24.797
In Antwort auf: joeyyy
Und immer noch nicht beantwortet ist. Und wahrscheinlich auch nie beantwortet werden kann.

Dennoch finde ich es spannend, die Argumente zu verstehen, zu hinterfragen und vielleicht sogar eigene zu entwickeln. Das gehört zu meinen Radreisen definitiv dazu.

Und natürlich sind solche Gedankengänge komplex und anstrengend. Und das schränkt den Leserkreis meiner Berichte sicherlich ein.

Wenn du dazu unvoreingenommen genug bist und gewillt, dich einer solchen Anstrengung bzw Zu-Mut-ung zu stellen, dann empfehle ich dir von Rudolf Steiner die Philosophie der Freiheit.
...in diesem Sinne. Andreas
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#1250213 - 22.11.16 09:19 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: joeyyy]
BeBor
Mitglied
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Beiträge: 7.748
In Antwort auf: joeyyy
Ich fuhr weiter und begegnete einem Mann mittleren Alters.

Ein ähnliches Erlebnis, allerdings ohne explizite visuelle Präsentation von Schrumpf- oder Stielgemüse, hatte ich vor ein paar Jahren in den (liberalen) Niederlanden. Ich hatte versehentlich an einer Y-Abzweigung den falschen Weg genommen und fand mich einige hundert Meter weiter in einer Waldweg-Sackgasse, an deren Ende mehrere Männer im Gebüsch in gewissen Abständen Zelte aufgebaut hatten und mir deutliche "Avancen" machten. War wohl ein informeller Treffpunkt Gleichgesinnter, die sich bei lauem Wetter gern im Wald treffen und gegenseitig an der Nudel spielen. Da ich erkennbar ein Zelt auf dem Rad hatte, gehörte ich aus deren Wahrnehmung einfach dazu. Ich habe mich höflich für die Hinwendungsangebote bedankt und bin mit erhöhter Trittfrequenz enteilt.

Vielleicht warst Du in einem ebensolchen Terrain.

Bernd
Mit Fahrrädern? So mit selber treten? Wo ist denn da der Sinn? (Heinz Erhardt im Film “Immer diese Radler”)

Geändert von BeBor (22.11.16 09:30)
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#1250302 - 22.11.16 16:39 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: BeBor]
joeyyy
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abwesend abwesend
Beiträge: 999
In Antwort auf: iassu
...Rudolf Steiner die Philosophie der Freiheit...


Danke für den Tipp. Steiner ist mir allerdings zu esoterisch, orientiert sich eher an der Konsistenz seines Gesamtwerks als am einzelnen Argument.

Meine Inspirationsquellen sind eher die Philosophen - hier in Italien z.B. Seneca.

In Antwort auf: BeBor
...Vielleicht warst Du in einem ebensolchen Terrain...


Nö, war wohl eher ein Einzeltäter, dafür spricht die Polizeistreife und dass ich nur ihn sah und keine weiteren.
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#1250401 - 23.11.16 09:54 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: joeyyy]
cyclerps
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abwesend abwesend
Beiträge: 4.210
Danke für den Bericht. bravo
Gruss
Markus
Forza Victoria !

When nothing goes right -> go left!
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#1250558 - 23.11.16 21:26 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: joeyyy]
Sputnik79
Mitglied
abwesend abwesend
Beiträge: 228
Danke für den Bericht. Strebe für 2017 auch Italien an.

Fotografisch möchte ich mich bewusst einschränken und werde nur die Pentax K50 mitnehmen, bestückt mit einem alten analogen Glas per Adapter. Entweder 50mm Alu-Tessar oder 30mm Lydith von DDR-Zeiss bzw. Meyer Görlitz. Einfach Klasse was die alten Gläser noch abliefern. Das manuelle Scharfstellen entschleunigt und kommt vom Feeling dem Messsucher-Knipsen nahe.

Deine Erwähnung von Smartphone und Leica in einem Satz hat echt weh getan.
Viele Grüße
Jens
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#1251277 - 27.11.16 21:42 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: joeyyy]
joeyyy
Mitglied Übernachtungsnetzwerk
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 999
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26.-30. September 2016: Gedanken in der Toskana und auf den Spuren der Eroica

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Italien und der Straßenverkehr

Die Jungs und die Mädels hier fahren schon ganz schön knapp. Das muss ich echt sagen. Wenn ich so auf einer normalen Landstraße fahre und die Italiener mich überholen, dann ist das teilweise schon ganz schön eng. Wenn genügend Platz ist, dann sind die Leute hier aber auch sehr freundlich, halten genügend Abstand, blinken links, blinken rechts, alles in bester Ordnung. Insgesamt fühle ich mich schon einigermaßen sicher hier auf den italienischen Straßen.

Viele Leute telefonieren im Auto, als sei es eine Selbstverständlichkeit. Aber nicht nur im Auto: auch auf dem Fahrrad und auf der Vespa wird fleißig telefoniert. Frau, mitten in der Stadt, Fahrrad mit vollem Einkaufskorb vorne am Lenker. Das Telefon klemmt zwischen Schulter und Ohr. Frau braucht ja beide Hände am Lenker! Das sieht schon lustig aus: Eigentlich elegante Frau, mit schiefem Kopf und der Unfähigkeit, das Fahrrad einigermaßen sicher zu navigieren, durch die Fußgängerzone radelnd. Das erinnert mich an eine Freundin von mir, die in der Küche mit dem Telefon zwischen Schulter und Ohr Zwiebeln schneidet oder den Abwasch macht oder Staub saugt… Egal was, hauptsache Telefon am Ohr! Nach spätestens zehn Jahren haben diese Frauen ein Halsleiden. Die Schultern sind verspannt und sie wundern sich, warum. Ich strenge mich an und versuche, mich zu erinnern, Männer in solchen Posen gesehen zu haben. Mir fällt keiner ein.

Ist der Straßenverkehr heutzutage eigentlich so langweilig, dass man sich über das Telefonieren oder irgendwelche Nachrichten schreiben oder im Internet surfen zusätzlich ablenken muss?

Ich jedenfalls werde mich noch stärker auf den Straßenverkehr konzentrieren, da ich weiß, dass die wenigsten Leute das genauso tun wie ich.

Außerdem ist es doch wunderschön hier!

Mein Baladéo-Messer

Es gibt ja so Sachen, die sieht man so bei anderen Leuten und denkt sich: Ja, ist ja ganz okay. Könnte ich auch haben, muss ich aber nicht.

Dazu gehört zum Beispiel so ein kleines Klappmesser von Baladéo. Scheint wohl eine französische Marke zu sein. Das Messer hatte ich mir mal irgendwann gebraucht gekauft, in einem Outdoor Forum und dachte so: na ja, probier es einfach mal aus. Und jetzt habe ich es dabei. Und werde es immer dabei haben. Ich bin total begeistert von dem Ding. Es ist filigran, es ist leicht, es ist einfach, es ist rattenscharf, es lässt sich zusammenklappen, in der kleinsten Tasche verstauen und es gibt einen Clip, mit dem man es am Gürtel oder an sonstigen Riemen und Schnallen befestigen kann. Ich habe es in meinem Leatherman-Holster, zusammen mit einer kleinen Pfefferspray-Flasche. Das Holster ist mit Kabelbindern vorn am Steuerrohr angebunden, so dass ich jederzeit schnell und einfach auf Messer und Spray zugreifen kann.

Normalerweise hätte ich gesagt: Messer ist an meinem Leatherman dran, reicht doch. Aber dieses Ding ist echt genial. Ich finde es klasse, wenn ich merke, dass sich Menschen Gedanken gemacht haben, wenn sie etwas konstruiert haben. Wenn sie Spaß daran haben, etwas zu produzieren und das gebe ich dann auch gerne als Lob an die Franzosen zurück.

Italien und die Frauen

Also ich muss ja wirklich gestehen, dass hier in Italien die Frauen ganz besonders attraktiv und schön sind. Egal welchen Alters. Das geht bei den jungen Mädchen los, die so 16, 17, 18 sind und hört erst weit jenseits der 50 oder 60 auf. So viel Eleganz, so viel Geschmack, so viel Liebe für’s Detail am eigenen Körper, an der eigenen Garderobe, am eigenen Gang und selbst der Haltung der Hände zeugt schon von Hingabe an die Schönheit, an die Ästhetik.

Bei der ganzen getragenen Mode, den Schönheits-OPs und der applizierten Schmink-Kunst weiß ich zwar manchmal nicht so richtig, was an diesen Frauen echt ist und was nicht. Aber das ist mir auch egal! Ich genieße es, sie anzuschauen, ihnen zuzuschauen, die Fantasie spielen zu lassen und immer wieder daran zu denken, dass an mir als Mann alles echt ist.

In einem Café spreche ich die Frau hinter der Theke an und frage, was da dran ist, an der Schönheit der italienischen Frauen. Sie lacht, bedankt sich und meint, dass es die Seelen sind, die einen Menschen schön oder nicht schön erscheinen lassen. Eine reine und gute Seele macht einen schönen Menschen. Die Mode und die Schminkkunst können das Schöne am und im Menschen zwar betonen, aber sie können nichts zeigen, was nicht da ist. Ich werde wohl irgendwann mal fragen, warum die Menschen in Italien so reine und gute Seelen haben.

Florenz – Stadt der über 140 Kirchen

Auf der Piazza del Duomo in Florenz höre ich zufällig kurz einer Engländerin zu, die eine Touristengruppe durch die Stadt führt.

Die Kirchen in Florenz sind berühmt und voller Prunk. In diese Kirchen geht allerdings niemand mehr rein, um zu beten oder zu singen. Florenz leidet an der Leere in den Kirchen. Der Adel geht in die Kirchen, weil er hinein gehen muss.

Die jungen Leute gehen lieber in die Bars oder schlafen aus, nachdem sie abends Feiern waren. Die erwachsenen Florentiner fahren sonntags, wenn das Wetter schön ist, lieber ans Meer als in die Kirche zu gehen.

Somit sind die Kirchen in Florenz weniger Orte der geistlichen Erbauung als mehr stumme Zeugen vergangener Zeiten, gehegt und gepflegt für die Touristen und den Klerus.

Der erste Ruhetag nach sechs Fahrradtagen

Ein Ruhetag ist dann schön, wenn es Wasser gibt, wenn es Sitz- und Liegemöglichkeiten gibt, wenn es Möglichkeiten gibt, seine Sachen zu waschen, sich zu duschen und einfach nur zu relaxen.

Deshalb fällt es mir jetzt leicht, hier in Chianti auf einem Campingplatz (Orlando) zwei Nächte zu buchen. Dieser Campingplatz ist eine echte Ruhezone, im Gegensatz zu den meisten anderen Campingplätzen, die ich bisher kennen gelernt habe. Es gibt hier keine Straßen, es gibt keine Autos auf dem Campingplatz, nur Wohnwagen und diese Wohnmobile, die dürfen hier zwar rein fahren, aber nicht regelmäßig rein und raus.

Der Campingplatz ist mitten im Wald, die Sonne scheint, die Bäume spenden Schatten, Paradies.

Beim Waschen meiner Wäsche ist mir aufgefallen, dass das eine wirklich schwere und anstrengende Handarbeit ist. Wenn man seine Sachen durchknetet, damit sie sauber werden, ist das ein heftiges Handtraining, eine tolle Übung zum Beispiel für Kletterer, sich fit für den Fels zu machen.

Einen Sack voller Wasser, in dem die Wäsche eingeweicht ist, von dem Ort, wo es das Wasser gibt zu dem Ort, an dem ich die Wäsche nachher waschen und aufhängen will, zu tragen, ist ebenfalls eine anstrengende Angelegenheit.

Und da frage ich mich doch, wenn das so ein wunderbares Training ist für Arme, Rücken, Hände, ja letztendlich die komplette Körpermuskulatur, warum man in Fitnessstudios dann so teure Maschinen haben muss. Man könnte doch einen Waschsalon mit einem Fitnessstudio kombinieren und so zwei nützliche Dinge auf einmal erledigen.

Wenn sich jemand eine Waschmaschine kauft und einen Trockner, um Zeit zu sparen und diese gesparte Zeit dann im Fitnessstudio zu verbringen, da hätte ich also eine interessante Idee, um Geld zu sparen. Sowohl das Geld für die Waschmaschine als auch das Geld fürs Fitnessstudio.

Das gleiche gilt wahrscheinlich für ganz viele Aufgaben im Haus, im Garten oder bei der Pflege von Gegenständen. Putzfrau einstellen und dann ab ins Fitnessstudio? Unsinn! Wischmob in die Hand nehmen, Besen und Eimer als Geräte sehen und dann eine Stunde Power Home Workout!

Meine Wäsche hängt jetzt auf der Leine, ich habe mit ihr ein paar Stabilitätsübungen gemacht, Arme und Hände trainiert und bin zufrieden und stolz, eine notwendige Arbeit getan zu haben. Und dazu noch ein sinnvolles Ergänzungstraining fürs Radfahren.

Könnte jeder so haben. Aber nein: die Leute kaufen sich ja mittlerweile sogar Autos, bei denen die Türen und der Kofferraum automatisch auf und zu gehen, um körperliche Kraft zu sparen. Dann fahren die Leute mit diesen Autos durch den Stau ins Fitnessstudio, um an Geräten hundertmal Kofferraum auf- und zumachen zu simulieren und dann setzen Sie sich auf das Spinning-Fahrrad, um zu simulieren, wie es wäre, wenn man mit dem Fahrrad ins Fitnessstudio fährt, um den Stau zu umfahren.

Bei dem ganzen Kopfschütteln muss ich aufpassen, dass ich kein Halswirbel-Schleudertrauma kriege.

Auf den Spuren der Eroica

So, nun will ich nach Gaiole in Chianti, wo das diesjährige Eroica Spektakel stattfindet. Es ist kalt und neblig am Morgen. Erstmals fahre ich mit Armlingen und Beinlingen, Regenjacke und Regenhose los. Bald kommt aber die Sonne raus, so dass ich gegen 10 Uhr wieder Italien-Feeling auf dem Rad habe.

In Gaiole ist Jahrmarkt. Händler, Schauspieler, Fahrradfahrer in allen möglichen Monturen, vorzugsweise historisch und klassisch, versprühen ein wunderbar angenehmes Flair.

Ich sehe und rede mit ganz vielen netten Menschen, die alle eine gemeinsame Leidenschaft eint, nämlich alte Klamotten, alte Fahrräder, alte Teile, altes Denken, Einfachheit. Diese Menschen kommen hier in Gaiole zusammen und lassen es sich ein verlängertes Wochenende lang gut gehen. Miteinander.

Mich ergreift Wehmut, dass ich nicht mitfahren kann am Sonntag, weil mein altes Stahl-Fahrrad nicht rechtzeitig fertig geworden ist. Mit meinem modernen Reiserad darf ich hier nicht teilnehmen. Und das ist auch in Ordnung so.

Ich treffe drei junge Kerle aus Darmstadt, alle auf Koga Miyata Rädern aus den Siebzigern. Wir kommen ins Gespräch und ich erzähle Ihnen, dass mein Idworx Fahrrad vom Enkel des Gründers von Koga Miyata gebaut wird. Und dass ich zuhause auch drei Koga Miyata Rahmen herumliegen habe, die darauf warten, restauriert und komplettiert zu werden.

Nach einem gemeinsamen Kaffee fahre ich los auf der Strecke der 135-km-Runde der Eroica. Die Strade Bianche, die Wege und Straßen mit dem weißen Schotter sind extrem anstrengend. Es geht permanent hoch und runter. Bergab kann ich es nicht rollen lassen, da es sehr kurvig ist und der Schotter nicht gerade zum Kurvenräubern einlädt. Die Anstiege und Abfahrten sind durch die Bank weg mindestens 10% steil, teilweise bis zu 20%. Dazu, es ist trocken, kommt der Staub. Ich stelle mir vor, wie hunderte anderer Radler hier mit mir auf diesen Straßen fahren und wie das dann staubt und wir alle diesen Staub fressen müssen. Noch schlimmer ist es, wenn es regnet. Dann wird dieser Staub zu einer ekelhaft klebrigen Masse, die sich dann überall auf Mensch und Material breit macht. Wer diese 135 km oder sogar die über 200 km Runde geschafft hat, das ganze noch auf historischen Fahrrädern, der ist wirklich ein Held. Diese Männer und Frauen haben meinen allergrößten Respekt! Ich weiß jetzt jedenfalls, warum dieses historische Rennen Eroica heißt.

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Mehr Bilder und ein Selbstgespräch gibt es hier (klick)

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Fortsetzung folgt.

Gruß

Jörg.
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#1251354 - 28.11.16 08:10 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: joeyyy]
Keine Ahnung
Moderator
abwesend abwesend
Beiträge: 12.862
Alles Gute zum Geburtstag und danke für den Bericht!
Gruß, Arnulf

"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot)
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#1252169 - 30.11.16 21:28 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: joeyyy]
Hansflo
Mitglied
anwesend und zufrieden anwesend
Beiträge: 3.849
Danke für den Bericht, der gerne ein paar mehr von den schönen Bildern enthalten dürfte - und für die Betrachtungen über Italiens Frauen. Freut mich (aber erstaunt mich nicht), dass ich nicht der einzige bin, der deren Stil, Geschmack und Selbstwert zu schätzen weiß.

Hans
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#1252569 - 02.12.16 16:31 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: joeyyy]
dmuell
Mitglied
abwesend abwesend
Beiträge: 524
Hallo Jörg,

vielen Dank für Dein schönes Reisetagebuch mit eindrucksvollen Bildern und interessanten Gedanken. Freue mich schon auf Deinen nächsten Beitrag.

Gruß
Dieter
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#1254051 - 11.12.16 18:08 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: joeyyy]
joeyyy
Mitglied Übernachtungsnetzwerk
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 999
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1.-3. Oktober 2016: Was ist das Smartphone unterwegs wert?

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Auf dem Weg durch die Toskana nach Rom denke ich nochmal über meinen Ruhetag auf dem Zeltplatz nach.

Ich kam auf dem Zeltplatz in der Toskana an und sah ein Angebot zum kostenlosen Nutzen des Internets. Eine bestimmte Menge an Kilobyte könnte ich nutzen, wenn ich mich mit meinem Facebook Konto anmelde.

Ich meldete mich also auf meinem iPhone mit meinem Facebook Konto im Internet an.

Standard: ich las und verschickte ein paar Nachrichten, schaute, wie die deutschen Teams in der Champions League spielten und klickte ein wenig im Guardian herum, um zu erfahren, was in der Welt so los ist.

Irgendwann war der Zugang blockiert, weil ich mein Kontingent ausgeschöpft hatte.

Ich stand vor der Frage, ob ich mir – um den Ruhetag zu bereichern – für sechs Euro ein weiteres Paket kaufe oder für zwölf Euro ein noch größeres weiteres Paket mit noch schnelleren Zugang.

Ich tat es nicht.

Warum?

Ich merke, dass mich der Kontakt zur Welt in meinem Telefon vom Kontakt zur Welt hier in meinem wortwörtlich greifbaren Leben ablenkt.

Er lenkt mich ab von dem, was hier ist, von den Menschen, mit denen ich mich ansonsten unterhalten würde, die ich vielleicht um Hilfe bitten würde, denen ich vielleicht bei irgendwas helfen würde. Ich merke, dass ich mich mit einem Online-fähigen Telefon durchaus eher für die Ergebnisse der Eintracht aus Frankfurt interessiere als für ein nettes Pläuschchen mit der Engländerin auf dem Zeltplatz neben mir, die total nett ist.

Ich ertappe mich immer wieder dabei, mich genauso zombiemäßig zu verhalten, wie all die anderen Leute, die ich genau für dieses Verhalten immer wieder kritisiere.

Ich möchte das nicht. Möchte mehr echten Kontakt als virtuellen. Von Mund zu Ohr, von Ohr zu Mund, von Auge zu Auge, von Mensch zu Mensch. Natürlich frage ich mich nach meiner Disziplin, nach meinen Prinzipien und meiner Fähigkeit, mich an diese zu halten. Aber so einfach ist das eben nicht. Wenn es „Pling“ macht auf dem Telefon, ist es doch „nur mal eben“ eine „kurze“ Meldung, ein kurzer Blick, ein kurzer Wisch auf dem Bildschirm. Und direkt danach bin ich doch wieder im richtigen Leben zurück: Was war nochmal eben? Was hattest du grad gesagt? Hmm, hmm, ja, klar. Nee, Anna hat ihren veganen Auflauf fotografiert, vor, während und nach dem Kochen, interessant…

OK. Nun lege ich das für mich fest. Abschaffen will ich mein iPhone auf Reisen aber nicht. Über booking.com kriege ich immer wieder tolle Unterkünfte, wenn ich in den Städten bin und die Wettervorhersage ist auch recht genau. Und die Fotos, die das Ding macht, sind schon klasse – für den kleinen Chip und die kleine Linse, Respekt. Und dann gibt es ja die App, mit der ich die Bilder auch direkt bearbeiten und dann sogar direkt auf Facebook posten kann… S.h.i.t. So ist das eben. Die Grenze zwischen nützlich und nutzlos ist fließend und es fällt mir extrem schwer, auf der Nutzen-Seite zu bleiben. Wo ist der Unterschied zwischen meinen Urlaubsbildern auf Facebook und Annas Auflauf? Wenn ich poste, macht es bei dutzenden von Leuten eben auch „Pling“ und sie schauen „mal eben“, was ich da so gepostet habe. Vielleicht vernachlässigen sie dabei gerade ein spannendes Gespräch, das sie führen oder sie schauen nicht auf die Straße beim Autofahren sondern auf meine Bilder, was sehr gefährlich wäre.

Himmel, es ist eben nicht einfach.

OK – ich verabrede mit mir selbst, dass ich das Ding nur Online schalte, wenn ich wirklich was suche, was ich brauche und nur einmal am Tag abends an alle poste. Schließlich nehme ich an, dass die anderen verantwortungsvoll mit ihren Telefonen umgehen.

Und das ist eine sehr vage Annahme.

Ich habe immer wieder den Eindruck, dass die Menschen, mit denen ich rede, zwar freundlich und nett sind, aber dieses Gespräch nur als Zwischenschritt oder als Füllpause zum nächsten Auf-den-Bildschirm-gucken sehen.

Das heißt: viele Leute sind gar nicht mehr bei mir, wenn ich mit ihnen rede, weil es irgendwie schon wieder „Pling“ gemacht hat in ihrer Hosentasche oder in ihrer Jackentasche oder wo auch immer, jedenfalls auf ihrem Telefon. Dann folgt der kurze Griff nach unten und der „kurze mal-eben-Blick“ auf den Bildschirm – weg von mir, weg vom hier und jetzt.

Ich frage mich nach Mittel und Zweck in Bezug auf das Smartphone. Wenn das Smartphone Mittel zum Zweck der Kommunikation ist und die höchste Form der Kommunikation die körperliche Kommunikation zwischen zwei Menschen ist, dann sollte das Smartphone doch in diesem Augenblicken nicht mehr gebraucht werden.

Wenn ein Mensch sich während der höchsten Form der Kommunikation mit anderen Menschen aber ständig durch sein Smartphone ablenken lässt und die Aufmerksamkeit immer wieder vom Gesprächspartner zum Telefon lenkt, dann ist das technische Teil vom Mittel zum Zweck geworden und schließt damit einen absurden Kreis.

Gut, mein Leben ist auch in vielen Bereichen absurd, wer könnte schon für sich das Gegenteil behaupten? Aber ich möchte mich dann doch nicht zum Getriebenen machen lassen, zum Getriebenen von irgendwelchen Mail-Robotern, von völlig belanglosen Chats, von Fragen wie „Machstn grad?“, von irgendwelchen Newsfeeds oder von immer gleichen Instagram Selfies. Oder von Annas Auflauf.

Das moderne Leben ist irgendwie kompliziert. Ich bin froh, dass ich nicht als „Digital Native“ aufgewachsen bin.

In Rom kann ich mich dann mit denen auseinandersetzen, die vor zweieinhalbtausend Jahren noch Muse, Zeit und die Fähigkeit hatten, Gedanken zu entwickeln, sie auf Marktplätzen zu diskutieren und sie zuende zu denken. Auseinandersetzen mit den griechischen und römischen Philosophen, deren Zeitzeugnisse in den vatikanischen Museen zu sehen sind.

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Mehr Bilder gibt es hier (klick)

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Fortsetzung folgt.

Gruß

Jörg.
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#1254090 - 11.12.16 20:39 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: joeyyy]
Pierrot
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Hallo Jörg,

schön, wie detailliert du über dich und dein Smartphone schreibst.
Ich bin auch ohne Handy aufgewachsen, habe der Versuchung, ein Smartphone zu besitzen widerstanden und bin froh drum. Immer wieder finde ich es bestürzend, wie abhängig die Menschen von dem Ding werden. Morgens im Zug z.B. Viele halten es in ihren Händen, selbst wenn sie es nicht benutzen.
Letzten Sommer warteten meine Freundin und ich geg. vom Bhf in Mulhouse auf den Zug. Plötzlich merkten wir, dass die meisten Menschen in unserem Blick, egal ob sie saßen oder liefen, auf ihr Smartphone starrten ...

Im Urlaub habe ich mein Oldschool-Handy tagsüber aus, mache es abends nur kurz an.
Den Wetterbericht besorge ich mir am Zeitungsstand. Gut, da ich nur auf Campingplätzen zu finden bin, muss ich i.d.R. nicht buchen. Und selbst das ließe sich anders organisieren, wenn ich darauf angewiesen wäre. Bilder zeitgleich posten - wozu?

Das Smartphone macht gewisse Dinge einfacher, aber auch dafür zahlt man einen Preis. Das zwischenmenschliche vorort kann dazu gehören, wie du ja bemerkt hast.


Grüße
Peter
Vive la vélorution !!!
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#1255325 - 18.12.16 09:04 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: joeyyy]
Sputnik79
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Joeyyy, der Damon Winter der Radreisefotografie schmunzel. Das sind doch jetzt die iphone-Bilder, oder?
Viele Grüße
Jens
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#1255331 - 18.12.16 10:41 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: Sputnik79]
Juergen
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Nö.
Das Paddelbild ist vom EiPhone und die Bilder auf seiner Homepage von der Leica. Vorausgesetzt, die Metadaten stimnmen grins
° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° °
Reisen +
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#1255335 - 18.12.16 10:59 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: Juergen]
Sputnik79
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In Antwort auf: Juergen
Nö.
Das Paddelbild ist vom EiPhone und die Bilder auf seiner Homepage von der Leica. Vorausgesetzt, die Metadaten stimnmen grins


Scheint ne Mischung zu sein. Einige haben "iPhone 2" im Namen stehen und dort ist auch das iPhone als Kamera in den Metadaten abgelegt.
Viele Grüße
Jens
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#1255348 - 18.12.16 12:22 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: Sputnik79]
joeyyy
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In Antwort auf: Sputnik79
Joeyyy, der Damon Winter der Radreisefotografie schmunzel. Das sind doch jetzt die iphone-Bilder, oder?


...oh, das ist aber ein wirklich tolles Kompliment, vielen Dank! Ein guter Fotograf (ich glaube, es war Helmut Newton) sagte mal: Einen guten Fotografen erkennt man nicht am Wert der Ausrüstung sondern am Wert der Fotobände, die in seinem Regal stehen.

Damon Winter steht zwar nicht in meinem Regal, seine Berichte und Bilder der NYT schaue ich mir aber immer wieder mit Begeisterung an. Und ja - vielleicht spielt das und vieles mehr immer wieder in die Gestaltung meiner Bilder mit rein.

Und Jürgen und du - ihr habt Recht: Wenn man mit der Maus über meine Bilder fährst, dann erscheint der Dateiname der Bilder. Aufnahmezeit und manchmal "iphone" - die Bilder ohne "iphone" sind mit der Leica M9 und dem 28er Elmarit geschossen.

Geändert von joeyyy (18.12.16 12:23)
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#1263240 - 30.01.17 23:30 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: joeyyy]
joeyyy
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4. Oktober 2016: Vatikan

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Dem Denken der Menschen auf der Spur

In den vatikanischen Museen konzentriere ich mich auf die Exponate der alten Etrusker, der Ägypter, der Griechen, der Römer. Nicht auf die der geistlichen Führer sondern auf die der geistigen Führer. Es ist schon spannend: an einer der Stätten zu weilen, die mit als die Wiege der abendländischen intellektuellen Entwicklung gilt. In mir reift der Wunsch, auch die anderen Städte der alten Philosophen zu besuchen, als da wären Syrakus und Athen - in erster Linie.

Ich lerne hier aber auch, dass zwar die Römer den Griechen folgten, was die geistige Entwicklung anging, aber auch die Griechen hatten Vorläufer: wahrscheinlich die alten Ägypter. Damit müsste ich Alexandria, Kairo und Luxor mit in meinen Wunsch einschließen.

Die Ausstellung der ägyptischem Kunst fasziniert mich. Entlang des Nils müssen die alten Ägypter einen enormen Schatz an Wissen angehäuft haben. Und wenn ich mal voraussetze, dass Wissen im Wesentlichen durch Philosophieren entsteht (Abgucken nennen die Philosophen dann Empirie), dann müssen auch die Philosophen im alten Griechenland Vorgänger gehabt haben: in Ägypten.

In mir entsteht der Wunsch, den Nil entlang zu wandern oder ihn mit dem Schiff abzufahren oder mit dem Fahrrad an ihm entlang zu radeln.

Allerdings wird das arabische Land Ägypten wohl nicht mehr allzu viel mit der Wiege seiner eigenen Kultur gemein haben. So wie ich das heute hier im Museum sehe, gab es selbst in den einzelnen Städten Ägyptens eigene Gottheiten. Heute undenkbar, seit eineinhalb Tausend Jahren ist das Land muslimisch, damals von Arabern aus dem heutigen Syrien und Irak erobert.

Wenn man nun dem Pfad zum Ursprung des menschlichen Denkens weiter folgen will, dann muss man weiter nach Afrika rein, dem Pfad zur Wiege des Menschen insgesamt folgen.

Das wäre doch mal eine spannende und interessante Reiseplanung: mit dem Fahrrad auf dem Weg zum Ursprung des Menschen. Und dabei den Versuch zu wagen, die Entwicklung des Denkens in uns nachzuvollziehen und zu verstehen. Dann müsste es von Ägypten aus entlang des Nils durch Ostafrika und dann im Osten bleibend bis Südafrika gehen.

Das wäre mal ein Projekt.



Im geistlichen Zentrum des Abendlandes

Die vatikanischen Museen liefern mir Impulse und Denkanstöße, wie ich sie selten erlebe. Der Wert der Sammlung in diesen Museen ist für jemanden wie mich völlig unvorstellbar.

Nachdem ich mir die Exponate über die Denker der alten Etrusker, Griechen und Römer angeschaut habe, gehe ich zum Schluss durch die Sammlung der zeitgenössischen Kunst einfach nur so durch, ohne nach rechts und links zu schauen, weil ich nicht nur satt bin sondern absolut voll von Eindrücken, Impulsen, Bildern im Kopf. Werke von Matisse, Chagall, Van Gogh, Dali und Bacon habe ich nicht mal gesehen.

Einfach nur mal auf dem Klo in einer abgeschlossenen Kabine 5 Minuten allein auf einem Deckel zu sitzen und mich von diesen Menschenmassen auszuruhen ist mir in diesem Augenblick wichtiger als noch ein Bild oder noch eine Skulptur oder noch ein Fresko anzuschauen. Egal wie wertvoll oder besonders es auch sein mag.

Auf dem Petersplatz sitzend genieße ich die warme herbstliche Abendsonne und denke an meinen Besuch im Dom zurück. Der Petersdom ist ein gewaltiges Bauwerk, dessen Bedeutung allerdings weniger in der Architektur zu sehen ist als eher in der zweitausendjährigen Existenz als Zentrum religiöser Macht.

Am Ende ist diese Kathedrale mit ihren angrenzenden Verwaltungsgebäudekomplexen immer noch ein Zentrum der Macht über Milliarden von Menschen. Macht über die Deutungshoheit von Gut und Böse, von Richtig und Falsch.

Ich selbst habe ein gespaltenes Verhältnis zur Kirche als Institution. Ich sehe in ihr Heil und Verderben zugleich. Heil für die Gläubigen, die in den kathlolischen Riten ihren Halt finden. Heil für die Hilfesuchenden, die von kirchlichen Organisationen betreut und versorgt werden. Heil für die Patienten, die in kirchlichen Krankenhäusern liegen und nicht als ökonomische Ressource wie in den privaten Kliniken gesehen werden. Verderben für die indigenen Völker Zentral- und Südamerikas, die missionarisiert und ausgebeutet wurden, Verderben für die Araber, die den Kreuzzügen zum Opfer fielen, Verderben für die Opfer sexueller Gewalt und deren Angehörigen, was auch heute noch in der Kirche vorkommt - auch wenn mit Benedikt und Franziskus erstmals Päpste zumindest verbal Schuld eingestehen und gegen diese Kapitalverbrechen vorgehen. Meine Spaltung wird sich bis zum Ende meines Lebens nicht ändern.

Ich frage mich, was Menschen wohl fühlen und denken, die zu Tausenden hierher pilgern. Oder von mir aus auch nach Mekka pilgern oder zum Taj Mahal oder einer anderen religiösen Stätte.

Was denken und fühlen sie, wenn sie ganz weite Wege auf sich nehmen, um ganz nah an einem Grab oder einem Altar zu sein?

In den Gesichtern der Menschen im Petersdom sehe ich Ehrfurcht, ich sehe Mut, ich sehe Trauer, ich sehe Hoffnung. Ich sehe auch gleichgültiges Interesse mit der Kamera oder dem Telefon vor dem Gesicht. Ich sehe auch kulturelles Interesse bei all den Japanern, Chinesen und sonstigen Asiaten, die in Scharen durch die Kirche gehen.

Ich selbst sehe den Petersdom als architektonisches Kunstwerk. Wenn ich die Entstehungsgeschichte seines Baus und der Schätze, die er beherbergt, außen vor lasse, bin ich fasziniert von der Mächtigkeit des Werks.

Nirgendwo sind Macht und Mächtigkeit als zwei Komponenten einer Sache so eng miteinander verbunden - räumlich und gefühlt - wie hier.

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Mehr Bilder gibt es hier (klick)

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Fortsetzung folgt.

Gruß

Jörg.

Geändert von joeyyy (30.01.17 23:35)
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#1263244 - 31.01.17 00:27 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: joeyyy]
iassu
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In Antwort auf: joeyyy
Ich selbst habe ein gespaltenes Verhältnis zur Kirche als Institution.
Man könnte hier natürlich nahezu unbegrenzt über das Phänomen Katholische Kirche schreiben. Was mir zuförderst Stein des Anstoßes ist, ist der absolutistische Anspruch auf alles Religiöse, was die Menschen mit christlicher Orientierung haben können, sollen, dürfen.

Das mag vor Jahrhunderten oder Jahrtausenden angemessen gewesen sein, heute nicht. Die daraus entstehende Machtgier ist in meinen Augen schlicht unangebracht, andere Bezeichnungen erspare ich mir hier. Wie wäre es mal mit einem Blick auf Johannes 18/36:

Mein Reich ist nicht von dieser Welt.
...in diesem Sinne. Andreas

Geändert von iassu (31.01.17 00:33)
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#1263447 - 31.01.17 19:02 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: iassu]
joeyyy
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...könnte man, in der Tat. Welche Kirche, welcher Fußballverein, welche Partei? - Fragen, die sich argumentativ kaum deutlich und klar beantworten lassen. Glauben lässt sich ohne Kirche, Fußballspielen ohne Verein, Politikmachen ohne Parteien.

Viele Menschen sehnen sich aber nach Zugehörigkeit, nach Halt und Orientierung. Und organisieren sich in Religionen, in Vereinen, in Parteien und wählen sich Chefs und Chefinnen, die vom Nektar der Macht kosten und diese dann zweckdienlich oder zweckfremd einsetzen.

DIE Kirche als Adressat für ethische oder moralische Bedenken gibt es sowieso nicht. Sie ist - wie alle größeren Organisationen - kein gesichtsloses Konstrukt, das Entscheidungen trifft und umsetzt, sondern es sind Menschen aus Fleisch und Blut, die Macht und Deutungshoheit erlangen und einsetzen.

Freiwillig abgeben tut da kaum einer.

Meine Meinung.

Ich spreche hier weder für noch gegen Religion oder Kirche. Wie ich geschrieben habe, gibt es gute Argumente für und wider.

Wer sich mit den wichtigsten religionsphilosophischen Argumenten auseinandersetzen möchte, dem empfehle ich das Buch von Bruce und Barbone: Die 100 wichtigsten philosophischen Argumente (klick). Gleich der erste Teil des Buches ist genau diesen Argumenten gewidmet. Und im letzten Teil des Buches kann man erkennen, warum auch Wissen nicht als "Gegenpol" zum Glauben gesehen werden kann und dass es ziemlich schwierig sein kann, zwischen Wissen und Glauben zu unterscheiden.

Geändert von joeyyy (31.01.17 19:03)
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#1299677 - 26.08.17 06:18 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: joeyyy]
Andrs
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Oooooh... geht es nicht weiter? Bin jetzt total angefixt schmunzel Mag Deinen nachdenklichen Stil, und Deine Beobachtungen. Herzliche Grüße!
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#1299723 - 26.08.17 17:37 Re: Italien und die Schönheit: Venezia - Siracusa [Re: Andrs]
joeyyy
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...bin grad zurück aus Indien und Kanda/USA. Mache bald weiter. Danke fürs Kompliment!

schmunzel
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