Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall

von: Moarg

Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall - 01.11.15 11:57

Weiter mit dem vorletzten Teil.

Tag 13 (Sa 25 Jul 15)
Gudo – Passo Monte Ceneri (544 m) – Lugano – Menaggio – Gravedona – Chiavenna – Splügenpass (2.113 m) – Splügen
146 km | 7:15 h | 20,2 km/h | 2.850 Hm
Ü: Camping Auf dem Sand | 20,00 CHF (= €)

Nach regnerischer Nacht ist das Wetter am Morgen doch wieder sehr passabel. Recht spät starte ich dann in den nächsten langen Tag und rolle zunächst auf dem verwinkelten Schweizer Radwegenetz Richtung Monte Ceneri. Der Anstieg dann auf der normalen Straße. Er ist zum Teil recht steil, insgesamt aber keine große Schwierigkeit. Für die Weiterfahrt runter nach Lugano nutze ich weiter die Veloroute 3 (Nord-Süd-Route). Fährt sich sehr gut.

Ab Lugano folgt dann untypisch für meine Reise tatsächlich mal eine längere flachere Passage entlang der beiden Seen Lago Lugano und Lago di Como. Ist schon eine malerische Fahrt, gefällt mir super. Gerade am Lago Lugano ist zwar sehr viel Wochenendverkehr unterwegs, stört mich aber nicht weiter. Auch die Fahrt am Westufer des Comer Sees ist herrlich. Die vielen Tunnels kann ich fast alle umfahren.

Ganz ohne richtigen Pass lasse ich es natürlich auch heute nicht auslaufen. Nach knapp 110 einfachen Kilometern und bereits recht spät (nach 15:00 Uhr) beginnt ab Chiavenna dann der klettertechnische Ernst des Tages. Nach 2002 will ich noch mal zum Splügenpass. Heute über die Südrampe, die mit 30 km Länge und schlappen 1.800 Hm ja nun nicht gerade zu den einfachen Pässen zählt. Ich komme gut hoch. Als richtig schwer empfinde ich bei dort ganz hartem Gegenwind eigentlich nur die allerletzten Kilometer ab Montespluga. Hier auch ein regelrechter Temperatursturz, am Pass sind es dann nur noch 11 °C. Gefühlt ist es durch den Wind noch viel kühler.

An der Temperatur ändert sich bis Splügen nichts. Dazu kommt noch einsetzender Nieselregen, so dass ich in Splügen ziemlich durchgefroren bin. Da passt es gut, dass der Campingplatz einer aus dem oberen Regal ist. Beheizte Sanitär- und Aufenthaltsräume sind nach dem Finale doch sehr angenehm.


Lago Lugano - hier am östlichen Ende in Porlezza


Nordauffahrt Splügenpass


Tag 14 (So 26 Jul 15)
Splügen – Thusis – Alvaschein – Tiefencastel – Savognin – Julierpass (2.284 m) – St. Moritz – Samedan
93 km | 4:31 h | 20,6 km/h | 2.000 Hm
Ü: Camping Punt Muragl | 24,20 CHF (= €)

Der Morgen unangenehm kühl mit nur 8°C. Da passt es, das heute nur eine relativ kurze „Erholungsetappe“ ansteht und ich den Tag etwas gemächlicher angehen lassen kann. Sonderlich warm ist es aber auch um halb zehn noch nicht als ich aufbreche.

Einige kurze Gegensteigungen sind dabei, ansonsten geht es bis Thusis erst mal abwärts. Rofflaschlucht und Viamala hätte ich mir auf dem Weg durchaus mal angesehen. Für beides ist aber Eintritt fällig. Ich fahre dran vorbei, bin eh schon genervt von den Schweizer Preisen. Die Viamala ist ja ohnehin auch von der Straße aus hinreichend einzusehen.

Nach Pause in Thusis weiter Richtung Tiefencastel. Mal steigt es hart an, mal ist es flach. Insgesamt nicht sonderlich aufregend. Da ich mich auf der Schweizer Veloroute 6 (Graubünden-Route) bewege, nehme ich auch den schönen Schlenker über Alvaschein mit. Tiefencastel ist nur ein kleines Nest, hatte irgendwie eine andere Vorstellung.

Nun zum Julierpass. Die beträchtliche Anzahl an Höhenmetern wird in mehreren Stufen überwunden. Steil zu Beginn, dann ein längerer Flachteil, dann nochmal steil bis zum Marmorera-Stausee. Unmittelbar vorm See habe ich arg zu kämpfen mit einem haarsträubenden Gegenwind. Noch sind es gut vierzehn Kilometer bis zum Pass. Wenn das mit dem Wind so weiter geht, würde ich da keinen Spaß haben. Zum Glück ist es nicht so, denn im Schlusspart ab Bivio kann ich mich dann über Rückenwindunterstützung freuen. Kurios.

Die Bedingungen am Julierpass (windig, kühl) laden nicht zum langen Verweilen ein, so dass ich nach kurzem Aufenthalt runter ins Oberengadin rolle. In St. Moritz kann ich sonntags abends im Tankstellenshop noch das Nötigste einkaufen, dann sind es nur noch wenige Kilometer bis zum teuren Campingplatz.


Splügen



Kurz vorm Julierpass


Tag 15 (Mo 27 Jul 15)
Samedan – Pontresina – Passo del Bernina (2.328 m)Forcola di Livigno (2.315 m) – Livigno – Passo d'Eira (2.208 m)Passo di Foscagno (2.291 m) – Bormio – Passo di Gavia (2.621 m) – Ponte di Legno – Temù
123 km | 6:07 h | 20,1 km/h | 2.850 Hm
Ü: Camping Presanella | 13,00 €

Fünf 2000er Pässe an einem Tag kann man bei genehmer Streckenlänge wohl nur in dieser Gegend hier fahren. Die Variante heute über Bernina-Pass, Livigno und Gavia-Pass wollte ich 2011 in der anderen Richtung schon mal fahren. Habe ich damals bei Schlechtwetter ausfallen lassen müssen. Heute hingegen passt es super. Am Morgen zwar noch kühl, dafür aber blauer Himmel.

Die Anfahrt aus dem Oberengadin zum Bernina-Pass ist relativ einfach. Ich kenne sie bereits von meiner Tour 2002. Schon eine geniale Fahrt mit den Gletscherblicken zum Morteratsch und dem Hochgebirgspanorama im offenen oberen Teil. Mit dem Livigno-Abschnitt folgt dann wieder Neuland. Zunächst recht schwer, denn die Auffahrt zum Passo Forcola ist steil. Dann sause ich auf der hervorragend ausgebauten und fast kurvenlosen Straße runter nach Livigno. Gefällt mir super, auch der Ort. In der zollfreien Zone mangelt es natürlich nicht an Einkaufsmöglichkeiten, so dass ich den fälligen Vorratseinkauf auch erledigen kann.

Die anschließende Passfolge Eira - Foscagno ist nicht die große Herausforderung, aber auch sehr schön. Dann die lange Abfahrt nach Bormio. Oben läuft es herrlich dahin, im unteren Flachteil dann ein bösartiger Gegenwind. Zwischendurch laufen Straßenarbeiten und die Asphaltdecke ist auf einem längeren Teilstück aufgefräst. Mit Rennrad wäre es sicher noch schlimmer, aber auch mit meinen 35er Reifen ist das in diesem Bereich ein fürchterliches Abfahren.

Meine Suche nach Lebensmittel-Einkaufsmöglichkeiten im Zentrum von Bormio bleibt erfolglos und so muss ich fast ohne Vorräte weiter zum Gavia-Pass. Kein gutes Gefühl, in Santa Caterina finde ich dann aber wenigstens ein Bistro. Vom Anspruch her ist der Gavia natürlich eine andere Nummer als die im Vergleich dazu relativ harmlosen Anstiege zuvor. Vor allem oben sind harte Rampen dabei, einfach sieht anders aus. Interessant finde ich die kleine Radsport-Ausstellung im Pass-Rifugio. Hauptsächlich wird mit Fotos an die Giro d’Italia Gastspiele am Giavia erinnert.

Die Abfahrt nach Ponte die Legno ist kühl (13 °C am Pass) und wegen einem übervorsichtigen Autofahrer eine langwierige Angelegenheit. Der ist sichtlich überfordert mit der engen Straße. Wie immer fehlt mir die Aggressivität, mich an solchen Fahrkünstlern vorbei zu quetschen. Da bleibt eben nur ständiges und einigermaßen nervendes Anhalten.


Morteratsch



Lago Bianco am Passo del Bernina



Livigno





Tag 16 (Di 28 Jul 15)
Temù – Edolo – Megno – Monte Padrio (1.873 m) – Stazzonna – Tirano – Mazzo di Valtelina – Passo del Mortirolo (1.852 m) – Monno – Temù
105 km | 5:15 h | 19,9 km/h | 2.900 Hm
Ü: Camping Presanella | 13,00 €

Heute wird’s mit einem harten (Monte Padrio) und einem ganz harten Brocken (Mortirolo) noch mal besonders sportlich. Fahre ich passenderweise als Runde ohne Gepäck. Das Wetter stimmt erneut, angenehme Temperaturen, wenig Wolken.

Die Abfahrt nach Edolo ist schnell erledigt und nach einer längeren Pause dort geht es weiter Richtung Aprica. Nun bis Aprica durchzufahren wäre die einfache Variante. Heute habe ich anderes im Sinn und biege nach einigen Kilometern rechts ab hinein in den Hammeranstieg zum Monte Padrio. Was auf den nächsten knapp 8 km nun ansteht ist von der harten Sorte mit üblen Steilstufen bei einer Durchschnittssteigung von über 10 %. Auf so einer Straße tobt natürlich nicht der große Verkehr, ganz allein bin ich aber nicht unterwegs. An der steilsten Rampe (Schild 25 % - wohl doch etwas übertrieben) kommen drei junge Rennradler mit einem irren Tempo den Berg herunter geschossen. Mir wird schon beim Zusehen himmelangst, denn der Belag ist nicht der allerbeste. Ist mir schleierhaft, ich würde mich wohl nicht halb so schnell da runter bremsen. Hinten dran aber ein Begleitfahrzeug, die Jungs wissen also was sie tun. Für mich schon beeindruckend zu sehen, auf welchem Niveau echte Könner abfahren.

Der Scheitelpunkt der Straße läuft dann unterhalb des Monte Padrio (2.115 m) flach aus. Die Abfahrt ist zunächst auch sehr gemütlich. Das ändert sich in der von mir gefahrenen Variante über den Passo di Santa Cristina. Ab hier stürzt die Straße sehr steil zu Tal. Wegen dem schlechten Belag wieder mal schwierig zu meistern.

Unten Einkauf, dann mit Rückenwind weiter über Tirano bis Mazzo di Valtelina. Nun wird es hinsichtlich Steigung noch ein gutes Stück verrückter als vorhin am Monte Padrio. Der Kultanstieg zum Mortirolo ist schon ein absoluter Hammer. Ohne Gepäck komme ich aber doch ganz flüssig hoch. Zumindest so gut, dass ich kurz vorm Ziel einen Rennradler abhängen kann. Der junge Engländer kommt nicht umhin, mich am Pass zu fragen wie schwer denn mein Rad sei zwinker. Er ist locker drauf, muss jetzt noch zurück zu seinem Hotel nach Bormio.

Für mich bleibt noch die Abfahrt nach Monno, dann mit Rückenwind zurück zum hervorragenden Camping Presanella. Bereits vor 17:00 Uhr bin ich da. Ist auch mal sehr angenehm.


Monte Padrio - eine teilweise sehr steile Angelegenheit



Scheitelpunkt Monte Padrio – Blick Richtung Aprica



Hier beginnt der Spaß…


Fortsetzung folgt...