An die See oder in die Alpen? Seealpen.

von: touromat

An die See oder in die Alpen? Seealpen. - 31.08.15 07:13

An die See oder in die Alpen? Seealpen.

Frankreich
630 km – 11.150 Höhenmeter






Eine Region für die Tourenwoche musste gefunden werden. „Schweiz!“, wurde enthusiastisch in die Runde gerufen.

Das Gespräch mit meinem Bankberater am nächsten Tag verlief wenig erfreulich. Er hatte nur ein müdes Lächeln für mich übrig. Also ein anderes Ziel finden.

„Wie herrlich müsste es sein, an idyllischen Küstenstraßen an der See entlang zu rollen?“, merkte ich beim nächsten Treffen an. „Aber was ist mit Pässen und Höhenmetern, epischen Anstiegen und atemberaubenden Abfahrten?“ wurde entrüstet gekontert.

Ich kam ins Grübeln.

„Und überhaupt! - Die Alpen!!!“ kam als nächstes gewichtiges Argument. Dieser Einwand schien berechtigt.

Damit war der Kompromiss gefunden und das Ziel einstimmig beschlossen: Seealpen.


Samstag, 11.07.15
Anreise Ventimiglia


Ein bisschen Schweiz hat es dann doch noch gegeben: Um die lange Autofahrt etwas aufzulockern, verlassen wir die Schnellstraße in Splügen, laden die Räder vom Träger und fahren den sehr lohnenden Abstecher auf den San Bernardino (2.065 m). Der Anstieg ist angenehm zu fahren. Es sind nur ca. 40 Kilometer und 670 Höhenmeter zu bewältigen; die Strecke und auch die Passhöhe sind sehr schön. Der motorisierte Verkehr verschwindet weitgehend im Tunnel.














Wir absolvieren die restliche Strecke mit dem Auto und beziehen das vorgebuchte Zimmer in einem Bed & Breakfast in Ventimiglia. Das Städtchen ist ganz nett und abends es gibt sogar noch ein Event: die Wahl zur „Miss Moto Guzzi“ mit viel begleitendem Motorengeheul.


Sonntag, 12.07.15
Ventimiglia – Col de Tende (1.871 m) - Cuneo – 120 km, 1.900 Höhenmeter


Ich hatte gehört, dass die Verbindung Ventimiglia – Cuneo sehr stark verkehrsbelastet sein soll, auch mit Schwerverkehr. Ausweichmöglichkeiten gibt es wohl keine und es sind auch längere Tunnels zu durchfahren.

Deswegen haben wir die Tour so geplant, dass wir hier an einem Sonntag starten. Es sind keine Lkw unterwegs, anfangs auch wenige Pkw. Abgesehen von der zweifelhaften Verkehrssituation ist das Roya-Tal sehr schön. Später nimmt der Ausflugsverkehr zu, ist aber noch gut zu ertragen.

Dann ist ja auch noch die Frage, ob der Schotteranstieg mit unseren Rädern überhaupt machbar ist. Außerdem soll die Scheitelstrecke ja auch wegen eines Murenabganges gesperrt sein. Fragen über Fragen, aber wir werden sehen.




Etwas unromantischer Tourenstart in Ventimiglia.







Ganz da oben ist noch ein Dorf ...










Immer wieder sieht man die Trasse der Bahnstrecke, die zum Teil abenteuerlich erscheint. Die Zugfahrt wäre hier sicherlich auch sehr interessant.




Im Roya-Tal








Mit Breil, Saorge und Tende liegen auch schöne Ortschaften an der Strecke.

Vor dem Tende-Tunnel wartet bereits eine größere Anzahl an Fahrzeugen vor der roten Ampel. Der Tunnel ist nur einspurig zu befahren. Ob das immer so ist, oder im Moment nur wegen einer Baustelle, ist mir nicht bekannt.





In der ersten Kehre nach der Ampel zweigt die Tende-Passstraße ab und unmittelbar danach stehen wir vor einer durchgehenden Absperrung.





Einen Riss im Kunststoffzaun interpretieren wir leicht kreativ als Durchlass für Fahrradfahrer. Für motorisierte Fahrzeuge ist hier definitiv kein Durchkommen. Damit haben wir die Auffahrt für uns alleine. Der Weg ist zunächst noch asphaltiert. Nach knapp 200 Höhenmetern ist dann aber Schluss mit lustig und der legendäre Schotteranstieg beginnt. Mit den schmalen Reifen ist das grenzwertig. Vor allem die Kurven sind oft ausgewaschen und grobschotterig. Immer wieder muss kurz abgestiegen und geschoben werden; dann sind auch wieder längere Abschnitte einigermaßen befahrbar. Insgesamt ist der Untergrund weitaus schlechter, als z. B. am Umbrail-Pass.

Entschädigt wird man aber mit der schönen Landschaft, der Ruhe und den Ausblicken auf die spektakulären Kehren.




Südanstieg Col du Tende




Hier hat man einen Eindruck von der Oberflächenbeschaffenheit









Kurz vor der Passhöhe also die Mure, die aber zu Fuß problemlos zu überwinden ist. Mit einem Bagger wäre die Passage wahrscheinlich in kurzer Zeit freigeräumt. Vielleicht will man das aber auch gar nicht, damit man die motorisierten Geländerowdys los ist.




Das alte Fort oberhalb der Passhöhe des Col de Tende (1.871 m) bzw. auf Italienisch Colle di Tenda. Es gibt leider kein Pass-Schild.


Es geht in die Abfahrt auf italienischer Seite. Nur ganz oben noch vereinzelte Schotterstücke, dann guter Asphalt.

Es ist Zeit für eine Pause. Wir finden ein belebtes Ausflugslokal, ein Tisch neben einer größeren Gesellschaft ist noch frei.

Die Italiener neigen zu einem äußerst extrovertierten Kommunikationsverhalten. Ich weiß nicht, ob das auf alle Italiener zutrifft, da ich in der kurzen Zeit nicht alle persönlich kennengelernt habe. Aber auf die Anwesenden trifft es jedenfalls zu. Eine akustische Kontaktaufnahme mit dem Kellner ist wegen des (infernalischen Lärms) angeregten Gespräches unmöglich. Zudem übersieht er uns, weil er vollauf damit beschäftigt ist, die Konversation mitzugestalten.

Während der Suche nach einer ruhigeren Kneipe denke ich darüber nach, warum die Leute stundenlange Autoanfahrten für den Sonntagsausflug in Kauf nehmen, um die Ruhe und Schönheit der Bergwelt zu erleben und diese dann völlig ignorieren.

Wir erreichen unser schönes Bed & Breakfast in Cuneo, das wir für zwei Übernachtungen beziehen.

Abends sehen wir uns noch Cuneo an, ein sehr lebhaftes und sehenswertes Städtchen. Es gibt einen riesigen Marktplatz, sehenswerte Gebäude und viele Bars, von denen aus man dem Treiben zusehen kann.








Derzeit ist so eine Art Kulturwoche mit täglich wechselnden Veranstaltungen. Mit einem eindrucksvollen Illuminations-Spektakel findet der Tag einen gelungenen Abschluss.