Re: Tour de France: Pyrenäen - Auvergne - Jura

von: veloträumer

Re: Tour de France: Pyrenäen - Auvergne - Jura - 11.02.19 21:04

TdF-6 Riesendünen, Kiefernwälder, Austernschlecken, Salzbonbons, Mangrovendschungel und exklusive Weinkultur: Flaches Zwischenspiel in der atlantischen Gascogne

Di, 6.7. Arnaoutchot (0 km)

Der Ruhetag beginnt mit Wolken, Regen und leichtem Gewitter, meine Wäsche, im Kiefernwald ohnehin vom Wind geschützt, kann nicht trocknen. Den Morgen sitze ich in der Kaffeebar ab, schreibe viele Postkarten. Am Nachmittag gibt es dann immerhin ein milchig verschwommenen Sonnenschein, sodass ich wenigstens einen Hauch von Atlantikgefühl bekomme. Bestimmend ist jedoch der Wind, der ständig den Sand zwischen die Zähne pustet. Laut Berichten anderer Gäste ist der Sommer bisher untypisch schlecht für diese Region – das galt ja auch für meinen zurückliegenden Pyrenäenritt. Es kommt dieses Jahr einfach nichts Gutes aus dem Westen.

Mi, 7.7. Arnaoutchot – Mimizan – Parentis – Biscarrosse Plage – Pyla – Arcachon (130 km)

Mehrere Gewitter hindern mich zunächst, überhaupt das Zelt zu verlassen oder gar Dinge für die Abreise zusammenzupacken. Schließlich muss ich nach Wassereinbruch von unten mein Zelt „evakuieren“. Notdürftig reibe ich im Waschraum Teile trocken, deponiere meine Sachen unter den nur kleinen Unterstellflächen. In den Regenpausen versuche ich zusammen mit dem kräftigen Wind die Zeltplane zu trocknen. Das alles führt zu einer 2½-stündigen verspäteten Abreise.

Bis nach Vielle fahre ich über ein paar Hügel, danach wird die Strecke flach. Es geht durch immergleiche Kiefernwälder mit Farnunterbau. Für einen Strandbesuch ist das Wetter mir zu unbeständig und ich bleibe daher auf Nordkurs ohne zum Meer abzuzweigen. Starker Wind begleitet mich, teils als Rückenwind, aber auch in Böen von allen Seiten. Am Etang von Mimizan, mit einer wunderschön angelegten Blumengalerie, fröstele ich sogar in dem heftigen Wind. Bei Gastes genieße ich für ein paar Minuten unter der endlich aufblinzelnden Sonne den Blick über den Etang de Biscarosse. Durch ein Militärgelände führt die Straße in einem großen Bogen nach Osten um die Lagune herum, bevor es über Biscarosse nach Biscarosse Plage wieder nahe ans Meer geht. In Biscarosse lasse ich mir eine angebrochene Zeltstange repararieren. Für ein kleines Stück absägen fordert der Trekkingladen mit 10 Euro einen doch recht üppigen Obolus.

Mit der küstennahen Route auf der D 83 beginnen wieder kleinere, auch kräftigere Auf und Abs. Insbesondere in der Nähe der großen Dünen bei Pilat muss ich mich schon etwas anstrengen. Schon in der späten Abendsonne besteige ich dann barfuß die Düne aller Dünen, die Düne von Pilat. Wie eine weiße Wand steht sie vor dem Betrachter, und das Weiß weiterer Dünen vermittelt ein Weite, ein Meer aus Sand und darüberhinaus das Meer des Ozeans, die den Menschen wieder so klein werden lässt, das ihn zur Bescheidenheit mahnt. Wie vereinzelte Ameisen klettern Menschen über die Sandhügel. Wer den gesamten Abend in romatischer Stimmung verbringen will, sollte einen Camping noch vor der Düne von Pyla wählen, eben direkt mit dem Weitenpanorama und dem Sonnenuntergang im Westen.

Eine kleine Abfahrt nach Pyla führt auf Umwegen nach Arcachon. Die Schiffsüberfahrten zum Cap Ferret sind schon eingestellt. Daher suche ich in Arcachon den am Hang gelegenen Campingplatz (kurze, heftige Steigung). In der Stadt nehme ich noch ein meerestypisches Menü ein. Nachts ist ein Duschen wieder nicht möglich, weil die Sanitäranlagen weitgehend unbeleuchtet sind. Stattdessen schrecken wieder Gewitter und Regen die Nacht.

Do, 8.7. Arcachon – Gujan – Marcheprime – Bordeaux (88 km)

Da der Wind selbst im dichten Baumbestand des Platzes Sachen trocknet, kann ich morgens ohne große Verzögerung einpacken. Doch wenig später am Hafen von Arcachon überfällt mich ein kurzer, aber heftige Schauer. Der stürmische Wind aus Westen treibt immer wieder neue dicke Wolken heran und so verläuft der Tag mit einer Vielzahl von Regenschauern, die mich immer wieder zu kurzen Unterbrechungen zwingen. Die Idee über Cap Ferret zu fahren (und dort noch einen Badestop einzulegen) gebe ich auf. Bei 16 °C, später nur noch 14 °C, treibt mich teils der Westwind voran, ich muss aber auch ständig auf Seitenböen achten.

Als Ausgleich für die widrigen Wetterverhältnisse genehmige ich mir in Mestras besonders schmackhafte Minitörtchen und eine Packung Salz-Schokoladen-Bonbons(!). In le Teich überlege ich kurz den Ornithologiepark zu besuchen, die unbeständigen Wetterfronten verleiden es mir aber ebenso wie den Dschungelwald im Naturdelta der Leyre näher zu erkunden. Die Schauerhäufigkeit nimmt zu und in Marcheprime verbringe ich zwei gelangweilte Stunden in einer Bar. Aus Angst, gar nicht mehr vom Fleck zu kommen, starte ich gar in den heftigen Regen hinein. Oberhalb der Gürtellinie fühle ich mich noch o.k., aber die Füße werden doch unangenehm nass und auch meine Taschen sind trotz Regenhüllen nicht ausreichend geschützt.

Kurz vor Bordeaux hellt der Himmel auf und es wird etwas wärmer. Die Einfahrt in die Stadt ist recht unspektakulär. Bei der Wetterlage ist nur die Übernachtung unter festem Dach sinnvoll, zum Glück finde ich hier eine Jugendherberge (Seitenstraße zwischen City-Einfahrt und Bahnhof). Meine Zimmergenossen sind Deutsche, die Interrail-geschädigt sind, d.h. immer von Stadt zu Stadt hüpfend ohne Landschaften drumrum zu sehen und ohne zu genießen. Mit dem Rad kurve ich durch die Stadt, schaue mir ein paar Bauwerke von außen an, insbesondere die schöne Brücke mit den charakteristischen Laternen. Modernes mischt sich in Bordeaux gerne mit Historischem. Vom Touristikbüro am Bahnhof habe ich mir einen Führer geschnappt, in dem auch Gourmetadressen angegeben sind. Mein Versuch, erstmalig mir ein echtes Gourmetmenü zu leisten, scheitert jedoch. Zwei mir noch erschwingliche Restaurants finde ich zwar, aber das eine mit legerem Ambiente ist brechend voll (wohl nur mit Reservierung zu besuchen) und das andere ist leer, entspricht aber nicht meinem Stilempfinden (steife Atmoshäre mit uniformierten Nobelkellnern). Doch es gibt genügend „normale“ Alternativen, ohne Not an gutem Essen zu leiden.

Fr, 9.7. Bordeaux – Izon – Libourne – St-Emilion – Lamothe-Montravel – Pessac – Ste-Foy – Le Fleix – Bergerac (119 km)

Der Weg aus Bordeaux heraus ist einfach zu finden. Nach Libourne führt eine autobahnähnliche Schnellstraße und so ist mir willkommen, dass sich wenig befahren Nebenstraßen mit leichten Auf und Abs durch Weinfelder finden. Im adretten Städtchen Libourne ist gerade Markttag, so herrscht gerade eine lebendige Atmosphäre. Als besondere Köstlichkeiten erwerbe ich Nusstorte und Crevettenpastete. Bei leichten Kopfschmerzen bekomme ich eine leichte Fahrt geschenkt, die an noblen Weingütern vorbeiführt. Zentrum der exklusiven Weingegend ist das mittelalterliche Städtchen St-Emilion, wo sich zahlreiche amerikanische Touristen tummeln. Diese begehren vor allem eines: Die teuren Weine der umliegenden Rebenfelder. Überall sind Wineshops, die sich auf die internationale Kundschaft eingestellt haben. Ich unterhalte mich kurz auf Deutsch mit einem Weinhändler. Ich gebe vor, keinen Wein mit Rad transportieren zu können – tatsächlich wäre es kein Problem sich die Weine aber zuschicken zu lassen. Da fehlt mir dann doch das Kleingeld für die edlen Tropfen. Bekannt sind aber auch die aromatischen Makronen, die ich nicht auslasse.

Weitere leicht hügelige Weinlandschaft folgt bis ich schließlich an der verträumten, ruhig dahinfließenden Dordogne entlang fahre. Ab St-Foy nimmt der Verkehr zu, auch nicht mehr an der Dordogne entlang, dafür mit gutem Rückenwind. Es ist immer noch ziemlich kühl, gegen Abend leichte Regentropfen. Da ich mich doch ziemlich unwohl fühle, ziehe ich in Bergerac ein einfaches Hotelzimmer dem Camping vor. Eine schöne Altstadt bildet die Kulisse für offene Restaurantplätze. U.a. gibt es köstlichen Ackersalat mit Walnüssen und Entenleber.

Hier enden meine authentischen Aufzeichnungen. Verblieben sind aber doch noch einige Eindrücke, fortan nun die Reise etwas kürzer im Rückblick kommentiert.

Fortsetzung folgt