Re: Frankreich BeNeLux 2018

von: Gerhard O

Re: Frankreich BeNeLux 2018 - 20.12.18 15:29

Teil 5: Über Friesland ins Ruhrgebiet


Tag 27: Freitag, 1. 6. 2018
IJmuiden – Westerland, 82 km



Ich verabschiedete mich von Schneewittchen und den 7 Zwergen und machte mich auf zur Fähre, die mich über den Noordzeekanaal bringen sollte. Der Kanal lag im Nebel und die Fähre kam aus dem Nichts und fuhr auch wieder ins Nichts. Ich hatte schon die PIN für die Kreditkarte bereitgelegt und suchte den Fahrkartenautomat. Überraschung: die Fähre war kostenlos!



Mit der Fähre war ich auch wieder auf dem LF1 Nordseeküstenradweg. In Wijk aan Zee war plötzlich eine Zusatzinfo auf dem Radwegschild: sinngemäß übersetzt: Radweg kostenpflichtig!

Das habe ich ignoriert und 500m weiter stand der Ticketautomat am Wegesrand incl. der nötigen Infos.



Hier beginnt das Nordholländische Dünenreservat und das Betreten erfordert eine Dünenkarte. Die erforderliche Betretungserlaubnis kann man an diesem Automat erwerben – natürlich nur mit Karte! 1,80€ kostet das Vergnügen für einen Tag!

1. Versuch: Kreditkarte eingesteckt: rödel … rödel … rödel : Karte nicht lesbar!
2. Versuch: Karte entnommen, überprüft und wieder eingesteckt: rödel … rödel … rödel : Karte ungültig!
3. Versuch: EC-Karte eingesteckt: rödel … rödel … rödel : Automat defekt!

Was nun? Ohne Duincard fahren? Beschreibung nochmals durchgelesen: Duincard kann auch in verschiedenen Geschäften am Rand des Naturreservats erworben werden.

Zufällig kam ein Spaziergänger mit Hund vorbei. Den habe ich dann um Rat gefragt. Seine Antwort: „Wenn Sie nur ein paar hundert Meter durch das Gebiet fahren, wird sie vermutlich niemand kontrollieren. Sollten sie aber Rangern begegnen, dann kann das teuer werden“.

Ich entgegnete, daß ich vorhabe, das ganze Gebiet bis fast nach Den Helder zu durchfahren. Daraufhin meinte er, daß es wohl besser wäre, ich würde mir eine Karte kaufen.

„Und wo bekomme ich die, wenn der Automat nicht geht?“ (Auf dem Display stand immer noch: defekt)
„Wenn sie zurück fahren in den Ort, gibt es an der ersten Kreuzung einen SPAR-Laden. Die verkaufen die Duincard“.

Also bin ich ca. 500m zurück gefahren nach Wijk aan Zee und habe im beschriebenen SPAR-Laden die Karte gekauft! Am defekten Automat konnte ich jetzt hoch erhobenen Hauptes vorbeifahren! 2 mal bin ich während des Tages Rangern begegnet und bin nicht kontrolliert worden!

Zur Landschaftspflege leben auch hier in Nordholland Hochlandrinder. Dieses hier beäugte mich neugierig, blieb aber ruhig stehen.



Diese Raupe aber hatte Angst vor mir und machte schleunigst den Weg frei.



Unterwegs habe ich noch eine Planze gesehen, die ich bisher für vertrocknetes vergilbtes Kraut hielt. Hier standen diese Gewächse aber in größeren Mengen.



Ich habe sie fotografiert, damit ich mich zu Hause schlau machen konnte: es handelt sich um die Vogelnestwurz. Das Besondere daran – sie ist immer so gelb-braun, sie hat gar kein Blattgrün.

Neben den Rindern leben hier auch Pferde.



Der Radweg durch das Reservat ist gut ausgebaut, paßt sich aber der Landschaft an. Es kann schon mal steil werden!



Am Morgen hatte ich noch gehofft, daß nach dem Nebel Sonnenschein folgt. Auch wenn es bisher trocken war, so sah es immer wieder nach Regen aus. In Egmont schien aber tatsächlich die Sonne. Ich fand eine Cafeteria mit Biergarten, wo ich jetzt mein verspätetes Frühstück nachholte: Kaffee und Kuchen!

Wieder überlegte ich: Das Dünengebiet verlassen und durch die Dörfer fahren oder im Reservat bleiben und evtl. ohne jeden Schutz bei Gewitter im Regen stehen? Ich entschied mich für die Dünen!

So warm, daß ich am Strand liegen wollte, war es nicht. Es gab aber nicht wenige Leute, die anderer Meinung waren!



Es blieb den ganzen Tag trocken, der Wind vom Meer wurde aber immer stärker. Als ich die Möglichkeit hatte, den Deich zwischen mich und den Wind zu bringen, tat ich das. Auf der Binnenseite hatte sich die Landschaft komplett geändert.





Wolkenfetzen fegten über das Wasser.



Ich strebte dem nächsten Campingplatz zu und hielt unterwegs nach einem geeigneten Restaurant für das Abendessen Ausschau. Außer diesen Hasen sah ich aber nichts. Auch er hatte sich vor dem Wind weggeduckt.



Am Camping in Westerland angekommen, war vom Platzwart nichts zu sehen. An der Rezeption gab es eine Sprechanlage, mit der man den Platzwart rufen sollte – funktionierte aber nicht. Ein zufällig vorbeikommender Dauercamper rief dann den Platzwart für mich per Handy.

Essen konnte ich in einer Gaststätte in der Nähe des Platzes. Abends hatte ich noch Unterhaltung mit einem anderen Reiseradler, der allerdings in die Gegenrichtung wollte.


Tag 28: Samstag, 2. 6. 2018
Westerland - Stavoren, 77 km

Es hatte die ganze Nacht kräftig geregnet bis in den Morgen. Ich ließ mir Zeit mit dem Aufstehen, denn im Regen wollte ich nicht losfahren. In meinem Zelt war es gemütlich und trocken!

Ganz anders bei meinem Nachbar. Da war irgendwo Wasser eingedrungen und seine Luftmatratze schwamm. Alles was offen im Zelt lag war naß, auch der Schlafsack. Er war verzweifelt, denn trocknen konnte bei dem Wetter nichts. Als ich um 9 Uhr abfahrbereit war, sah er schon etwas zuversichtlicher aus: Er hatte per Internet einen Campingplatz in der Nähe ausgemacht, der einen Wäschetrockner hatte. Den wollte er jetzt anfahren.

Ich wollte auf dem Abschlußdeich die andere Seite des IJsselmeeres und damit Westfriesland erreichen. Auf den Weg nach Den Oever hoffte ich, eine Frühstückmöglichkeit zu finden. Es ergab sich aber nichts, es blieb bei einem Besuch bei Aldi.



Es regnete nicht, aber der Wind hatte wieder zugenommen – zum Glück von hinten! Mit 30km/h sauste ich mit Rückenwind über den Deich und brauchte kaum treten. Entgegen kommende Radfahrer kämpften verbissen und manche schoben sogar!

Am Aussichtspunkt gab es eine Cafeteria. Hier kehrte ich ein und holte mein Frühstück nach.



Bei Kornwerderzand verließ ich den Deich und mußte ein Stückchen gegen den Wind fahren. Jetzt wurde mir so richtig klar, welchen Vorteil ich bei meiner IJsselmeerquerung genossen hatte.



Sobald ich Richtung Süden fuhr und mich von der Nordsee entfernte, ließ der Wind nach. In Makkum war schönstes Wetter! Ich nutzte die Gelegenheit für eine Mittagspause in einem Biergarten mit einem Matjesteller.

Workum ist ebenfalls eine Pause wert:



Die nächste Pausenstation ist dann Hindelopen.



Da in Deutschland ‚langes Wochenende‘ war, waren alle Orte voll mit Touristen, meist Segler und Surfer.

Als ich Stavoren erreicht hatte, hatten auch die letzten Segler angelegt. Der Hafen und die Stadt waren voller Menschen. Die Gaststätten hatten teilweise Tafeln vorm Eingang stehen: belegt!



Mich zog es aber erstmal zum Campingplatz. Der Hafenmeister des Yachthafens war auch gleichzeitig der Platzwart und wies mir eine Ecke weitab vom Touristentrubel zu. Ich hatte eine wirklich ruhige Nacht abseits der feiernden Segler und Wohnmobilisten!

Einen Platz im Restaurant ergatterte ich nur mit Mühe. Es saßen mehrere Segler mit mir am Tisch, die interessiert zur Kenntnis nahmen, daß man mit einem Fahrrad auch Urlaub machen kann und nicht nur Nachmittagsausflüge.


Tag 29: Sonntag, 3. 6. 2018
Stavoren - Hattem, 86 km

Als ich mich gegen 8 Uhr auf den Weg machte, lag der Hafen noch friedlich in der Morgensonne.



Frühstück sollte es im anderen Teil des Hafens geben, und dahin zog es mich jetzt. Unterwegs traf ich diesen Schwarm Perlhühner. Ich war gerade dabei, Detailaufnahmen zu versuchen, als sich ein Mann mit Hund näherte. Bei dem Hund erwachte sofort der Jagdtrieb und laut kläffend rannte er auf die Hühner zu. böse Diese entflogen augenblicklich! Darum – seht ihr nur dieses Gruppenbild.



Die Gaststätte am Hafen entpuppte sich als Verkaufstresen, wo man vorbestellte Brötchen abholen konnte – und das war’s! Ein schöner sonniger Morgen, aber ein schlechter Start in den Tag!

Meine Packtasche war besser ausgerüstet und so gab es an nächstmöglicher Stelle Rosinenbrötchen (gestern bei Aldi gekauft).

In Lemmer wollte ich dann richtig frühstücken.



Ich fand aber nichts. Eine andere Radlergruppe war ebenfalls auf der Suche nach einem Lokal und hatte auch nichts gefunden. Wir einigten uns darauf, daß Lemmer noch im Schlaf liegt und alles geschlossen hat. Wir tratschten noch etwas und dann zog jeder seines Weges.

Im nächsten Dorf (Hant) fühlte sich mein Rad plötzlich schwammig an. Ich hatte einen Plattfuß! Noch in Lemmer hatte ich verkündet, daß ich schon vier Wochen unterwegs bin und noch keine Panne hatte – und sofort folgte die Strafe auf den Fuß!

Ich war gerade dabei, mein Gepäck abzupacken und das Rad auszubauen, als ein Auto am Straßenrand hielt. Ein freundlicher Holländer hat mir sofort seine Hilfe angeboten! Ich konnte ihn aber überzeugen, daß ich alles Notwendige dabei hätte und allein zurecht käme.

Die Ursache für den Platten entpuppte sich als ein Stück Metall ähnlich einer abgebrochenen Messerspitze, das sich durch den Reifen gearbeitet hatte.

Über Emmeloord erreichte ich das Schwarze Meer Zwarte Meer.



und bei Kampen die IJssel. Es war schon Nachmittag, als ich Kampen erreicht hatte. Im Stadtzentrum hatten die Gaststätten und Biergärten geöffnet. Hier kehrte ich ein und holte mein ausgefallenes Frühstück nach.



Das Tagesziel heute war Hattem in der Nähe von Zwolle. Zwolle besuchte ich aber genauso wenig wie Urk bei Emmeloord. Diese Orte sind durchaus einen Besuch wert, ich kannte sie aber schon von früheren Ausflügen.

Bei `s-Heerenbroek habe ich mittels Fähre auf die andere Seite der IJssel gewechselt. Der Einfahrt in Hattem stand nun nichts mehr im Wege.



Die Gastsstätten von Hattem waren gut besetzt. Ich wollte aber zuerst zum Campingplatz.



Am Campingplatz gab es eine Kantine, wo man ebenfalls essen konnte. Erstmal bestellte ich eine Frikandel speciaal und als ich weitere Leckereien ordern wollte, war die Küche zu! Zurück in die Stadt wollte ich aber nicht mehr fahren.

Meine Packtasche hatte noch Lebensmittelreste. Die mußten auch verzehrt werden. Schließlich wollte ich kein Essen mit nach Hause nehmen!


Tag 30: Montag, 4. 6. 2018
Hattem - Megchelen, 90 km

Frühstück gab’s wieder im Zelt, ich hatte noch Kekse und Nüsse! Noch vor 8 Uhr war ich wieder unterwegs. Auf schnurgeraden Deichen durchfuhr ich die IJsselebene.



Wie man hier bei Heerde an der ‚höhergelegten‘ Straße erkennen kann, wird das ganze Gebiet als Überschwemmungfläche für die IJssel frei gehalten.



Welch ein Aufwand für einen Bach, der so anfängt (früherer Reisebericht).

Solche Flußniederungen sind natürlich ideale Nistgebiete für Störche.



Was diese Tiere hier treiben, weiß ich allerdings nicht. Ich erkenne noch nicht mal was es genau ist: Lama, Vikunja, Alpaka oder Guanako. Sucht Euch was aus!



Bei Deventer kam ich an der Bolwerkmolen vorbei.



Wir kennen Windmühlen vorwiegend als Getreidemühle. In den Niederlanden sind es meist Wasserpumpen. Diese hier wurde jedoch als Sägemühle benutzt!

Die nächste Sehenswürdigkeit war dieser Rotschenkel. Bei uns am Niederrhein habe ich diese Vögel noch nie gesehen!



Bei Gorssel wechselte ich wieder die Flußseite. Da ich keine Schnepfe grins bin und nicht fliegen kann, nahm ich die Fähre.



Den Seitenwechsel habe ich vor allem wegen meiner vorgesehenen Mittagspause gemacht. Diese sollte in Zutphen stattfinden, ebenfalls eine Stadt mit historischem Stadtbild. In dieser Fußgängerzone bin ich dann eingekehrt.



Wegen dem ausgefallenen Frühstück hatte ich diese Pause auch nötig!

In Doetinchem warteten irgendwelche Aliens auf mich. Da bin ich schnell vorbei gefahren.



Tagesziel sollte der letzte Campingplatz vor der Grenze sei. In Megchelen, nur wenige 100 m von Deutschland entfernt, fand ich einen Bauerncamping. Der Platz wurde von der ‚Oma‘ der Familie betrieben.

In meinem Hinterkopf hatte ich mich schon damit abgefunden, daß ich noch ca. 3 km nach Anholt (Deutschland) fahren muß, um ein Restaurant zu finden. Vorsichtshalber befragte ich die die Bäuerin, wo ich etwas zu essen bekommen könne? Die Antwort überraschte mich:

„Was soll ich Dir denn machen?“

Wir einigten uns auf Kotelett mit Bratkartoffeln und Gemüse. Dazu gab es noch eine Vorsuppe.


Tag 31: Dienstag, 5. 6. 2018
Megchelen – Oberhausen, 68 km

Frühstück bekam ich bei der Bäuerin keins. Darauf wäre sie jetzt nicht eingerichtet, denn die deutschen Gäste wären immer so anspruchsvoll: sie wollen frische Brötchen! Sowas gibt es aber in Holland nur sehr schwer. Daß Anholt in Deutschland nur 3 km entfernt ist, habe ich ihr nicht verraten. schmunzel

Ich holte mein Frühstück wenige Kilometer weiter in Isselburg nach.

Meine Augen waren nur noch auf das Endziel gerichtet: nach Hause!

In Wesel kam ich dann doch noch auf die Idee, ein paar Bilder zu machen. Die Lippemündung bot sich gerade an.



Am Kraftwerk in Voerde ist, zumindest für mich, der Anfang des Ruhrgebiets, wenn man von Wesel rheinaufwärts fährt.



Nur ein paar Kilometer weiter flußaufwärts fließt die Emscher in den Rhein. Ab jetzt ist man auch gefühlt im Ruhrrevier, denn die Emscher ist der Hauptabwasserkanal der gesamten ‚Metropole Ruhr‘.



Am Kraftwerk Walsum verließ ich die Rhein.



Die Probleme, die hier im Block 10 auftraten (siehe obiger Link) sind übrigens die gleichen, die auch im Kraftwerk Datteln Block 4 auftraten. Hier wie dort haben Kaufleute die Bedenken der Ingenieure beiseite gewischt und die ‚wirtschaftlichere‘ Variante bestellt. Es wurde viel Geld verschleudert, dann ‚nachgebessert‘ und nun hat man hier wie dort die alte ‚unwirtschaftliche‘ Technik!

Ab Walsum war ich auf dem HOAG-Weg – die Trasse einer ehemaligen Industriebahn.



Dieser Radweg läuft durch die Industrieregionen Duisburgs nach Oberhausen und macht doch einen fast ländlichen Eindruck. Hier entstand auch dieses Bild: nicht nur Schmutz und Ruß!




Fazit

Es war eine schöne Reise. Die Frühstücksproblematik in Frankreich und in den Niederlanden hatte ich erwartet, das kannte ich schon von früheren Fahrten. Von Belgien war ich positiv überrascht!

Trotz des häufigen Regens brauchte ich niemals morgens mit nasser Bekleidung losfahren. Meist kam der Regen nachmittags oder abends, wenn das Zelt schon stand. Länger als einen Tag habe ich meine (wenigen) nassen Bekleidungsstücke niemals spazieren gefahren, bis ich sie trocknen konnte. Das Zelt war dicht und stand immer so, daß keine regenverursachten Bäche quer durchs Zelt liefen.

Die Strecke von Lauterbourg bis Calais empfand ich als so anstrengend wie noch nie eine Strecke vorher. Lag es am gesundheitsbedingten Trainingsrückstand (2017 wenig gefahren, keine mehrtägige Radtour) oder doch einfach nur am Alter? Tatsache ist, daß die körperliche Regeneration viel länger dauert als früher. Die Berge werden gefühlt immer steiler und höher.

Info für alle Leidensgenossen: Die Radtour hat meinen Gesundungsprozess bezüglich Beckenbodenmuskulatur und alles, was damit zusammenhängt, stark beschleunigt!

Nach Weihnachten beginnt die Planung für das nächste Jahr! (Vielleicht mit ein paar Bergen weniger und weniger ‚Notverpflegung‘!)


Ich hoffe, der Bericht hat Euch gefallen!
Gerhard

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