Re: Podgorica nach Istanbul mit Prolog

von: veloträumer

Re: Podgorica nach Istanbul mit Prolog - 10.11.17 12:37

In Antwort auf: Keine Ahnung
Ich habe ein "bildhaftes Gedächtnis".
...
Ich kann mir offensichtlich die zweidimensionale Anordnung von Orten, Ländern usw. nicht einprägen. Ebenfalls eine unangenehme Sache.

Das widerspricht sich allerdings etwas. Ich schreibe mir auch ein solches bildhaftes Gedächtnis zu und kann mir daher sehr gut geografische Anordnungen von der Landkarte her merken. (So konnte ich mir auch das Bild gedrückter Tasten am Klavier merken, hatte aber keine Notenkenntnisse.) Ich habe allerdings schon immer Atlanten und Erdkunde gemocht. Ich kann die Lahe der Orte auch meist gut zuordnen, was aber nicht heißt, dass sie mir immer namentlich einfallen. Das ist sogar mittlerweile kritisch an der Grenze zum Alzheimer. Manchmal kann ich dir über Personen oder Orte ganze Geschichten erzählen, aber mir fällt der Name nicht ein. Manchmal dann aber wieder einen Tag später. Ich glaube das ist etwas der Google-Mentalität geschuldet - man sucht sofort im Web nach einem fehlenden Begriff etc., ohne noch das Gedächtnis lange zu bemühen.

Mit der Landkarteneinprägung dürfte es ähnlich sein. Ich benutzte halt Landkarten und damit komplexe topografische Übersichten weit mehr als der laut schreibende Forumsdurchschnitt, der nur noch mit roten Linien auf einem kaum lesbaren Display fährt. Meine geplanten Routen sind Ketten von Ortsnamen (als Roadbook sozusagen) und keine Digitalspuren, der man auch blind folgen kann, weil sich das Gerät meldet, wenn man falsch abzweigt. Auf gezoomten Karten entsteht keine Bildruhe mehr, es prägt sich weniger gut ein und oft werden sogar wichtige geografische Namen ausgeblendet.

Es ist müßig über Vor- und Nachteile zu diskutieren, jedoch ändert jedes System das Gehirn - und zwar recht schnell. Dessen sollte man sich zumindest bewusst sein. Es ist auch naheliegend, dass zunehmend Digitalwissen in die Schulen drängt, was wiederum klassisches Wissen wie Geografie zurückdrängen kann bzw. geografisches Wissen sich verändert von Landkartenbetrachtung zur Auswertung von Daten usw. Andererseits kommt manchmal wieder altes Wissen nach oben, etwa die Navigation, eine alte Seefahrerkunst und heute vereinfacht in GPS-Geräten für fast jeden Alltagswissen.

In Antwort auf: Keine Ahnung
Ich bewundere immer Matthias (Veloträumer), der offensichtlich ein sehr gut ausgeprägtes Ortsgedächtnis hat

Ich möchte ungern einen Mythos entzaubern, wenn er mir schmeichelt wie dieser. lach Neben oben bereits Gesagtem zur Entzauberung sind meine Ortskenntnisse natürlich auch deswegen besser, weil ich mich seit Jahren in einigen bevorzugten Gegenden mehrfach aufhalte, manche Gegenden sind mir gar aus Kindertagen vertraut. Ganz neue Regionen, evtl. neue Sprachen, bereiten mir dann auch weit mehr Schwierigkeiten - so etwa wie im letzten November in Tschechien.

Schließlich kommt die Vor- und Nachbearbeitung meiner Reisen dazu, die intensiver ist als beim Durchschnitt. Nicht nur, dass anliegende Ortsnamen in verschiedenen Bearbeitungsstufen immer wieder auftauchen, auch muss ich meine langen Texte grins häufiger Korrektur lesen als der Durchschnitt. Dazu kommt aber auch das Lesen von Fremdliteratur, was geografisches Wissen erfordert - sowohl in Fachbüchern über die Regionen als auch in der Belletristik von Literaten aus den Regionen. In der fiktiven Literatur erscheinen Orte oft nur schemenhaft oder angedeutet - da ist es gut zu wissen, wenn man Kenntnisse hat, aus denen man dann ableiten kann, um welche Orte es sich handeln kann oder muss. Sprache und Namen sind also auch immer Kulturelemente, Träger von Wissen und von Geschichte. Damit entstehen Bezüge, sodass Ortsnamen nicht nur nackte Namen sind, die das Gedächtnis sich schlechter einprägen kann als ein Geflecht von Wissen oder von Geschichten.

Dazu eine Anekdote: Lange Zeit habe ich bei der Post Briefe sortiert, Straßennamen waren Postbezirken zuzuordnen. Das gelang mit u.a. dadurch, dass ich mir Geschichten ausgedacht habe, in denen ich Straßenamen oder Teile davon zu einem Bezirk ausgedacht habe. Also ließ ich z.B. ein Mädchen auf dem Heidemoosweg laufen und Lilien pflücken (Lilienthalstraße), die sie zum Friedhof (Friedhofstraße) bringt usw. usw. Das ist intuitiv das gemacht, was auch Gedächtnistrainer immer wieder empfehlen.