Re: Alpes Occidentales „PACA“

von: veloträumer

Re: Alpes Occidentales „PACA“ - 16.11.18 20:07

PACA-6 Parc Naturel Régional du Queyras & Embrunais

Ceillac, Raureif, 2 °C, Zelt noch im Schatten, Leuchten des Bergsommers an den hohen Flanken, die Häuser des Ortes wärmen schon die Steine, die Bergvölker wissen um die besten Einfallswinkel der Sonne. Auch in Ceillac hat man Sonnenuhren, ziert aber die Fensterbänke auch gerne mit lustigen Männchen aus Blumentöpfen und Stroh. Obwohl noch morgens früh, gelte ich hier als Spätaufsteher, wo Wanderer in den kleinen Herbergen und Pensionen nächtigen. Der Klientel angemessen gibt es mindestens zwei Sportgeschäfte mit Wanderstiefeln, Trekkinghosen und anderen Accessoires zu alpinen Aktivitäten. Am Vormittag schwärmen wie Geiervögel sogar Gleitschirmflieger über dem Hochplateau des Ortes.

Mo 3.7. Ceillac - La Raille - Parking de Chaurionde (1967 m) - La Raille - Ceillac - Le Pont de Pierre - Combe du Queyras - Col de l'Ange Gardien (1493 m) - Le Collet (1390 m)/Château Queyras - Aiguilles - Abries
49 km | 880 Hm | 4:04 h | 11,8 km/h

AE: R La Fenierre: Salat m. Schinken, Lammkotelett, Kroketten, Kartoffeln, Käse, Frischkäse m. Heidelbeeren, RW, Cafe 28,70 €
Ü: C Queyras Caravaneige 9,20 €

Ich hatte Ceillac abends noch mit großer Verve erreicht, an den Vauban-Mauern von Mont-Dauphin vorbei, die untere Queyras-Schlucht, die hier eigentlich Combe du Guil heißt, die kräftigen Serpentinen in das fast abgeriegelte Nebental, dessen großes Panorama sich erst mit Ceillac öffnet. Bei dem schweißtreibenden Kampf um das Anrecht einer noch warmen Mahlzeit wurde ich immerhin noch mit einer herzhaften Tartiflette belohnt. Die Kohlehydratspeicher scheinen jedoch nicht ausreichend gefüllt, der Tag verläuft im Müßiggang zu gutem Teil an den rauschenden Wassern der Guil. Für die Wanderung zum Lac Ste-Anne fehlte mir am Straßenende der Antrieb, obwohl ein schattiger Lärchenwald wartete. Überhaupt ist der Exkurs über Ceillac hinaus landschaftlich sehr verwandt mit der Nordseite des Col d’Izoard – wenn auch mit weniger ausgeprägten Geröllhalden – mehr Grün als Mars-Landschaft.



Über Château Queyras und Ville Veille hinaus schleicht man ziemlich flach und zuweilen sehr geradlinig ins Monviso-Land. Weite grüne Bergwölbungen erinnern an Pyrenäen oder die Nockberge. Den hübschen Orten Aiguilles oder Abries fehlt es nicht humorigen Details, Abries ist dabei regensicher ausgestaltet – jedenfalls hat man große Mengen bunter Regenschirme über die Straßenzüge gehängt. Dieser Outdoorkunst scheint einer gewissen Mode zu unterliegen – ich fand solcher Art Installation schon 2013 in Kotor, Montenegro, vor, und auch in Portugal ist darüber zu lesen und jüngst in Rot-Weiß in Bayonne. Die Sackgasse in Richtung Monviso endet für mich früher als erwartet, zu mühselig erscheint mir der Weg kurz nach Schotterbeginn. Das Guil-Tal im Ristolas-Naturparkgebiet ist nicht spektakulär, aber für die Entschleunigung wie geschaffen. Auch hier ein Ende der Welt, so darf man vermuten.

Di 4.7. Abries - Ristolas - L'Echalp - Roche Ecroulée (1780 m) - Ristolas - Abries - Ville Vieille - Molines-en-Queyras - St-Véran (2042 m) - Pierre-Grosse - Ville Veille - Le Collet (1390 m)/Château Queyras - Col de l'Ange Gardien (1493 m) - Guillestre
80 km | 1130 Hm | 5:57 h | 13,3 km/h

AE: R Dehan Dehors: Ente m. Aprikosenchutney, Kartoffel, Gemüse, Feigenkompott m. Likör/Eis/Blumen, RoséW, Cafe 34,90 €
Ü: C La Ribière 11,20 €

Es wartet schon ein weiteres Ende der Welt – die höchste Gemeinde Europas. Dazu schwenkt man in Ville Veille auf die Anfahrt zum Col d’Agnel ein. Nicht aber ohne einen Besuch der Verkaufskooperative für regionale Produkte in Ville Veille. Das krokantige Aroma der gerösteten Kekse war mir über Jahre in Erinnerung geblieben. Die gibt es immer noch direkt aus der Fabrikation und der Laden nebenan hat das Sortiment nicht nur erweitert, sondern auch exklusiver gestaltet. Wohnaccessoires und Schmuck sind schon teils gehobene Produkte, die den Geldbeutel nicht schonen.

Nicht essbar, aber immer in Blickfang der Pilzfelsen zur Seite der Auffahrt. Von l’Adret aus hat man dann die Möglichkeit, St-Véran auf einem Rundkurs zu erschließen, der sich abseitig zur Col-d’Agnel-Route (die nach Italien führt) ergibt – hier quasi als Höhenendschleife des Exkurses gefahren. Zunächst geht es in den Mühlenort hinunter ins Tal, bevor der Anstieg wartet. St-Véran kündigt sich früh an mit einigen Ferienhäusern oder Pensionen. Die erste Sonnenuhr kündigt Esel an, die dann auch gleich leibhaftig von der Weide den Radler fragend beäugen. Erreicht man den geschlossenen Ortsteil, der sich durchgehend am Berg hochzieht, bündeln sich mehr und mehr Bergkneipen mit seltsamen Gehänge wie Tierpfoten oder historisch verwitterten Nike-Schuhen, der Zapfhahn fürs Bier in Holzbohlen eingehauen, Brotkulturmuseum, Klimbim, das regionale Ristolas-Bier und natürlich immer wieder Sonnenuhren. Die stabige Holzbauweise erinnert an Walsersiedlungen in den Walliser Alpen oder auch das altbairische Sauris-Tal im Friaul. Diese Facetten aus Müßiggang, das Schlendern durch das kuriose Flohmarkt-Sammelsurium, die zu Schweigen verpflichtenden Kulissenblicke über rissige Ziegeldächer, das beseelte Plaudern an verwitterten Holztüren, der lebensgezeichnete Stockschritt des Buckligen, die knarzenden Bohlen in den Ateliers mit Kunst und Genussmomenten, das quellfrische Plätschergeflüster der Dorfbrunnen, und diese göttliche Nähe des Firmaments – das evoziert hier den stillen Gesang von Lebenskunst der Tagesweil, wohl nur verlängert um den Abendchor des Engelrauschens, das es hier geben muss, wenn sich Nacht legen wird.



Der Sturz hinunter ins Tal zurück nach Guillestre entreißt mich jäh aus den Träumereien, mein schlagartig arthritisch entzündeter Fußknochen erinnert an des Teufels Erde, die jeden Engelschor zu entzaubern vermag. Doch das Gaumenlabsal einer süßlich marinierten Ente lässt das Pendel wieder zu den Höhepunkten ausschlagen. Im quirligen Restaurant wird jeder Platz gefüllt, ohne dass die okzitanische Freundlichkeit darunter leidet – kein Wunder, lädt hier ein Fahrrad in die Gastwirtschaft ein. Eine Empfehlung.

Mi 5.7. Guillestre - Risoul - Station de Risoul (1850 m) - Col de Valbelle (2377 m) - Route des Florins/La Bergerie - Pramouton - Col de la Cloche (1791 m) - (St-André d'Embrun) - Le Villard - Crévoux (+)
56 km | 2010 Hm | 7:06 h | 8,0 km/h

AE: H/R Le Parpaillon: Salat m. Kartoffeltaschen, Schnecken in Kräuterbutter, Melone m. Sirup (spendiert vom Gastwirt wegen langer Wartezeit), Kaffeekuchen m. Vanillesauce & Erdbeeren 40,50 €
Ü: C frei

Ein Abend später – Crévoux, biederes Hotelambiente, der Magen knurrt nach dem Hauptgericht. Ich ordere als Nachschlag Schnecken – was könnte besser passen zum langsamen Fortgang der Tagesstrecke? Und das ganz im Gegensatz zur plakatierten Hommage an verschiedene Radsportlegenden – Contador, Pantani, viele mehr – auf der Straße nach Risoul 1850, den Skiort oberhalb Guillestre, auf der ich den Tag eröffnete. Die Randvegetation ist eher bescheiden, doch überwältigt immer wieder das Panorama – die Vauban-Festung, die Schneegipfel vom Écrins-Massiv in der Ferne. Der vornehmliche Skiort ist erstaunlich gut auch auf Sommergäste vorbereitet. Mountainbikes und E-Bikes zum Verleih, einige Läden halten offen, auch Sportgeschäfte. Für die richtige Anfahrt zum Col de Valbelle braucht man etwas Orientierungssinn. Die Ausschilderung ist lückenhaft und die Auskünfte der Gäste oder Einheimischen sind vage bis unbrauchbar – sogar von der Touristinfo. Tatsächlich sind die Wege dort aber nicht unbekannt, sogar eine Familie kommt mir mit wohl geliehen Mountainbikes entgegen. Evtl. wird auch per Seilbahn aufgefahren und dann Downhill über den Col de Valbelle runtergerollt.



Es gäbe auch eine Pistenalternative in Richtung Vars, vielleicht auch direkt zum Col de Vars. Die Pisten hier sind aber originär Skipisten, führen blumige Fantasienamen. Die auf Karten vermerkten geografischen Bezeichnungen wie etwa Col de Valbelle fehlen. Mit dem Abzweig zur Route des Florins wird der Schotter gröber, der Abstieg sehr ruppig, eine Auffahrt härter als zur von mir gewählten Richtung. Motocrosser, derer einige wenige unterwegs sind, haben natürlich eher Spaß dabei. Martialische Warnhinweise verwirren, ob die Route überhaupt befahrbar ist. Soweit meine Sprachkenntnise reichen, wird jeodch wohl nur vor der langen Distanz ohne Verpflegungsmöglichkeit gewarnt.

Ist der Aufstieg zum Col de Valbelle eine offene, zuweilen öde Berglandschaft mit großen Panoramen – neu gebaut eine Sonnenterrasse mit Holzliegen –, so entwickelt sich die Abfahrt blumen- und waldreich, auch ein Bergbach kreuzt den Weg. Mitten im Kiefernwald liegt bereits der Col de la Coche, nunmehr wieder Asphalt unter dem Pneu – aber was für einer! – Man hüpft von Schlagloch zu Schlagloch, umkurvt Tausende von Pinienzapfen, naht sich riskant an den Felsen an, sieht den Abgrund beängstigend tief zur anderen Seite. Dort taucht eine kaum einsehbare Schlucht auf, dann wieder Piniendächer und alsbald immer wieder Ausblickfenster ins Durance-Tal und später nach Süden zur Kluse mit der Felsterrasse von Embrun. Wer noch nicht Radfahren konnte, wird es nach der Strecke können müssen – oder er liegt jetzt woanders zwischen Dornen und Kiefernrinde. Sehr launig, aber nicht ohne Gefahren.

Anmerkung: GPSies kennt den Piste und Straße um den Col de la Coche nicht bzw. ist falsch verzeichnet. Bei GoogleMaps ist hingegen zumindest die Wegführung richtig zu erkennen, die exakt richtige und vollständige Darstellung hat mal wieder nur die traditionelle Michelin-Papierkarte zu bieten.



Auf dieser Runde hier kann man oberhalb von St-André und weit über der Durance bleiben, nur letzte Häuser werden gestreift. Den neuen Anstieg begleitet ein liebliches Tal, bald verengt in eine kleine Schlucht, getragen von milder Abendsonne. Statt in Crévoux einzukehren (und wer nicht im Hotel übernachten will) sei empfohlen, die noch kleine Rampe bis la Chalp zu nehmen, befindet sich quasi als letztes Haus dort eine lustig-farbiges Bistro mit großen Panoramablicken – ein auch etwas flippiges, moderneres Angebot von Drinks und Speisen mit nettem Betreiber, wie ich beim Kaffee am Morgen erlebe. Fährt man noch ein wenig weiter bis zum verschärften Anstieg der Parpaillon-Straße am Waldrand, befindet sich dort ein zeltgeeigneter Parkplatz mit WC, wo auch ggf. Wohnmobilisten übernachten.



Do 6.7. Crévoux - La Chalp - Col de Parpaillon (2650 m) - St-Anne - La Condamine-Châtelard - St-Paul-s-Ubaye - Serenne - Pont du Chatelet - Maljasset/Maurin (Rifugio 1903 m, Combe Brémont ~1930 m)
55 km | 1590 Hm | 7:02 h | 7,8 km/h

AE: Gîte/Auberge La Cure: Suppe, Schweinebraten, Bratkartoffeln, Brokkoli, Käse, RW, Cafe 21,50 €
Ü dito: C im Garten (gratis), Frühstück 8 €

Es geht nun über eine grüne Arena alsbald steiler durch Lärchenwald. Erste Hinweise finden sich auf den Tunnel, dessen Passage erlaubt ist mit Einschränkungen. Auch endet bald der Asphalt, die Piste nicht einfach zu fahren, vor allem weil recht steil. Bald aus dem Wald heraus, weitet sich die Bergarena, Blumenwiesen, eher wenige Kühe, ein funkelnde Frische versprühender Bergbach. Weitere MTB-Routen sind machbar, auch eine Infotafel ist in Crévoux vorhanden. MTB-Tourismus wird hier dezent, aber gezielt gefördert. Doch bleibt das Erlebnis an diesem Berg eines für einige wenige – alle Verkehrsteilnehmer wie Autofahrer, Motorbiker und Pedalisten abzählbar an zwei Händen, drei davon E-Biker – nur zuoberst am Tunnel sorgt eine französische MTB-Gruppe für eine zweistellige Anzahl von Radlern während der gesamten Passage.

Der Tunnel Parpaillon deutet sich an, letzte Gewissheit seiner Lage kommt aber spät. Beide Portale werden von gewaltigen Geröllhängen bekleidet und das Loch bleibt zunächst dunkel. Wie erwartet tropft es im Tunnel, stehen Pfützen da und dort. Gutes (Batterie-)Licht am Rad ist anzuraten. Doch ist die Passage auch nicht so lang. Der Landschaftskontrast zu beiden Seiten ist gravierend, nach Südost eine wieder andere Arena aus Bergwiesen und Geröll. Der Fahrweg hier aber weit schlechter, schottriger, zur Auffahrt mit Reiserad eher unfahrbar – zu groß wären die Anstrengungen. Ist man weiter unten, endet die Schotterpassage noch lange nicht, eine recht kiesige, weniger steile Zwischenpassage durch Lärchenwald führt bis zum Asphaltübergang. Auch insofern ist die Schotterpassage auf dieser Seite länger als zur anderen.

(Bildstrecke und Beschreibung seien hier mit Erreichen des Ubaye-Tals in diesem Kapitel abgeschlossen, der Rest des Tages wird im nächsten Kapitel aufgegriffen.)

Bildergalerie PACA-6 (140 Bilder):



Fortsetzung folgt