Re: Mehr Europa, weniger Leute: Kroatien, Venedig

von: iassu

Re: Mehr Europa, weniger Leute: Kroatien, Venedig - 24.12.22 09:41

Wir standen vor 8 Jahren beim Grenzübergang Italien Kroatien im Grenzstau und das Affentheater, das ich für die Fähre Split-Ancona zu absolvieren hatte: wenn diese einseitige Folklore aufhört, weint dem niemand etwas nach.

In Venedig war ich die letzten male für einen oder anderthalb Tage, nicht um die Stadt anzusehen, das wird recht bald zum gähn , sondern um genau das zu bestaunen, was sich da so spektakulär und als eine nie endende Kette von Ausnahmeerscheinungen aneinanderreiht: die Menschen. Wie ein Maskenball. Vom verlotterten Alternativtourist bis zum Abendkleid, von der chinesischen Hochzeit mit geliehenen Klamotten und Plastikblumen bis zum 200-kg-Ami, dem die Tauben auf dem Glatzkopf sch...en, von den langsam unter den Brücken dahingondelnden Schönheiten in knappster Kleidung bis zum würdevollst agierenden Kellner im weißen Smoking.

Einmal vor dem Florian die inzwischen nicht mehr so extraklasse Musik genießen und knapp 100 € für Kaffee, Snack und Eis ausgeben: dies Verrücktsein macht mir ab und zu Spaß. Vor zwei Jahren war ich sogar mal wieder oben auf dem Campanile, es war noch Coronafürchten angesagt und ich erwischte im August einen Tag mit sensationeller Dunstfreiheit. Das Anstehen war in einer Wunderphase mit nur 20 Leuten vor mir erträglich gewesen.

Wer aber das erstemal in die Stadt kommt: ja, für den wird es wohl sehr frustrierend werden. Ob ein Eintrittsobulus, der unter 100 € pro Tag und Nase liegt, eine Beschränkung bewirken wird, bezweifle ich. Wenn dereinst die Ozeanriesen tatsächlich nicht mehr an der Giudecca vorbeischleichen werden, könnte es sich eher mehr entspannen. Denn von Marghera rüber zu bus-sen, ist schon eine größere Hemmschwelle, denke ich.

Ich habe seit 2007 regelmäßig Fotos von einer Pianistin vor den Cafés gemacht, die habe ich ihr letztes Jahre als Sammlung mit A4 Auszügen vorbeigebracht: die war zu Tränen gerührt. Persönliches geht also auch trotz Massengeschiebe. Vielleicht machen sie und ich in 10 Jahren einen Club der abgehalfterten Tatterpianisten auf, die von alten Zeiten und dem verflossenen Sexyaussehen träumen. grins

Venedig wegen Venedig? Schon lange nicht mehr. Gehöre zum Alteisen, das dieses Kennenlernen der Stadt selber erleben durfte, als die Corona"einsamkeiten" noch Normalität waren: 1982.