Re: Patagonien - (Chile und Argentinien)

von: Rennrädle

Re: Patagonien - (Chile und Argentinien) - 14.02.15 09:21

/Teil 1 siehe Patagonien - (Chile und Argentinien) (Reiseberichte))


Sonntag 9.3.14 Puyuhapi zweiter Ruhetag. 16km 1:20Std


Es ist noch kälter geworden, es sind nur noch 10 Grad und die Berge sind ab ca. 500hm mit Schnee bedeckt. Zudem regnet es weiterhin viel. Ich habe sehr gut geschlafen und es gibt wieder lecker Frühstück. Wir besuchen das Museum. Der Ort wurde 1935 von Deutschen aus dem Böhmischen gegründet, daher ist vieles hier "deutsch". Unter anderem gibt es ein Cafe Rossbach.

Wir setzten uns doch aufs Rad und fahren wie total besoffen, als wenn wir es nicht könnten. Der Grund ist, dass wir keine Taschen an den Rädern haben und das Rad uns wegspringt wie eine ungebändigte Gazelle. Dann geht’s doch noch gaaaanz gemütlich die fast ebenen 7 km zu einer Therme. Der Eintritt ist eigentlich viel zu teuer aber wir gönnen es uns.



Das Wasser ist teils viel zu heiß. Nur ein Becken der drei geht überhaupt.

Und ich kann mich tatsächlich überwinden, fünf Schwimmzüge in dem saukalten Pazifik zu drehen. Ja, ich war auch IM Pazifik!



Montag 10.3.14 Puyuhuapi dritter Ruhetag:

Es schüttet und schüttet stundenlang aus Kübeln. Um zehn Uhr entscheiden wir, nicht los zu ziehen, sondern hier zu bleiben. Als nächstes Ziel wollen wir zu dem hängenden Gletscher mit dortiger Übernachtung im Zelt. Wir würden echt nichts sehen und das wäre bei einer der Hauptsehenswürdigkeiten von Chile einfach zu schade. Auch hat keiner Lust, mit all der frisch gewaschenen und vor allem trockener Ausrüstung direkt im Dauerregen abzusaufen. So lesen wir viel, gehen ins Internet, einkaufen und abends gibt es Tomaten-Gurken-Maissalat mit leckeren Butterkartoffeln. Morgen ist das Wetter etwas besser gemeldet und ab Mittwoch soll für die kommenden 10 Tage die Sonne scheinen.

Dienstag 11.4.14
Puyuhuapi-Hängegletscher Ventisquero 24 km 260hm 1:56h und 3 Std Wanderung:


Heute geht es nach 3 Ruhetagen endlich weiter. Wir treffen doch noch die Bekannten von Hildegard und Jörg, und zwar Thomas und Heiner. Beide schon über 60. Sie machen die Strecke Puentas Arenas nach Bariloche. Zudem sind auch zwei Schweizer da, Christine und Stefan. Sie ist auch im Radforum aktiv und ich glaube, dass sie sich gefreut hat, mich hier zu treffen. Sie sind auch heut noch, d.h. 2015 in Südamerika unterwegs.


Dann geht es los gen Süden direkt am Meer entlang, relativ flach mit einigen Auf und Abs..




Der (noch) unsichtbare Gletscher:



Die Räder sind wegen der neu gekauften Lebensmittel wieder sehr schwer. Immerhin kommen auf den kurzen 24 km doch 260hm zusammen, aber das merken wir schon kaum mehr. Am Eingang zu dem Nationalpark trinken wir bei einer alten Frau erst mal einen Kaffee und essen selbstgemachtes Gepäck, bevor wir zu dem Campingplatz Richtung Gletscher weiter fahren.


Das ist zwar auch ein Campingplatz (ja wirklich!), aber wir fahren in den Nationalpark hinein.




Nach einem weiteren Vesper dort geht es direkt auf die Wanderung zu einem Aussichtspunkt, von dem man den hängenden Gletscher betrachten kann. Dieser bricht über eine Felskante spektakulär ab. Schweizer, die uns zu Beginn begegnen, sagen uns, dass sie wegen der Wolken den Gletscher nicht sehen konnten, die Wanderung jedoch sehr lohnenswert sei. Wir starten und es geht steil hoch durch total wilden verwachsenen Wald. Der Weg ist sehr matschig und rutschig, aber wir kommen gut voran. Es wird viel fotografiert:







Als wir nach gut einer Stunde am Ziel sind, bin ich durch Schwitzen und die Luftfeuchtigkeit nass. Aber wir bekommen die Belohnung, denn der Gletscherabbruch ist komplett sichtbar.



Es rauschen riesige Wasserfälle herab und einmal geht auch eine Eislawine ab. Nach einer halben Stunde machen wir uns auf den Rückweg und am Ende lässt sich die Sonne sogar blicken.


Aber uns ist kühl und wir haben Hunger. Es gibt rote Linsen mit leckeren Würsten. Es fängt nochmals leicht an zu regnen, daher sind wir alle um neun schon in der Koje.

Mittwoch 12.3.14 62km 1020hm 5:22std:
Ventisquero Colgante - 12km vor Amengual


Was für ein Tag, der früh morgens sehr kalt beginnt. Ich packe mein Zelt noch vor dem Frühstück ein und das ist gut, denn es fängt zu regnen an und beide Zelte der anderen werden nochmals richtig nass. Gut 20 km geht es auf wunderbarer Strecke am Fjord entlang, bis die Carretera Austral die Küste verlässt und deutlich an Höhe gewinnt.




Hier ist die Straße auch in ihrem Originalzustand und trotz Schotter ziemlich gut zu fahren. Es macht wirklich unglaublich Spaß und man kann auch die Landschaft betrachten und genießen.





Die drei Musketiere!




Wir machen vor dem großen Anstieg nochmals Pause, aber dann wird es knackig. Über viele Serpentinen und bei Steigungen nicht selten bis 12% und mehr schrauben wir uns hoch. Mir läuft der Schweiß in Strömen, aber wir haben phänomenale Aussicht auf hohe Berge und Gletscher. Der ganze Tag bietet unglaubliche Natur und die Straße ist toll zu fahren.




Oben am 500hm hohen Pass treffen wir eine deutsche Reisegruppe, mit denen wir länger ins Gespräch kommen und die unsere Leistung sehr bewundern. Am besten ist einer, der offensichtlich passionierter Rennradfahrer ist und auch etwas sehr damit prahlt. Am Ende schätzt er Hildegards Rad auf 25kg bis er merkt, dass es bald das Doppelte wiegt. Die Anerkennung steigt schlagartig.

Bald geht es dann bergab. Wir schauen uns noch einen verwunschenen und total verwachsenen Feenwald an, aber wir müssen weiter.



Unten an der Abzweigung zu Puerto Ciscnes beginnt endlich der Asphalt. Dieser wird uns nun bis Cohaique treu bleiben, und das nach mehreren hundert Kilometern Schotter und Naturpiste. Aber auch asphaltierte Straßen gehen bergauf und ich merke die vergangene Anstrengung deutlich in den Beinen. Daher gibt es nochmals eine Pause, in der die beiden anderen ihre Zelte trocknen. Ich bin müde und hänge etwas zurück. Nach Amingual schaffen wir es nicht mehr und so zelten wir wild in einem total verlassenen und heruntergekommenen Bürogebäude.




Aber so bleiben die Zelte trocken. Es ist saukalt, aber nach Katzenwäsche und alle möglichen Lagen an Kleidung wird es besser und es gibt Reis mit leckerer Tomatensoße Als Nachtisch noch Schokolade und zuletzt einen heißen Tee zum Aufwärmen. Es wird momentan schon vor 9 Uhr dunkel und daher verzieht sich bald jeder in seinen warmen Schlafsack.


Donnerstag 13.3.14
72km 4:38h 823hm paar Kilometer vor Amengual-Manihuales:


Unsere Herberge hat uns mindestens 3°C Wärme geschenkt, dennoch ist es mit gerade mal 5°C saukalt.



Wegen knappem Wasser haben wir die Wahl zwischen Tee oder Müsli. Wir entscheiden uns für das zweite, um die 200hm auf dem Weg nach Amengual zu packen. Das erreichen wir nach 12km ziemlich durchgefroren. Es ist sehr schwierig die richtige Kleidungskombination zu finden. Eigentlich kaum möglich - ich schwitze bei jedem Anstieg und so ist es in Ebenen und Abfahrten nasskalt. Dennoch ist dies angenehmer als noch mehr zu schwitzen. In Amengual angekommen, kaufen wir etwas ein und finden ein Cafe mit angeheiztem Holzofen. Wir holen den fehlenden Kaffee nach und gönnen uns ein zweites Frühstück.



Nach dieser Pause ist es draußen deutlich wärmer und wir machen uns auf die Hauptstrecke von weiteren 60km. Wieder ein ständiges auf und ab und so haben wir nach 40 km schon wieder über 600hm. Der Tag ist bis zum frühen Nachmittag sonnig, führt uns durch klasse Berglandschaft und ein nach vornehmlich südlich gehendes Tal. Der immer stärker werdende Wind kommt meist von hinten, teilweise bis seitlich und gibt uns tolle Unterstützung.





Speziell auf den letzten 20 km schiebt er gewaltig, so dass wir an diesem Tag einen Schnitt von über 15km/h schaffen, was für hier enorm viel ist (zumindest für uns!). Um ca 16 Uhr erreichen wir Maningual und holen das dringend benötigte Bargeld - nach ca. 400km Strecke der einzige Bankautomat! Die Suche nach einer Cabana erweist sich als zäh, gelingt uns aber dann doch noch. Wir heizen gut ein, waschen Wäsche (Mensch und Kleidung) und genießen leckere Nudeln mit zwei Liter Bier. Das Wetter hat umgeschlagen und es ist dunkel und bewölkt, ebenso hat der Wind noch mehr zugenommen und ist schon ein halber Sturm, so dass die Hütte in ihren Angeln ganz schön knarzt. Mal schauen wie es morgen aussieht und aus welcher Richtung der Wind dann kommt.

Freiatg 14.3.14
48km 400hm 3:38std Manihuales-Coyhaique


Wir starten morgens schon bei leichtem Regen, es ist sehr windig und der Wind kommt stark von vorne. Ich habe miserabel geschlafen - blöder Vollmond. Bald ist es mir saukalt und so ist meine Laune nicht so toll. Ich merke, dass mir noch etwas langes Warmes zum Unterziehen fehlt, das ich mir aber später in Coyhaique dann auch gekauft habe. Das Wetter wird sogar noch schlechter und die Berge sieht man kaum. Wir fahren die fast 40km ohne nennenswerte Pause bis zu einer wichtigen Kreuzung durch, an der es nach Puerto Aisen abzweigt. Dort machen wir in einer zugigen Bushaltestelle Pause. Die Sonne lugt etwas zwischen den Wolken hervor. Wir wollen noch weiter. Als wir aufbrechen wollen, kommt ein großer Bus. Kurzentschlossen nehmen wir diesen und fahren die restlichen knapp 50 Kilometer nach Coyhaique. Umgerechnet kostet das für und 3 inclusive Räder und 20 Taschen gerade mal umgerechnet 4€.

Manch einer mag nun fragen, warum wir bei den Preisen eigentlich dann noch Rad fahren. Tja – weil es trotz der Anstrengung Spaß macht und einem so viel gibt. Wer mich besser kennt, weiß vielleicht dies besser zu verstehen. Speziell meine damalige Situation von vor 8 Jahren und dann heute solch eine Reise wieder unternehmen zu können und auch zu dürfen, ist ein unbeschreibliches Gefühl.

Letztendlich war die Busfahrt eine gute Entscheidung. Ein Ruhetag für uns und ein Tag mehr Zeit für den weiteren Süden. Das Wetter ist auch sonnig und vor allem mit bis zu 19 Grad deutlich wärmer gemeldet.

Samstag 15.3.2014 Coyhaique Ruhetag

Der Ruhetag ist gut gewählt, denn es regnet. Wir gehen einkaufen. Ich kaufe mir noch ein dünnes langes Unterhemd, eine halbdicke Fleecejacke und ein Paar Socken - so bin ich für die Kälte besser gerüstet. Ansonsten wird die grobe Planung für die verbleibenden 3 Wochen gemacht.

Sonntag 16.3.2014
Coyhaique-Laguna Chiguay 61km 1185hm 5:08h:


Wir haben den Tag in der warmen Hütte genossen. Hildegard richtet für jeden eine gigantisch große Müslischüssel her sogar mit Joghurt, Nüssen, Rosinen und mehr. Ich schaffe meine Portion nur mit Mühe, und das will was heißen. Nach 10 Uhr starten wir gemeinsam.
Anfangs will ich in einer Tankstelle eine Straßenkarte kaufen, darf sie mir aber vorher nicht anschauen. Auf der Rückseite meine ich, den richtigen Abschnitt zu erkennen und nehme sie. Leider ist es dann doch nicht die richtige, darf sie aber nicht zurück geben. Ich bin echt auf die Verkäuferin sauer. Letztendlich knalle ich ihr das Ding einfach wieder hin, weil ich keine Lust habe, die Karte mitzuschleppen. Kurioserweise darf ich mir doch noch eine Süssigkeit mitnehmen. Komische Logik....


Für Jörg ist es der letzte Tag. Wir fahren gemeinsam noch die 40km, bis die Straße zum Flughafen von der Carretera Austral abzweigt. Das Wetter ist bis dahin recht ansprechend und sonnig, sogar etwas warm. Ich fahre dann sogar mit kurzer Hose weiter.






Kurz bevor sich unsere Wege trennen, machen wir noch Mittagspause vor dem Matemuseum. Mate ist das Traditionsgetränk in Chile und auch ich trinke ihn hin und wieder.




Die Strecke geht durch Pampa mit vielen Bergen am Rio Simson entlang. Dann erwischt uns doch noch Regen und sogar kurz Hagel - aua! Auf den ersten 25km haben wir schon wieder 500hm - das sind hochgerechnet 2000hm auf 100km!! Und der Hauptanstieg kommt noch, aber es geht gut. Nachdem wir uns von Jörg verabschiedet haben, wird die Strecke viel ruhiger. Fast jeder Autofahrer hupt uns grüßend zu. Es sind momentan auch viele Radfahrer unterwegs. Unsere beiden Franzosen sind mal vor, mal hinter uns. Ein amerikanisches Paar begegnet uns und auch in den letzten Tagen haben wir einige getroffen. Meist hält man auch an und unterhält sich ein wenig. Nun kommt für uns der eigentliche Anstieg von nochmal 500hm mit einigen "Verlusten" dazwischen, und das am Nachmittag nach 50km in den Beinen. Das ist gar nicht mein Ding, aber mit kleinen Stehpausen schaffen wir es beide recht gut, in erstaunlich ähnlichem Tempo und Rhythmus - ich muss echt zugeben, dass ich stolz auf mich bin.




Nach 61km und knapp 1200hm (!) erreichen wir müde einen ganz tollen Campingplatz. Wir sind auf 1130Höhenmetern und sind froh, eine Hütte mit Tisch und Bänken zu haben.



Zudem mache ich sofort mit bereitliegendem Holz ein wärmendes Lagerfeuer und Hildegard kocht Nudeln mit Thunfisch. Schon abends hat es nur noch 7°C und die Nacht wird sicher sehr kalt. Daher werden wir in der Hütte schlafen. Es war wirklich ein erfüllender und zufriedenstellender Tag, obwohl ich vor diesem großen Respekt hatte. Gut gemacht schmunzel

Fortsetzung siehe siehe 3 Beiträge weiter unten...