Via Lusitana....tausend&vierzig nach Santiago IIa

von: Juergen

Via Lusitana....tausend&vierzig nach Santiago IIa - 12.11.14 16:11

Via Lusitana.....tausend & vierzig nach Santiago, Teil II

....................... September 2014.........: Lapa . Lamego . Vila Real . Cabeceiras de Basto . Tourem . Ourense . Santiago

In diesem Jahr hatte ich eigentlich genug auf der Pfanne, um den zweiten Teil der Strecke nach Santiago zu fahren und die Via Lusitana bis Santiago zu erkunden. Doch es kam anders. In diesem Zusammenhang möchte auf meine zweite Anfahrt zur Via Lusitana verweisen. Portugiesische Reisen...............die zweite (Reiseberichte)



. Santuário de Nossa Senhora da Lapa 11:15 Uhr grins

Es kommen mehr Busse, es kommen immer mehr Gäste. Ich stelle mein Rad vor die Kirche, gehe ins Office und erfahre, dass ich im Kloster schlafen kann. Auf mein Zimmer muss ich noch drei Stunden warten. So habe ich genügend Zeit, mir das Treiben hunderter Wallfahrer anzuschauen. Ich erkunde das völlig überfüllte Dorf, mische mich unter die Gäste, halte hier und dort ein Schwätzchen und wundere mich, warum sich in der Kirche eine Schlange bildet. Neugierig, wie ich manchmal bin, stelle ich mich an. Nach Ewigkeiten bin ich hinter der geretteten Madonna, an der Engstelle zwischen zwei Felsen, angekommen. Ein Moppel wird von seiner Liebsten seitlich mit viel Kraft durchgepresst. Sie selber drückt sich hinterher und landet zwei Sekunden später mit spitzen Schreien auf einer Mulde im Felsen. Ich schaue völlig verdattert, möchte ihr helfen und schaue doch nur in glückliche Augen. verwirrt









Am Abend wird es sehr ruhig im Dorf. Scheinbar bin ich der einzige Fremde in Lapa. Ich schlendere noch etwas durch die wenigen Häuser und bekomme im Dorfcafe wunderbaren Wein, Brot, Schinken und Käse aus der Region. Die Nacht im Kloster wird untermalt von rauschendem Regen. Ich schlafe gut in meiner ersten Herberge, schließe Freundschaft mit den beiden Hofhunden und bekomme meinen Stempel im Klosterladen von den herzlichsten aller Schwestern.

Lapa . Moimenta da Beira

Frühstück am Kreisverkehr. Ich tausche nach 600 Metern meine durchnässte Regenjacke gegen Mamas Regenponcho. Der ist wenigstens dicht! Bei 11° fahre ich durch die Wolken Richtung Vila Cha über die kleine M584 und sehe so gut wie nichts. Ein kleiner Zwischenanstieg hinter Vila Cha bremst mich ab und von hinten links kommt schon wieder so eine zähnefletschende Bestie angerast. Ich brülle in den Regen, hebe meine linke Hand und fuchtele in der Luft rum. Mein Vorsprung beträgt noch 20 gefühlte Zentimeter, während mir fast die Luft wegbleibt. Aus den Augenwinkel sehe ich den Bauern und höre, wie er den Köter zurückpfeift. Leute, das ist nicht mehr lustig. Ich zittere am ganzen Körper und möchte am liebsten alles hinschmeißen. Auf dem Rad fühle ich mich hilflos. Ich habe keinen Stock zum Schlagen oder Drohen, keine Steine zum Werfen dabei.
Im nächsten Dorf finde ich Unterschlupf an einer Bushaltestelle und beruhige mich wieder. Die Strasse führt ab jetzt den Berg runter nach Moimenta da Beira. Bergab geht’s mir trotz strömendem Regen gut. Da bin ich schnell genug.
Ich besorge mir einen Stempel im mondänen Rathaus. Santiago de Compostela scheint mir unerreichbar weit entfernt zu sein. Für heute habe ich jedenfalls die Nase voll. Ein Freund sagte mir mal: "Santiago? Wer braucht schon Santiago!"



In einem Cafe erzählt mir der Besitzer, dass er lange in St. Moritz gearbeitet hat, aber zurück zu seinen Freunden, seiner Heimat und seiner Familie wollte. Auf meine Frage nach den verkommenden Eindruck, den so viele Städte machen, erklärt er mir, dass viele Rentner mir 50,- oder 100,- Euro Rente in den Häusern zur Miete wohnen. Sie seien unkündbar, die Mieten dürfen nur in winzigen Schritten angehoben werden, und die Hausbesitzer haben deshalb auch kein Geld, ihre Häuser zu modernisieren. Mittlerweile habe die Regierung aber Gesetze auf den Weg gebracht, die die Situation mit einer Art Wohngeld entschärfen soll. Manche Gemeinden würden auch die Häuser kaufen und, je nach finanziellen Mitteln, diese langsam renovieren. Dabei müssten viele Gemeinden eigentlich Kohle im Überfluss haben. Beispiel: Der Antrag für eine Kläranlage wird bei der EU in Brüssel eingereicht. 35 Millionen Euro werden bewilligt. 35 Millionen Euro werden abgerechnet. Die Kläranlage für ein Dorf kostet aber nur ca. zwei Millionen. Frage: "Wo ist der Rest?"

Moimenta da Beira . Lamego

Nach meiner intensiven Erfahrung mit dem Hund habe ich Angst, mich durch kleine Dörfer, vorbei an einzelnen Gehöften über winzige Strassen zu bewegen. So lasse ich hinter Leomil die Dörfer Cimbres, Salzedas, Queimadela, Figueira und Cantudo rechts liegen. Der Regen lässt auch langsam nach, und so bleibe ich auf der N220. Die Aussicht nach rechts auf die genannten Dörfer ist wunderbar. Das Radfahren auf der N220 ebenfalls! grins
Kurz vor Lamego erwischt mich wieder eine portugiesische Wasserwand. Ich verfahre mich in den verwinkelten Gassen und erreiche mein preiswertes Hotel über eine dieser musikalischen Kopfsteinpflaster-Rampen, die Du, auch abwärts, besser neben dem Rad bewältigst.









Lamego. Was habe ich nicht alles über diese schöne Stadt gelesen. In den Gassen um die Kathedrale gibt es keine kleinen Läden mehr. Die werden jetzt als Parkplatz für schöne Autos benutzt. lach
Die Türen der Häuser sind vernagelt. Im gelobten Restaurant kannst Du keine Tomaten fürs Omelette zusätzlich bestellen. Ich teste mein Knie und laufe die 680 Stufen hoch zur Kirche Nossa Senhora dos Remédios, die mich mit einem schönen Blick auf die Hügel hinterm Douro erfreut. In einer wunderbaren Tapas Bar beende ich den Tag.

Pilgergefühle? Wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, dann muss ich die Frage danach verneinen. Ich möchte Portugal kennen lernen und das Land besser verstehen können. Ja, ich möchte auch nach Santiago, möchte einmal auf diesem Platz vor der Kathedrale liegen, mich mit den Menschen über ihren Weg austauschen, Heldengeschichten hören und erzählen. Liebend gerne trinke ich am Abend zwei Gläser Wein in Gesellschaft. wein












Lamego . Peso da Regua . Vila Real
................Bahntrasse die zweite schmunzel

Mit dem Stempel im Gepäck, mit der Hoffnung auf die phantastische Landschaft am Douro im Kopf semmel ich die N226-1 den Berg runter und vernichte meine mühsam erkämpften Höhenmeter in einem Rutsch hinunter ins Tal der Monokulturen. grins
Nein, es ist wirklich schön hier, und so langsam verstehe ich die beiden Reiseradler aus Viseu, die sich hier die Berge bis zur Erschöpfung hoch gequält haben. In deren Richtung möchte ich das nicht machen müssen.
Doch der Douro hat ja zwei Ufer............. weinend
........... und drei Brücken. Die Autobahn hoch oben zeigt mir den weiteren Weg. Unter der N2 campen die Wohnmobilisten. Die Ponte Metalica führt mich aufs andere Ufer nach Peso da Regua.





Wenn ich gewusst hätte, was bis Santiago noch auf mich zukommt, wäre ich am Douro links ab gefahren und hätte mir in Porto einen faulen Lenz gemacht. Doch ich will nach Norden und habe viel Zeit mit der Frage verbracht, wie ich am besten weiter komme. Von Regua nach Vila Real gab es eine Schmalspurbahn, die Linha do Corgo, die durch die Weinberge hoch nach Vila Real fuhr. Es war der Tipp in jedem Reiseführer. Heute ist die Bahntrasse ein wunderschöner Wanderweg durch ein traumhaftes Tal inmitten tausender Weinterrassen. Hier ein Bericht portugiesischer Mountainbiker. Herr Hass und ich fanden drei Möglichkeiten, mit dem Rad auf das ehemalige Gleisbett zu gelangen.

Die erste Möglichkeit ist nur für schwindelfreie Personen möglich und mit einem Reiserad kaum zu bewältigen. Auch ist der nachfolgende Weg nicht mit dem Vennbahnradweg zu vergleichen. grins Ich schraube mich also langsam die N313 hoch und finde das gar nicht so übel. Der Ausblick begeistert mich. Die irrsinnige Konstruktion der A24 überrascht mich schon gar nicht mehr. Jose Saramago schreibt sinngemäß, "...dass es für jeden ein schwerwiegendes Vergehen sei, diese Straße nicht entlang zu fahren. Das Tal sei eine Sinfonie, eine Oper, ein Gemälde, das niemand hätte malen können." Recht hat er!









Hinter Alvacoes führt die M598 weiter über die Hügel, die Bahntrasse macht am zweiten möglichen Einstieg nach den letzten Regenfällen immer noch keinen vertrauenerweckenden Eindruck auf mich. So folge ich der kleinen Asphaltstrasse mit ihren 10% im herrlichen Sonnenschein. Dass ich gelegentlich schiebe, versteht sich von selbst. Die beiden Dörfer Provocao und Ermida liegen tief unter mir auf der linken Seite der Straße. Auf der rechten Seite sind die Häuser steil in den Hang gebaut. Die Terrassen der Höfe befinden sich ca. 6 Meter über meinem Kopf. Hofhunde bewachen das Gelände. Nein, keiner läuft frei herum. Aber irgendwann entwickelt sich die rechte Seite zu einem einzigen kläffenden 3000 Watt Lautsprecher. Scheinbar geben die Hunde untereinander die Ankunft von zwei strammen Waden als Freudennachricht von Hof zu Hof weiter. Mir sträuben sich die Haare, und ich entscheide mich gegen die weit unten liegende Bahntrasse, obwohl sie mittlerweile einen ausgezeichneten Eindruck auf mich macht. Hier oben sind die Hunde wenigsten eingesperrt.

Der Anstieg wird hinter Penelas zur Tortur. Mein linkes Knie tut weh, ich steige ab und schiebe. Irgendwann meldet sich schmerzhaft die rechte Hüfte mit einem Stechen bis in die Wade. Das ist kein Wunder, schließlich sind Ausgleichshaltungen und unbewusste Schonhaltungen die logische Konsequenz meines Handelns. Sicherlich sind auch meine Brustwirbel völlig verdreht. Die Frage, wo es mir gut geht, woher ich noch Kraft ziehen könnte, ist schnell beantwortet. Ich habe keine Zahnschmerzen und meiner Prostata geht’s auch gut. Also kneife ich den Hintern zusammen, beiße auf die Zähne und stampfe nach Santiago. lach grins
Zur nächsten Kneipe sollen es nach dem Navi noch knapp zwei Kilometer sein. Ich sehe einen blauen Daimler aus dem Main-Taunus-Kreis mit H-Kennzeichen. Pause. Weinanbaugequatsche. Der freundliche Hesse zeigt mir einen versteckten Brunnen inmitten seiner Reben. Ich erreiche glücklich Sabroso mit seinen beiden Cafes und einem dieser herrlichen Dorfläden. Die Abfahrt nach Vila Real führt mich zum alten Bahnhof, dem Ende der Bahntrasse. Ich denke an die Hunde, an die zusätzlichen Höhenmeter, halte meine getroffene Entscheidung für klug und wasche im Hotel erstmal Buff und Handschuhe.









Nach Lamego erstaunt mich Vila Real doch sehr. Geschäftiges Treiben in der Fußgängerzone, ein schneller Stempel, nette Cafes, Hinweisschilder auf den Caminho, ein super Ausblick auf die A24 und das beste Kalbskotelett meines Lebens in der Churrasqueria Lopes lassen mich zu der Überzeugung kommen, dass ich mir diese Quälerei nur noch dann antue, wenn ich aus ihr unbeschadet heraus komme. wein
Derweil trocknet die Forums-Wäsche in lauer Nacht. Vila Real ist wirklich klasse.