Marokko - Ansichten eines Globetreters

von: Wandering-Spirit

Marokko - Ansichten eines Globetreters - 12.10.15 10:01

Abenteuer Marokko 2014

Episoden, Teil 1

Malaga/Nerja – Melilla – Nador – Mittelmeerküste bis Ras el Ma – Berkane – Gebirgskette Beni Snasser –Taforalt – El Aioun – Mestigmer – Taourirt – Guercif – Taza – NP Tazeka – Fes

«Professión?» - Beruf? – Gute Frage. Eine Frage, die hier bei der Einreise und beim Hotel- Check-In stets gestellt wird. Hmm. Na ja, «Traducteur », oder halt – wie wär’s mit «Escriteur du voyage» (oder so ähnlich), klingt doch gut, oder ?

Erst knapp zwei Wochen bin ich nun in Marokko unterwegs und von Anfang an fühlte ich mich wohl und willkommen in diesem Land. Wachsamkeit und eine maßvolle Distanz sind sicher ratsam bei der Begegnung mit den Leuten hier, bis man erkennt, woran man mit ihnen ist. Inzwischen hat sich bei mir schon ein beträchtliches Maß an Vertrauen einge-stellt, nach soviel freundlichem Entgegenkommen und Gastfreundschaft, denen man allerorts begegnet.
Meine vernünftige Vorsicht, jedoch, bleibt bestehen, besonders in den Großstädten, denn schließlich will ich, dass meine Wertsachen auf den zwei Rädern bleiben und keine Beine bekommen…

Lasst euch nun mit einer Reihe kleiner Episoden, die ich am Wegrand gesammelt habe, einstimmen auf das Radreiseabenteuer Marokko.


1. Ein junger Hund am Straßenrand, bei dem man die Rippen zählen kann, lässt sich durch Brotstücke von mir anlocken, verliert mehr und mehr die Scheu, wuselt schließlich um mich herum und leckt mir die Hand.

2. Der angebliche Campingplatz am ersten Abend an der Mittelmeerküste bei Arekmane – es gibt ihn nicht, als ich endlich im Halbdunkel dort ankomme. Stattdessen aber freundliche Beamte der Gendarmerie Royale, die versprechen meinen Schutz zu gewährleisten beim Zelten am Strand.

3. Meine erste Hotelabsteige in Taourirt läßt mich von den vergangenen Zeltnächten regenerieren. Der Balkon, der auf einen belebten Platz hin ausgerichtet ist, erweist sich als ideal zum Beobachten und Fotografieren des regen Treibens unter mir im Licht der Nachmittagssonne.

4. Weit und breit ist niemand zu sehen, auch kein Haus ist in Sichtweite wo ich im einsetzenden Dämmerlicht endlich mein Zelt aufschlage an jenem Abend…und doch steht er plötzlich im Halbdunkel vor mir – wohl der Sohn der Grundstücksbesitzer des doch nicht so ganz öffentlichen Geländes. Später kommt er nochmal mit einem Kumpel/Bruder vorbei, der bringt mir eine Milch mit und leiht sich im Gegenzug meine Radlpumpe aus. Noch später kommt ein landwirtschaftliches Fahrzeug des Weges, der Fahrer jedoch grüßt freundlich. Oft wenn man glaubt, hier ist nun wirklich niemand mehr, taucht wie aus dem Nichts doch noch jemand auf…

5. Nach einem langen anstrengenden Radltag bietet sie mir noch ein weiteres sportliches Betätigungsfeld – meine neue Komfort-Edel-Thermomatte mit sagenhafter Länge und Breite, sowie 7cm Höhe – wenn man es denn schafft, diese Traummasse auch tatsächlich – von Hand – mit Luft zu befüllen, bevor man den Hitzetod oder einen Herzinfarkt erleidet!
Schon habe ich eine wutschnaubende Email an Globetrotter in Erwägung gezogen, dann aber doch die Zähne zusammen gebissen, bzw. eine effizientere Technik entwickelt. Wenn sie dann wirklich einmal voll ist – wow! Dann geht mir hier jeder noch so knallharte Ackerboden buchstäblich am A.... vorbei!

6. Draoui heißt er und er lädt mich am Stadtrand von Guercif auf einen Kaffee ein. Viel zu erzählen hat er, macht einen gebildeten Eindruck. Ich höre vor allem zu, nicke gelegentlich und werfe spontan ein «oui», «c’est bonne», oder «d’accord» ein. Angesichts meiner grauenhaft spärlichen Französischkenntnisse leistet mir mein kleiner Arabisch-Sprachführer mit Lautschrift und allerhand Bildchen zum Draufzeigen unschätzbare Dienste als Brücke über den tiefen Graben der Sprachlosigkeit. Oft zücke ich auch meine Marokkokarte und skizziere meinem Gegenüber meine bisherige, sowie die geplante weitere Route. Draoui hat mir von zwei Freunden erzählt, die zehn Monate zu Fuß auf dem Nullmeridian von Greenwich nach Ghana unterwegs waren. Er erweist sich als gut vernetzter Strippenzieher. So vermittelt er mir im nächsten Lokal beim Essen spontan ein Handygespräch mit Daniel, einem deutschen Freund von ihm, der in Rabat sitzt und mich zu sich einlädt und organisiert uns auf reichlich dubiosen Umwegen zum Abschied zwei Bier, die wir in seinem 33-jährigen Renault genießen.

7. Einmal habe ich ziemlich ruhig und ungestört in einem kleinen «Canyon» übernachtet.
Als ich morgens schon komplett aufgepackt habe und gerade starten will, kommt plötzlich ein Mann aus den Büschen auf mich zu, ganz friedlich und mit guten Absichten – doch, was hält er da auf dem Arm und streckt es mir entgegen?! Kaum traue ich meinen Augen – eine ausgewachsene Eule, die mich aus großen Augen anstarrt!

8. Brütend heiß war es bereits bei der Überquerung des Beni Snasser Gebirgszugs gewesen, doch es sollte noch schlimmer kommen -. Während dort oben noch Vegetation hie und da rettenden Schatten spendete, ist es nach einer kurzen luftigen Abfahrt damit gänzlich vorbei. Vor mir breitet sich eine staubtrockene Ebene aus, die Straße führt schnurgerade über 20 Kilometer mittendurch, während die Frühnachmittagssonne gnadenlos herab brennt. Über 40° misst mein Thermometer. Ein Königreich für ein bißchen Schatten! Da, endlich taucht in der flirrenden Hitze am Horizont ein kleines Bauwerk auf…

9. Hochebene auf 1.200m im Nationalpark Tazeka. Empfindlich frisch ist es hier oben geworden. Bewölkung und Nebel sind aufgezogen, auch die Dämmerung naht bereits. Ausgehungert und fröstelnd, viel zu leicht bekleidet sitze ich da, warte auf mein Essen aus einer kleinen Imbissbude. Zum Zahlen bittet man mich herein – da hocken sie alle beisammen, eine Gruppe von einem halben Dutzend Halbstarker, hören Musik und Joints machen die Runde. Sie laden mich ein, doch mich drängt’s weiter, zurück zum Zelt, das halbversteckt dort im Wald steht, drei Kilometer zurück. Schon strample ich verbissen an gegen den kräftigen frischen Wind, die aufziehende Dunkelheit. Da - endlich der Abzweig, war es bei dieser Baumgruppe oder dort? Gähnende Leere, kein Zelt -. Doch da – ja diese Bäume waren es – tauchen die Konturen des Gestänges im Dunkeln auf...

10. Zum Schluss, nach dieser etwas düsteren Geschichte, noch was Lustiges – zumindest für euch zum Lesen:
Grosse Schafherden, denen ich hier oft begegne, haben ihre Tücken, vor allem wenn ich auf schmaler Bergrüttelpiste mit vollgepacktem Bike an ihnen vorbei will. Sobald ich ihnen zu nahe komme, fangen sie an, wie wild zu blöken und panisch durcheinander zu laufen. Was Schafe nämlich gar nicht vertragen ist, wenn sie als typische Massentiere auch nur ansatzweise von der Hauptherde abgedrängt werden. Sofort versuchen sie hektisch nicht den Anschluss zu verlieren. Hab ich mich dann endlich mühsam seitlich in noch gröberem Gelände an ihnen vorbei gearbeitet, kürzen die Schafe einfach eine Serpentine durch die Pampa ab – und was seh ich da nach der nächsten Kurve wieder vor mir – die blökende Masse!

Fortsetzung folgt - Marokko-Episoden Teil 2