Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall

von: Moarg

Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall - 25.10.15 20:19

Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall

Habe mich diesen Sommer drei Wochen lang in den Alpen vergnügt. Hier ein Bericht dieser doch einigermaßen sportlich ausgerichteten Radreise.

Wie die letzten Jahre auch hatte ich die Tour detailliert vorgeplant. Start- und Endpunkt sowie ein paar für mich wichtige Pässelücken standen früh als Fixpunkte fest. Dann habe ich noch ordentlich weiter Höhenmeter reingepackt (die 50.000 Hm waren ein kleines Ziel von mir...) und die einzelnen Tage so ausgeklügelt, dass ich immer einen Campingplatz erreichen würde. Unterm Strich stand eine auch für meine klettererprobten Verhältnisse sehr ambitionierte Planung (u.a. auch mit etlichen 2000er Pässen).

Ich hatte es bei dem Programm eigentlich gar nicht erwartet, aber am Ende bin ich die Tour fast wie geplant gefahren. Das konnte ich vor allem auch, weil ich mit dem Wetter Glück hatte. Der Juli ist wohl doch der beste Monat für solche Touren. Insgesamt gab es keinen einzigen richtigen Schlechtwettertag zu beklagen, zumeist war absoluter Hochsommer angesagt. Einige wenige Streckenstreichungen habe ich nur wegen meiner Pisten- bzw. Schotterphobie vorgenommen.

Bilanz der Höhenmeterjagd
20 Tage | 2.540 km | ca. 54.000 Hm
127 km/d | ca. 2.700 Hm/d | 20,4 km/h

Strecke
Übersichtskarte
Route bei bikemap (beginnend mit Tag 1, oben rechts im Beschreibungsfenster kann man sich durch die weiteren Tage klicken)

Sonstiges
Anreise per easy-Jet Flug Berlin-Schönefeld – Nizza. Ohne Probleme.
Die Rückreise ab Bad-Reichenhall war sehr bequem, denn ich wurde von meinen Eltern mit dem Auto zurück in die sächsische Heimat chauffiert. Sie hatten mehr oder weniger wegen mir einen 3-Tage Kurzurlaub in Kaprun verbracht und mich auf der Rückfahrt aufgelesen.

Übernachtungen alle im Zelt (1x wild, ansonsten auf Campingplätzen).

Neben diversem Kartenmaterial hatte ich zur Orientierung bzw. eigentlich mehr zum Zeitvertreib / Spielerei auch ein Navi dabei. Abgesehen von wenigen Testrunden zuvor war die Benutzung für mich Neuland und ich bin ganz gut zurechtgekommen. Einiges hat mich zwar genervt (Ablesbarkeit, Aufladerei usw.), aber trotz dieser Schwächen werde ich es auf der nächsten Reise wohl wieder mit dabei haben. Insgesamt war es für mich doch ganz hilfreich, z.B. in Städten oder auch die Einkaufen-POIs.


Bericht

Tag 01 (Mo 13 Jul 15)
Cagnes-sur-Mer – Nizza – Mont Chauve (853 m) – Falicon – Tourrette-Levens – Aspremont – Levens – Saint-Jean la Rivière – La Madone d'Utelle (1.174 m)
96 km | 5:10 h | 18,6 km/h | 2.450 Hm
Ü: Camping wild | 0 €

Zum Auftakt habe ich mir nicht die Mega-Etappe vorgenommen, so dass ich es Nizza relativ gemütlich angehen lasse. Einkauf und Frühstück am Strand in Cagnes, dann Fahrradladensuche zwecks Reifen nachpumpen (nur halb erfolgreich, Läden gefunden, montags alles geschlossen), anschließend noch eine kleine Sightseeing-Runde durch Nizza.

Erst nach 11:00 Uhr geht es dann richtig los. Gleich mit der ersten Bergfahrt der Tour zum Mont Chauve. Ist eine der wenigen Bergstraßen im Hinterland von Nizza die ich noch nicht gefahren bin. Da bin ich natürlich gespannt. Und bald sehr überrascht, denn ich bin noch nicht aus der Stadt raus als sich die Fahrt als unerwartete Herausforderung mit ruppigen Steigungen bis 16 % entpuppt.
Zweifellos die absolute Direttissima Richtung Nizza-Nord. Die findet man wohl nur, wenn man sich wie ich ohne richtige Ahnung einen Track mit der Option Car (Shortest) auf das Navi klickt und den dann auch noch stur nachfährt…

Die eigentliche Stichstraße zum Berg ist dann längst nicht mehr nicht mehr so schwer, bei solcher Hitze wie heute aber auch nicht ganz ohne. Oben viel Funktechnik, ein großes Fort und ein schöner Rundblick. Ist schon ganz nett. Richtig wohl fühle ich mich aber nicht, denn weiter unten habe ich eine geschlossene Schranke nebst irgendeinem verdächtigen Hinweisschild umfahren müssen. Bevor hier tatsächlich jemand auftaucht und mir unangenehme Fragen stellt mache ich mich daher bald wieder auf die Socken.

Der weitere Tag sehr heiß. Besonders gut gefallen mir ein Abstecher in den Ort Falicon und die Fahrt zwischen Aspremont und St. Blaise. Ein genialer, kurviger und leicht abfallender Abschnitt. Die Strecke auch weiterhin herrlich, allerdings mit dünner Infrastruktur. Erst im Schlussanstieg hoch zum Madone d'Utelle (nicht sonderlich schwer) kann ich mir in Utelle endlich etwas Proviant besorgen. Auch hier kein Supermarkt, aber wenigstens das Restaurant Bellevue mit Snackangebot. Sehr gute Wahl! Von den riesigen Sandwiches bin ich echt begeistert.

Wenn es irgend geht, dann steuere ich für die Übernachtung einen Campingplatz an. Heute ist keiner sinnvoll zu erreichen, also ausnahmsweise mal Wildcamping. Ich war mir in der Planung unsicher, aber der Gipfel des Madone d'Utelle erweist sich dafür als denkbar gut geeignet. Toller Platz.


Nizza



Mont Chauve (853 m)






Wildcamping La Madone d'Utelle


Tag 02 (Di 14 Jul 15)
La Madone d'Utelle – La Tour – St.-Sauveur-sur-Tinée – Isola – St.-Étienne-de-Tinée – Col de la Moutière (2.452 m) – Jausiers
115 km | 5:32 h | 20,9 km/h | 2.750 Hm
Ü: Camping le Planet | 9,20 €

Der Morgen auf dem Madone d'Utelle ist einfach herrlich. Ruhig, windstill, einsam. Und schon vor 7:00 Uhr richtig warm...

Das wunderbare erste Teilstück bis zum Bergdorf la Tour kenne ich von einer früheren Tour bereits aus der anderen Richtung. Die einsame Strecke hat irgendwie ein besonderes Flair (u.a. viele Autowracks am Straßenrand) und endet mit einem kurzen, aber recht anspruchsvollen Anstieg in den Ort. Dann eine super Serpentinen-Abfahrt ins Tinée-Tal.

Nun die lange Auffahrt zum Col de la Moutière und von dort weiter hoch bis zur Nordrampe der Bonette-Passstraße. Auf etwa 70 km Fahrstrecke sind immerhin 2.400 m Höhenunterschied zu überwinden. Richtig ernst werden die Steigungen zwar erst im letzten Drittel ab St.-Étienne-de-Tinée, aber auch bis dahin ist der Höhengewinn schon deutlich. Trotzdem läuft es für mich sehr flott dahin, auch weil der Wind günstig weht.

In Isola kann ich mir ein wenig Kultur reinziehen, denn im Zentrum hat sich eine Menschenansammlung zusammengefunden und eine Musikkapelle spielt auf (u.a. die Marseillaise). Dazwischen werden Reden gehalten. Anlass zweifellos der heutige Nationalfeiertag in Frankreich. Schon in der Nacht wurde ich daran erinnert, als ich aus Richtung Utelle mehrere Böllerschüsse vernommen hatte.

Ab St.-Étienne-de-Tinée wird es steiler, der richtige Anstieg zum Col de la Moutière beginnt dann aber erst hinter Saint-Dalmas-le-Selvage. Vor allem der obere Teil ist alles andere als einfach, ganz bösartig sind die Rampen aber auch nicht. Erstaunlich für mich, dass doch sehr viel los ist. Die meisten Leute sind sicherlich Wanderer, einige aber vielleicht auch einfach vor der Hitze hier hinauf geflüchtet.

Die Passhöhe gefällt mir super. Erst der zweite Tag und gleich schon mal ein solches Highlight. Wirklich ein großes Panorama bei genialem Wetter. Nach kurzer Abfahrt geht es dann auf teilweise grober Schotterpiste noch mal ziemlich kernig etwa 250 Hm nach oben zur Bonette-Passstraße. Trotz beachtlicher Höhenlage (2.650 m) herrscht dort immer noch angenehmstes T-Shirt-Wetter. Hat man so nicht alle Tage. So eine unerträglich drückende Hitze wie nach der Abfahrt in Jausiers zum Glück auch nicht.


Passfoto Col de la Moutière (2.452 m)






Abfahrt Bonette-Passstraße nach Jausiers (2.452 m)


Tag 03 (Mi 15 Jul 15)
Jausiers – Barcelonnette – le Sauze-du-Lac (1.040 m) – Savines-le-Lac – Embrun – Guillestre – Abries
123 km | 4:53 h | 25,2 km/h | 1.800 Hm
Ü: Camping Abries | 9,80 €

Schneller Beginn bei erneut hervorragendem Wetter bis Barcelonnette. Kurzer Stopp dort für Zeitungs- und Snackkauf und weiter in sehr flottem Tempo runter bis zum Lac de Serre-Ponçon. Bis hierhin war es sehr easy, nun steht aber doch eine erste Steigung bis le Sauze-du-Lac an. Es geht recht ordentlich nach oben. Nicht einfach, vor allem weil nach kühlen 13 °C am frühen Morgen mittlerweile die Temperaturen längst wieder in Hitzebereiche geklettert sind.

In der Karte sind unweit von le Sauze-du-Lac direkt neben der Straße die Demoiselles Coiffées als Sehenswürdigkeit eingetragen. Ich bin früher schon mal von Süden aus kommend dran vorbei gefahren und hatte nichts Auffälliges gesehen bzw. nicht drauf geachtet. Heute stelle ich fest, dass es sich um Erdpyramiden handelt. Tatsächlich fallen diese unmittelbar nur ins Auge, wenn man wie ich heute aus Norden kommend drauf zu fährt. Weltbewegend sind sie jetzt nicht, den kurzen Besichtigungspfad nehme ich trotzdem noch mit.

Das einfache Profil und guter Rückenwind lassen ich mich heute in einem mittleren Geschwindigkeitsrausch durch die Gegend fliegen. Nach der Abfahrt zum See nach Savines-le-Lac und einem Teilstück auf der vielbefahrenen N94 (zwei längere Wellen) liegt der Schnitt in Embrun bei immerhin 30 km/h. Für einen Radreisetag sehr vorzeigbar, zumindest für meine Verhältnisse. Etliche Höhenmeter weiter ist es in Guillestre immer noch ein 29er Tagesschnitt. Richtig beängstigend.

Mein schöner Schnitt ist nun nicht mehr zu halten, denn durch die Gombe du Queras geht es weiter bergan. Am Ende sinkt er aber nicht ganz so ab wie „befürchtet“, denn die eigentlich fest eingeplante Stichstraße zum Sommet Bucher (2.210 m) fahre ich nicht durch. Zunächst gehe ich es aber an, schmeiße irgendwo vor Château-Queyras mein Gepäck in die Büsche und fahre los. Nach etwa 3,5 km geht der schlechte Asphalt in eine unschöne Schotterpiste über. Überhaupt nicht mein Fall. Berghoch geht ja noch, aber hier wieder runter zu rutschen verspüre ich keine Lust. Nach zwei weiteren Kehren ist keine Besserung in Sicht. Ich schenke mir den Rest und drehe um.

Nach der Abfahrt geht es dann mit Rückenwind (wie so oft heute) weiter das Guil-Tal hoch bis ins Ziel nach Abries. Der Ort gefällt mit gut. Es ist viel los, anscheinend vor allem bei Wanderern eine beliebte Destination.


Blick auf Château Queyras in der Auffahrt zum Sommet Bucher



Nett herausgeputzt – Abries

Fortsetzung folgt