Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall

von: Moarg

Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall - 29.10.15 21:16

Die nächsten vier Tage führten mich durchs Piemont.

Tag 09 (Di 21 Jul 15)
Bussoleno – Almese – Colle del Lys (1.311 m) – Viù – Lanzo Torinese – Levone – Pratiglione – Cuorgne – Ceresole Reale
143 km | 6:54 h | 20,7 km/h | 2.850 Hm
Ü: Camping Villa | 13,00 €

Die ersten 20 km bis Almese fliegen talabwärts im Eilverfahren dahin. Dann zum Colle del Lys, ein ziemlich anspruchsvoller Anstieg über immerhin knapp 1.000 Höhenmeter. Die Passhöhe ist ganz cool. Alles da, unter anderem auch eine ganze Batterie von Trinkwasserhähnen. Ich nehme mir etwas Zeit und wasche den Staub der Assietta-Kammstraße vom Fahrrad runter. Bin ansonsten nicht der große Radputzer, aber das sah wirklich unschön aus.

Für die Abfahrt gilt ein Tempolimit von 30 km/h. Zu Recht, denn der Straßenbelag ist in einem äußerst miserablen Zustand. Gut gefällt mir, obwohl ohne rechte Höhepunkte, die anschließende Fahrt entlang der Viù hinunter nach Lanzo Torinese. Ist eine schöne Talfahrt, rollt herrlich dahin.

In Lanzo dann geschmeidige 35 °C. Dazu setzt die sengende Mittagssonne meinen Armen zu, die ich mir gestern bei dem stundenlangen Rumgegurke in Höhenlagen über 2.000 m auf der Strade del Assietta schon leicht verbrannt hatte. Um die zu schützen, bleibt mir nichts anders übrig, als die lange Jacke anzuziehen. Bei den Temperaturen ist das kein angenehmes Fahren. Zudem ist das Profil bis Cuorgne sehr hüglig und kein Spaziergang. Besonders die Steilrampe nach Pratiglione, die ich wieder mal dem Navi bzw. meinem Car (Shortest) Track verdanke, hat es in sich. Ich muss ganz schön kämpfen da hinauf. Wäre mir als Kartenfahrer erspart geblieben, da hätte ich dieses winzige Sträßchen garantiert ignoriert.

Ab Cuorgne dann noch der lange Schlussanstieg über etwa 30 km und 1.200 Höhenmeter das Orco-Tal hinauf nach Ceresole Reale. Günstiger Wind und die Aussicht auf erträglichere Temperaturen treiben mich in scharfem Tempo nach oben. Und tatsächlich, in Ceresole Reale sind es angenehme 22 °C. Gegenüber gestern Abend fast schon kühl. Da waren es um 21 Uhr noch 30 °C!




Tag 10 (Mi 22 Jul 15)
Ceresole Reale – Colle del Nivolet (2.615 m) – Cuorgne – Castelnuovo Nigra – Lessolo – Quincinetto
119 km | 5:18 h | 22,5 km/h | 1.900 Hm
Ü: Camping Mombarone | 9,00 €

Gestern bin ich natürlich mit dem Hintergedanken Colle del Nivolet das Stichtal des Orco bis hier hinauf gefahren. Früh also erst mal ohne Gepäck der “kleine” Abstecher über etwa 1.000 Höhenmeter da hinauf. Das Wetter macht mir leider keine Freude, dabei sah es am Morgen noch ganz verheißungsvoll aus. Doch je höher ich die beeindruckende Straße nach oben klettere, desto mehr ziehen graue Regenwolken auf. Schade, das Panorama hätte richtiges Topwetter verdient. Aber wenigstens komme ich trocken bis nach oben.

Die Abfahrt ist dann im oberen Teil ziemlich verregnet bei lausigen 13 °C. Kurzzeitig befasse ich mich mit dem Gedanken, auf dem Campingplatz zur Aufwärmung noch mal unter die heiße Dusche zu springen. Verwerfe ich dann wieder bei über 20 °C und trockenen Bedingungen in Ceresole Reale.

Warm bleibt es, trocken nicht. Kaum habe ich zusammengepackt und den Campingplatz verlassen schüttet es richtig runter. Ich nehme deshalb ausgangs Ceresole Reale wie gestern auch den langen Tunnel. Eigentlich wollte ich heute mal die Möglichkeit einer Umfahrung erkunden, ziehe bei dem Regen natürlich für ein paar Kilometer die überdachte Tunnelvariante vor. Im weiteren Verlauf der Talabfahrt ein kurioser Wechsel von trockenen Abschnitten und Starkregen. Stört mich bei der Wärme aber nicht so sehr.

Die lange Abfahrt endet am Kreisverkehr vor Cuorgne, danach wird es wieder hügelig. Ist eine ganz passable Strecke, bei der mir das Wetter allerdings Sorgen macht. Zur Rechten in der Poebene sieht es gut aus. Zur Linken über den Bergen aber schwarzer Himmel. In Castelnuovo Nigra frischt dazu der Wind beängstigend auf, schon fliegen diverse Aufsteller umher. Ich suche mir einen schützenden Unterstand, um das drohende Unwetter auszusitzen. Prompt beruhigt sich die Lage wieder, so dass ich die einzige kritische Wettersituation der ganzen Reise unbeschadet überstehe.

Später führen mich die letzten Kilometer des Tages bei nun wieder schönstem Wetter und scharfem Gegenwind das auslaufende Aosta-Tal hinauf. Ein herrlicher Sommerabend dann auf dem sehr guten Camping Mombarone.


Anstieg Colle del Nivolet - Staumauer Lago Serrù



Leider regnerisch eingetrübt - das Nivolet-Panorama mit dem Lago Agnel und dem Lago Serrù



Nasse Abfahrt vom Colle del Nivolet - hier die Steilstufe unterhalb der Seen


Tag 11 (Do 23 Jul 15)
Quincinetto – Andrate – Croce Serra (853 m) – Donato – Biella –Oropa – Galleria di Rosazza (1.488 m)Valico di Bielmonte (1.514 m) – Coggiola – Alpe di Noveis (1.144 m) – Borgosesia – Varallo – Vallmaggia
132 km | 7:02 h | 18,8 km/h | 3.250 Hm
Ü: Camping Valsesia | 10,00 €

Talabwärts ein paar windige Kilometer, dann steht auch schon der erste Anstieg dieses sehr harten Tages an. Bis Andrate geht es in einem unrhythmischen Wechsel von sehr steilen Kurzrampen und flacheren Passagen aufwärts. Insgesamt nicht einfach, schöne Ausblicke zurück ins Tal gibt es auch. Die folgende Abfahrt ist ganz nach meinem Geschmack. Es ist einfach herrlich, auf der bis Muzzano sanft abfallenden Straße entspannt dahinzugleiten.

Ab Biella zieht es dann wieder ordentlich berghoch bis zur Santuario di Oropa. Anfangs harmlos entwickelt sich die Angelegenheit zunehmend zu einem ganz schön harten Knochen. Zumindest in der von mir gefahrenen Kurzvariante über Favaro. Die bedeutende Wallfahrtsstätte erreiche ich bei Nieselregen. Bei dem Wetter unterbreche ich natürlich gerne mal die Fahrt und sehe mich ein wenig in dem riesigen Komplex um. Die Gebäude sind imposant, ansonsten aber auch viel Touristenklimbim rund um den mir unverständlichen Madonnenkult.

Freundlicherweise hört der Regen dann bald auf, also weiter zur Galleria di Rosazza. Das bedeutet noch ein paar sehr schöne Bergauf-Kilometer. Die Straße ist nun sehr schmal, die Steigung aber nicht mehr so schwer wie zuvor bis Oropa. Oben dann ein stockfinsterer Scheiteltunnel. So was mag ich eigentlich gar nicht. Der hier ist allerdings nur 367 m lang, von da her kein wirkliches Problem. Gleich nach dem Tunnelportal befindet sich kleines Aussichtsrestaurant. Die Außentische stehen direkt auf der Straße, lustig anzusehen. Trotz Mittagszeit ist aber nichts los.

Die Abfahrt ins Cervo-Tal ist ein besonderes Stück, weil sehr schmal und mit einigen äußerst engen Spitzkehren. Dazu auch noch ziemlich steil. Wäre nicht der hervorragende Asphalt, hätte man hier eine echte Herausforderung vor sich. Ist aber auch so schon nicht einfach zu fahren.

Anschließend zur Abwechslung mal ein angenehm einfacher Anstieg zum Valico di Bielmonte. Die Panoramastraße gefällt mir sehr gut. Die Abfahrt nach Coggiola dann weniger, weil dunkel und mit sehr miesem Asphalt. Eigentlich könnte ich mich mit den bis jetzt gemachten Höhenmetern zufrieden geben, doch einen Anstieg geben die Bergstraßen-Datenbanken mit der Alpe Noveis noch her. Da kann ich selbstverständlich nicht dran vorbei rollen, also hoch. Lohnt sich eigentlich nicht wirklich, es sei denn man steht auf steile Abfahrten mit schlechtem Straßenbelag.

Nach dem nur noch leicht ansteigenden Schlusspart das Valsesia hinauf endet der Tag auf dem Camping von Vallmaggia. Kein schlechter Platz, untypisch für italienische Campings gibt es da sogar mal eine richtige Zeltwiese.


Sehr empfehlenswerter Platz - Camping Mombarone



Santuario di Oropa








Tag 12 (Fr 24 Jul 15)
Vallmaggia – Varallo – Passo della Colma (942 m) – Omegna – Armeno – Mottarone (1.439 m) – Stresa – Verbania – Laveno – Maccagno – Alpe di Neggia (1.395 m) – Vira – Gudo
154 km | 7:41 h | 20,1 km/h | 3.200 Hm
Ü: Camping Isola | 33,00 CHF (= €)

Zweiter sehr höhenmeterintensiver Tages in Folge. Nach kleiner Runde durch Varallo steht die Überfahrt des Passo della Colma rüber zum Ortasee am Anfang der Kletterei. Kurz vorm Pass leiste ich mir einen peinlichen Aussetzer. Beim Versuch nach einer Pause wieder aufs Rad zu steigen und mich in die Pedale einzuklicken kippe ich um und lande unsanft auf der Straße. Es ist zwar relativ steil da, leicht erschwerte Bedingungen gewissermaßen. Trotzdem –nach mittlerweile ein paar Jahren Übung sollte ich die Klickpedal-Nutzung eigentlich beherrschen. Zum Glück hat‘s keiner gesehen.

Während der eher unspektakulären Abfahrt nach Omegna ist hoch über dem gegenüberliegenden Ufer des Lago d’Orta bereits mein nächstes Ziel zu erkennen. Und es sieht respekteinflößend aus, denn der Gipfel des Mottarone liegt mehr als 1.100 Höhenmeter über dem Seeniveau. Am Ende geht das Ganze dann doch lockerer als befürchtet. Richtig schwer sind eigentlich nur die ersten, sehr steilen Kilometer nach Armeno. Oben gefällt’s mir sehr gut, den vielen anderen Ausflüglern sicher auch. Wetter passt, fast keine Bäume, dazu schöne Ausblicke auf Lago d’Orta und Lago Maggiore. Und viele Sendeanlagen, vor allem auf dem eigentlichen Gipfel des Mottarone (1.491 m) für den ich noch ein paar Meter hinauf laufen muss.

Die lange Abfahrt hinunter zum Lago Maggiore nach Stresa ist ganz gut ausgebaut und kein Problem. Eigentlich müsste ich nun mit etwas mehr Muße das besondere Ambiente des Lago Maggiore genießen, doch ich donnere im unvernünftigen Expresstempo weiter am See entlang nach Verbania. Ich gebe derartig Gas, weil ich dort mit der Fähre hinüber ans Ostufer nach Laveno will, ich aber nichts über die Fahrzeiten weiß. Will mich nicht ärgern, wenn ich wegen Bummelei die Fähre um wenige Augenblicke verpasse und dann ewig warten muss. Meine Sorge war unbegründet, denn die Fähre verkehrt im 20 min-Takt. Preis ist fünf Euro, finde ich in Ordnung. Ich warte gerade mal fünf Minuten und erwische die Fähre um 14:15 Uhr. Auch das ist bereits relativ spät, denn noch habe einiges vor.

Ab Laveno fahre ich weiter am See entlang nach Norden. Es ist nicht ganz flach, viele Galerien. Einige verlockende Badestellen muss ich wegen leichten Zeitdrucks ausschlagen. Habe mir halt in den Kopf gesetzt, heute noch über die Alpe Neggia zu fahren. Und ein 1.200 Hm-Aufstieg erfordert eben gewisse Zeit. Ab Maccagno geht es los. Sehr schwer ist es von dieser Seite nicht, aber es streckt sich. Die letzten vier Kilometer ab der Schweizer Grenze ziehen dann allerdings richtig steil hinauf.

Die Abfahrt von der Alpe Neggia nach Vira stürzt durchweg sehr rasant zu Tal. Unten sind noch ein paar flache Kilometer bis zum Camping Isola zu fahren. Dummerweise habe ich mir damit einen 4-Sterne Camping ausgesucht und darf sage und schreibe 33 Euro für die Nacht hinblättern. Fällt mir schon schwer, mich mit solchen Schweizer Hochpreisen zu arrangieren. Später leiste ich mir auf dem Camping noch eine Pizza. Selbstredend auch nicht zum Schnäppchenpreis. Als sparsamer Mensch ist es mir glaube ich noch nie gelungen, an einem Radreisetag über 65 Euro auszugeben. Heute habe ich es geschafft.


Blick auf den Lago Maggiore kurz vorm Mottarone



Mottarone



Laveno