12.6.2015

Nach einer kurzen Runde durch Digoin, verbunden mit den nötigen Einkäufen, haben wir schnell den EV 6 am Ufer des Canal du Centre gefunden. Zusammen mit dem Kanal werden wir die Wasserscheide zwischen Loire und Rhone überwinden. Also die zwischen Atlantik und Mittelmeer. Auch hier ist der Weg, den es auf unseren Karten gar nicht gibt, wieder gut ausgebaut und angenehm zu fahren. Wenn wir auch langsam schon etwas kanalisiert sind. 100 km pro Tag am Kanal entlang, zudem durchgängig auf der linken Seite, hinterlassen ihre Spuren. Obwohl der Weg so breit ist, dass er auch von Autos befahren wird, merke ich, dass ich zunehmend äußerst links fahre, um nicht in den Kanal zu fallen, was schlechterdings unmöglich ist. Die Routine Brücke-Schleuse in relativ regelmäßigen Abständen stellt sich schnell wieder ein. Seit wir „kanalisieren“ geht es aufwärts. Wir sind gespannt, wann wir die Passhöhe erreichen.

Zunächst einmal kommen wir nach Paray-le-Monial. Der Kanal führt wie immer mit Abstand am Ort vorbei. Einen Reiseführer für diese Ecke haben wir nicht dabei. Aber man sieht große Kirchtürme von weitem. Jedenfalls biegen wir ab Richtung Ortsmitte. Es lohnt sich. Hier gibt es ein Kloster, das dem Herz-Jesu-Kult geweiht ist. Einer der meist bepilgerten Wallfahrtsorte Frankreichs, von dem wir noch nie gehört haben.

Wir besuchen die zugehörige romanische, riesige Basilika und die Bauten drum herum. Es ist gerade eine größere Feier im Gange. Menschenmengen bevölkern Kirchen, Nebengebäude und Park, obwohl es inzwischen regnet. Im Park hinter der Basilika findet eine Open Air-Messe mit unglaublich vielen Menschen statt. Pilger lassen sich an der Pilgerunterkunft registrieren.

Auch die mittelalterliche Innenstadt mit diversen Türmen und Kapellen ist sehenswert. Dazu ein sehr schönes Renaissance-Rathaus. Nur auf eine Pause in einem der Straßencafes haben wir wegen des Regens keine Lust. Durch einen noch größeren Park auf der anderen Seite der Basilika verlassen wir Paray-le-Monial in Richtung Kanal wieder. In diesem Park hat Papst JPII mal eine Messe abgehalten. Allerhand Denkmäler erinnern daran. Der Hügel, auf dem der Altar stand, ist noch zu erkennen. Nach all dem Trubel tauchen wir gerne wieder in die Stille am Kanal ein.

Nun biegt der Kanal ab. Nach Digoin war es zunächst noch weiter Richtung Südosten gegangen. Ab jetzt werden wir bis an den Rhein in nordöstlicher Richtung unterwegs sein. Der Wind hat vorsorglich schon nach den heftigen Gewittern in diese Richtung gedreht, so dass wir ihn wie gewohnt von vorne haben. Hier endet der Treidelpfad-Radweg und wird stattdessen zur Straße. Folgerichtig ist er jetzt nur noch eine Variante des EV 6. Der Hauptweg schlauft seitwärts in die Hügel. Wir bleiben auf der Straße. Autos sind hier kaum unterwegs.

In Saint-Aubin-en-Charolais kreuzen wir den Radweg. Die zum Ort passenden Charolais-Rinder haben wir schon seit einiger Zeit grasen sehen. Wir sind seit einiger Zeit durch Burgund unterwegs. Der Kanal windet sich elegant zwischen den Hügeln aufwärts. Schleuse um Schleuse. Das hat was von Bahn-Radweg. Der Kanal steigt gleichmäßig, wodurch er immer mal wieder hoch über dem umliegenden Gelände unterwegs ist. Manchmal ist er auch eingeschnitten.

Seitlich in den Hügeln sehen wir das Chateau de Digoine. Der Radweg führt direkt daran vorbei. Wir biegen also vom Kanal ab und radeln aufwärts Richtung Schloss. Schließlich kommen wir durch eine Allee auf den Haupteingang zu. Davor ist Schluss. Das Schloss ist in Privatbesitz. Wir fahren weiter durch die Hügel nach Palinges. Es ist Mittag. Tiefe Ruhe liegt über dem hübschen Ort. Ein Markt wird gerade abgebaut. Wir nutzen die Gelegenheit, uns frisches Obst zu kaufen und rasten auf einer Bank.

Nach einigen Umwegen finden wir die Straße am Kanal wieder und nähern uns nun Montceau-les-Mines. Das dauert eine Weile. Die Stadt ist groß. So müssen wir zunächst endlos durch ärmliche Vororte und Industriegebiete bis wir uns der Innenstadt nähern. Immer am Kanal entlang. Hier gibt es Drehbrücken in geradezu holländischer Bauweise. Sehr hübsch. Aber das ist auch schon das einzige, was hier hübsch ist. Die Innenstadt mit ihrer Fußgängerzone gibt nicht viel her. Aber, zurück am Kanal, durchqueren wir ein Gewerbegebiet mit Supermärkten jeder Art.

Kaum sind wir beim großen A, bricht ein ordentlicher Wolkenbruch los. Wir machen es uns unter dem großen Eingangsvordach bequem und sehen den Leuten beim Nasswerden zu. Die Straße, den Kanal entlang ist jetzt deutlich stärker befahren. Eine Schnellstraße gibt es parallel in Hörweite. Von Schleuse zu Schleuse geht es bergauf. Der Kanal hält sich tapfer. Immer wieder schlauft er sich um die Hügel herum. Einmal führt uns der Weg kurz weg vom Kanal. Dann zwängen sich Radweg, Schnellstraße und Bahnstrecke mit dem Kanal durch eine enge Schlucht. Der Radweg oben drüber. Die Landschaft wird spektakulär. Wir strampeln stramm nach oben. Es geht wieder bergab. Eine Schleuse fliegt vorbei. Hoppla. Die war „andersrum“. Der Kanal ist über die Wasserscheide.

Bei Saint-Julien-sur-Dheune halten wir an einem Rastplatz. Picknick im Nieselregen ist etwas ungemütlich. Aber es gibt eine Hütte und eine spektakuläre Aussicht in Richtung abwärts. Schleuse an Schleuse führt der Kanal steil den Berg hinunter. Ein älterer Mann hat sich mit Rad und Reisegepäck auf die verkehrte Kanalseite verirrt. Wir winken ihn herüber. Sonst kommt er nicht durch die Engstelle. Er keucht. Ein Spanier. Kommt vom Schwarzen Meer und will jetzt nach Spanien zurück. Soweit wir das beurteilen können. Er spricht ausschließlich Spanisch.

Wir verzichten natürlich auf die Radstrecke durch die Hügel und sausen neben den Schleusen abwärts. Das ist doch mal ein Spaß. Die Schiffe, die sich da rauf oder runter schleusen lassen wollen, müssen wohl einiges an Zeit mitbringen. Ein mühsames Geschäft. Je weiter wir nach unten kommen, desto weniger spektakulär ist natürlich die Aussicht. Aber der Gedanke, jetzt bis zur Saone Gefälle zu haben, baut auf. Wir haben für heute wieder eine lange Strecke geplant.

Die Straße am Kanal entlang ist jetzt bis Saint-Léger-sur-Dheune sehr stark befahren und nicht besonders breit. In Kombi mit dem ausdauernden Nieselregen ist das nicht so richtig lustig. Wir sind bereits nass bis auf die Haut. Gut, dass es immer noch sommerwarm ist. In Saint-Léger gibt es anscheinend einiges an Tourismus. Wir kaufen uns frisches Baguette für den Abend. Nach dem Einstieg in den Radweg am Kanal, den es ab hier wieder gibt, müssen wir etwas suchen. Aber bald genießen wir die ruhige Fahrt durchs Grün. Auf der anderen Kanalseite führt die Straße entlang. Aber wir sehen sie meist nicht.

Wie immer ziehen sich jetzt die letzten Kilometer für heute. Speziell der Regen nervt. Dabei ist es landschaftlich schön. Die Dörfer sind hübsch. Burgund halt. Hier wird viel Rad gefahren. Die Tour de Bourgogne sieht interessant aus auf Schautafeln und Flyern. Bei Santenay ist der Abzweig der Variante über Beaune. Aber da wollen wir diesmal nicht hin. Wir planen in Chagny zu übernachten. Einen Ort vorher biegen wir vom Kanalweg ab, um auf der Straße in den Ort zu kommen. Häufig sind die Campingplätze vom Radweg aus nicht beschildert.

Nach einigem Rumkurven finden wir den Platz. Ein holländischer Platz. Voller Holländer. Einige englische Autokennzeichen sehen wir auch. Es wird gefeiert. Heute ist Freitag. Mit viel Mühe finden wir noch ein freies Eckchen. Ohne Tarp zum Draußensitzen geht es mal wieder nicht. Dafür sind die Sanitäranlagen ziemlich üppig. Weniger schön, dass die Nacht über extrem gefeiert wird. Das nimmt überhaupt kein Ende. Aber wir sind müde genug und schlafen irgendwann ein.