Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall

von: Moarg

Re: Alpenbogen Nizza – Bad-Reichenhall - 04.11.15 22:22

Hier noch die letzten vier Tage. Trentino, Südtirol und zum Abschluss über die Großglockner-Hochalpenstraße...

Tag 17 (Mi 29 Jul 15)
Temù – Passo del Tonale (1.833 m) – Fucine – Brez – Brezer Joch (1.397 m)Clozner Joch (1.695 m) – St. Pankraz – Lana – Völlan
121 km | 6:00 h | 20,1 km/h | 2.750 Hm
Ü: Camping Völlan | 15,00 €

Für die ersten Kilometer zwischen Temù und Ponte di Legno probiere ich mal den vorhandenen Radweg aus. Der ist gut zu fahren. Dann geht es unter bedecktem Himmel auf der Straße weiter hoch zum Tonale. Den Pass kenne ich schon, Skigebiet, viel Infrastruktur. In einem der zahlreichen Läden decke ich mich noch mit Vorräten ein, dann die schöne und sehr zügig zu fahrende Abfahrt bis Fucine. Danach geht es über viele Kilometer beständig leicht abfallend weiter das Tal hinab. Eigentlich sehr einfach, doch wie häufig in solchen Tälern bremst mich ein fieser Gegenwind aus. Die Fahrt deswegen doch etwas frustrierend.

Ab dem Ende des Tales fahre ich weiter auf mir schon bekannten Trentino-Pfaden Richtung Gampenpass mit Ausblicken auf den Stausee Lago di Santa Giustina und auf die weitläufigen Apfelplantagen. Dann das sehr harte Finale des Tages. Zuerst ist das Brezer Joch an der Reihe, von mir in der etwas leichteren Variante über Castelfondo gefahren. Leicht ist dem Fall allerdings das falsche Wort, die letzten drei Kilometer liegen bei knapp 12 %.

Nach längerer Abfahrt vom Brezer Joch steht noch der Übergang ins Ultental über das Hofmahdjoch an. Auch dies eine schwere, durchweg sehr steile Nummer. Oben raus beginnt es zu regnen, nicht gerade die angenehmste Passfahrt. Auf der anderen Seite des ersten langen Scheiteltunnels dann zum Glück aber trockene Straße. Das bleibt auch das ganze Ultental runter so.

Kaum das ich in Lana einrolle regnet es dann richtig stark. Ich flüchte erst mal unter einen Buswartestand und kann erst nach längerer Pause weiter. Das ich nun nochmal etwa 300 Hm bis ins Ziel nach Völlan klettern muss weiß ich. Auf dieses Dessert, welches ich vom Navi serviert bekomme, war ich aber nicht vorbereitet. Wieder mal ist es die direkte Variante, und die hat die Bezeichnung Rampe wahrlich verdient. Unglaublich, ich habe Mühe da überhaupt hochzukommen. Etwas „Positives“ hat diese Steigungsprozentorgie. Sie sorgt zusammen mit den auch nicht gerade einfachen letzten beiden Anstiegen dafür, dass im Ziel eine erstaunliche Tagesdurchschnittssteigung von 10 % auf dem Computer steht. Das ist seit Nutzung von Radcomputern mit Höhenfunktionen neuer Bestwert in meiner Radhistorie.


Unspektakuläre Passhöhe nach harter Rampe



Sehr ungemütlich am Clozner Joch



Regen in Lana


Tag 18 (Do 30 Jul 15)
Völlan – Andrian – Bozen – Blumau – Völs – Seis – Panider Sattel (1.437 m) – Lajen – Würzjoch (1.987 m) – San Vigilio di Marebbe
137 km | 7:24 h | 18,5 km/h | 3.550 Hm
Ü: Camping Al Plan | 15,00 €

Der höhenmeterintensivste Tag meiner Reise beginnt einfach mit einer zwei Kilometer langen Abfahrt runter zur Gampen-Passstraße. Diese Hauptroute nach Völlan steigt mit normalen Prozenten an und wäre gestern Abend die bessere Option gewesen. Die teuflische Rampe über den Völlaner Weg war mit Reisegepäck doch schon sehr heftig.

Ein paar erste Bergauf-Kilometer nun, dann folgt ein mir bereits von meiner Tour 2011 bekannter Abschnitt über Prissian und einer sehr steilen Abfahrt nach Nals. Anschließend gehe ich sogar mal unter die Radweg-Wanderer. Bis Bozen ist es der Etschtal-Radweg, anschließend bis Blumau der Eisacktal-Radweg. Fährt sich schon ganz gut. In diesem Abschnitt bewährt sich auch mal das Navi, gerade durch Bozen hätte ich mich wohl kaum ohne durchfitzen können.

Ab Blumau wird es dann endlich wieder bergig, der Anstieg bis Völs ist aber nicht übermäßig schwer und fährt sich sehr gut. Schöne Strecke, etwas viel Verkehr. Nach ein paar weiteren Kilometern bei nur noch minimaler Steigung erreiche ich Seis. Vor allem der Abzweig zur Seiser Alm ist mir sehr vertraut, denn seit nunmehr etlichen Jahren verbringe ich meine Skiurlaubswoche da oben. Die Seiser Alm ist irgendwann vielleicht auch mal ein Fahrrad-Ziel für mich, heute fahre ich aber über Kastelruth und den Panider Sattel weiter rüber ins Grödner-Tal. Herrliches Wetter in dieser Phase.

Vor der Anfahrt zum Würzjoch werden etliche der zuvor mühsam über Lajen erkämpften Höhenmeter per steiler Abfahrt nach Gufidaun wieder verschossen. Irgendwoher muss die beachtliche Aufstiegsbilanz des Tages ja kommen. Das Würzjoch fährt sich über die Variante Villnößtal sehr unrhythmisch. Vor allem die steilen Passagen ab St. Peter sind nicht ohne. Oben raus zieht sich die Wolkendecke immer mehr zu und verhüllt so leider zum Teil die markanten Dolomitengipfel südlich der Straße.

Die Abfahrt nehme ich über die Kurzvariante Strada Miri. Keine gute Wahl, weil äußerst steil bei fragwürdigem Straßenbelag. Über San Martino oder besser noch direkt nach Zwischenwasser/Longega wäre wohl schlauer gewesen. Im Schlussspurt dann aufkommende Regen-/ Gewitterneigung, doch ich schaffe es noch trocken bis zum Camping. Später dann anhaltender Regen.


Prissian



Schlern von Völs aus gesehen



Anstieg Würzjoch kurz nach St. Peter


Tag 19 (Fr 31 Jul 15)
San Vigilio di Marebbe – Furkel Sattel (1.757 m) – Olang – Antholz – Staller Sattel (2.052 m) – Huben – Lienz – Iselsberg Pass (1.209 m) – Döllach
129 km | 6:12 h | 20,8 km/h | 2.400 Hm
Ü: Camping Zirknitzer | 9,20 €

Früh ist es überhaupt nicht angenehm. Nasskalte 10 °C und tiefhängende Wolken nach Regenschauern in der Nacht. Ich argwöhne schon, dass es mich nach fast drei Wochen Sommerwetter nun doch noch mit einem richtigen Schlechtwettertag erwischt hat. Egal, erst mal los mit einer kurzen Abfahrt vom Camping nach San Vigilio. Und schon da friere ich, obwohl ich fast alle Klamotten angezogen habe.

Für die nächsten Kilometer ist Frieren erst mal kein Thema mehr. Es geht nun bergan zum Furkelpass, und das ziemlich heftig. Hatte ich so nicht auf der Rechnung. Hat auf jeden Fall nichts zu tun mit einem einfachen Aufgalopp, auf den ich mich innerlich eingestellt habe. Nach dem Pass reißt die dicke Wolkendecke zusehends auf. Ich atme auf, denn wider Erwarten scheint es sich nun doch noch in Richtung Schönwettertag zu entwickeln. Die Abfahrt dann bereits bei Sonnenschein, trotzdem aber sehr kühl. In Olang setze ich mich erst mal in die Sonne und versuche mich aufzuwärmen. So richtig gelingt mir das nicht. Dabei laufen die Leute bereits wieder in kurzen Klamotten durch den Ort.

Auf Betriebstemperatur bin ich erst wieder im Anstieg zum Staller Sattel im ersten steileren Abschnitt zwischen Antholz und dem Antholzer See. Das Wetter ist jetzt traumhaft, die Landschaft sowieso. Nach kurzer Stippvisite am Biathlonstadion lege ich eine längere Pause am See ein. Herrlich. Ebenso sehr schön dann auch der letzte Abschnitt ab dem See hoch zum Pass. Oben wartet eine ganze Kolonne von Motorrädern auf ihr 15 min-Durchfahrtfenster Richtung Antholzer See ab 14:00 Uhr. Einige der Biker spenden mir sogar Applaus. Trägt auch mit zur tollen Atmosphäre auf dem Staller Sattel bei. Auf jeden Fall eines der Highlights der Reise.

Eigentlich hatte ich mich drauf gefreut, ab dem Passo Stalle mühelos bis Lienz dahinzufliegen. Es geht ja über diese 55 km fast nur bergab. Von dahinfliegen kann dann ganz und gar nicht die Rede sein, denn fast auf der ganzen Strecke muss ich mich mit einem harten Gegenwind auseinandersetzen. Etwas besser wird es erst, als ich für die letzten Kilometer bis Lienz auf den sehr gut zu fahrenden Isertal-Radweg wechsele. Ist doch deutlich windgeschützter als die offene und sehr breite Straße.

Ab Lienz ist dann noch mal etwas Arbeit über den Iselsbergpass angesagt. Danach geht es recht einfach bis ins Ziel in Döllach. An der Rezeption des Campingplatzes erlebe ich dann einen kleinen Schreckmoment, denn ich kann meinen Ausweis einfach nicht finden. Gestern in St. Vigilio hatte ich ihn ebenfalls vorzeigen müssen, da war er noch da. Kann ihn eigentlich nur dort liegengelassen haben. Ein Anruf da bestätigt meine Vermutung. Ein paar Tage nach meiner Rückkehr hatte ich meinen Ausweis dann in der Post zurück.


Abfahrt vom Furkelpass nach Olang



Staller Sattel (2.052 m)





Tag 20 (Sa 01 Aug 15)
Döllach – Heiligenblut – Franz Josefs Höhe (2.370 m)Hochtor (2.504 m) – Fusch – Zell am See – Saalfelden – Lofer – Bad Reichenhall
153 km | 7:17 h | 21,0 km/h | 2.650 Hm
Ü: Camping Staufeneck | 10,70 €

Am letzten Reisetag meine Premiere auf der Großglockner-Hochalpenstraße. Die Wetterlage am Morgen leider höchst durchschnittlich mit tiefhängender Wolkendecke. Relativ kühl ist es auch, und so fahre ich erst mal etwas lustlos nach Heiligenblut. Direkt am Beginn der Hochalpenstraße kaufe ich im Supermarkt noch etwas Proviant ein. Eine Mitarbeiterin des Marktes lässt gegenüber ein paar Touristen die Bemerkung los: „Oben soll‘s brutal schee sei“. So richtig fehlt mir der Glaube, doch etwas Enthusiasmus ist zurück.

Etwas nach 9:00 Uhr fahre ich los und sehe bis kurz vorm Kasereck nicht wirklich viel. Ziemliche Trübnis. Ich bin schon kurz davor, den Abstecher zur Franz Josefs Höhe zu streichen. Dann doch leichte Besserung und so siegt der Ehrgeiz. Gute Entscheidung, denn die Wolken heben sich immer mehr und an der Franz Josefs Höhe dann doch bereits sehr brauchbare Sicht. Von brutal schön, wie von der guten Frau angekündigt, habe ich trotzdem eine andere Vorstellung. Da sollte sich dann auch mal die Sonne zeigen. Das ist nicht der Fall. Hat sich auch den ganzen Tag nicht mehr geändert.

An der Franz Josefs Höhe bestaune ich natürlich nicht alleine das Panorama mit Großglockner und Pasterze. Ist schon ordentlich Wochenend-Trubel, dabei war bis hier hoch eigentlich überraschend wenig Verkehr unterwegs. Radfahrer gar keine, die Ersten begegnen mir erst in der kühlen Abfahrt von der Franz Josefs Höhe zurück zur Glocknerstraße. Anderes Bild in der anschließenden schweren Auffahrt zum Hochtor. Hier ist jetzt doch richtig was los auf der Straße. Unter anderem ist neben mir natürlich auch eine stattliche Anzahl an Rennradlern am Kämpfen mir der heftigen Steigung. Oben 9.8 °C. Geht noch, da hatte ich heute Morgen Schlimmeres befürchtet.

Nach kurzer Abfahrt und happiger Gegensteigung zum Fuscher Törl ist die Motivation auf weitere schwere Höhenmeter eigentlich kaum noch vorhanden. Unverrichteter Dinge will ich dann aber doch nicht in die Abfahrt gehen, und so nehme ich wie geplant auch noch die gepflasterte Stichstraße zur Edelweißspitze mit. Der höchste Punkt der Straße ist gleichzeitig auch die letzte echte Schwierigkeit der Reise. Ist schon ein gutes Gefühl, da oben zu stehen.

Nach 14:00 Uhr wird es doch langsam Zeit, dass ich mich von den Panoramablicken der Edelweißspitze verabschiede. Noch sind 105 km bis ins Ziel zu fahren, und wie eigentlich immer wollte ich vor 19:00 Uhr schon da sein. Am Ende schaffe ich es, muss aber ganz schön reinhauen. Der Wind weht wieder mal ungünstig, vor allem auf dem Teilstück zwischen Saalfelden und Lofer. Davor in Zell am See ein nerviger Stop-and-go-Verkehr, unfassbar was an Autos durch den Ort rollt. Die immer mal wieder vorhandenen Radwege ignoriere ich in meiner selbstauferlegten Zeitnot. Dann endlich nach langer Etappe der Campingplatz. Nach drei Wochen so intensiver Bergarbeit sind die Beine schwer und die Knie schmerzen auch ein wenig. Bin froh, das Ende erreicht zu haben.





Franz Josefs Höhe









Blick von der Edelweißspitze zum Fuscher Törl