Re: Zum EV 6 und bis Mulhouse

von: Fricka

Re: Zum EV 6 und bis Mulhouse - 17.09.16 06:51

22.5.2015 Samstag

Unsere diversen Nachbarn laufen nun alle in Fahrrad-Montur herum. Rennräder werden bereitgestellt. Es bilden sich Gruppen. Nachdem wir unseren Hausstand auf die Räder verladen haben, kann ich also leicht fachmännischen Rat in Sachen heutiger Reiseroute einholen. Unsere Räder werden neugierig inspiziert. Einige möchten sich unbedingt damit fotografieren lassen. Eine Gruppe Tandemfahrer formiert sich ebenfalls.

Unser Navi bringt uns komplikationsfrei quer durch Amiens bis nach Salouel, wo wir auf die Selle treffen, der wir weiter folgen. Wir unterqueren die Autobahn und treffen auf ein breites Tal, wo wir mehr oder weniger in Sichtweite der Selle durch idyllische Dörfchen folgen. In Plachy-Buyon wechseln wir auf die andere Flussseite und folgen der D8. Langsam wird das Tal enger und die Straßenführung dadurch welliger.

Es ist ruhig und grün. Wir halten an einer alten Kirche, um auf einer Bank gegenüber ein Picknick einzulegen. Kaum mal fährt ein Auto vorbei. Bald ändert sich die Landschaft. Wir nähern uns der Quelle der Selle, die hier Celle heißt. Fontaine-Bonneleau ist da schon ein vielversprechender Ortsname. Wenn auch orthografisch etwas originell. Die Quelle liegt aber erst bei Catheux. Von hier aus geht es nun durch ein langgezogenes Tal steiler nach oben.

Es gibt hier begleitend eine stillgelegte Bahnstrecke, die als Wanderweg ausgebaut ist. Wahrscheinlich hätten wir sie nehmen sollen. So müssen wir uns etwas abmühen, erreichen aber bald Crèvecoeur-le-Grand. Ein Wallfahrtsort wie der Name schon vermuten lässt. Das Städtchen sieht recht nett aus, wir fahren aber nur durch, da wir den Nachmittag in Beauvais verbringen wollen.

Hinter Crèvecoeur geht es auf einer gut ausgebauten und stärker befahrenen Straße weiter über eine Art Hochebene, die kontinuierlich in Richtung Beauvais abfällt. Man hat einen weiten Fernblick. Und wir nehmen eine erhebliche Geschwindigkeit auf. Bald kommen die Türme von Beauvais in Sicht.

Wir bummeln durch das Stadtzentrum, bewundern die Fachwerkhäuser, und erledigen ein paar Einkäufe. Irgendwann treffen wir auf die Touri-Info. Tatsächlich gibt es in der Nähe von Beauvais keinen Campingplatz. Der nächste liegt in Besles – 15 km in die falsche Richtung. Das ist uns zu weit. In unserer Richtung liegt der nächste noch weiter entfernt. Trotzdem entschließen wir uns dazu, den aufzusuchen.

Zunächst einmal besuchen wir aber noch die spektakuläre Kathedrale. Es steht nur der Chor. Aber die meisten anderen Kathedralen würden da reinpassen. Weiter ist nicht gebaut worden, da von Anfang an Einsturzgefahr bestand. Heute wird sie von riesigen Stahlkonstruktionen gehalten.

Da es nun schon nach 18 Uhr ist, brechen wir auf. Der Übernachtungsplatz liegt in Le Coudray Saint-Germer. Unser Navi wird uns da schon irgendwie hinbringen. Außerdem haben wir in der Touri-Info einen Radwegplan bekommen. Wir folgen einem davon, der so etwa in unsere Richtung führt. Nachdem wir durch einige Dörfer gekurvt sind, fahren wir durch den Wald auf einem Weg, der irgendwie nach Bahnradweg aussieht. Jedenfalls ist er gut ausgebaut und führt durch relativ ebenes Terrain.

Wir kommen am Parc Saint-Paul vorbei. Ein riesiger Vergnügungspark, der praktischerweise gerade schließt, als wir vorbeikommen, so dass wir uns durch eine Menschenmenge schieben müssen, die auf dem Weg zu den Parkplätzen ist. Daneben befindet sich ein ebenso riesiges Einkaufszentrum, in dem wir uns mit dem versorgen, was wir am Abend kochen wollen. Und dem nötigsten für das Frühstück.

Wir folgen dem Radweg weiter, weil er sich so gut fährt. Er führt zwar nur in etwa in unsere Richtung, aber immerhin. Erst bei La Chapelle-aux-pots biegen wir ab Richtung Saint-Aubin-en-Bray. Es geht sanft aufwärts. Als unser Navi meint, dass es nicht mehr sehr weit sei, baut sich vor uns ein Berg auf. Sollen wir da etwa noch drüber? Vor uns sehen wir die Straße, die die Steigung mit einer langgezogenen S-kurve nimmt. Weiter und weiter geht es nach oben. Le Coudray liegt nicht auf der anderen Seite, sondern oben drauf. Als wir den Ort erreichen, ist es schon spät.

Im Dorf gibt es einen Wegweiser Richtung Camping à la Ferme. Ein passendes Schild hängt irgendwann an einem Tor. Das Gras auf dem Weg dahinter ist etwa einen Meter hoch gewachsen. Wir arbeiten uns durch. An einer Hütte hängt ein Schild mit „Reception“. Aber es ist niemand zu sehen. Auf dem Platz gibt es etliche leere Stellplätze mit Hecken drumherum. Die meisten sind nicht gemäht. Auf etlichen lagert Müll. Auf der anderen Wegseite gibt es die üblichen Mobilhomes. Zwei sind belebt. Eine Frau erklärt uns, wir sollten uns nur einfach niederlassen. Vielleicht käme irgendwann jemand, vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall würden wir niemanden stören.

Leider haben wir kein Benzin mehr. Können also nicht kochen. Als unsere Nachbarin das feststellt, bringt sie uns einen Topf Tomatensuppe. Dazu haben wir Baguette und Käse. Auf der Parzelle stehen zwei Gartenstühle. Wir machen es uns gemütlich. Natürlich nicht vor dem Duschen. Wir finden ein kleines Sanitärhäuschen, das überraschend liebevoll gestaltet ist. Nach einer heißen Dusche sieht sowieso die Welt gleich ganz anders aus.