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#795304 - 28.01.12 21:38 Zwischen Bregenzerwald und Karwendelgebirge
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Zwischen Bregenzerwald und Karwendelgebirge

Da ich nun dem Stockgehen und E-Biken bald gebrechlich ins Gesicht sehen muss, dachte ich, nochmal die erste Jahrhunderthälfte zum Austoben nutzen. lach Da sprach der Spätsommer und Herbst nach einem eher bescheidenen Hochsommer 2011 wie ein Orakel, Touren bei stabilen Hochdruckwetterlagen durchführen zu können. Nebst Feiertagen habe ich daraus einige Wochenendurlaube gestrickt, von denen zwei Touren in den nahen Alpenraum zwischen Bodensee und Inn- bzw. Isartal führten.

Beiden Touren war gemeinsam, dass sie jeweils nach Bahnanreise an Nachmittagen (früher Büroschluss) in Lindau begannen, und jeweils die Bahnrückfahrt von einem Ort in Oberbayern erfolgte (Mittenwald, Bichl). Beide Touren lassen sich natürlich auch in beliebiger Weise verbinden oder anders kombinieren, insbesondere kann man diese Tour auch gut mit meiner Vorjahrestour zwischen Allgäu und Bregenzerwald verästeln.

Die erste Tour führte noch im Sommer vom Bregenzerwald über die westliche Arlbergroute ins Lechtal, von dort in die Zugspitzarena samt Offroadpiste via Ehrwalder Alm weiter in die Olympiaregion Seefeld. Die zweite Tour war dann schon teils wieder dazu gedacht, Lücken der ersten Route zu schließen, darunter den Besuch der Leutaschklamm. Das verlängerte Wochenende um den Nationalfeiertag weckte auch im Herbst noch Sommergefühle – das Licht zum Fotografieren war sogar besser als auf der Sommertour. Die Route führte durch das Montafon hinüber ins Paznauntal, mündete gleich dreimal im Inntal, indem ich die kurze, flache Flussroute zwischen Landeck und Innsbruck mit der Querung von drei Seitenpässen bereicherte, um dann (erneut) über die Olympiaregion Seefeld mir die obere Isar, das Karwendelgebirge samt Schotterpiste und einige Seen im Werdenfelser Land zu genießen.

Die zweite Tour liefere ich in absehbarer Zeit nach, Bilder sind schon fertig. Wie schon von meiner Berichtspraxis her bekannt, gibt es die Bilder in einer separaten Bildergalerie, zu jeder Tour jeweils eine – es sind ja nur Kurzreisen. schmunzel

Tour 1: Vom Bregenzerwald über Arlberg/Lech und Zugspitzarena in die Olympiaregion Seefeld

3 Tage | 310 km | 5490 Hm

Fr 12.8. Stuttgart || Lindau - Bregenz - Wolfurt - Bildstein - Oberbildstein - Farnach-Moos (880m) - Buggenegg (943/938m) - Fischbach - Alberschwende - Lorenapass (1043m) - Schwarzenberg - Mellau - Au (+)
71 km | 15,2 km/h | 4:40 h | 1255 Hm
E: Pizzeria Zum Bären (Mellau): Knoblauchsuppe, Penne Mare & Monti, Rw, Cafe 20,50 €
Ü: C wild 0 €

Während sich die Badenixen in der Nachmittagssonne mit Hängemattenfeeling am Schwäbischen Meer räkeln, stürme ich mit selbst angetriebenen Windkühlaggregat unartig den Promenadenparcours nach Bregenz. Dort halte ich erstmal inne – der See ist doch schön, du bist doch blöd: statt Faulenzen willst du Bergschweiß?! Der Porendampf dünstet dann gleich am ersten Himmelskommando aus. Achtung! - es gibt mehrere denkbare Auffahrten nach Buggenegg, keine davon ist so richtig gut ausgewiesen. Eigentlich wollte ich über Gitzen hoch, doch dazu müsste ich konkret die Rutzenbergstraße suchen und finden können. Auch für die Route via Bildstein ist die Rickenbachstraße nicht ausgewiesen, obwohl eigentlich die kürzeste Verbindung – aber ich traue meiner Navigations-Nase nicht. Erst am südlichen Ortsausgang von Wolfurt findet sich die Bildsteiner Landstraße, der die einzige offizielle Auffahrtmöglichkeit zugewiesen ist – die anderen Strecken sollen wohl von eventuellem Durchgangsverkehr verschont werden. Möglicherweise ist aber die Route über Bildstein mit Südhanglage im unteren Teil die ohnehin schönere als die nördliche Variante über Gitzen.

Die Aussicht im unteren Teil ist berauschend – nur der Sommerdunst verhindert das Attribut sensationell. Lockere traditionelle Bebauung, alte Apfelbäume, Bergwiesen, Kleinstritzelserpentinen entlang, phasenweise von kapellenartigen Kreuzwegstationen begleitet – als wollte man dem ächzenden Radler auf seinem Leidensweg huldigen. schmunzel Beim Gasthof Ochsen muss man aufpassen, nicht dem Gesetz der Erdanziehung folgend sich zurück ins Tal nach Farnach locken zu lassen. Das wäre leichter, aber man wäre sehr dumm, sich so abzumühen und dann die Spitze des Berges zu verfehlen. schmunzel

In der mittleren Phase geht es durch Wald, hier gibt es Verzweigungen – man könnte auf einem Umweg auch nach Gitzen gelangen, doch jetzt bevorzuge ich nach meiner Landschaftseinschätzung die weitere Südroute via Oberbildstein. Berechtigt, denn man gelangt so in eine Hochmoorlandschaft bei Farnach-Moos, das möglicherweise auch ein Passhöhe darstellt. Es geht zunächst weiter in halboffener Hügellandschaft, das Bergpanorama nach Osten entfaltet sich zur Gänze aber erst in Buggenegg. Um die Passhöhe herum gibt es zwar zaghafte Besiedlung (nicht nur Bauern), einen echten Dorfkern vermag ich aber nicht zu erkennen. Sodann ist die Abfahrt mit wechselndem Gefälle von mäßig bis sausteil recht blickreich, unten umkurvt man den Berg noch eine Weile eher etwas flach, bis man Alberschwende erreicht. Fazit: Lohnenswerter Geheimtipp in der Region, bei guter Sicht saugeil!

Eine Feierabendfahrt erlaubt keine langen Pausen, so geht es gleich wieder hinauf zum Lorenapass, ebenfalls eine ziemlich unbekannte Route im Bodenseehinterland. Laut Internetbeschreibungen von Rennradlern selbst unter vielen Einheimischen ein Nirwana. Sofern der Verkehr nicht über die Bregenzerwaldstraße in der Talsohle verläuft, dient der Übergang von Dornbirn übers Bödele dem bergigen Anschluss vom Bodensee an die Ski- und Wandergebiete um Schwarzenberg/Mellau und die Route zum Hochtannbergpass.

Auch den Lorenapass kann man schnell verfehlen, man suche daher in Alberschwende die eher kleingeschriebene Wegweisung „Greban“, außerdem merke man sich „Maien“ für die Gegenseite. Die Auffahrt von Norden ist wenig spektakulär, es gibt mehrere Passagen durch dunklen Wald, vor Greban ergibt sich ein toller Panoramablick zum Bodensee, der im Abendrot jedes romantische Gemälde auf einer Kunstauktion hinter sich lassen würde. Auch hier stehen religiöse Zeichen am Wegesrand wie eine Kapelle und eine noch recht neue Huldigung an Franz von Assisi samt Picknickplatz und einem farbenfrohen Kunstpapagei. Wohl soll damit an den Naturschutzvorkämpfer aus Assisi erinnert werden, ein echter Krummschnabelgefiederter hätte der Ansicht sicherlich besser getan – da dürften aber die Tierschützer wohl nicht mitmachen wollen. unsicher Ein weitere Besonderheit sind verschiedene Stationen eines Sagenweges, die auf Tafeln etwas zwischen Regionalgeschichte und Mythos erzählen.

Die Südseite nach Schwarzenberg ist dann deutlich vom Bergpanorama der Bregenzerwaldberge geprägt, das Gefälle wohl stärker als auf der Nordseite. Noch vor Schwarzenberg gibt es eine kleine Mulde mit Zwischenanstieg. Diese Seite hat letztlich mehr Charakter als meine Aufstiegsseite, das Gesamtfazit: Recht kurze, aber dennoch anspruchsvolle, vor allem sehr verkehrsarme Route, die aber landschaftlich nicht voll überzeugen kann. Die Bödele-Route würde ich daher vorziehen, wenngleich mit wesentlich mehr Verkehr versehen. Für Offroader sei erwähnt, dass es auch eine Höhenverbindung vom Lorenapass zum Bödele gibt, über deren Qualität ich aber allenfalls mutmaßen kann.

Ab Schwarzenberg geht es dann zunächst über die Bödelestraße hinunter zur Bregenzerach und weiter über die Bregenzerwaldstraße (Radwegmöglichkeit) nach Mellau, wo ich mein Abendessen einnehme, dass mich aber nicht sehr überzeugt. Am Nachbartisch unterhält ein Schweizer eine Feriengesellschaft von vier Frauen, die offenbar alle Deutsche sind. Er balzt um die Gunst seines Harems, bezirzt schließlich noch das weibliche Bedienpersonal mit Spendierschnaps, wobei der einsame Radler schmollend lange auf seine verdienten Speisen warten muss. böse Ohne schlechtes Gewissen kann ich mir das Trinkgeld sparen, der Schweizer wedelt mit genügend fetter Kohle – ist doch jedes Nachbarland aus Sicht des Wilhelm-Tell-Kantonverbundes ein erquickliches Schlaraffenland.

In der Dunkelheit kann ich keine geeigneten Nachtlagerplätze erkennen, die Topographie schwierig. Zwar gibt es auch in Au einen Campingplatz, doch brauche ich heute keine Dusche und so spät lohnt nun kaum die Suche noch am anderen Ortsende. Im Anstieg nach Damüls ist kein ebener Wiesenplatz zu finden – um so überraschender entdecke ich einen frei zugänglichen Heuschober (sonst mit Holztüren abgeschlossen), der mir eine Nacht im Stroh erlaubt – bei klarem Nachthimmel sozusagen Sterne-Heuhotel mit Premium-Talsicht und für 0 Euro – allerdings ohne Frühstück. schmunzel

Sa 13.8. Au (+) - Damüls - Faschinajoch (1486m) - Marul - Ludisch - Bludenz - Dalaas - Stuben - Flexenpass (1773m) - Warth - Holzgau - Stanzach - Namlossattel (1358m) - Rinnen
146 km | 14,5 km/h | 9:59 h | 2660 Hm
E: Rimmelstube: Nudeln m. Gulasch, Apfelstrudel m. Sahne, Rw 18,30 €
Ü: C wild 0 €

Furkajoch und Faschinajoch kannte ich bereits von einer ähnlichen Spätsommerfahrt, jedoch nahm ich damals den Aufstieg über das Laternser Tal (unbedingt empfehlenswert, aber sehr schwer). So gesehen fehlte mir nur der kleine Abschnitt zwischen Au und Damüls in meiner Radhistorie. Die Landschaft ist weitgehend offen, nach Süden blickt man auf schluchtartige hohe Felswände. Schon weit vor Damüls prägt die typische offene Tunnelgalerie zum Faschinajoch den Bergblick. Ich bleibe mit dem Abzweig zum Faschinajoch unterhalb des Ortskerns und der Verlauf der Route ist so ungünstig, dass ich mein Frühstück erst in Bludenz mir erradelt habe.

Für Unerfahrene sei gesagt, dass die Galerie zum Faschinajoch zu besseren Tageszeiten zur Hölle werden kann – es ist eine sehr beliebte Motorradroute, insbesondere mit der Doppelpassrunde via Furkajoch. Als Frühradler kann man aber auch diesen Teil ohne Gehörverlust absolvieren. Um ins Wallgau bei Bludenz zu gelangen, bedarf es noch ein paar weiterer Höhenmeter, denn nach kleiner Abfahrt steigt die Straße wieder an, um den Weg vom Großen Walsertal ins Nachbartal zu finden. Auch kann man statt über Marul/Kirchdorf alternativ die nördliche Talroute über St. Gerold wählen – diese hat etwas weniger Höhenmeter, kannte ich aber schon. In Kirchdorf schaut man herunter ins Tal auf die Probstei St. Gerold, in der Jan Garbarek seine schon legendäre „Officium“-Aufnahme zusammen mit dem Hilliard Ensemble (und eine weitere) machte, welche in der Mischung aus improvisierten Saxophon und mittelalterlichem sakralem A-Capella-Gesang zu einem million seller wurde – ziemlich ungewöhnlich für eine so spartanische Musik der Stille.

Musikalisch wartet man auch in Bludenz auf mich schmunzel mit einem alpenländischen Hausmusikständchen zwischen den Marktständen, wo ich die Gelegenheit ergreife, Vorräte mit herzhaftem Bergkäse anzulegen. Auf die leckeren Montafoner Heidelbeeren muss ich jedoch verzichten – sie könnten zu schnell zu Matsch werden oder lose verloren gegangen in der Tasche unerwünschte Wäschefärbung betreiben.

Die Arlbergroute war insoweit noch ein weißer Fleck in meiner Alpenberadlung, dass mir die Westseite zwischen Bludenz und Abzweig Flexenpass fehlte. Entsprechendes war hiermit nachgeholt und trotz einer selten einsamen Route ist es landschaftlich eine durchaus reizvolle Fahrt. Auch ist genügend Platz für zwei Straßen, sodass man fahrerisch – nicht aber akustisch – weitgehend getrennt von den eiligen Transitmassen auf der lokalen Dorfverbindungsstraße radeln kann. Es gibt auch wohl eine Radwegausschilderung, der ich aber selten gefolgt bin, da es seltsame Verlaufsabweichungen gibt – etwa mitten durch eine Wiese. Ein tatsächlich einsames Stück gibt es als Tunnelumfahrung kurz vor Stuben – nur für Radfahrer, Wanderer und Sondergenehmigte reserviert. Hier entfaltet sich auch die Bergwelt am Flexenpass mit der offenen Galerie im Berg, mächtigem Wasserfall und den eindrucksvollen Kehren direkt hinter Stuben (nunmehr wieder gemeinsam mit dem großen Autoverkehr), die noch Arlberg- und Flexenpass gemeinsam sind.

Danach trennen sich die Wege der beiden Pässe. Die eigentlich offene Galerie ist mittels undurchsichtiger Glasscheiben weitgehend zum geschlossenen Tunnel verbaut, was natürlich die Geräuschkulisse erhöht. Somit ist eine Fahrt an einem Wochenendtage nicht gerade ein Zuckerschlecken – man bleibt aber meistens am Leben und die Strecke ist auch nicht so lang. Eindrucksvolles Bergpanorama auf der Passhöhe, auf der Strecke nun auch diverse Reise- und insbesondere Rennradler. Touristenandrang in Lech, das Wochenende will ausgeflügt werden. Nach Warth wird es im Lechtal ruhiger, der meiste Verkehr dreht die Runde wohl wieder zurück zum Bodensee.

Das Lechtal ist ein Tal der Schnitzer, aber auch der Häusermaler. Wunderbare Ansichten gibt es insbesondere in Holzgau. In Steeg pausiere ich an einem Brunnen und treffe einen unkonformistischen Mehrtages-Wanderer aus Bayern, der sich über den Snobismus in Lech belustigt. „Da sitzen Leute, die können sich nicht mal den Wein selbst einschenken“, berichtet von seiner Mittagrast – offenbar hatte er wohl auf sein Bier zu lange warten müssen. Also etwa wie ich gestern Abend – wo das Geld hockt, wird auch schneller bedient. Das Radfahren sei zu schnell und zu wenig in der Natur, meint er. Ich häbe bestimmt noch nie einen Steinbock gesehen – „Wer langsam ist, sieht mehr!“ Das Argument kenne ich ja zur Genüge, die Satelliten-gesteuerten Luff-Raser vs. dem traumverlorenen Genussradler – ich selbst wohl irgendwo dazwischen zerquetscht. Das Leben kennt aber nur Kompromisse, das Ideal ist eine Fiktion, eine Utopie. Was würde die Schnecke sagen, wenn sie sich mit einem Menschenwanderer unterhalten könnte?

Schockierend nehme ich in Stanzach an einem Gasthof vorbeifahrend zur Kenntnis, das Abendessen bis 19 Uhr serviert wird. Die Österreicher müssen das Sandmännchen erfunden haben. unsicher Für mich heißt das, Gas geben, damit ich noch übern Berg komme und ein Gasthof sich gnädig erweist. In größere Orte wie Ehrwald werde ich es nicht mehr schaffen. Der Namlossattel ist weitgehend einfach zu fahren, die Kartenangaben übertreiben mit Steigungshäkchen. In der Tat ist nach Namlos (noch ein Gasthof vorhanden) ein kleineres steiles Stück zu überwinden, zuvor aber sehr mäßige Steigung durch ein eher enges Tal mit ein paar Wasserfällen an den Berghängen, auf der Westseite mit recht wenig Panorama. Sogar auf der Abfahrt nach Rinnen gibt es einen Gegenanstieg, nach Rinnen folgt nach ein weiterer, sodass eine schnelle Durchfahrt nach Bichlbach nicht möglich ist.

Zwangsläufig bleibe ich in Rinnen hängen – ein paar bessere Hotels, in der Rimmelstube gäbe es wohl auch nicht so teure Zimmer, aber ich komme auch mit dem Zelt hinter dem Gasthof und dem Kassenhäuschen eines Skiliftes zurecht, obwohl die Nacht schon recht kalt ist. Ich blicke auf das beste Hotel des Ortes – da gäbe es Sauna und Pool – das hätte ich natürlich verdient – moralisch gesehen, aber leider nicht laut Einkommensbeleg. Noch vor 20 Uhr ist der Koch schon verschwunden, aber offenbar kann die Gastwirtin noch Gulasch und Nudeln aufwärmen – es war nicht mal schlecht. Die Essenszeiten sind natürlich schon bedenklich – geht es den Österreichern zu gut, müssen sie nicht mehr arbeiten? – Nach dem nächsten Hügel in Berwang gibt es mehr Restaurants und Pizzerien und gar Discos, da tanzt offensichtlich abends noch der Bär – für einen Nahrungsaufnahme-Stop also besser geeignet – wenngleich manches auf die Skisaison beschränkt ist.

So 14.8. [b]Rinnen - Berwanger Sattel (1346m) - Bichlbach - Ehrwald - Ehrwalder Alm - Ehrwalder Sattel (1610m) - Seebensee (1657m) - Gaistal - Moos - Buchener Höhe/Sattel (1256/1247m) - Abzweig Telfs/Mösern - Möserer Höhe (1250m) - Seefeld - Weidach - Mittenwald || Stuttgart
93 km | 12,8 km/h | 7:11 h | 1575 Hm

Berwang verfügt über ein Traumlage, von Bergwiesen eingebettet und mit Bergpanoramen umher, ein schmuckes Örtchen, nicht zuletzt auch mit etwas Kitsch und vor allem Luxusambiente. Dem Morgentau verdanke ich vielleicht eine noch träumerische Ansicht als sie am schlichten Tage sein mag, so bewerte ich in jedem Fall die Gegend um den Berwanger Sattel höher als um den Namlossattel. Unten taucht man kurz in eine Waldschlucht ein, in Bichlbach sind aber die Blicke ins Land wieder frei. Den Radweg verlasse ich noch kurzem Gebrauch, weil er sich einige Extras im Belag und in der Topografie erlaubt, die ich auf der Straße nicht wieder finde – Verkehr ist am Sonntagmorgen eh noch bescheiden.

Ab Lermoos entwickelt sich ein Panorama, dass in schlechten Reisemagazinen als Traumkulisse bezeichnet wird – in guten Reisemagazinen schweigt man und zeigt einfach Bilder, die das Staunen beim Betrachter ansatzlos verursachen. Drum könnte ich folgende Route zur Ehrwalder Sattel ebenso unkommentiert lassen wie den Abstecher zum Seebensee – schaut einfach in die Bildergalerie oder noch besser: fahrt dahin!

Doch sollten ein paar Kleinigkeiten noch erwähnt werden: In einem großen Touristenort wie Ehrwald ist es nicht möglich, morgens einen Bäcker oder ein schlichtes Café zu finden, um Frühstücksgenuss zu schmecken und zu riechen. Meine Frage danach bei Österreichern sorgte für Irritation. Ich frage, wo denn der Ösi seine Brötchen besorgt oder frühstückt. Antwort: „Wir essen keine Brötchen am Sonntag. Frühstücken tun wir nur zu Hause oder man ist in einem Hotel.“ (Tipp: in der Tankstelle am Orteingang gibt es Backwaren, wollte aber nicht mehr zurück.) – Nun, ich kenne auch andere Regionen in Österreich, wo es da weniger Probleme gibt. Wenn man abends wie die Sandmännchen ins Bett hüpft, könnte man ja wenigstens morgens etwas früher raushüpfen. Geht wohl nicht – ganz Tirol schläft und wird dabei noch reich. Bei mir hat diese Methode noch nie funktioniert – was mache ich falsch? verwirrt Abhilfe meines Hungers finde ich erst auf der Ehrwalder Alm mit Schinkenbrot und Heidelbeerkuchen – recht teuer allerdings.

Die Auffahrt Ehrwalder Alm ist asphaltiert und nur Radfahrer oder Lieferservice dürfen fahren. Der Sonnensonntag lockte Massen von Radfahrern (meist Mountainbiker) an und ich staune über die Massenfitness. Doch nicht alle fahren wirklich hoch, denn die Gondel transportiert auch Räder. Dafür bilden sich schon vor 10 Uhr riesige Schlangen an der Talstation, zahlreiche Wanderer kommen ja noch dazu. Nach der Talstation wird es ruhiger, aber sausteil. Mit meinen nur zwei Taschen hinten bekomme ich Probleme, das Rad am Abheben zu hindern – fliegen würde ich ja gerne, aber nicht nach hinten. Obwohl die meisten mit der Gondel auffahren – es bleiben auch noch viele Kletterer übrig. Ich finde einige Gesprächspartner und muss neidisch die geballte Frauenpower bewundern – ich kann mich weitgehend nur mit den Männern unterhalten, die begleitenden Frauen fahren voraus. Ich glaube, eine Sabine war nicht dabei. erstaunt zwinker

Die Schotterpiste beginnt wenig unterhalb der Alm (erste Gaststätte, wenig weiter eine zweite). Der nach meiner Recherche und von fast allen gefahrene Übergang ins Gaistal zweigt bei der zweiten Gaststätte rechts ab, möglicherweise lässt sich aber auch die Linksvariante via Pestkapelle mit einem Reiserad befahren. Das Gaistal via Igelsee ist sicherlich ein Genuss, aufgrund der geringeren Steigung fahren hier mehr Radler auf. Ob das wirklich eine gute Wahl ist – ich meine nein. Auf der Westseite kann man sich eh nur Runterbremsen, hier auf der Ostseite kann man das Rad mehr laufen lassen. Auch ist das Gaistal durchweg Piste und man wendet deswegen mehr Energie auf als auf Asphalt. Etliche Passagen sind auch recht steil, sodass mir etliche Radler begegnet sind, die überfordert schienen. Also nicht wirklich leicht, wie fälschlich in einigen Internetberichten zu lesen.

Als Zuckerl habe ich noch einen Abstecher zum Ferchensee gemacht. Hier oben ist die Hölle los. Biker, Wandervolk samt Böllerwagen – mit Kind und Kegel und Pfiffi – und noch Almkühe dazwischen. Trotzdem hält sich der Ärger in Grenzen – will sagen, es gibt immer ein paar MTB-Rabauken, die da eigentlich nicht hingehören. Wäre schade, das wegen dieser Unverbesserlichen irgendwann mal die Strecke für Räder gesperrt würde. Dieser Pistenabschnitt wird in einigen Internetbeiträgen als „einfach“ beschrieben. Ist es auch halbwegs bis zur Seebenalm. Dort ist es aber fast besser, das Rad stehen zu lassen. Bis zum See (geht erneut nach oben) ist das fast nur noch ein Gerutsche, zu locker der Schotter, meistens also Schieben, auch runter recht heftig, immer ein Bein am Boden. Oben ist die Sprachlosigkeit dann zwischen Wettersteingebirge (Zugspitze) und Mieminger Gebirge (das ich noch etwas schöner finde) schon beängstigend. Auch wenn ich hier schweigen müsste – ich sags trotzdem: Wahnsinn! Megageil! Chapeau an den Bergarchitekten! 5 Sterne! bravo

Unten im flachen Leutaschtal (riesige Parkplatzflächen am Fuße des Gaistals) nutzte ich noch eine Bade-/Sonnenpause am meist gut zugänglichen Bergfluss, als bereits immer häufiger Wolken aufzogen, die sich gegen Abend zu einem Gewitter zusammenballten, das aber erst losprasselte als ich im Zug war. schmunzel

Die Fast-Rundkurs von Leutasch über den Buchener Sattel und weiter via Mösern und Seefeld bringt noch mal ordentliche Bergarbeit. Aus der Hochebene von Leutasch ist der Buchener Sattel natürlich einfach zu befahren, zum Inntal hin fällt die Straße aber schnell und steil ab und die Verzweigung nach Mösern ist nur noch wenig oberhalb von Telfs am Inn. Die Möserer Höhe ist dann ähnlich steil, nur eben jetzt bergauf. Auch die Landschaften sind ähnlich. Beide Passhöhen besitzen Moorlandschaften, in Mösern ist diese durch den Ort zurückgedrängt – es gibt aber noch weitere Wege, die auch dort in die Naturlandschaften hineinführen. Während die Hochebene bei Leutasch bäuerlicher und ursprünglicher geblieben ist, merkt man bei Seefeld den Einfluss zivilisatorischer Glättung durch Golfplatz & Co. Die Inntal-seitigen Hanglagen sind von fast mediterranem Kiefernwald geprägt.

Auf eine Besonderheit stoße ich unerwartet in Mösern. Dort steht die Friedensglocke als Symbol des Zusammenhaltes und der guten Nachbarschaft im sensiblen Alpenraum auf dem Dach Europas. Der Gründervater und Landeshauptmann von Tirol Eduard Wallnöfer versammelte die Regionen Südtirol, Oberbayern und Tirol mit diesem Projekt im Jahre 1997. Heute besteht die ARGE ALP mit ihrer Arbeit für das Eigenständige und Gemeinsame in den Bereichen Kultur, Landwirtschaft, Verkehr und Wirtschaft aus 10 Ländern, Kantonen und Provinzen. Das Gusswerk ist die größte freistehende Glocke im Alpenraum und die größte in ganz Tirol insgesamt. Über 10 Tonnen verteilen sich auf einem Durchmesser von 2,54 m und einer Höhe von 2,51 m. Für Musiker: die Haupttöne der Glocke gehorchen dis/1 –dis/0 – DIS – fis/0 – ais/0. Sie läutet täglich nur einmal um 17 Uhr und des Zufalls mag man es kaum glauben, dass ich pünktlich zur Klangdemonstration zugegen war. Auch ein Orakel? schmunzel Zusätzlich gibt es noch einen Friedensglocken-Wanderweg, der an sieben Stationen inmitten der Naturlandschaft Botschaften zum Frieden vermittelt.

Die Glocke steht an einem faszinierenden Aussichtspunkt des sogenannten Schwalbenestes Mösern mit Blick in das mäandernde, oft silbern schimmernde Inntal – trotz Autobahn heute immer noch ein Blickfang. Seinerzeit ehrte Albrecht Dürer diese Landschaft in mehreren Bilder, insbesondere in einem Selbstporträt mit einem Fensterausschnitt. Dieser Fensterblick ist dann auch dort samt Infotafeln beschrieben – und war nun auch jüngst Inhalt des Bilderrätsels 736.

Mit Blick auf den Rückfahrtszeitpunkt ab Mittenwald ließ ich eine Besichtigung Seefelds für die nächste Tour aus und raste an der majestätischen Kulisse des Wettersteingebirges den dunklen Wolken entgegen. Dabei ist die Leutaschtalroute durchaus genussvoll zu radeln mit ein paar schön verzierten Bauernhäusern. Die Leutaschklamm blieb auch zunächst von mir unbeachtet – von der Straße aus ist nur wenig zu sehen, ein explizites Begehen also unumgänglich. Und auch das Mittenwald-Sightseeing ward verschoben – nur noch ein schnelle, gute Currywurst mit bayerischem Bier am Bahnhofsbistro konnte die Tour zünftig abrunden.

Und natürlich die Bildchen (bitte auf Bild klicken, Diashow wählen, voller Bildschirm sodann über F11):



Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen

Geändert von veloträumer (12.02.19 19:21)
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Zwischen Bregenzerwald und Karwendelgebirge veloträumer 28.01.12 21:38
Re: Zwischen Bregenzerwald und Karwendelgebirge Juergen 29.01.12 09:12
Re: Zwischen Bregenzerwald und Karwendelgebirge inga-pauli 29.01.12 11:13
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Re: Zwischen Bregenzerwald und Karwendelgebirge  Off-topic inga-pauli 30.01.12 16:44
Re: Zwischen Bregenzerwald und Karwendelgebirge  Off-topic inga-pauli 30.01.12 17:00
Re: Zwischen Bregenzerwald und Karwendelgebirge vinsamlegur 29.01.12 18:02
Re: Zwischen Bregenzerwald und Karwendelgebirge  Off-topic inga-pauli 29.01.12 20:29
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Re: Zwischen Bregenzerwald und Karwendelgebirge veloträumer 03.02.12 18:26
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Re: Zwischen Bregenzerwald und Karwendelgebirge k_auf_reisen 07.02.12 13:01
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