Re: Radreise Frankreich/Nordspanien (Lyon-Kantabrien)

von: Tom72

Re: Radreise Frankreich/Nordspanien (Lyon-Kantabrien) - 18.11.14 16:27

11. Tag (01.10.2012), Bergerac-Libourne (Zugfahrt Libourne-Bordeaux)

Strecke: 78 km

Fahrzeit: 4 Std. 12 min




Ich fahre in die gegenüber des Campingplatzes gelegene Altstadt von Bergerac.



Der schönste Teil der Altstadt ist die Gegend um die Place de la Myrpe. Hier findet man die offenbar gerade für Bergerac typischen maisons à colombages, Fachwerkhäuser, deren Fachwerk mit diagional angeordneten Ziegeln ausgefüllt ist.



Obwohl der Schriftsteller Cyrano de Bergerac (1619-1655), dem in einem Schauspiel Ende des 19. Jahrhunderts eine riesige Nase andichtet wurde und der vor allem durch die Verfilmung mit dem damals noch nicht russischen Schauspieler Gérard Depardieu bekannt geworden ist, in Paris geboren wurde und abgsehen von dem durch seine Vorfahren käuflich erworbenen Adelstitel de Bergerac nichts mit der Stadt zu tun hat, steht auf der Place de la Myrpe ein Cyrano mit langer Nase.



Und hier noch einer.



Ich fahre zunächst weiter dordogne-abwärts entlang des Nordufers über die etwas stäker befahrene D 32 bis zum recht netten Städtchen Ste-Foy-la Grande, dann wechsle ich auf das Südufer und folge dem Fluss weiter über eine sehr verkehrsame und landschaftlich sehr schöne Straße (D 130). Die Dordogne verläuft nun nicht mehr in einem engen Tal, die Landschaft ist flacher geworden. Ich komme durch ausgedehnte Obstplantagen und pflücke mir einen knackigen Apfel, den ich im Fahren genieße.









Wieder am Nordufer (D 936, größere, verkehrsreiche Hauptstraße), nähere ich mich langsam Bordeaux. Ich fahre, nun wieder über verkehrsarme Sträßchen, durch das Bordelais, das weltberühmte Anbaugebiet der Bordeaux-Weine. Es ist gerade die Zeit der Weinernte.



An den flachen Hängen des hier sehr breiten Dordogne-Tals und vor allem in der Ebene werden die roten Bordeaux-Trauben angebaut, von denen ich mir eine Handvoll pflücke.





Der bekannte Weinort St-Emilion



In Libourne nehme ich den Regionalzug, um die knapp 20 km bis Bordeaux abzukürzen, da ich mit meinem Zeitplan etwas in Verzug bin und um mir die Fahrt durch das Ballungsgebiet zu ersparen.





In Bordeaux steige ich, bereits in der Dämmerung, an einer Vorortstation in einem Stadtviertel auf dem rechten Ufer der Gironde (der gemeinsame Mündungsarm von Garonne und Dordogne) aus, um über den Fluss in die auf dem linken Ufer gelegene Innenstadt zu radeln.







Bordeaux kenne ich bereits von einer Radreise vor einigen Jahren, als ich von der Loiremündung aus südwärts entlang der Atlantikküste kommend hier übernachtet habe, um dann weiter entlang des Canal du midi und des Garonne-Seitenkanals über Perpignan bis Barcelona zu fahren. Ich steuere daher zielstrebig den Hauptbahnhof (Gare de Saint-Jean) an, da ich von meinem letzten Aufenthalt weiß, dass es dort zahlreiche einigermaßen preiswerte Hotels gibt. Ich bekomme auch im selben Hotel wieder ein Zimmer (ca. 40 Euro).

Nun mache ich mich mit dem Rad auf in Richtung Innenstadt, entlang des Ufers der Gironde, wo es durchgehend einen großzügigen Bereich für Fußgänger und Radfahrer gibt.
In der Innenstadt esse ich zu abend; vor den Restaurants kann man bei sehr warmen Temperaturen draußen sitzen. Ich beschließe den Abend mit einem Glas Wein



und radle am Ufer entlang zurück zu meinem Hotel.





12. Tag (02.10.2012), Bordeaux - Lacanau-Océan

Strecke: 89 km

Fahrzeit: 4 Std. 41 min


Heute werde ich die Atlantikküste erreichen. Es gibt entlang der gesamten Küste bis zur spanischen Grenze ein System aus Radwegen abseits der Straßen, das in seiner Gesamtheit als „Vélodyssée“ bezeichnet wird. Auch nördlich, von der Bretagne bis hierher, gibt es unter diesem Namen weitgehend zusammenhängend Radwege entlang der Küste; diese kenne ich bereits aus eigener Anschauung. Von Bordeaux aus erreicht man die Küste bei Lacanau-Océan über einen Radweg (Voie verte) auf einer stillgelegten Bahntrasse.

Aber erstmal fahre ich ohne Gepäck in die Innenstadt, um mich etwas umzusehen. Außerdem brauche ich neue Radhandschuhe, weil ich meine vor ein paaar Tagen irgendwo verloren habe. Das Beste, was ich schließlich im Decathlon bekomme, ist ein Paar schlecht gepolsterter Handschuhe aus Kunstleder. Wieder einmal zeigt sich, dass wirklich gute Fahrradartikel in Frankreich schwer zu finden sind.



Zurück im Hotel packe ich, und es geht los.



Auch in Bordeaux gibt es die Straßenbahn, hier vor der Gare de Saint-Jean.



Schnell treffe ich auf das Gironde-Ufer. Auf einer Bank sitzend, fällt mir ein seltsames Pärchen auf: Ein Hase und eine Katze spielen miteinander, es wirkt sehr vertraut und beihnahe so, als würden sie einander den Hof machen. Ich kann weit und breit niemanden sehen, dem die beiden als Haustiere zuzuordnen sein könnten; sie scheinen sich in freier Wildbahn angefreundet zu haben. Sehr bizarr.



Als der Hase schließlich versucht, die Katze auf mehr als nur freundschaftliche Weise zu beglücken, überlasse ich das traute Paar seinem Schicksal und mache mich auf, den Beginn der Voie verte Richtung Küste zu finden. Sie soll nördlich der Innenstadt anfangen, so dass ich Gelegenheit habe, noch einmal die gesamte Uferpromenade durch die Innenstadt entlangzufahren.









Aus ästhetischen Gründen wird die Straßenbahn im Bereich der Altstadt nicht über eine Oberleitung, sondern über eine zwischen den Schienen verlegte Stromschiene mit Elektrizität versorgt. Sie ist in einzelne Abschnitte unterteilt; eine spezielle Technik stellt sicher, dass immer nur der vollständig unter dem Fahrzeug befindliche Abschnitt Strom führt.





Wie in Lyon, gibt es auch hier einen Brunnen, dessen Figurenschmuck offenbar auf allegorische Weise die Lage von Bordeaux an der Gironde thematisiert, der die Stadt einst ihren Aufstieg als bedeutender Handelsplatz verdankte.



Nördlich der Innenstadt wird gerade eine neue Hubbrücke über die Gironde errichtet.



Schließlich fahre ich weiter nordwärts durch hässliche Außenbezirke, vorbei an verlassenen Industrieanlagen und riesigen Einkaufszentren. Der Beginn der Voie verte ist schlecht ausgeschildert; nach einigen Irrungen finde ich ihn schließlich.



Von hier sind es noch knapp 60 km bis zur Küste. Der Radweg führt zunächst entlang mehrspuriger Ausfallstraßen, dann durch verschiedene kleinere Orte und schließlich durch Wald.







Dass es sich um eine stillgelegte Bahnlinie handelt, sieht man an den ehemaligen Bahnhofsgebäuden entlang der Strecke. In diesem gibt es eine Snackbar, in der ich mich stärke.







Etwas eintönig wird schließlich die Fahrt durch die endlosen Kiefernwälder, die das Médoc, die Halbinsel zwischen der Gironde und dem Atlantik, prägen (die Weinanbaugebiete, für die das Médoc bekannt ist, liegen weiter nördlich). Aber daran werde ich mich gewöhnen müssen; die Kiefernwälder erstrecken sich entlang der gesamten Côte d’Argent bis hinunter nach Spanien.





Ich strample zügig mit knapp 30 km/h. Ein paar Kilometer, bevor ich die Küste erreiche, fängt es plötzlich an zu regnen. Ich bin zu faul, die Regenklamotten hervorzukramen und trete tapfer weiter, immer nasser werdend. Ich werde ja in Lacanau sicher schnell ein Hotel finden.

Schließlich erreiche ich Lacanau, der Regen hat aufgehört. Ich bin am Meer!



Ich finde sofort ein sympathisch wirkendes, einfaches Hotel direkt an der Strandpromenade. Es ist preiswert und betreibt auch ein Fischrestaurant. Passt! Vom Zimmer aus habe ich sogar Meerblick.





Nach einer heißen Dusche genieße ich den Sonnenuntergang über den Atlantikwellen.









Zum Tagesausklang gönne ich mir die mir von vergangenen Reisen an der französischen Atlantikküste schon vertrauten, immer wieder leckeren Moules-frites, Miesmuscheln mit Pommes Frites. Für ein paar Euro Aufpreis bekomme ich als Vorspeise sechs Austern. Köstlich!



Fortsetzung folgt...