Re: Radreise Frankreich/Nordspanien (Lyon-Kantabrien)

von: Tom72

Re: Radreise Frankreich/Nordspanien (Lyon-Kantabrien) - 17.11.14 16:02

5. Tag (24.09.2012), Issoire-Neussargues

Strecke: 98 km

Fahrzeit: 6 Std. 6 min


Von meinem Hotelzimmer blicke ich auf die Kirche St.-Austremoine, der größte Bau der Romanik in der Auvergne.



Ich sehe mich ein wenig in Issoire um







und überlege mir beim Frühstück in einem Straßencafé, wie es heute weitergehen soll. Für die Auvergne habe ich mir im Vorfeld keine detaillierten Gedanken gemacht, sondern nur grob überlegt, die Dordogne über le Mont-Dore und den Pass Col de la Croix Morand zu erreichen. Die Strecke über Nationalstraßen ist in der Michelin-Karte grün, also landschaftlich reizvoll, gekennzeichnet, ist aber sicher auch recht verkehrsreich. Bei der Durchsicht der zahlreichen Info-Broschüren, die ich gestern im Tourismusbüro abgegriffen habe, stelle ich nun aber fest, dass es eine als Radroute ausgewiesene Strecke etwas weiter südlich, über den Pass Col du Pas de Peyrol (Puy Mary), nach Aurillac (ca. 50 km südlich der Dordogne), über kleine, verkehrsarme Sträßchen gibt. Von dem Pass hatte ich vorher noch nie etwas gehört oder gelesen, aufgrund der Fotos in der Broschüre (die Monts du Cantal scheinen mit der schönste Teil der Auvergne zu sein) und der Höhe des Puy Mary (1588 m; dass es sogar der höchste Straßenpass im gesamten Zentralmassiv ist, lese ich erst nach der Reise) entscheide ich mich spontan für diese Route.

Also geht es anstatt direkt nach Westen erstmal Richtung Süden über die schwach befahrene D 909 durch reizvolle, hügelige Landschaft bis Lempdes-sur-Alagnon. Ich bin bereits jetzt mit der Entscheidung für diese Strecke sehr zufrieden.





In Lempdes kommen mir zwei Radreisende entgegen.



Im Ort gibt es eine historische Markthalle, wie sie für viele Dorfplätze in Frankreich typisch ist.



Ab Lempdes folgt die Routenempfehlung dem tief eingeschnittene Tal des Flusses Alagnon aufwärts Richtung Westen.











Ein wenig abseits der Route liegt das wunderschöne Städtchen Blesle, zu Recht klassifiziert als eines der „plus belles villages de France“.







So malerisch und verwunschen der Ort mit seinen historischen Gebäuden und verwinkelten Gassen wirkt, so ausgestorben ist er aber auch um die Mittagszeit, es hat nichts geöffnet, wo ich einkehren könnte. Gut, dass ich Salami und Baguette dabeihabe. Beim Picknick auf einer Bank bekomme ich Gesellschaft von einer schwarzen Katze, die sich weniger für mich, als vielmehr für die Wurst interessiert. Obwohl ich ihr schon großzügig einen Bissen abgegeben habe, schnappt sie sich frech ein weiteres Stück.



Dann ist sie offenbar satt und verzieht sich, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen.

Für mich geht es auf winzigen Sträßchen, auf denen mir so gut wie kein Auto begegnet (D 8, D 55), zunächst aufwärts aus dem Tal des Alagnon heraus und dann über eine hügelige, windige und herrlich einsame Hochebene weiter nach Westen. Landschaftlich wunderschön.












Mir begegnet fast niemand außer laut bimmelnden Kühen einer recht urtümlich wirkenden Rasse.





Der bislang höchste Punkt der Reise; ohne das Schild hätte man gar nicht gemerkt, dass es sich bei dieser unscheinbaren Hügelkuppe um einen Pass handelt.



Der Himmel ist schon seit einigen Stunden bewölkt, und nun fängt es an zu nieseln. Ich muss aber nur noch abwärts nach Allanche, wo ich vorhabe, mich einzuquartieren.
Einen Zeltplatz gibt es in Allanche nicht, aber mehrere Hotels. Wie sich herausstellt, sind diese aber merkwürdigerweise alle geschlossen. Als ich schließlich einsehe, dass ich hier nicht unterkomme, ist es bereits fast acht, und ich fahre zügig Richtung Süden, das Tal des Flusses Allanche abwärts zum nächsten größeren Ort, Neussargues, da ich einen vagen Hinweis erhalten habe, dort gebe es auch noch ein Hotel. Das sind nun 13 km in die für mich völlig falsche Richtung; ich werde morgen diese Strecke, bergauf, ganz zurück nach Allanche fahren müssen. Ich erreiche Neussargues gerade, als es dunkel wird. Am Ortseingang komme ich an einem Campingplatz vorbei. Das wäre eine noch bessere Option, hier könnte ich das erste Mal auf der Tour zelten. Ich fahre aber erstmal in den Ort, um zu schauen, ob noch ein Restaurant geöffnet hat. Ich finde eine Pizzeria, aber sie schließen bald. Also erst essen, dann Zelt aufbauen, aber vorher schnell zurück zum Zeltplatz und schauen, ob, da die Rezeption um die Uhrzeit wohl schon geschlossen ist, man überhaupt noch auf den Platz kommt und es kein geschlossenes Tor gibt. Es gibt weder eine Umzäunung, noch sehe ich eine Rezeption. Prima.

Zurück zur Pizzeria. Ich kann noch bestellen, es hätte aber nicht später sein dürfen. Jetzt kann ich endlich in Ruhe essen, und Hunger habe ich nun wirklich. Spät am Abend baue ich schließlich mein Zelt auf. Der kleine Campingplatz ist gratis, wie ich nun feststelle und mir ein Ehepaar mit Wohnmobil, die außer mir die einzigen Camper sind, bestätigt; er hat daher keine Rezeption und keine Sanitärräume und ist wohl in erster Linie für Caravans und Wohnwagen gedacht. Ich bin zufrieden, ihn entdeckt zu haben.





6. Tag (25.09.2012); Neussargues-Aurillac

Strecke: 83 km

Fahrzeit: ca. 5 Std.


Ich baue das Zelt ab; vom Campingplatz hat man einen Blick auf eine imposante Felsformation.



In der Pizzeria von gestern Abend kann man auf der Terrasse frühstücken. Nun muss ich die 13 km aufwärts zurück nach Allanche, bevor es wieder auf der eigentlichen Reiseroute weitergeht. Ab Allanche ist die Radroute Richtung Puy Mary wieder ausgeschildert.



Nun geht es steil aufwärts aus dem Tal des Flüsschens Allanche



über eine kaum befahrene Straße (D 9) westwärts, wie gestern durch eine sanft hügelige, einsame Hochebene; lange sehe ich kein Auto, keinen Menschen, nur urtümlich wirkende Kühe mit großen, lauten Glocken.





Ein weiterer, nur durch das Schild als solcher wahrnehmbarer Pass.



Bei herrlicher Aussicht picknicke ich.





Schließlich komme ich an den Beginn der Straße (D 680), die zum Puy Mary hinaufführt (genau gesagt zum Pass Col du Pas de Peyrol; der Puy Mary ist der Gipfel etwas oberhalb des Passes). Auf der Passstraße gibt es für alles, was größer ist als ein PKW, eine Einbahnregelung: Die erste Tageshälfte nur in die eine, dann nur in die andere Richtung. Muss mich zum Glück nicht kümmern.



Die Steigung bleibt zunächst recht moderat, und ich frage mich, wann es denn nun wirklich richtig bergauf geht, denn gut 500 Höhenmeter sind es noch bis zum Pass.



Ich komme durch die Orte Dienne und Lavigerie, und es geht immer noch nicht richtig aufwärts. Endlich steigt die Straße merklich an, aber immer noch komfortabel bei geschätzt ca. 5 %. Der Pas de Peyrol als höchster Straßenpass des gesamten Zentralmassivs wird regelmäßig im Rahmen der Tour de France befahren, zuletzt im Vorjahr (2011), klassifiziert als Pass der 2. Katerogie. Man sieht die von den Fans auf den Asfalt gepinselten Namen der Favoriten.





Dann sehe ich vor mir den Puy Mary; rechts unterhalb des Gipfels liegt der Pass.



Die grünen Weiden des Cantal



Es wird langsam steiler, trotzdem frage ich mich, wie die etlichen noch fehlenden Höhenmeter auf der kurzen verbleibenden Strecke bis zum Pass erreicht werden sollen. Irgendwann muss es wohl richtig steil werden…





Ein Schild kündet für die letzten 165 Höhenmeter eine verbleibende Strecke von 1,7 km und eine mittlere Steigung von 9,42 % an. Da habe ich also noch etwas Arbeit vor mir…



Es folgt eine extrem steile Serpentine mit herrlicher Aussicht, die ich bewältige, indem ich Schlangenlinie fahre, was wegen des kaum vorhandenen Autoverkehrs möglich ist.



Dann wird es auch schon wieder etwas flacher, und der Pass ist erreicht. Das kleine Gasthaus am Pass ist geöffnet. Hier finde ich Zuflucht vor dem hier oben recht starken und frischen Wind und stärke mich.





Vom Col du Pas de Peyrol hat man einen herrlichen Blick auf die umliegenden Gipfel der Monts du Cantal. Direkt oberhalb des Passes ist der Gipfel des Puy Mary; man kann ihn wandernd über einen breiten, steilen Weg (oder besser: Treppe) erreichen.



Da es sich aber bewölkt, der Wind immer stärker und kälter wird und es außerdem schon recht spät (fast halb sechs) für die verbleibenden gut 30 km bis Aurillac ist, verzichte ich auf die Gipfelbesteigung. Mir ist jetzt schon kalt, für die Abfahrt packe ich mich daher so dick wie möglich ein, einschließlich lanfingriger Winterhandschuhe und Mütze unter dem Helm.



Dann genieße ich die lange Abfahrt mit weiteren herrlichen Ausblicken in die Landschaft des Cantal.





Im nächsten Ort, Lascelle, bis zu dem ich es rollen lassen kann, kann ich einen Teil der dicken Klamotten wieder ablegen. Nun muss ich wieder treten, aber es geht bis Aurillac eben bis leicht bergab, so dass ich die letzten ca. 20 km bei langsam einsetzender Dämmerung zügig mit knapp 30 km/h abstrample.

Aurillac ist ein Städtchen ohne besondere Sehenswürdigkeiten und auch sonst ohne besonderen Reiz. In einem Bistro gönne ich mir ein Bierchen und frage den Wirt nach Unterkünften. Zeltplatz gibt es nicht, aber Hotels seien wohl im Gewerbegebiet am Stadtrand preiswerter als in der Innenstadt. Das empfohlene Hotel Campanile kommt mir, als ich es schließlich finde, mit ca. 60 (oder waren es 70?) Euro leider überhaupt nicht preiswert vor, aber egal, nun bin ich hier, es ist spät, und mit der heutigen Etappe bin ich sehr zufrieden.

7. Tag (27.09.2012), Regentag in Aurillac

Als ich aus dem Fenster schaue, regnet es leicht. Also noch ein Stündchen weiterschlafen. Der Regen hat nicht nachgelassen, ist eher stärker geworden. Im Zimmer gibt es einen Wasserkocher und Instant-Kaffe, und etwas Wurst und Schinken habe ich auch noch dabei. Nach dem Frühstück im Bett ist das Wetter auch nicht besser geworden. Also packen und erstmal Richtung Innenstadt. Der Regen wird mir zu stark, also nutze ich die Gelegenheit, mich bei Mc Donald‘s erstmal richtig satt zu essen und auf Wetterbesserung zu warten. Drinnen ist es mir zu voll, aber draußen unter einem Sonnen-/Regenschirm ist es angenehm.



Bei immer noch leichtem Nieselregen fahre ich in die Innenstadt, setze mich in ein Café, bestelle einen Kaffee (dann noch einen und noch einen), lese Zeitung, studiere meine Landkarten für die kommenden Tage und warte ab. Macht es noch Sinn, heute weiterzufahren? Gegen 15.00 Uhr hört der Regen offenbar endgültig auf, ich entscheide aber, heute nicht weiterzufahren, da ich gerne von hier zur Dordogne ohne weitere Übernachtung gelangen möchte – die Strecke bis dorthin scheint reizlos zu sein, ich kann anhand meiner Karten die zu erwartenden Höhenmeter nicht richtig abschätzen, und ich bin mir auch nicht sicher, ob es nicht doch wieder anfängt zu regnen. Lieber morgen zeitig starten. Ich quartiere mich für meine zweite Nacht in Aurillac direkt in der Innenstadt in einem netten, preiswerten Zwei-Sterne-Hotel für ca. 40 € ein. Hätte ich mal gestern nicht auf den Tipp mit den angeblich preiswerten Hotels am Stadtrand gehört…



Nun muss ich irgendwie den restlichen Nachmittag rumkriegen. Aurillac bietet, wie gesagt, keine besonderen Sehenswürdigkeiten.



Im Tourismusbüro erfahre ich, dass man den Hügel südlich der Innenstadt mit dem markanten Kreuz-Monument, der mir bereits aufgefallen ist, besteigen kann. Ich fahre also eine steile Straße hinauf, dann geht es zu Fuß weiter. Der ausgeschilderte Wander- (oder besser: Spazierweg) führt als Trampelpfad über nach dem Regen klitschnasse Kuhweiden aufwärts. Vom Monument auf der von Kuhfladen übersäten Hügelkuppe hat man einen Ausblick ins Tal und auf Aurillac. Nett, aber nicht wirklich spektakulär. Hätte ich es mir aussuchen können, hätte ich mir interessantere Orte für einen wetterbedingten Pausentag vorstellen können…



8. Tag (27.09.2012), Aurillac-Liourdres

Strecke: ca. 100 km

Fahrzeit: 6 Std. 10 min.


Das Wetter ist deutlich besser, also fahre ich zeitig los.

Die Strecke Richtung Nordwesten über die D 120 und D 1120 bis Argentat an der Dordogne ist leicht hügelig und, wie ich erwartet hatte, unspektakulär. Ich habe für das Gebiet zwischen Aurillac und Souillac an der Dordogne, etwas weiter unterhalb von Argentat, keine detaillierte Karte, deshalb hatte ich gestern die Entfernung zur Dordogne etwas überschätzt; es sind nur ca. 55 km – das hätte ich gestern nachmittag doch noch schaffen können.

Die Straße fällt schließlich sehr steil ab ins Tal der Dordogne; wiederholt mahnen große Schilder, abwechselnd auf Französich/Englisch und Deutsch/Spanisch zum Herunterschalten und weisen auf die Gefahr heißlaufender Bremsen hin; es gibt auch sandgefüllte Notausfahrten für LKW mit versagenden Bremsen.



Unten, in Argentat, bin ich endlich an der Dordogne; von der Brücke über selbige bietet sich ein schöner Blick auf den malerischen Ort (ich werde noch erfahren, dass alle Orte an der Dordogne malerisch sind).



Am Dordogne-Ufer gönne ich mir ein Bierchen und eine Stärkung.



Dann geht es über die D 12 entlang des nördlichen Dordogne-Ufers bis Beaulieu-sur-Dordogne.









Baulieu ist (wie im Grund alle Städchen an der Dordogne) sehr sehenswert.



Einen Campingplatz scheint es allerdings nicht zu geben, und irgendwie finde ich auch keine vernünftige Unterkunft. Irgendwie erfahre ich, dass es ein paar Kilometer weiter einen Zeltplatz gibt. Im kleinen Ort Liourdres finde ich tatsächlich den herrlich am Dordogne-Ufer gelegenen Platz.



Der Platz hat ein sehr einfaches, sehr nett direkt am Ufer gelegenes Restaurant, das allerdings jetzt, gegen Saisonende, leider nicht geöffnet ist. Schade, das hätte hervorragend gepasst… Eine geöffnete Rezeption gibt es auch nicht, außer mir ist nur ein weiterer Gast, ebenfalls Radreisender, auf dem Platz. Zahle ich halt morgen, erstmal Zelt aufbauen. Da ich keinen Proviant dabeihabe und es in Liourdres keine Restaurants gibt, muss ich halt die 8 km zurück nach Beaulieu. Ich beeile micht, um auch die Rückfahrt noch bei ein wenig Tageslicht zu schaffen. Aber aufgrunddessen, dass ich mich weit im Westen der mitteleuropäischen Zeitzone befinde, hat man den angenehmen Effekt, dass es abends deutlich länger hell bleibt als in Deutschland (in Spanien, das ebenfalls zur mitteleuropäischen Zeitzone zählt, ist dies dann noch auffälliger). Schnell esse ich in Beaulieu eine Pizza und bin vor Sonnenuntergang wieder auf dem Zeltplatz. Ich setze mich mit einem Glas Wein ans Ufer und genieße den Sonnenuntergang. Obwohl es bereits Ende September ist, wird es erst gegen halb neun endgültig dunkel.

Schließlich kommt die Familie, die den Campingplatz betreibt (sie wohnen wohl auch um die Ecke), und sie zelebrieren im Restaurant ihr Abendessen. Sie meinen mir einen Gefallen zu tun, indem sie mir, der ich gedankenversunken und zufrieden im Dunkeln am Ufer sitze, die Lampen auf der Terrasse des Restaurants anschalten. Aber ich komme schließlich noch mit Magali, der Inhaberin des Zeltplatzes Magali-Plage, ins Gespräch. Sie meint, so richtig würde sich der Campingplatz nicht lohnen, und sie würde sich überlegen, ob sie ihn noch länger als ein oder zwei Jahre betreiben soll. Wäre schade; sofern er jetzt noch existiert, ist er auf alle Fälle zu empfehlen.

Fortsetzung folgt...